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Full text of "Antisemitismus als politische Waffe"

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Norman G. Finkelstein 








Antisemitismus 

Israel, Amerika und der Mißbrauch der Geschichte 

als politische Waffe 


PIPER 







»Das beste Mittel gegen Antisemitismus ist, 
laut die Wahrheit zu sagen und für 

Gerechtigkeit ZU kämpfen.« Norman C. Finkelstein 



Nach seinem vieldiskutierten Bucherfolg »Die Holocaust- 
Industrie« setzt sich Norman G. Finkelstein erneut mit 
einem sehr umstrittenen Thema auseinander: dem Miß- 
brauch des Antisemitismus-Vorwurfes als politische Waffe. 
Immer wieder, so Finkelstein, werden Kritiker, die Israel 
eine menschenrechtsmißachtende Politik gegenüber den 
Palästinensern vorwerfen, als Antisemiten hingestellt. 
Im Detail belegt er, warum diese Kritik an Israel richti 
und sogar notwendig ist. Denn er ist davon überzeugt, 
daß Offenheit gegenüber Israel das wirkungsvollste Mittel 
gegen wirklichen Antisemitismus ist. Felicia Langer, die 
israelische Menschenrechtsanwältin, unterstreicht in 
ihrem Vorwort, wie recht Finkelstein damit hat. 



ISBN -13: 978-3-492-04861-3 
ISBN-10: 3-492-04861-7 




An Norman G. Finkelstein scheiden sich 
die Geister. Ist er, wie Lorenz Jäger zu »Die 
Holocaust- Industrie« in der FAZ schrieb, 
»ein jüdischer Dissident, wie Hannah 
Arendt zu ihrer Zeit«, dessen Buch »die 
Wirkung der großen Polemik« hatte? 
Oder ist er ein Verschwörungstheoretiker, 
wie seine Gegner behaupten? In seinem 
neuen Buch greift er wieder ein heißes Ei- 
sen auf, ein Thema, das auch in der aktu- 
ellen politischen Diskussion ständig prä- 
sent ist. Israel und viele seiner Fürspre- 
cher, besonders in den USA, benützten den 
Antisemitismusvorwurf, so Finkelstein, 
um die Menschenrechtsverletzungen ge- 
genüber den Palästinensern zu bemänteln 
und sich zugleich gegen Kritik zu immu- 
nisieren. Im Detail belegt er, wie dieser 
Antisemitismusvorwurf immer dann ein- 
gesetzt wird, wenn die aus seiner Sicht 
völlig berechtigte Kritik am israelischen 



laut wird 



Warum er diese Kritik für legitim hält, 
dokumentiert Finkelstein ausführlich. 
Deshalb ist er überzeugt, daß Israel sich 
hier zu Unrecht als Opfer eines neuen An- 
tisemitismus sieht. Und er macht deut- 
lich, daß nicht falsche Rücksichtnahme, 
sondern vielmehr konstruktive Kritik an 
Israel ein wirkungsvolles Mittel im 
Kampf gegen den wirklichen Antisemitis- 
mus ist. In ihrem Vorwort unterstützt die 
israelische Menschenrechtsanwältin Feli- 
cia Langer diese Position Finkelsteins, die 
dieser selbst in seiner »Vorbemerkung zur 
deutschen Ausgabe« nochmal zuspitzt. 




Norman G. Finkelstein, geboren 1953 in 
New York als Sohn von Holocaust- 
Überlebenden. Er studierte an der 
Princeton University und in Paris, pro- 
movierte 1988 in Princeton mit einer 
Arbeit über die Theorie des Zionismus. 
Er lehrte Politikwissenschaft an der Ci- 
ty University in New York und ist seit 
2001 Professor für Politische Theorie an 
der DePaul University in Chicago. 
Weltweit diskutiert wurde sein Buch 
»Die Holocaust-Industrie« (Serie Piper 
3580), das monatelang auf der 
SPIEGEL-Bestsellerliste stand. Außer- 
dem veröffentlichte er u.a. mit Ruth 
Bettina Birn »Eine Nation auf dem 
Prüfstand. Die Goldhagen-These und 
die historische Wahrheit«. 

Felicia Langer, geboren 1930 in Polen, 
ist Überlebende des Holocaust. Sie ging 
nach dem Krieg nach Israel, wo sie spä- 
ter als Anwältin für die Rechte der Pa- 
lästinenser kämpfte. Sie ist Trägerin des 
Alternativen Nobelpreises und lebt in 
Deutschland. 



Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München 
Umschlagkonzeption: R. Eschlbeck, München 



Norman G. Finkelstein 

ANTISEMITISMUS ALS 
POLITISCHE WAFFE 

Israel, Amerika und der Mißbrauch der Geschichte 

Aus dem Amerikanischen 
von Maren Hackmann 

Mit einem Vorwort von Felicia Langer und einer 
Vorbemerkung des Autors zur deutschen Ausgabe 

Mit 6 Abbildungen 




Piper 
München Zürich 



Die amerikanische Originalausgabe erschien 2005 
unter dem Titel Beyond Chutzpah: On the Misuse 
of Anti-Semitism and the Abuse ofHistory bei 
University of California Press, Berkeley/ Los Angeles. 
Die Veröffentlichung der deutschen Ausgabe erfolgt in 
Abstimmung mit der University of California Press. 

In Zusammenarbeit mit dem Autor wurde die deutsche 
Ausgabe um einige Passagen gekürzt. Dies betrifft vor 
allem die umfangreichen Anhänge, die interessierte Leser 
in deutscher Übersetzung unter info@piper.de mit dem 
Stichwort »Finkelstein- Anhänge« anfordern oder auf der 
Homepage des Autors unter www.NormanFinkelstein.com 
finden können. 



ISBN-13: 978-3-492-04861-3 

1SBN-10: 3-492-04861-7 

© 2005 Norman G. Finkelstein 

Deutsche Ausgabe: 

© Piper Verlag GmbH, München 2006 

Satz: seitenweise, Tübingen 

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck 

Printed in Germany 

www.piper.de 



Für Musa Abu Hashhash 

und all die anderen Palästinenser und Israelis, 

die gemeinsam 

Menschenrechtsverletzungen dokumentieren 

und so dafür sorgen, 

daß die Wahrheit nicht verlorengeht. 



The world is füll of evil people and it is 
important to stand up to evil. 

Alan M. Dershowitz, 

Letters to a Young Lawyer 



Inhalt 



Vorwort von Felicia Langer 9 

Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe 18 

Allgemeine Einführung 23 

Teil I Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

1 Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 53 

2 Israel - Der »Jude« unter den Völkern 70 

3 Zeter und Mordio 113 

Teil II »Im allgemeinen herausragend«: 
Israels Menschenrechtsbilanz 

Einleitung 143 

4 Unreinheit der Waffen 153 

5 Kurzer Prozeß 204 

6 Israels Abu Ghraib 216 

7 Rückkehr der Wandalen 253 

8 Abgeschnürte Lebensader 285 

9 Unrechtsprechung 308 
Schlußbemerkung 321 

Danksagung 325 

Anmerkungen 327 



Vorwort von Felicia Langer 



Antisemitismus als politische Waffe ist ein Thema, das dringend 
einen Autor gesucht hat - es hat ihn in Norman Finkelstein ge- 
funden, einem Autor, der bisher schon einiges gewagt hat. Wie 
das vorliegende Buch bezeugt, ist er dem Thema gewachsen; 
die Genauigkeit und Akribie seiner Recherchen und Analysen 
sind bewundernswert. 

Im ersten Teil des Buches befaßt sich der Autor vor allem mit 
der Instrumentalisierung von Antisemitismus durch die pro- 
israelische Lobby in den USA und in Europa, zugunsten der 
israelischen Politik. Immer wenn die Gefahr besteht, die inter- 
nationale Gemeinschaft könnte mit verstärktem Druck von Is- 
rael verlangen, die besetzten Gebiete gemäß dem Völkerrecht 
zu räumen, wird, so Finkelsteins Analyse, ein neuer Antisemi- 
tismus inszeniert: »eine weitere, bis ins kleinste Detail durch- 
komponierte Oper, die den Zuschauern medienwirksam die 
erschrecklichen Ausmaße des weltweiten Antisemitismus vor 
Augen führen soll.« 

Mit ihrem Antisemitismusvorwurf bezwecken die amerika- 
nisch-jüdischen Eliten vor allen Dingen eines: Wer Israel kriti- 
siert, soll als verkappter Antisemit erscheinen, und Berichte 
über die Lage der Palästinenser unter der Besatzung, ihre Un- 
terdrückung und ihr Leid sollen tabu sein; denn nur Israel steht 
die Rolle des Opfers zu. Das bedeutet, die wahre Situation soll 
auf den Kopf gestellt werden, und Israel soll Immunität ge- 
nießen. 



Vorwort von Felicia Langer 

Die Hysterie bezüglich eines »neuen Antisemitismus« dient 
nicht nur dazu, berechtigte Kritik an Israel im Keim zu er- 
sticken, sie soll auch von Verletzungen des Völkerrechts und 
grundlegender Menschenrechte ablenken. So wurde die Wei- 
gerung, sich am Angriffskrieg gegen den Irak zu beteiligen, mit 
Judenhaß gleichgesetzt. Der Schriftsteller Elie Wiesel, Ausch- 
witz-Überlebender und Friedensnobelpreisträger, sagte am 27. 
Februar 2003 zum amerikanischen Präsidenten George W. 
Bush, der Irak sei ein terroristischer Staat und die Intervention 
sei eine moralische Pflicht. Hätte der Westen 1938 in Europa 
eingegriffen, hätten der Zweite Weltkrieg und der Holocaust 
verhindert werden können, gab Wiesel zu bedenken. »Das war 
ein bedeutender Moment für mich«, erinnerte Bush sich später, 
»denn ich fühlte mich in diesem Moment bestätigt.« 

Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutsch- 
land, hat die deutsche Ablehnung des Irakkrieges scharf verur- 
teilt und ähnlich wie Elie Wiesel argumentiert. Seine Worte hat- 
ten einen sehr schlechten Klang angesichts der Millionen, die in 
Deutschland und überall auf der Welt gegen den Krieg demon- 
strierten, darunter auch sehr viele Juden. 

Erschreckend, welche Verbündete diese Lobby auch am rech- 
ten Rand der Gesellschaften hat, so zum Beispiel Silvio Berlus- 
coni, Gianfranco Fini von der neofaschistischen Nationalen Al- 
lianz in Italien, Jean-Marie Le Pen in Frankreich ... Was die 
christlichen Fundamentalisten in den USA betrifft, sagen die 
Lobbyisten, deren sprichwörtliche Intoleranz wirke sich derzeit 
nicht allzu schlimm aus. Was zähle, sei ihre freundschaftliche 
Haltung gegenüber Israel. 

Ich möchte mit dem Leser meine Erfahrungen in Deutsch- 
land teilen, als israelische Jüdin und Überlebende des Holo- 
caust. Mein Mann Mieciu hat fünf Nazikonzentrationslager als 
einziger seiner Familie und nur am Rande des Todes überlebt. 
Meine ganze Familie wurde ermordet, außer meiner Mutter 
und mir, die wir damals in der UdSSR waren. Mein Mann und 
10 



Vorwort von Felicia Langer 

ich leben seit fünfzehn Jahren in Deutschland, das unser gelieb- 
tes Zuhause geworden ist. Wir selbst haben in all den Jahren 
keine Erfahrung mit Antisemitismus in Deutschland gemacht. 
Das zu betonen ist wichtig, weil mein Mann seit Jahren über 
seine qualvollen Erlebnisse während der Nazizeit in Schulen 
spricht, und im Laufe der Jahre hatte er viele Tausende Zuhö- 
rer. Ich möchte die Existenz von Antisemitismus und Fremden- 
feindlichkeit in Deutschland aber auch nicht leugnen. Unser 
erstes Erlebnis in dieser Hinsicht war das folgende: 

Eines Tages, 1990, habe ich ein schwarzes Hakenkreuz auf 
der Wand eines Einkaufszentrums in Tübingen gesehen. All 
die Schönheit der zauberhaften sommerlichen Landschaften 
ringsum konnte diese Verschandelung nicht überdecken. 
Mein Mann und ich haben uns entschieden, das Hakenkreuz 
zu tilgen. Wir sind in der Nacht zusammen hingegangen, um 
es zu tun. Aber jemand hatte es schon entfernt, offenbar ein 
paar Minuten vor uns. Jemand, dem das Nazisymbol genau- 
so zuwider war wie uns. So bin ich meiner ersten anonymen 
Lichterkette in Deutschland begegnet. 1 

Diese sogenannten Lichterketten sind unsere Verbündeten in 
Deutschland im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und den 
realen Antisemitismus; aber auch gegen Krieg und gegen die 
verheerende Politik Israels gegenüber dem palästinensischen 
Volk, die auch Thema dieses Buches ist. Norman Finkelstein 
wendet sich gegen den Mißbrauch des Holocaust seitens derje- 
nigen, die den Antisemitismus als politische Waffe benutzen. 
Dabei geht es ihm darum, die Würde der Opfer wiederherzu- 
stellen und ihrem wahren Vermächtnis gerecht zu werden. 
Mein Mann Mieciu und ich teilen Norman Finkelsteins Anlie- 
gen, und ich möchte hier aufgreifen, was ich einmal an anderer 
Stelle über dieses Vermächtnis geschrieben habe: 



11 



Vorwort von Felicia Langer 

Es ist das Vermächtnis der Ermordeten, wie ich es zusammen 
mit Mieciu im Laufe der Jahre verinnerlicht habe, angesichts 
jeglichen Unrechts und Verbrechens nicht zu schweigen, 
sondern unermüdlich jede Art von Rassismus und Antisemi- 
tismus zu bekämpfen, die Würde und die Rechte des Men- 
schen, wer immer es auch sei, zu verteidigen. Dies ist die 
Verpflichtung des deutschen Volkes für alle Zeiten, doch 
nicht nur die seine. Aus Achtung vor dem Andenken an all 
jene Opfer und im Geiste ihres letzten Vermächtnisses, das 
Menschlichkeit heißt, prangere ich die jahrzehntelange Un- 
terdrückung der Palästinenser durch Israel an und das Un- 
recht, das ihnen angetan wurde und bis zum heutigen Tage 
andauert. 2 

Norman Finkelstein schreibt, mit Recht, daß diejenigen Juden, 
die den echten Antisemitismus bekämpfen wollen, zuallererst 
den vermeintlichen »Antisemitismus« als Bluff entlarven müs- 
sen: 

Es gibt sehr wohl eine erprobte Strategie, mit der sich Anti- 
semitismus, wie im übrigen auch Fanatismus anderer Art, 
bekämpfen läßt. Diese Strategie besteht darin, laut die Wahr- 
heit zu sagen und für Gerechtigkeit zu kämpfen... Die echten 
Antisemiten nehmen die israelische Unterdrückungspolitik 
zum Vorwand, um Juden zu verteufeln; ein Ende der Besat- 
zung würde diese Leute erstens einer gefährlichen Waffe be- 
rauben und zweitens ihre wahren Ziele zum Vorschein brin- 
gen. Je mehr Juden ihre Ablehnung der israelischen Besat- 
zung offen zum Ausdruck bringen, desto weniger NichtJu- 
den werden fälschlicherweise annehmen, daß »die Juden« 
die verbrecherische israelische Politik und die unkritische 
Unterstützung, ja Ermunterung, die diese Politik durch die 
einschlägigen jüdischen Organisationen erfährt, gutheißen. 3 



12 



Vorwort von Felicia Langer 

Eine klare und eindeutige Aussage. 

Im zweiten Teil des vorliegenden Buches lesen wir über die 
Menschenrechtssituation in Israel-Palästina. Israels Menschen- 
rechtsbilanz ist »im allgemeinen herausragend«, behauptet der 
an der Harvard Law School lehrende Juraprofessor und Anwalt 
Alan Dershowitz in seinem Buch Plädoyer für Israel. »Sinn und 
Zweck« seines Buches sei es, so Dershowitz, »zur Reinigung 
[der] Atmosphäre beizutragen, indem es den Diskus- 
sionspartnern direkte und wahrheitsgemäße Erwiderungen auf 
falsche Anschuldigungen an die Hand gibt.« Das Buch wurde 
in den USA ein Bestseller; amerikanisch-jüdische Organisatio- 
nen verschenkten es großzügig an Universitäten, das israelische 
Außenministerium erwarb Tausende von Exemplaren, um sie 
zu verteilen. 

Zu den Menschenrechten der Palästinenser in den besetzten 
Gebieten und ihren flagranten Verletzungen durch Israel habe 
ich manches zu sagen - immerhin habe ich als erste jüdische 
Anwältin 23 Jahre lang (von 1967 bis 1990) die Palästinenser in 
den besetzten Gebieten vertreten. Ich möchte mich bei Norman 
Finkelstein dafür bedanken, daß er die Lügen von Alan Ders- 
howitz in seinem Buch entlarvt und dem Leser wichtige Infor- 
mationen über die verschiedenen israelischen, palästinen- 
sischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen zu- 
gänglich macht. Dershowitz ignoriert die Berichte der Men- 
schenrechtsorganisationen, die übereinstimmend die israeli- 
schen Menschenrechtsverletzungen, die in vielen Fällen sogar 
Kriegsverbrechen darstellen, aufs schärfste verurteilen. Ich ver- 
urteile sie auch, als Zeitzeugin und als Augenzeugin, und klage 
die verschiedenen israelischen Regierungen an. 

Die Seiten des vorliegenden Buches, die sich mit den - von 
Dershowitz geleugneten - israelischen Verbrechen während der 
Al-Aqsa-Intifada befassen, sind erschütternd und zeigen, wie 
zurückhaltend die Medien in Deutschland in dieser Hinsicht 

13 



Vorwort von Felicia Langer 

seit jeher sind und wie sie das Ausmaß der israelischen Unter- 
drückung der Palästinenser verschweigen. 

Ein Kapitel für sich sind die israelischen Attentate gegen 
»verdächtige« Palästinenser, sogenannte »Liquidierungen« (üb- 
rigens ein Naziterminus), die Dershowitz rechtfertigt. Die ge- 
heimen Einheiten machten bereits während der ersten Intifada 
(1987-1993) regen Gebrauch von ihrer Lizenz zum Töten. Im 
Laufe der zweiten Intifada wurden diese Attentate dann zur 
offiziellen israelischen Politik erklärt. Außergerichtliche Hin- 
richtungen sind nicht nur Staatsterror, sondern gemäß der vier- 
ten Genfer Konvention von 1949 schlicht Kriegs verbrechen. 

Am 21. August 2002 habe ich während einer Veranstaltung 
in Wien über die auch von Norman Finkelstein thematisierte 
verbrecherische Invasion Israels in den besetzten Gebieten - 
euphemistisch »Operation Schutzschild« genannt - berichtet. 
Ich sprach über die Hinrichtungen, die Verbrechen im Flücht- 
lingslager Jenin, aber auch über eine friedliche Lösung des Kon- 
fliktes. Die israelitische Kultusgemeinde in Wien hatte ihre Mit- 
glieder geschickt, um wild zu stören, mich als Antisemitin und 
Verräterin zu diffamieren, tumultartige Szenen zu veranstalten, 
»Nazis raus!« zu schreien ... Es kam beinahe zu Handgreiflich- 
keiten, und die Veranstaltung mußte abgebrochen werden. Der 
österreichische Zweig der jüdischen Lobby konnte die Wahrheit 
nicht ertragen und setzte den Vorwurf des Antisemitismus als 
Waffe ein. 

Das Kapitel »Israels Abu Ghraib«, über Folter, hat eine be- 
sondere Bedeutung für mich. Als ich die Bilder aus dem ira- 
kischen Gefängnis Abu Ghraib auf den Bildschirmen sah, habe 
ich an meine geschundenen palästinensischen Mandanten ge- 
dacht und öffentlich erklärt: »Dies sind die israelischen Metho- 
den, um Gefangene zu brechen; nur hat man sie bei uns nie fo- 
tografiert, und unsere Folterer genießen leider Immunität.« Ich 
habe an Sami Esmail gedacht - Norman Finkelstein beschreibt 
seinen Fall - und an Dershowitz, der schon 1978 bereit war, in 
14 



Vorwort von Felicia Langer 

diesem Fall zu lügen, um die israelischen Folter- und Mißhand- 
lungsmethoden reinzuwaschen. Ich habe die Wunden von Fol- 
terungen bei meinen Mandanten mit eigenen Augen gesehen 
und den Obersten Gerichtshof angerufen. Vergeblich. Einige 
Mandanten trugen durch die Folterungen psychische Störun- 
gen davon, einige verloren sogar ihr Leben, so zum Beispiel 
Auad Hamdan aus dem Westjordanland, der im Juli 1987 starb, 
und Mahmud El Masri, der im März 1989 im Shin-Bet-Trakt des 
Gefängnisses von Gaza starb. 4 Ich kann den Lesern nur empfeh- 
len, dieses so wichtige Kapitel sehr aufmerksam zu lesen, denn 
Israel foltert palästinensische Häftlinge wieder routinemäßig, 
und in den Gefängnissen herrscht das auch im vorliegenden 
Buch beschriebene Grauen. 

Norman Finkelstein schreibt auch über die Zerstörung von 
Häusern als Kollektivstrafe. Während der zweiten Intifada hat 
diese grausame Maßnahme massive Ausmaße angenommen. Es 
gibt Tausende von Palästinensern, die obdachlos geworden 
sind, viele nicht zum ersten Mal in ihrem Leben. Diese völker- 
rechtswidrige Maßnahme, von der Völkergemeinschaft verur- 
teilt, wird von Dershowitz gerechtfertigt. Gestützt auf Berichte 
von Menschenrechtsorganisationen schildert Finkelstein Fälle, 
in denen Palästinenser in den zerstörten Häusern lebendig be- 
graben wurden. Ich kann nur betonen, daß meine Versuche 
beim Obersten Gerichtshof, diese völkerrechtswidrige Kollek- 
tivstrafe abzuschaffen oder zu stoppen, in all den Jahren verge- 
bens waren. Daneben wird die Zerstörung von »illegal« erbau- 
ten Häusern thematisiert. Ich erkläre hiermit, daß ich mich jah- 
relang, meist erfolglos, bemüht habe, Baugenehmigungen für 
Palästinenser zu bekommen. Israel verfolgt hier eine klare Poli- 
tik der Strangulierung. Das Ziel dieser Politik, so analysiert es 
auch Norman Finkelstein, war und ist die größtmögliche Aus- 
weitung des für jüdische Besiedlung zur Verfügung stehenden 
Landes. Palästinensische Ortschaften sollen sich dagegen nicht 
vergrößern dürfen. 

15 



Vorwort von Felicia Langer 

Israels »Oberster Gerichtshof gehört zu den besten der Welt 
und hat wiederholt sowohl militärische als auch zivile Entschei- 
dungen verworfen und das Militär wie auch den Staat gezwun- 
gen, nach dem Prinzip der Rechtsherrschaft zu operieren«, 
schreibt Dershowitz. Unter Bezug auf Menschenrechtsorgani- 
sationen und israelisches Expertenwissen widerlegt Norman 
Finkelstein diese absurde These eindeutig. 

Ich stimme Norman Finkelstein zu, daß die Rechtsprechung 
des Obersten Gerichtshofes allzu oft Unrechtsprechung war 
und ist und daß es für Lobeshymnen nicht den geringsten Anlaß 
gibt. Dies stelle ich fest aufgrund meiner 23jährigen Erfahrung 
als die erste »Pionier-Rechtsanwältin«, die Anträge von Palä- 
stinensern gegen die Besatzungskräfte beim Obersten Gericht 
eingereicht hat. Auch viele israelische Anwaltskollegen können 
dies bezeugen. In Fällen von Häuserzerstörungen, der Legi- 
timierung von Siedlungen und Landnahme, von Deportation, 
Folterung, verweigerter Familienzusammenführung und Admi- 
nistrativhaft hat das Gericht meine Anträge abgewiesen, meist 
im Widerspruch zu äußerst klaren Maximen des Völkerrechts. 
Aus Protest gegen diese langjährige »Unrechtsprechung« und 
gegen das ganze verrohte militärische Rechtssystem der Besat- 
zung habe ich nach 23 Jahren meine Anwaltspraxis in Jerusalem 
geschlossen. Das bedeutet aber nicht, daß ich mich geschlagen 
geben würde. Ganz im Gegenteil. Ich nutze auch weiterhin jede 
Gelegenheit, die Wahrheit ans Licht zu bringen. 

Norman Finkelstein versucht den israelisch-palästinensischen 
Konflikt, der künstlich verkompliziert wird, historisch und po- 
litisch zu »entkomplizieren«, und zeigt auf, wie der Konflikt 
völkerrechtlich lösbar ist. Er beschreibt die »Zwei-Staaten- 
Lösung«. Die Palästinenser haben sich schon seit längerem be- 
reit erklärt, sich mit rund 20 Prozent des historischen Palästina 
zu begnügen, wobei die völkerrechtsgemäße Lösung der 
Flüchtlingsfrage noch zu klären wäre. Dagegen besiedelt Israel 
16 



Vorwort von Felicia Langer 

weiterhin illegal die besetzten Gebiete, baut eine Apartheids- 
mauer tief ins Westjordanland hinein und lehnt jede Verant- 
wortung für die palästinensische Flüchtlingstragödie ab. 

Norman Finkelstein appelliert an die Leser, sich politisch zu 
engagieren, sich der Wahrheit zu verpflichten, »damit wir ge- 
meinsam einen gerechten und dauerhaften Frieden für Israel 
und Palästina herbeiführen können«. Er findet Wege zu den 
Entrechteten, durch Anprangerung des Unrechts, das Israel ih- 
nen antut, und so baut er die Brücke zum Frieden zwischen Is- 
rael und Palästina. Finkelsteins Stimme ist eine wichtige, gewis- 
senhafte, menschliche Stimme - eine andere jüdische Stimme, 
ein Segen für die Palästinenser und die Juden. 

Der 10. Mai 1976 war für mich ein denkwürdiger Tag. Ich 
sprach im Science Center der Harvard University in Cam- 
bridge, Massachusetts. Die Veranstaltung und ich selbst stan- 
den aufgrund massiver Drohungen unter Polizeischutz. Die 
Störungen, Schreie und Buhrufe waren immens. Die Rowdys, 
jüdisch-zionistische Studenten, schrieen: »Sie wird hier nicht 
sprechen!« Anschließend kam eine Frau auf mich zu und gab 
mir ein Porträt von mir, das sie gezeichnet hatte. Es trug den 
Titel: 

»Blessed are the peacemakers« 

Für mich war dieses Geschenk der Beweis dafür, daß nicht die 
Störer die Oberhand behalten hatten. Ich möchte dem Autor 
dieses Buches sagen: 

»Gesegnet sind die Friedensstifter!« 

Tübingen, Oktober 2005 
Felicia Langer 



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Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe 



Es geht mir bei diesem Buch vor allen Dingen darum, eine ein- 
fache Frage zu beantworten: Wie kommt es, daß ein Thema, das 
bei nüchterner Betrachtung denkbar unstrittig ist, so viele Kon- 
troversen auslöst? Daß es zum Thema des israelisch-palä- 
stinensischen Konflikts eigentlich keine Kontroversen geben 
sollte, hören viele Leserinnen und Leser vielleicht zum ersten 
Mal. Fest steht aber: Die meisten Historiker sind sich über die 
Entstehung des israelisch-palästinensischen Konflikts einig; die 
meisten Menschenrechtsorganisationen sind sich über die heu- 
tige Situation in Israel und den besetzten Gebieten einig; und 
die meisten politischen und rechtlichen Institutionen sind sich 
darüber einig, welche Maßnahmen zu ergreifen wären, um den 
Konflikt zu lösen. 

Im vorliegenden Buch führe ich aus, daß die Kontroversen 
zum israelisch-palästinensischen Konflikt überwiegend künst- 
lich herbeigeredet werden, und zwar von denen, die Israel blind 
verteidigt sehen wollen. Ihr Ziel ist es, von den eben erwähnten 
Tatsachen abzulenken. Darum sorgen sie dafür, daß an belang- 
losen Debatten, die die gewünschte Verwirrung stiften, kein 
Mangel herrscht. Eine besonders beliebte Taktik besteht darin 
zu behaupten, in den westlichen Gesellschaften greife derzeit 
ein »neuer Antisemitismus« um sich. Im ersten Teil dieses Bu- 
ches zeige ich, daß dieser angebliche »neue Antisemitismus« 
weder neu ist noch etwas mit Antisemitismus zu tun hat. Israels 
Apologeten reden immer dann von einem »neuen Anti- 
18 



Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe 

semitismus«, wenn Israel sich mit einem größeren Public- 
Relations-Debakel konfrontiert sieht oder wenn der internatio- 
nale Druck auf Israel wächst, den Konflikt mit den Palästinen- 
sern auf diplomatischem Wege zu lösen. Der in den letzten Jah- 
ren erhobene Vorwurf eines neuen Antisemitismus fällt zeitlich 
mit der brutalen Unterdrückung in den besetzten Gebieten so- 
wie mit Israels Entschluß zusammen, durch den Bau einer völ- 
kerrechtswidrigen Mauer im Westjordanland palästinensisches 
Land zu annektieren. 

Die hysterischen Warnungen der Apologeten Israels zeigten 
Wirkung: Die internationale Gemeinschaft veranstaltete eigens 
Konferenzen zum neuen Antisemitismus, und UN-General- 
sekretär Kofi Annan rief einen offiziellen Welt-Holocaust- 
Gedenktag aus. Die Europäische Union pries Sharon unterdes- 
sen als Friedensstifter, zog er doch ein paar tausend illegale jü- 
dische Siedler aus dem Gazastreifen ab. Zwar hat Sharon 
gleichzeitig dafür gesorgt, daß Israel mit Hilfe hunderttausen- 
der illegaler jüdischer Siedler das Westjordanland auch weiter- 
hin fest im Würgegriff hält und die Palästinenser immer tiefer 
ins Elend gestürzt werden; doch die EU tat so, als durchschaute 
sie Sharons zynischen Trick nicht, und spielte sein Spiel brav 
mit. Die moralische Feigheit der EU zeigte sich jüngst auch dar- 
in, daß sie sogar ihre eigene Studie zurückhielt, aus der klar 
hervorging, daß die illegale israelische Mauer jede Hoffnung 
auf eine Zwei-Staaten-Lösung zunichte macht. 

Es wäre lächerlich abzustreiten, daß es in Deutschland und 
anderswo in Europa Antisemitismus gibt. Es wäre aber genauso 
lächerlich abzustreiten, daß das Ausmaß dieses Antisemitismus 
stark übertrieben wird, damit die Kritik an Israel im Keim er- 
stickt wird. Um die echten Antisemiten zu entlarven, brauchte 
Israel nur seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nach- 
zukommen und das zu tun, was der überwiegende Teil der 
Menschheit (einschließlich vieler Juden) dringend zur Lösung 
des Konflikts empfiehlt: sich vollständig aus den besetzten pa- 

19 



Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe 

lästinensischen Gebieten zurückzuziehen. Diejenigen, die Israel 
auch dann noch kritisieren, wenn sich das Land an das Völker- 
recht hält, können wir mit Fug und Recht als Antisemiten be- 
zeichnen. Doch diejenigen als Antisemiten abzustempeln, die 
Israel wegen seiner Völkerrechtsverletzungen kritisieren, ist 
blanker Zynismus. 

Es gibt sicher Gründe, gute wie schlechte, warum sich an- 
ständige Deutsche mit dem Leid der Palästinenser lieber nicht 
allzu intensiv beschäftigen wollen. Es gibt jedoch mindestens 
zwei gute Gründe dafür, warum sie es eben doch tun sollten. 
Erstens nutzt Israel das unsagbare Leid, das den Juden wäh- 
rend des Zweiten Weltkriegs angetan wurde, aus, um seine 
Verbrechen an den Palästinensern zu rechtfertigen. Der verstor- 
bene Edward Said pflegte zu sagen, der palästinensische Kampf 
sei deswegen so schwierig, weil die Palästinenser die Opfer von 
Opfern seien. Daraus ergibt sich für die Deutschen die Notwen- 
digkeit, einen Spagat zu versuchen, nämlich die nach Wieder- 
gutmachung verlangende deutsche Vergangenheit im Blick zu 
behalten, dabei aber Menschenrechts Verletzungen, die es heute 
zu beenden gilt, nicht aus den Augen zu verlieren. Zugegeben, 
diesen moralischen Imperativ zu befolgen, mag nicht immer 
leicht sein. Doch die Sühne für vergangene Verbrechen darf 
niemals zur Duldung aktueller Verbrechen führen. Die morali- 
sche Herausforderung, die sich daraus für die Deutschen ergibt, 
könnte nicht größer sein. Sie besteht darin, einerseits der Ver- 
antwortung gerecht zu werden, die ihnen aus den Verbrechen 
des »Dritten Reichs« gegen das jüdische Volk erwächst, es an- 
dererseits aber auch nicht zuzulassen, daß ihnen aufgrund die- 
ses schrecklichen Vermächtnisses das Recht abgesprochen wird, 
aktuelle Verbrechen anzuprangern, nur weil diese von einem 
Staat begangen werden, der sich selbst als jüdisch definiert. 
Sich dieser Herausforderung zu stellen, ist in Wahrheit die 
würdigste Form der Holocaust-Erinnerung. 

Zweitens wirkt der israelisch-palästinensische Konflikt für 
20 



Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe 

die ganze Menschheit vergiftend - eine Gefahr, die gar nicht 
groß genug eingeschätzt werden kann. Ich meine gar nicht ein- 
mal die Gefahr, daß dieser Konflikt eine Kettenreaktion auslö- 
sen und schließlich zur nuklearen Verwüstung führen könnte, 
oder daß er die muslimische Welt womöglich zu Wahnsinnsta- 
ten verleitet, auch wenn dies zweifellos ernste Sorgen sind. Ich 
meine vielmehr die zersetzende Wirkung dieses Konflikts, was 
die Moral anbelangt. Ständig wird behauptet, die Welt sei nach 
dem Terroranschlag auf die USA am 11. September 2001 nicht 
mehr dieselbe. So, wie sie gemeinhin aufgefaßt wird, ist diese 
Behauptung absurd. Schließlich ist kaum ein Land der Welt in 
den letzten Jahrzehnten von Terrorismus - verschiedener Art 
und Schwere - verschont geblieben, wobei ein Gutteil dieses 
Terrors von der jeweiligen amerikanischen Regierung selbst 
verübt oder zumindest unterstützt wurde. Was sich aber seit 
dem 11. September geändert hat, ist, daß die USA und Israel es 
nunmehr darauf anlegen, die während der letzten hundert Jah- 
re bei der Entwicklung von Völker- und Menschenrechts- 
normen erzielten Fortschritte mit vereinten Kräften rückgängig 
zu machen. Die Weigerung, in die Barbarei zurückzufallen, 
wird mit Appeasement gegenüber Terroristen gleichgesetzt. 

Im zweiten Teil dieses Buches dokumentiere ich ausführlich 
das von Israel in den besetzten Gebieten unter dem Vorwand 
der Terrorismusbekämpfung geschaffene Schreckensregime: 
Entführungen, illegale Haft, systematische Folter, die willkürli- 
che Anwendung tödlicher Gewalt, Luftangriffe auf wehrlose 
Städte und so weiter. Nach dem 11. September begannen die 
USA, diese israelischen Taktiken in weit größerem Maßstab 
einzusetzen. Der prominente, an der Harvard Law School leh- 
rende Juraprofessor und Anwalt Alan Dershowitz, der in den 
USA als Autorität gilt, ist ein gutes Beispiel für die damit ein- 
hergehende Aushöhlung rechtlicher Standards und moralischer 
Werte. Apologeten der amerikanisch-israelischen Politik wie er 
überziehen schon die Grundidee des Völkerrechts mit Spott. 

21 



Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe 

Dershowitz empfiehlt zum Beispiel, Terrorverdächtige mit dem 
»größtmöglichen« Schmerz zu foltern und in Reaktion auf jeden 
Terroranschlag »automatisch« ein ganzes Dorf zu zerstören. 
Obszöne Vorschläge dieser Art haben auch Eingang in europäi- 
sche Zeitungen gefunden, und zwar nicht in die Gazetten 
rechtsextremer Provenienz, sondern, wie auch in Deutschland 
zu beobachten war, in die sogenannte Qualitätspresse. 

Europa steht am Scheideweg. Wird Europa vor der Ein- 
schüchterungs- und Lügenkampagne kapitulieren? Oder wird 
es sich, wann immer möglich, um die diplomatische Beilegung 
von Konflikten bemühen und Gewalt, wenn sie denn wirklich 
nicht zu vermeiden ist, streng im Rahmen der völkerrechtlich 
sanktionierten Möglichkeiten anwenden? Diese Frage sollte 
jetzt als erstes in bezug auf den israelisch-palästinensischen 
Konflikt geklärt werden. Ein gerechter und dauerhafter Frieden 
liegt greifbar nahe, eine diplomatische Lösung des Konflikts ist 
möglich - allerdings nur wenn verhindert wird, daß die Folter- 
befürworter und Kriegstreiber ihren Willen durchsetzen kön- 
nen. 



Chicago, Januar 2006 
Norman G. Finkelstein 



22 



Allgemeine Einführung 



Während ich dieses Buch schrieb, hat sich ein kleines Großer- 
eignis in meinem Leben zum zwanzigsten Mal gejährt. 1984 
stieß ich im Zuge der Recherchen für meine Doktorarbeit über 
die Theorie des Zionismus auf ein gerade erschienenes Buch 
zum israelisch-palästinensischen Konflikt: Front Time Imme- 
morial: The Origins of the Arab-Jewish Conflict Over Palestine* 
von einer gewissen Joan Peters. 1 Die amerikanische Kultur- und 
Literaturszene (u.a. Saul Bellow, Elie Wiesel, Barbara Tuchman, 
Lucy Dawidowicz) war, wie man dem Buchumschlag entneh- 
men durfte, voll des Lobes: Eine echte Offenbarung sei diese 
Lektüre, man gewinne völlig neue Einsichten in den Konflikt. 
Das Buch fuhr in den Medien Dutzende von Besprechungen 
ein, und die Rezensenten gerieten entweder in Ekstase oder er- 
starrten in Ehrfurcht. Schon die Erstauf läge eroberte die ameri- 
kanischen Bestsellerlisten. Sieben Nachauflagen der gebunde- 
nen Ausgabe sollten folgen. Die gewaltige Menge von annä- 
hernd 2000 Anmerkungen verfehlte nicht ihre Wirkung, und 
die schwer durchschaubare demographische Studie, auf die 
Peters ihre Hauptthese stützte, sah ebenfalls nach solider wis- 
senschaftlicher Arbeit aus. Peters behauptete, Palästina sei am 
Vorabend der zionistischen Kolonisierung praktisch vollkom- 



Peters' Buch ist nie auf deutsch erschienen; der Titel ließe sich je- 
doch wie folgt übersetzen: »Seit undenklichen Zeiten: Die Ur- 
sprünge des arabisch-jüdischen Konflikts in Palästina«; Anm. d. Ü. 

23 



Allgemeine Einführung 

men unbesiedelt gewesen; erst nachdem Juden die Wüsteneien, 
in denen sie sich niedergelassen hatten, zum Blühen gebracht 
hätten, seien Araber aus den Nachbarstaaten und anderen Tei- 
len Palästinas in diese Gebiete eingewandert und hätten sich als 
Einheimische ausgegeben. Peters hatte sozusagen den wissen- 
schaftlichen Beweis dafür erbracht, daß Golda Meir eben doch 
recht gehabt hatte: So etwas wie Palästinenser gab es überhaupt 
nicht. 

Ich stellte jedoch fest, daß sich Peters' These auf rein gar 
nichts stützte: Zitate, die sie in ihrem Buch anführte, waren 
grob entstellt, und die wichtigsten demographischen Angaben 
hatte sie für ihre Zwecke zurechtgebogen. Überdies bestand das 
Buch zu einem beträchtlichen Teil aus Material, das Peters aus 
zionistischen Propagandaschriften übernommen hatte. Die 
Herausforderung, im einzelnen aufzuzeigen, wie Peters den 
Leser an der Nase herumführte, und das noch mühsamere Un- 
terfangen, meine Ergebnisse anschließend in den Medien zu 
veröffentlichen, sollten sich für mich als Wendepunkt erweisen: 
Seit dieser Zeit hat sich mein Leben größtenteils auf die eine 
oder andere Weise um den israelisch-palästinensischen Konflikt 
gedreht. 2 

Nach zwei Jahrzehnten des Nachdenkens über den israe- 
lischpalästinensischen Konflikt und der wissenschaftlichen 
Auseinandersetzung mit dem Thema fällt mir vor allem auf, 
wie unkompliziert dieser Konflikt doch ist. Was die histori- 
schen Ereignisse - zumindest von der Zeit der ersten zionisti- 
schen Besiedlung im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur 
Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 - betrifft, herrscht un- 
ter den Forschern inzwischen weitgehend Einigkeit. 3 Das war 
nicht immer der Fall. Lange Zeit waren die Historiker des israe- 
lisch-palästinensischen Konflikts in zwei Lager mit ganz unter- 
schiedlichen Auffassungen gespalten. Da war zunächst einmal 
die offizielle Geschichtsschreibung, sozusagen die Exodus- 
Version der Vergangenheit, jene heldenhafte Darstellung der 
24 



Allgemeine Einführung 

zionistischen Geschichte, die Leon Uris in seinem erfolgreichen 
historischen Roman verewigt hat. 4 Und dann gab es noch, wenn 
auch nur in begrenztem Umfang und jenseits gesellschaftlicher 
Akzeptanz, eine wissenschaftliche Literatur, die genau dieses 
Geschichtsbild in Frage stellte. Ein Beispiel: Nach der landläufi- 
gen israelischen Meinung waren Palästinenser 1948 zu Flücht- 
lingen geworden, weil arabische Radiosendungen sie zur Flucht 
aufgerufen hatten. Doch schon gegen 1960 erkannten der palä- 
stinensische Historiker Walid Khalidi und der Ire Erskine Chil- 
ders, nachdem sie das Archiv arabischer Radiosendungen aus 
dem Krieg von 1948 durchforstet hatten, daß es derartige Ap- 
pelle von arabischer Seite gar nicht gegeben hat. 5 

Enthüllungen wie diese wirkten sich jedoch zunächst, wenn 
überhaupt, nur wenig auf das dominierende Geschichtsbild 
aus. Mit Beginn der 1980er Jahre erschien dann aber eine ganze 
Reihe wissenschaftlicher Studien - und zwar überwiegend aus 
israelischer Feder -, die mit vielen zionistischen Mythen gründ- 
lich aufräumten. 6 Schließlich mußte jeder ernstzunehmende 
Wissenschaftler zugeben, daß es sich bei den »arabischen Ra- 
diosendungen« um ein zionistisches Märchen handelte und daß 
die Palästinenser 1948 einer ethnischen Säuberung zum Opfer 
gefallen waren. Die wissenschaftliche Debatte drehte sich nun 
nur noch um die Frage, ob diese Säuberung die beabsichtigte 
Folge zionistischer Politik oder ein unbeabsichtigtes Nebenpro- 
dukt des Krieges war. Die Geschichtsschreibung der Abweich- 
ler stand der Wahrheit näher als die offizielle zionistische Ver- 
sion und verdrängte diese mit der Zeit ganz, im eben genann- 
ten Fall wie auch in anderen Streitfragen. So hat sich allmählich, 
wohlgemerkt nach vielen hitzigen Debatten, im Hinblick auf 
die historische Faktenlage inzwischen doch ein breiter wissen- 
schaftlicher Konsens herauskristallisiert. 

Zufällig kam es ungefähr zur gleichen Zeit auch in bezug auf 
Menschenrechtsfragen zu einer solchen Verdrängung der ur- 
sprünglich vorherrschenden durch die ehemals abweichende 

25 



Allgemeine Einführung 

Position, so daß auch hier die sachliche Auseinandersetzung 
einfacher wurde. Noch bis in die späten 1980er Jahre hinein hat- 
ten sich im Hinblick auf den Umgang Israels mit den Men- 
schenrechten in den besetzten Gebieten zwei Lager mit völlig 
entgegengesetzten Auffassungen gegenübergestanden. Nach 
der offiziellen israelischen Lesart, die von den Medien bereit- 
willig verbreitet wurde, durften sich die Palästinenser im West- 
jordanland und im Gazastreifen glücklich schätzen, in den Ge- 
nuß der »liberalsten« und »gütigsten« aller Besatzungen ge- 
kommen zu sein. Doch eine Handvoll Dissidenten - hauptsäch- 
lich israelische und palästinensische Menschenrechtsaktivisten 
wie Israel Shahak, Felicia Langer, Lea Tsemel und Raja Sheha- 
deh - warfen Israel vor, palästinensische Häftlinge systema- 
tisch zu mißhandeln und zu foltern. Damals existierten nur 
sehr wenige unabhängige Menschenrechtsorganisationen, und 
die paar, die es gab, erteilten Israel hinsichtlich seiner unge- 
heuerlichen Menschenrechtsverletzungen entweder Absolution 
oder sie schwiegen sich diskret darüber aus. Es war bemer- 
kenswert, ja im Grunde genommen schon ein Skandal für sich, 
daß die breite Öffentlichkeit von der israelischen Folter palä- 
stinensischer Häftlinge nicht etwa durch eine Menschenrechts- 
organisation wie Amnesty International, sondern durch eine 
Reportage der Londoner Sunday Times erfuhr. (Das Thema 
wurde allerdings auch weiterhin gemieden.) 7 Gegen Ende der 
1980er Jahre begannen sich diese Dinge, wie gesagt, zu än- 
dern. 8 Israels brutales Vorgehen während der größtenteils ge- 
waltfreien ersten Intifada, die Ende 1987 ausgebrochen war, 
ließ sich nicht länger verheimlichen oder ignorieren. Neue pa- 
lästinensische, israelische und internationale Menschenrechts- 
organisationen wurden gegründet, und ältere, bereits beste- 
hende wappneten sich nun stärker gegen den politischen Druck 
von außen. 

Für den Teil des Buches, der sich mit den Menschenrechts- 
verletzungen Israels in den besetzten palästinensischen Ge- 
26 



Allgemeine Einführung 

bieten befaßt, bin ich Tausende Seiten von Menschenrechtsbe- 
richten durchgegangen. Diese wurden von verschiedenen Or- 
ganisationen veröffentlicht, die allesamt höchst professionell 
arbeiten und auf ihre Unabhängigkeit großen Wert legen: Am- 
nesty International, Human Rights Watch, B'Tselem [»Is- 
raelisches Informationszentrum zur Lage der Menschenrechte 
in den besetzten Gebieten«], Public Committee Against Torture 
in Israel [»Öffentliches Komitee gegen Folter in Israel«] und 
Physicians for Human Rights - Israel [»Ärzte für Menschen- 
rechte, Israel«]. All diese Organisationen schicken ihre eigenen, 
unabhängigen Mitarbeiter ins Feld, um Menschenrechts- 
verletzungen zu recherchieren und zu erfassen. Außer in einem 
einzigen nebensächlichen Punkt bin ich auf keinerlei unter- 
schiedliche Auffassungen bezüglich der Fakten- oder Ge- 
setzeslage gestoßen. Was die Menschenrechtsverletzungen Is- 
raels betrifft, herrscht heute nicht nur weitgehend, sondern 
vollkommen Einigkeit. So sind sich zum Beispiel all diese Or- 
ganisationen einig, daß palästinensische Häftlinge systematisch 
mißhandelt und gefoltert wurden und daß die Zahl der Opfer 
heute in die Zehntausende gehen dürfte. 

Wenn aber, wie ich eben zu zeigen versucht habe, im Hin- 
blick auf die Fakten inzwischen weitgehend Einigkeit herrscht, 
verlangt der merkwürdige Umstand, daß über den israelisch- 
palästinensischen Konflikt nach wie vor sehr heftig debattiert 
wird, nach einer Erklärung. Meiner Ansicht nach muß man, um 
dieses scheinbare Paradoxon aufzuklären, zunächst einmal zwi- 
schen echten und herbeigeredeten Debatten unterscheiden. 
Wenden wir uns, als Beispiel für echte Meinungsverschieden- 
heiten, noch einmal dem Problem der palästinensischen Flücht- 
linge zu. Es ist durchaus möglich, daß Menschen, die sich mit 
diesem Thema beschäftigen, in moralischer, rechtlicher und po- 
litischer Hinsicht zu diametral entgegengesetzten Schlußfol- 
gerungen gelangen, obwohl sie sich über die historischen Fak- 
ten einig sind. Wie bereits erwähnt, besteht heute ein wissen- 

27 



Allgemeine Einführung 

schaftlicher Konsens darüber, daß die Palästinenser im Jahr 
1948 Opfer einer ethnischen Säuberung geworden sind. Benny 
Morris, israelischer Historiker und führend auf diesem Gebiet, 
hat mehr als jeder andere dafür getan, daß die historische 
Wahrheit ans Tageslicht kam; dennoch ist er zu der folgenden 
Auffassung gelangt: Moralisch betrachtet sei diese ethnische 
Säuberung - wie im übrigen auch die »Vernichtung« der ame- 
rikanischen Ureinwohner - eine gute Sache gewesen; juristisch 
betrachtet stehe den Palästinensern keinerlei Rückkehrrecht zu; 
und politisch betrachtet habe Israels großer Fehler 1948 einzig 
und allein darin bestanden, daß die Zionisten »die Vertreibung 
nicht in größerem Umfang durchgeführt und das gesamte Land 
- also ganz Israel bis hin zum Jordan - [von Palästinensern] ge- 
säubert haben«. 9 Wie widerwärtig Morris' Auffassung in mora- 
lischer Hinsicht auch immer ist, man kann ihm nicht vorwerfen, 
falsche Schlüsse aus den Fakten gezogen zu haben. 

Doch kehren wir nach diesem Ausflug ins Morris' sehe Uni- 
versum schnell wieder zum vertrauten Erdenrund zurück. Es 
kann nämlich auch unter verständigen Menschen vorkommen, 
daß sie sich, was die historischen Fakten und die moralischen 
und rechtlichen Aspekte betrifft, einig sind und daß sie den- 
noch zu entgegengesetzten politischen Schlußfolgerungen ge- 
langen. Für Noam Chomsky ist es historisch erwiesen, daß die 
Palästinenser vertrieben wurden; er ist zudem der Auffassung, 
daß ihre Vertreibung, moralisch betrachtet, ein großes Verbre- 
chen war, und daß ihnen, juristisch gesehen, das Rückkehrrecht 
zusteht. Dennoch ist er politisch zu dem Schluß gekommen, 
daß die Umsetzung dieses Rechts schlicht unmöglich ist. Aus 
diesem Grund hält Chomsky es für unklug, auf diesem Recht 
zu beharren, ja, er findet es sogar in höchstem Maße unmora- 
lisch, daß die palästinensischen Flüchtlinge in ihrer Hoffnung 
auf Rückkehr auch noch bestärkt werden, denn diese Hoffnung 
ist in seinen Augen vollkommen illusorisch. Andere geben zu 
bedenken, daß ein moralisches und juristisches Recht erstens 
28 



Allgemeine Einführung 

jegliche Bedeutung verliert, wenn es nicht auch eingefordert 
und ausgeübt werden kann, und daß das palästinensische 
Rückkehrrecht zweitens sehr wohl in die Praxis umgesetzt 
werden könnte. 10 Es geht hier gar nicht darum herauszufinden, 
wer mit seiner Einschätzung richtig und wer falsch liegt, son- 
dern vielmehr darum zu zeigen, daß es auch zwischen vernünf- 
tigen Leuten zu nachvollziehbaren politischen Meinungsver- 
schiedenheiten kommen kann. 

Diese Feststellung soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, 
daß sich die meisten Menschen - zumindest diejenigen, die ihre 
Moral Vorstellungen mit anderen Erdbewohnern teilen - im 
Hinblick auf den Nahostkonflikt auf vieles verständigen kön- 
nen und daß ihre Meinungsverschiedenheiten auf relativ weni- 
ge Punkte beschränkt sind. Seit einem Vierteljahrhundert hält 
die internationale Gemeinschaft nun schon an einem Konsens 
fest, der vorgibt, auf welcher Grundlage ein Ende des israe- 
lisch-palästinensischen Konflikts herbeigeführt werden kann. 
Dieser Konsens verlangt erstens eine Zwei-Staaten-Lösung, die 
den vollständigen Abzug Israels aus dem Westjordanland und 
dem Gazastreifen beinhaltet, und zweitens die volle Anerken- 
nung des Staates Israel in den Grenzen, die vor dem Junikrieg 
von 1967 [auch »Sechstagekrieg«; Anm. d. Ü.] bestanden. Die 
UN-Generalversammlung ist dieses ganze Vierteljahr hundert 
hindurch konsequent bei ihrer Position geblieben und demon- 
striert seltene Geschlossenheit, wenn ihre Mitglieder - mit Aus- 
nahme der Vereinigten Staaten, Israels und meist noch des ei- 
nen oder anderen Südseeatolls - diese Formel jedes Jahr aufs 
neue einstimmig bekräftigen. Die Resolution, mit der die UN- 
Generalversammlung im Jahr 1989 eine Zwei-Staaten-Lösung 
und »den Rückzug Israels aus dem seit 1967 besetzten Gebiet« 
forderte, wurde mit 151 zu drei Stimmen verabschiedet. Außer 
den USA und Israel lehnte lediglich der Inselstaat Dominica 
diese Forderung ab. 

Fünfzehn Jahre später besteht der Konsens noch immer, un- 

29 



Allgemeine Einführung 

geachtet der geopolitischen Umwälzungen, in deren Verlauf ein 
ganzes Gesellschaftssystem verschwand und viele neue Staaten 
gegründet wurden. Im Jahr 2004 verabschiedete die UN-Ge- 
neralversammlung eine weitere Resolution zur friedlichen Lö- 
sung der Palästina-Frage. Die Resolution betont »die Not- 
wendigkeit, sich dafür einzusetzen, daß die Vision von der 
Zwei-Staaten-Lösung Wirklichkeit wird« und daß »Israel sich 
aus dem palästinensischen Gebiet, das es seit 1967 besetzt hält, 
zurückzieht«. Diese Resolution wurde mit 160 zu sechs Stim- 
men verabschiedet. Außer den USA und Israel lehnten lediglich 
Mikronesien, die Marschall-Inseln, Palau und Uganda diese 
Forderung ab. 11 Würde sich die Debatte auf die wirklich re- 
levanten Punkte konzentrieren, ließe sich der Konflikt vermut- 
lich recht schnell lösen - wenn auch nicht gerade so, wie es die 
israelischen und amerikanischen Eliten gern hätten. 

Die meisten Kontroversen, die sich um den israelisch-palästi- 
nensischen Konflikt ranken, sind meines Erachtens künstlich 
herbeigeredet. Die Absicht, die dahintersteckt, ist ganz offen- 
sichtlich eine politische: Um den Blick auf die Wirklichkeit zu 
verstellen, müssen Ablenkungsmanöver durchgeführt, müssen 
Tatsachen verdreht werden. Diese künstlichen Kontroversen 
speisen sich im wesentlichen aus drei verschiedenen Quellen: 
erstens aus der Mystifizierung der historischen Ursachen des 
Konflikts, zweitens aus der Beschwörung des Antisemitismus 
und des HOLOCAUST 12 und drittens, auf einer anderen Ebene, 
aus der Vielzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema, die 
zwar wissenschaftlich verpackt, in Wirklichkeit jedoch voll- 
kommen unseriös sind. In dieser Einführung will ich alle drei 
Aspekte kurz beleuchten. Im folgenden werde ich mich dann 
hauptsächlich mit den zweit- und drittgenannten Punkten be- 
schäftigen. 

Man hört oft, die Probleme, vor die uns der israelisch-palästi- 
nensische Konflikt stellt, seien so schwer zu begreifen, ja von so 
einzigartiger Komplexität, daß sie sich jeder herkömmlichen 
30 



Allgemeine Einführung 

Analyse oder Lösung entzögen. Der Konflikt wird je nach Be- 
darf als kosmischer Kampf zwischen Religionen, Kulturen oder 
Zivilisationen dargestellt. Selbst Meron Benvenistf , von dem 
man eigentlich einen eher nüchternen Stil gewohnt ist, hat 
schon behauptet, daß der Nahostkonflikt seinem Wesen nach 
ein »seit Urzeiten bestehender einheimischer Hirtenkrieg« sei, 
bei dem sich zwei »unversöhnliche« Gruppen gegenüber- 
stünden. 13 Solche Formulierungen sind jedoch kaum geeignet, 
Licht in die Angelegenheit zu bringen, vielmehr machen sie den 
Konflikt nur undurchsichtiger. 

Zweifellos wirft der Nahostkonflikt vertrackte theoretische 
und praktische Probleme auf, aber auch nicht mehr als dies die 
meisten anderen Konflikte tun. Auch spricht überhaupt nichts 
dagegen, ihn einer vergleichenden Analyse zu unterziehen, so- 
lange man die Grenzen, an die jeder historische Vergleich un- 
weigerlich stößt, im Hinterkopf behält. Der Grund dafür, daß 
Israels Apologeten vor solchen Vergleichen zurückschrecken 
und statt dessen auf dem Sui-generis-Charakter des israelisch- 
palästinensischen Konflikts herumreiten, liegt auf der Hand: 
Bei den Fällen, die sich zum Vergleich anbieten - die europä- 
isch-amerikanische Eroberung Nordamerikas und das Apart- 
heidregime in Südafrika -, findet sich Israel auf der »falschen« 
Seite wieder. 14 

Ernstzunehmende Analysen des israelisch-palästinensischen 
Konflikts machen von umständlichen Erklärungsversuchen sei- 
len Gebrauch, vielleicht ganz einfach deshalb, weil die Ursa- 
chen des Konflikts so offensichtlich sind. Im Jahr 1936 wurde 
eine königlich-britische Kommission unter dem Vorsitz von 
Lord Peel damit beauftragt herauszufinden, welche Ursachen 
dem Palästinakonflikt zugrunde lägen und wie er gelöst wer- 
den könne. Bezüglich der Hoffnungen der palästinensischen 



Meron Benvenisti war in den 1970er Jahren stellvertretender Bür- 
germeister von Jerusalem; Anm. d. Ü. 

31 



Allgemeine Einführung 

Araber stellte die Kommission in ihrem Schlußbericht folgendes 
fest: »Am meisten sehnten sich die arabischen Führer ... nach 
nationaler Unabhängigkeit.« Und: »Es war ja auch nicht anders 
zu erwarten, als daß die palästinensischen Araber . . . die arabi- 
schen Nationalisten in den im Norden und Süden angrenzen- 
den Ländern um ihren Erfolg beneiden und ihnen nacheifern 
würden.« Die Briten führten antijüdische Gefühle auf seifen der 
arabischen Bevölkerung auf zweierlei zurück: Zum einen war 
den Arabern bewußt, daß der jüdische Anspruch auf Palästina 
verhindern würde, daß sie ihren eigenen unabhängigen Staat 
bekämen; zum anderen befürchteten die Araber, innerhalb ei- 
nes zukünftigen jüdischen Staates unterdrückt zu werden. Der 
Bericht kam zu dem Schluß, es gebe »keinen Zweifel« daran, 
daß die »eigentliche Ursache« für die Feindseligkeit zwischen 
Arabern und Juden »erstens in dem Wunsch der Araber nach 
nationaler Unabhängigkeit und zweitens in ihrer Ablehnung 
des Vorhabens, Palästina zur nationalen Heimstätte für Juden 
zu machen, besteht, wobei die Angst der Araber, unter jüdi- 
scher Herrschaft leben zu müssen, ihre Feindseligkeit noch ver- 
stärkt«. Von einem ominösen »seit Urzeiten bestehenden ein- 
heimischen Hirtenkrieg«, bei dem sich zwei »unversöhnliche« 
Gruppen gegenüberstünden, ist in diesem Bericht nicht die Re- 
de. Vielmehr begnügte sich die Peel-Kommission damit, auf die 
einleuchtenden Gründe für die Unruhen in Palästina hinzuwei- 
sen: 

Auch ist dieser Konflikt seinem Wesen nach kein Rassen- 
konflikt, der sich womöglich mit einer seit langem beste- 
henden und tiefempfundenen Abneigung der Araber ge- 
genüber Juden erklären ließe. Es gab nur sehr wenige oder 
gar keine Reibereien ... zwischen Arabern und Juden in 
der übrigen arabischen Welt; die Reibereien wurden erst 
durch den Streit um Palästina hervorgerufen. Im Irak, in 
Syrien und in Ägypten hat es genau den gleichen politi- 
32 



Allgemeine Einführung 

sehen Ärger gegeben - Aufruhr, Rebellion, Blutvergießen-, 
und dort ist keine nationale Heimstätte für Juden geplant. 
Es ist also recht offensichtlich, daß das Palästinaproblem ein 
politisches ist. Es ist, wie andernorts auch, das Problem des 
aufrührerischen Nationalismus. Der einzige Unterschied 
hinsichtlich der Situation in Palästina besteht darin, daß 
der arabische Nationalismus hier aufs engste mit der 
Feindschaft gegenüber den Juden verknüpft ist. Die Grün- 
de für diese Feindschaft sind, und dies verdient wiederholt 
zu werden, ebenfalls offensichtlich. Erstens bedeutete die 
Gründung einer nationalen Heimstätte [für Juden] von 
vornherein die glatte Verleugnung all jener Rechte, die mit 
dem Prinzip nationaler Eigenständigkeit verbunden sind. 
Zweitens erwies sich diese Gründung schon bald als Hin- 
dernis auf dem Weg zur nationalen Eigenständigkeit [der 
Araber in Palästina], und zwar als das offenbar einzige 
Hindernis, das beinahe unüberwindbar schien. Drittens hat 
die Angst der Araber in dem gleichen Maße zugenommen, 
wie sich die jüdische Heimstätte ausgedehnt hat. Die Ara- 
ber befürchten, daß die Eigenständigkeit, die man ihnen 
vielleicht eines Tages zuzubilligen gedenkt, nicht ihrer 
Vorstellung von nationaler Eigenständigkeit entsprechen 
wird, sondern womöglich eher darauf hinausläuft, daß sie 
von einer jüdischen Mehrheit regiert werden. Aus diesen 
Gründen ist es schwer, ein arabischer Patriot zu sein, ohne 
die Juden zu hassen. 15 

Es war offensichtliches Unrecht, das den Palästinensern durch 
den Zionismus widerfuhr, und es ließ sich, von rassistischen 
Begründungen abgesehen, durch nichts rechtfertigen: Man ver- 
wehrte den Palästinensern das Recht auf Selbstbestimmung, ja 
vielleicht sogar das Recht auf ihr Heimatland. Um das zionisti- 
sche Projekt zu rechtfertigen und gegen die Rechtsansprüche 
der einheimischen Bevölkerung zu verteidigen, wurden alle 

33 



Allgemeine Einführung 

möglichen Gründe angeführt; keiner konnte auch nur einer 
oberflächlichen Prüfung standhalten. Wer glauben wollte, daß 
die Rechtfertigungen der zionistischen Bewegung Gültigkeit 
besaßen, mußte zunächst einmal die ideologischen Ziele des 
Zionismus für richtig befinden. Diese sehr spezifischen Ziele 
betrafen die »historischen Rechte« der Juden in bezug auf Palä- 
stina sowie die jüdische »Heimatlosigkeit«. So gründete sich 
zum Beispiel der Anspruch auf »historische Rechte« darauf, 
daß die Juden ursprünglich aus Palästina stammten und dort 
vor 2000 Jahren gelebt hatten. Dieser Anspruch war jedoch 
weder historisch gerechtfertigt noch war er mit dem landläufi- 
gen Rechtsempfinden zu vereinbaren. Er war nicht historisch 
zu nennen, da er die zwei Jahrtausende nichtjüdischer Besied- 
lung in Palästina ebenso wie die zwei Jahrtausende jüdischer 
Besiedlung außerhalb Palästinas ignorierte; und er stellte kein 
Recht dar, außer im Sinne mystischer, romantischer Ideologien, 
deren Umsetzung zwangsläufig Unheil anrichten muß und 
auch angerichtet hat. Der zionistische Autor Ernst Simon erin- 
nerte seine ideologischen Mitstreiter daran, daß das »histori- 
sche Recht« der Juden auf Palästina »eher eine metaphysische 
denn eine politische Kategorie« sei. Sie entspringe »dem tief- 
sten Innern des Judentums« und sei »nicht für die Araber ver- 
bindlich, sondern vielmehr für uns selbst«. Er betonte aus- 
drücklich, daß diese »Kategorie« den Juden keinerlei Recht auf 
Palästina verlieh, wenn die Araber ihnen dieses nicht zuge- 
standen. 16 

Mit einem weiteren fadenscheinigen Argument sollte das 
Unrecht, das den Palästinensern zugefügt worden war, wegge- 
zaubert werden: Palästina sei vor der Ankunft der Juden (fast) 
unbewohnt gewesen. 17 Ironischer weise besticht gerade dieses 
Argument mehr als jedes andere, wenn es darum geht, das ge- 
schehene Unrecht zu beweisen. Es enthält nämlich das indi- 
rekte Eingeständnis, daß das zionistische Vorhaben moralisch 
nicht vertretbar gewesen wäre, wenn Palästina bewohnt gewe- 
34 



Allgemeine Einführung 

sen wäre - und es war bewohnt. Denjenigen, die zwar zugaben, 
daß in Palästina Palästinenser lebten, das Problem jedoch nicht 
aus zionistischer Perspektive betrachteten, blieb als Rechtferti- 
gung für den Zionismus nur ein rassistisches Argument: Das 
Schicksal von Juden sei nun einmal mehr wert als das von Ara- 
bern. Dies war auch das Argument, mit dem die Briten - wenn 
nicht öffentlich, so doch hinter vorgehaltener Hand - die Bal- 
four-Erklärung* rechtfertigten. Balfour selbst schrieb: »Wir wei- 
gern uns ganz bewußt und mit Recht, das Prinzip der Selbst- 
bestimmung« für die »gegenwärtigen Bewohner« Palästinas 
»anzuerkennen«, denn »die Judenfrage außerhalb Palästinas« 
ist »für die ganze Welt von Bedeutung«; der Zionismus »wur- 
zelt in uralten Traditionen, gegenwärtigen Nöten und zukünfti- 
gen Hoffnungen, die sehr viel schwerer wiegen als die Wün- 
sche und Vorstellungen der 700 000 Araber, die derzeit dieses 
alte Land bewohnen«. 

Für den Minister (und ersten britischen Hochkommissar in 
Palästina) Herbert Samuel bedeutete es zwar einen »glatten 
Widerspruch zu einem der wichtigsten Ziele, für das die Alli- 
ierten kämpften«, wenn der einheimischen Bevölkerung eine 
Herrschaft der Mehrheit verwehrt wurde, doch war dies seiner 
Meinung nach in diesem Fall sehr wohl zulässig: Schließlich 
hätten die Juden, die früher einmal in Palästina gewohnt hätten, 
»der Menschheit ein bedeutendes spirituelles und kulturelles 
Erbe hinterlassen, während das, was dort in den letzten 1000 
Jahren entstanden ist, nicht der Rede wert ist«. Winston Chur- 
chill gab vor der Peel-Kommission zu Protokoll, daß die einhei- 
mische Bevölkerung in seinen Augen genausowenig ein Recht 
auf Palästina habe wie ein »Hund im Zwinger ein Recht auf 



Mit der Balfour-Erklärung - einem Brief des britischen Außenmini- 
sters Arthur Balfour an den englischen Zionistenführer Lord Roth- 
schild vom 2. November 1917 - sicherte Großbritannien den Zioni- 
sten die Schaffung einer jüdischen Heimstätte in Palästina zu; Anm. 
d. Ü. 

35 



Allgemeine Einführung 

diesen Zwinger hat, auch wenn er dort schon einige Zeit ge- 
legen hat«. Churchill war der Meinung, daß diesen Menschen 
keinerlei Unrecht geschehen sei, »dadurch, daß eine stärkere 
Rasse, eine höherstehende Rasse oder zumindest, um es einmal 
so auszudrücken, eine weltgewandtere Rasse ihren Platz einge- 
nommen hat«. 18 

Es geht mir hier weniger darum festzustellen, daß die Briten 
Rassisten waren, sondern vielmehr darum zu verdeutlichen, 
daß ihnen gar nichts anderes übrigblieb, als sich rassistischer 
Argumente zu bedienen, wollten sie es rechtfertigen, daß die 
einheimische Bevölkerung ihrer Grundrechte beraubt wurde. 
Die Briten wurden nicht deshalb zu Rassisten, weil sie sich gern 
in dieser Rolle sahen, sondern weil sich das, was sie in Palästina 
veranstalteten, nicht anders rechtfertigen ließ. Für die Billigung 
eines solch himmelschreienden Unrechts gab es keine andere 
Erklärung. 

An dieser Stelle sei noch auf ein weiteres Argument verwie- 
sen, das immer wieder gern zitiert wird und von einer bekann- 
ten Persönlichkeit stammt. Mit seiner Parabel, aus der einige 
Sympathie für den Zionismus spricht, versuchte der marxisti- 
sche Historiker Isaac Deutscher gar nicht einmal zu rechtferti- 
gen, sondern eher im Nachhinein verständlich zu machen, 
warum die Zionisten die Rechte der Palästinenser mit Füßen 
traten: 

Einmal sprang ein Mann aus dem obersten Stock eines 
brennenden Hauses, in dem bereits viele seiner Familien- 
angehörigen umgekommen waren. Er konnte sein Leben 
retten, aber im Herunterfallen schlug er auf jemanden auf, 
der unten stand, und brach diesem Menschen Arme und 
Beine. Der Mann, der sprang, hatte keine Wahl, aber für 
den Mann mit den gebrochenen Gliedern war er die Ursa- 
che seines Unglücks. Wenn sich beide rational verhielten, 
würden sie keine Feinde werden. Der Mann, der aus dem 
36 



Allgemeine Einführung 

brennenden Haus entkam, würde, sobald er sich erholt 
hätte, versuchen, dem anderen Betroffenen zu helfen und 
ihn zu trösten; und jener hätte vielleicht eingesehen, daß er 
das Opfer von Umständen geworden war, die keiner von 
beiden unter Kontrolle hatte. Was aber geschieht, wenn 
diese beiden Leute sich irrational verhalten? Der Verletzte 
gibt dem anderen die Schuld an seinem Unglück und 
schwört, daß der ihm dafür zahlen wird. Der andere, aus 
Angst vor der Rache des verkrüppelten Mannes beleidigt, 
tritt und schlägt ihn, wann immer er ihn trifft. Der getrete- 
ne Mann schwört erneut Rache und wird wieder ge- 
schlagen und bestraft. Die bittere Feindschaft, die zunächst 
ganz zufällig war, verhärtet sich und überschattet schließ- 
lich die gesamte Existenz der beiden Männer und vergiftet 
ihr Denken. 19 

Diese Schilderung traut dem Zionismus gleichzeitig zuviel und 
zuwenig zu. Wenn die Zionisten die Palästinenser ihrer Rechte 
beraubten und sie schließlich vertrieben, war das nicht die Fol- 
ge eines unvermeidbaren Unfalls. Es war das Ergebnis der sy- 
stematischen und sehr bewußt durchgeführten Umsetzung ei- 
ner politischen Ideologie, deren Ziel die Gründung eines in 
demographischer Hinsicht jüdischen Staates in Palästina war, 
wobei sich diese Umsetzung über mehrere Jahrzehnte erstreck- 
te und sich die einheimische Bevölkerung heftig, und nicht sel- 
ten auch mit Gewalt, dagegen zur Wehr setzte. Wer sich auf 
den Standpunkt stellt, daß die Zionisten keine Wahl hatten - 
oder daß der jüdische Staat, wie Deutscher es an anderer Stelle 
formulierte, »zur historischen Notwendigkeit geworden« 20 
war -, verkennt die enorme, in vielerlei Hinsicht eindrucksvolle 
Willensanstrengung der zionistischen Bewegung. Er verkennt 
allerdings auch die moralische Verantwortung, die aus dieser 
Willensanstrengung erwächst, deren Richtung und Ziel klar 
vorgegeben waren. Die Vertreibung der Palästinenser ist nicht 

37 



Allgemeine Einführung 

auf irgendeine unvermeidbare, dingliche, objektive Kraft zu- 
rückzuführen, die die Palästinenser zum Verlassen ihrer Hei- 
mat gezwungen und Juden an ihrer statt angesiedelt hätte. 
Wenn dies der Fall wäre, warum haben die Zionisten dann die 
jüdischen Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg - oft genug 
mit einiger Unbarmherzigkeit - dazu getrieben, nach Palästina 
auszuwandern, und versucht, ihre Ansiedlung in jedem ande- 
ren Teil der Welt zu verhindern? Warum haben die Zionisten, 
manchmal vielleicht sogar unter Gewaltanwendung, dafür ge- 
sorgt, daß viele Juden aus der arabischen Welt nach Palästina 
auswanderten? Warum haben die Zionisten schließlich nach 
der Gründung des jüdischen Staats oftmals ohne den ge- 
wünschten Erfolg versucht, Juden aus aller Welt dazu zu bewe- 
gen, sich in Israel niederzulassen? 21 Die zionistischen Führer 
hätten den Palästinensern nach Kriegsende erlauben sollen, in 
ihre Heimatorte zurückzukehren, doch das taten sie nicht. Die 
Zionisten zogen es vor, in den durch den Krieg entvölkerten 
Landstrichen Juden anzusiedeln. Sie handelten dabei keines- 
wegs irrational. Im Gegenteil. Ihrem politischen Ziel entspre- 
chend handelten sie vollkommen rational. 

Isaac Deutscher war sich über all diese Dinge sehr wohl im 
klaren. Er räumte sogar ein: »Von allem Anfang an hat der 
Zionismus auf die Schaffung eines rein jüdischen Staates hin- 
gearbeitet und war froh, die arabischen Bewohner des Landes 
loszuwerden.« 22 Zu behaupten, daß die zionistischen Führer 
irrational handelten, als sie es ablehnten, »das Übel«, also den 
Groll der Palästinenser, »aus der Welt zu schaffen oder doch 
zu mildern« 23 , ist letztlich dasselbe wie zu behaupten, der Zio- 
nismus an sich sei irrational. Denn da »das Übel«, das für den 
Groll der Palästinenser hauptverantwortlich war, darin be- 
stand, daß man ihnen die Heimat nahm, hätte der rationale 
Schritt der Zionisten darin bestehen müssen, dieses Übel aus 
der Welt zu schaffen. Hätten sie diesen Schritt jedoch getan, 
wären die raison d'etre des Zionismus und seine fundamentale 
38 



Allgemeine Einführung 

historische Errungenschaft von 1948 zunichte gemacht worden. 
Wenn der Versuch, »die arabischen Bewohner des Landes los- 
zuwerden«, aber irrational war, wie kann dann die »positive« 
Seite des Ganzen - die Gründung eines jüdischen Staats - eine 
»historische Notwendigkeit« darstellen? Genauso lächerlich ist 
es zu behaupten, daß ein Palästinenser irrational handelt, wenn 
er einem Zionisten »die Schuld an seinem Unglück« gibt und 
nicht einsehen will, »daß er das Opfer von Umständen gewor- 
den war, die keiner von beiden unter Kontrolle hatte«. Es wäre 
nur dann irrational, wenn die Zionisten für das, was geschehen 
ist, keine Verantwortung trügen. Doch Deutscher ist von den 
zionistischen Errungenschaften in Palästina dermaßen begei- 
stert, daß es ihm beinahe die Stimme verschlägt: »Die Entste- 
hung Israels ist in der Tat ... ein einzigartiges Phänomen, eine 
;ms Wunderbare grenzende historische Erscheinung, der Juden 
und NichtJuden gleichermaßen erstaunt und ehrfürchtig gegen- 
überstehen«. 24 Ist es nicht reine Apologetik, einerseits die prak- 
tischen und geistigen Anstrengungen, die die zweifellos sehr 
beeindruckenden Leistungen erst möglich machten, in den 
Himmel zu loben, und andererseits im Namen einer »histori- 
schen Notwendigkeit« sowie unter Berufung auf »zufällige 
Umstände« zu leugnen, daß diese Leistungen auch ihre Schat- 
tenseiten haben und daß mit ihnen ein hohes Maß an Verant- 
wortung verbunden ist? 25 Der starke Wille, die detailgenaue 
Planung, die klaren Vorsätze - all die Anstrengungen, die un- 
ternommen wurden, um Israel zu gründen, wurden gleichzeitig 
auch unternommen, um aus den Palästinensern die Leidtragen- 
den in diesem Konflikt zu machen. 

Mit der Zeit entstand in Palästina neben den einheimischen 
palästinensischen Arabern eine zweite sozioökonomische 
Größe. Zwar verstieß ihre Entstehung gegen das elementare 
Recht der einheimischen Bevölkerung; auch stand sie im Wi- 
derspruch zu erklärten internationalen Prinzipien; doch es 
kam, wie es kommen mußte: Diese neu entstandene Größe 

39 



Allgemeine Einführung 

forderte nun ihrerseits ihr Recht auf Selbstbestimmung ein. 
Anders als der frühere Anspruch auf Palästina, der sich auf 
ein imaginäres »historisches Recht« berufen hatte, schien die- 
ser Anspruch mit dem landläufigen Rechtsempfinden verein- 
bar zu sein. Die jüdischen Siedlungen umfaßten nun eine le- 
bensfähige, organisch gewachsene, deutlich wahrnehmbare, 
eigenständige Gemeinschaft, auch wenn die Entstehung die- 
ser Gemeinschaft nur mit Gewalt durchzusetzen gewesen 
war: Ohne den »Stahlhelm und die Gewehrmündung« (Mo- 
she Dayan) der zionistischen Siedler, die wiederum von den 
»Bajonetten« (David Ben-Gurion) des britischen Imperiums - 
in Form des Mandats - die entscheidende Rückendeckung 
erhielten, hätte ein protojüdischer Staat nie entstehen kön- 
nen. 26 Die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Rechtsanspruch, 
der mit der Macht des Stärkeren durchgesetzt wurde, zu ei- 
nem gültigen Recht wird, ist kompliziert, ja auf der abstrakten 
Ebene vermutlich überhaupt nicht zu beantworten. Man 
könnte vielleicht annehmen, daß eine moralisch-rechtliche 
Schwelle in dem Moment überschritten wird, wenn eine neue 
Generation, die in dem Land geboren wurde, mit dem Hin- 
weis auf ihr Geburtsrecht ihre eigenen Ansprüche geltend 
macht; doch ist diese Überlegung wenig hilfreich, da sie eben- 
so viele Fragen aufwirft wie beantwortet. Ermutigt eine solche 
Überlegung nicht dazu, sich dem Völkerrecht und der öffent- 
lichen Meinung einfach möglichst lange zu widersetzen? Das 
war natürlich genau das, was die Zionisten mit ihrer Vorge- 
hensweise erreichen wollten: Wenn man im Land nur ausrei- 
chend Tatsachen schaffen und wenn genügend Zeit verstrei- 
chen würde, ließen sich die harten Fakten eines Tages nicht 
mehr rückgängig machen. 

Diese Feststellung rückt eine weitere Überlegung in den Blick- 
punkt. Die Anstrengungen der zionistischen Bewegung waren 
von Erfolg gekrönt: Die Vereinten Nationen erkannten ihr ei- 

40 



Allgemeine Einführung 

nen legalen Rechtsanspruch auf mehr als die Hälfte Palästinas 
zu. Da war es gerade einmal rund 30 Jahre her, daß die zioni- 
stischen Siedler im Zuge der Balfour-Erklärung trotz des über- 
wältigenden Protests von Seiten der einheimischen Be- 
völkerung damit begonnen hatten, in Palästina langsam, aber 
sicher- oder, wie es hieß, »Dunum um Dunum und Ziege für 
Ziege«* - Tatsachen zu schaffen. Inzwischen sind aber auch 
schon wieder mehr als 35 Jahre ins Land gegangen, während 
derer jüdische Siedler damit begonnen haben, Tatsachen im 
Westjordanland zu schaffen. Heißt das, es wäre an der Zeit, 
auch diese Siedlungen rechtlich anzuerkennen? Als durch die 
Peel-Kommission 1937 zum ersten Mal der Vorschlag gemacht 
wurde, man möge Palästina aufteilen, da es inzwischen eine 
deutlich sichtbare jüdische Präsenz in dem Land gebe, lehnten 
die palästinensischen Araber es ab, die Legitimität des jüdi- 
schen Anspruchs auf ihr Land anzuerkennen, weil dieser An- 
spruch unter Gewaltanwendung und unter Mißachtung der 
Rechte der einheimischen Bevölkerung durchgesetzt werden 
sollte. Als die UN-Generalversammlung 1947 die Teilungs- 
resolution ratifizierte, lehnten die Palästinenser die Legitimität 
dieses jüdischen Anspruchs auf ihr Land erneut ab. (Die zio- 
nistische Bewegung sprach sich zwar offiziell gegen den Tei- 
lungsplan der Peel-Kommission und offiziell für den Teilungs- 
plan der Vereinten Nationen aus, doch war ihre Haltung in 
beiden Fällen sehr viel ambivalenter. 27 ) Es fällt nicht schwer, die 
Argumente, die aus palästinensischer Sicht gegen die Teilung 
sprachen, nachzuvollziehen 28 , doch fällt es rückblickend auch 
nicht schwer zu erkennen, daß es letztlich nicht klug gewesen 
ist, den Plan abzulehnen. 

Zwar ist der Streit über diesen Rechtsanspruch, der sich auf 
die mit Gewalt vorangetriebene zionistische Besiedlung grün- 
det, theoretisch komplex, doch ist er inzwischen, nachdem er 



Ein Dunum entspricht 1000 Quadratmetern; Anm. d. Ü. 

41 



Allgemeine Einführung 

zunächst in abgewandelter Form nach dem Junikrieg von 1967 
weitergeführt worden war, praktisch beigelegt. Weil sie ge- 
zwungen waren, sich mit der Realität der Existenz Israels abzu- 
finden, und da sie politisch keinen anderen Ausweg sahen, 
durchschlugen die Palästinenser in den 1970er Jahren den gor- 
dischen Knoten: Sie traten praktisch rund 80 Prozent ihres hi- 
storischen Heimatlandes an Israel ab. Somit war der neben 
dem Flüchtlingsproblem einzige wirklich knifflige Punkt des 
israelisch-palästinensischen Konflikts geklärt. Doch hat die er- 
zielte Übereinkunft nach wie vor provisorischen Charakter, 
und sie ließe sich schnell wieder zunichte machen. Wenn Israel 
nun in den besetzten Gebieten neue Tatsachen schafft, die eine 
Zwei-Staaten-Lösung unmöglich machen, wird es wieder 
schwieriger werden, den Konflikt zu beenden. Aber wenn es so 
kommt, dann nicht deswegen, weil wir es mit einem »seit Ur- 
zeiten bestehenden einheimischen Hirtenkrieg« zu tun hätten, 
bei dem sich zwei »unversöhnliche« Gruppen gegenüber- 
stünden, und auch nicht wegen einer »historischen Notwen- 
digkeit« oder aufgrund von »zufälligen Umständen«. So wie 
der erste Konflikt zwischen Zionisten und Palästinensern dar- 
auf zurückzuführen war, daß die Zionisten die Palästinenser 
ganz bewußt und vorsätzlich ihrer Grundrechte beraubten, so 
wird gegebenenfalls auch die Vertracktheit dieses neuen Kon- 
flikts darauf zurückzuführen sein, daß den Palästinensern 
nicht nur vorsätzlich Unrecht zugefügt wurde, sondern daß sie 
auch noch ihrer ohnehin schon stark beschnittenen Rechte be- 
raubt wurden. 

Obwohl er die ethnische Säuberung Palästinas gutheißt und 
sein Haß auf die Palästinenser schon fast pathologische Züge 
trägt, nennt Benny Morris für den palästinensischen Wider- 
stand gegen die jüdische Besiedlung einen rationalen, simplen 
Grund: »Die Angst vor Vertreibung und Entrechtung sollte sich 
als die Hauptantriebskraft des arabischen Widerstands gegen 
42 



Allgemeine Einführung 

den Zionismus erweisen.« 29 Das Bemerkenswerte an diesem 
Satz ist nicht so sehr das, was er enthält, sondern vielmehr das, 
was er nicht enthält. Es findet sich darin kein Wort über »arabi- 
schen Antisemitismus« oder »die arabische Angst vor der Mo- 
derne« oder kosmische »Kämpfe«. Diese Begriffe werden nicht 
erwähnt, weil sie für das Verständnis dessen, was geschehen 
ist, nicht notwendig sind - die genannte Erklärung leuchtet ein 
und reicht vollkommen aus. Bei jedem anderen Beispiel, das 
man zum Vergleich heranziehen könnte, würden die mysti- 
fizierenden Klischees, von denen in bezug auf den israelisch- 
palästinensischen Konflikt andauernd die Rede ist, zu Recht als 
lächerlich empfunden: Die amerikanischen Ureinwohner haben 
im Zuge ihres Widerstands gegen das weitere Vordringen der 
europäischen Eroberer entsetzliche Verbrechen verübt. Um zu 
verstehen, warum sie das taten, ist es aber nicht erforderlich, 
nach irgendwelchen Mängeln in ihrem Charakter oder in ihrer 
Zivilisation zu suchen. Helen Hunt Jackson, eine standhafte 
Verteidigerin der Rechte der amerikanischen Ureinwohner, kri- 
tisierte, daß die Regierung in ihren Dokumenten immer wieder 
auf deren »Greueltaten« verwies, und schrieb im ausgehenden 
19. Jahrhundert: »Die Indianer, die diese >Greueltaten< verüb- 
ten, versuchten lediglich, die Menschen, die ihr Land besetzt 
und gestohlen hatten, mit Gewalt zu vertreiben. Im Laufe die- 
ser gewaltsamen Vertreibung haben sie auch einige Menschen 
getötet ... Was hätte eine Gruppe von Weißen wohl getan, 
wenn sie sich in genau der gleichen Situation wie diese Chero- 
kees befunden hätte?« 30 

Um das Motiv hinter den palästinensischen »Greueltaten« zu 
verstehen, würde es, so sollte man meinen, ebenfalls ausrei- 
chen, wenn der Mensch von seiner Fähigkeit Gebrauch machte, 
sich in die Lage seines Mitmenschen hineinzuversetzen. Würde 
ein Historiker, der allen Ernstes behaupten wollte, das Motiv 
für den Widerstand der amerikanischen Ureinwohner sei deren 
»antichristliche« oder »antieuropäische« Gesinnung gewesen, 

43 



Allgemeine Einführung 

nicht ausgelacht? Wozu dienen solche exotischen Erklärungen, 
wenn nicht dazu, die offensichtliche, aber politisch nicht kor- 
rekte Ursache vergessen zu machen? Damals waren solche 
tiefsinnigen Erklärungen natürlich überhaupt nicht nötig. Die 
Eingeborenen standen dem Fortschritt im Wege, also galt es sie 
auszurotten; dem war nichts hinzuzufügen. Theodore Roose- 
velt schrieb, der »Menschheit« und »Zivilisation« zuliebe sei es 
»von allerhöchster Wichtigkeit«, daß Nordamerika von einem 
»Herrenvolk« regiert würde. Dies bedeute zwar, daß die Ein- 
heimischen »in schreckliches Elend gestürzt« würden, aber das 
ließe sich nun einmal nicht ändern: »Mit der Welt wäre es 
wahrscheinlich überhaupt nicht vorangegangen, wenn man die 
wilden und barbarischen Völker nicht vertrieben und unter- 
worfen hätte.« Und: »Die Siedler und Pioniere hatten im Grun- 
de das Recht auf ihrer Seite. Man konnte diesen großartigen 
Kontinent doch nicht ein paar dreckigen Wilden als Jagdrevier 
überlassen.« 31 

Ausgefeilte Begründungen wurden erst in dem Moment er- 
forderlich, als diese »dreckigen Wilden« - zumindest auf dem 
Papier - als Menschen anerkannt wurden, also sehr viel später. 
Was die Vereinigten Staaten betraf, so konnte man ja ruhig of- 
fen zugeben, daß die Einheimischen »in schreckliches Elend 
gestürzt« worden waren, schließlich war das Thema, im über- 
tragenen wie im wörtlichen Sinne, bereits (so gut wie) ge- 
storben. Was Palästina betrifft, liegen die Dinge allerdings an- 
ders; also werden lauter umständliche Erklärungen bemüht, 
um den Tatsachen nicht ins Auge sehen zu müssen. Die jüng- 
sten Äußerungen von Benny Morris haben nur deshalb so gro- 
ße Empörung hervorgerufen, weil sie einen Rückfall ins 19. 
Jahrhundert bedeuteten. Bedingungslose Rechtfertigungen is- 
raelischer Politik werden üblicherweise in ideologische Watte 
verpackt. Morris verzichtete darauf und begründete die Land- 
nahme durch Israel einfach damit, daß sich in diesem Konflikt 
»Barbaren« und die »Zivilisation« gegenüberstünden. So wie 
44 



Allgemeine Einführung 

Morris der Meinung ist, daß es für die Menschheit besser war, 
daß die »große amerikanische Demokratie« die amerikanischen 
Ureinwohner vertrieben hat, so findet er es auch vorteilhaft, 
daß der jüdische Staat die Palästinenser vertrieben hat. » Es gibt 
Fälle«, stellt er ohne Umschweife fest, »in denen harte und 
grausame Maßnahmen, die im Laufe der Geschichte ergriffen 
werden, gerechtfertigt sind, um am Ende ein hohes Ziel zu er- 
reichen.« Klingt das nicht wie Roosevelt? Solche Sätze kann 
man heutzutage allerdings nicht mehr einfach so von sich ge- 
ben. 32 Damit sich die Leute nicht über den Klang unmoralischer 
Sätze echauffieren müssen, werden die einfachen Erklärungen 
heutzutage auf die eine oder andere Art verkompliziert. Die 
schlichte Wahrheit, daß das Motiv des »arabischen Wider- 
stands« wie schon in der Vergangenheit vor allem in der 
»Angst vor Vertreibung und Entrechtung« zu suchen ist, diese 
Wahrheit gilt es um jeden Preis zu vertuschen. Niemand sollte 
bezweifeln, daß diese Angst der Palästinenser begründet ist: 
Durch die israelischen Militäraktionen werden die Palästinen- 
ser jeden Tag aufs neue in ihrer Angst bestätigt. 

Um zu verhindern, daß allzu viele Menschen den Tatsachen 
ms Auge sehen, bedient sich die Israel-Lobby auch noch eines 
anderen Tricks: Sie bringt den HOLOCAUST oder auch den 
»neuen Antisemitismus« ins Spiel. In meinem Buch Die Holo- 
caust-Industrie habe ich untersucht, wie die Massenvernich- 
tung der Juden durch die Nazis als ideologische Waffe miß- 
braucht wird, um Israel gegen berechtigte Kritik immun zu ma- 
chen. Hier beschäftige ich mich nun mit einer Variante des 
HOLOCAUST-Trumpfs: dem »neuen Antisemitismus«. Aller- 
dings sind die Warnungen vor einem neuen Antisemitismus 
weder neu noch haben sie etwas mit Antisemitismus zu tun. 
Jedesmal, wenn Israel durch internationalen Druck dazu ge- 
bracht werden soll, seine Besatzungspolitik zu beenden, insze- 
nieren diejenigen, die Israel blind gegen jede Kritik verteidigt 
sehen wollen, eine weitere, bis ins kleinste Detail durchkompo- 

45 



Allgemeine Einführung 

nierte Oper, die den Zuschauern medienwirksam die er- 
schrecklichen Ausmaße des weltweiten Antisemitismus vor 
Augen fuhren soll. Diese schamlose Ausnutzung von Antise- 
mitismus soll erstens der Kritik an Israel die Berechtigung ent- 
ziehen, zweitens die Juden (und nicht die Palästinenser) als 
Opfer darstellen und drittens der arabischen Welt den Schwar- 
zen Peter zuschieben: Sollen sich die Araber doch erst einmal 
von ihrem Antisemitismus verabschieden, bevor Israel sich 
von den besetzten Gebieten verabschiedet. Eine gründliche 
Analyse zeigt, daß sich das, was die Israel-Lobby als Antisemi- 
tismus bezeichnet, in drei Gruppen unterteilen läßt. Es handelt 
sich erstens um Vorkommnisse, die stark übertrieben dar- 
gestellt werden oder auch völlig aus der Luft gegriffen sind; 
zweitens um die Verunglimpfung berechtigter Kritik an der 
israelischen Politik; und drittens um Fälle, in denen die Kritik 
an Israel tatsächlich in eine allgemeine Kritik an Juden um- 
schwenkt, was zwar ungerechtfertigt ist, aber dennoch nicht 
überraschen kann. 

Ich komme in meiner Analyse zu folgendem Schluß: Wenn es 
denn so ist, daß die Antisemitismus-Studien - die sich in die- 
sem Punkt alle einig sind - recht haben und die gegenwärtigen 
Anfeindungen gegenüber Juden zeitlich mit Israels brutaler Un- 
terdrückung der Palästinenser zusammenfallen, dann ist es 
doch das einzig Vernünftige (um nicht zu sagen: das moralisch 
Richtige), die Besatzung zu beenden. Ein vollständiger israeli- 
scher Rückzug aus den besetzten Gebieten würde darüber hin- 
aus auch einen Rückschlag für die echten Antisemiten bedeuten 
- und wer wollte bezweifeln, daß es diese Leute gibt? Die ech- 
ten Antisemiten nehmen die israelische Unterdrückungspolitik 
zum Vorwand, um Juden zu verteufeln; ein Ende der Be- 
satzung würde diese Leute erstens einer gefährlichen Waffe 
berauben und zweitens ihre wahren Ziele zum Vorschein brin- 
gen. Je mehr Juden ihre Ablehnung der israelischen Besatzung 
offen zum Ausdruck bringen, desto weniger NichtJuden wer- 
46 



Allgemeine Einführung 

den fälschlicherweise annehmen, daß »die Juden« die verbre- 
cherische israelische Politik und die unkritische Unterstützung, 
ja Ermunterung, die diese Politik durch die einschlägigen jüdi- 
schen Organisationen erfährt, gutheißen. 

Zu Beginn dieser Einführung war bereits von Joan Peters 
und ihrer von der Kritik gefeierten Verdrehung der histori- 
schen Tatsachen die Rede. Einer der Hauptgründe dafür, daß 
der israelisch-palästinensische Konflikt von so vielen Kontro- 
versen begleitet wird, besteht darin, daß Unmengen von Bü- 
chern im Umlauf sind, die vorgeben, das Thema wissenschaft- 
lich zu behandeln und Mißverständnisse zu beseitigen, in Wirk- 
lichkeit aber nur die Mythenproduktion weiter ankurbeln. Die 
Qualitätskontrolle, die man gemeinhin auf intellektuelle Lei- 
stungen anwenden kann, ist zwar nicht perfekt, aber es gibt sie 
immerhin. Sie besteht in der Regel zunächst einmal darin, daß 
man ein paar skeptische Fragen stellt. Wenn jemand ein Buch 
zitiert, in dem eine völlig abwegige These vertreten wird, wird 
normalerweise gleich nachgehakt: »Wo lehrt denn der Autor?« 
oder »Bei welchem Verlag ist das Buch erschienen?« oder 
»Wird das Buch von anderen Leuten empfohlen und, wenn ja, 
von wem?« oder »Wie sind die Besprechungen [in den wichtig- 
sten Fachzeitschriften] ausgefallen?« Die Antworten auf diese 
Frauen geben meistens einigermaßen verläßliche Hinweise dar- 
auf, wieviel von dem betreffenden Buch zu halten ist. 

Es ist eine der übelsten Eigenheiten des israelisch-palä- 
stinensischen Konflikts, daß diese Art der Qualitätskontrolle, 
wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt funktioniert. 33 Der Au- 
tor kann an einer erstklassigen Universität lehren, das Buch 
mag in einem renommierten Verlag erschienen sein und sowohl 
Lob von Kollegen eingeheimst haben als auch in den wichtig- 
sten Medien besprochen worden sein, und trotzdem kann es 
gut sein, daß nichts als Blödsinn drinsteht. Der jüngste Neuzu- 
gang zu diesem Genre ist auch Gegenstand des zweiten Teils 
des vorliegenden Buches: der Bestseller The Case for Israel [im 

47 



Allgemeine Einführung 

folgenden: Plädoyer für Israel*] von dem an der Harvard Uni- 
versity lehrenden Juraprofessor und Anwalt Alan Dersho- 
witz. 34 Man kann ohne Übertreibung feststellen, daß Dersho- 
witz mit seinem Buch ein noch größerer Wurf gelungen ist als 
Joan Peters mit ihrem Werk, hat er es doch geschafft, seine Le- 
ser in Plädoyer für Israel auf noch vielfältigere Weise hinters 
Licht zu führen als Peters in Front Time Immemorial, Somit 
steht Dershowitz' Buch auf der Rangliste der spektakulärsten 
akademischen Betrugsfälle in der Literatur zum Nahostkonflikt 
ziemlich weit oben. Dershowitz hat sogar einige Passagen sei- 
nes Werks aus Peters' Buch übernommen. 35 Peters hat die Quel- 
len, die sie benutzt hat, zwar für ihre Zwecke manipuliert, aber 
sie hat doch immerhin echte Quellen benutzt. Dershowitz setzt 
noch einen drauf, indem er absurde Quellen zitiert oder sich 
einfach selbst etwas ausdenkt. Im zweiten Teil des vorliegen- 
den Buches stelle ich das, was die wichtigsten Menschenrechts- 
organisationen in bezug auf Israels Menschenrechtsbilanz in 
den besetzten Gebieten herausgefunden haben, Dershowitz' 
Behauptungen gegenüber. Ich zeige auf, daß es schwierig ist, in 
den den Menschenrechtsfragen gewidmeten Kapiteln seines 
Buches (wie auch in jedem anderen Kapitel) eine einzige Be- 
hauptung zu finden, die nicht entweder auf der Falschdar- 
stellung einer ernstzunehmenden Quelle beruht oder einer 
ganz und gar unglaubwürdigen Quelle entstammt. Daß dabei 
auch deutlich wird, was für ein Scharlatan Dershowitz ist, ist 



Im folgenden wird durchgängig der Titel der deutschsprachigen 
Ausgabe, Plädoyer für Israel, verwendet, auch wenn explizit von der 
amerikanischen Rezeption des Buches die Rede ist. Die deutsch- 
sprachige Ausgabe, Alan M. Dershowitz, Plädoyer für Israel: Warum 
die Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen, erschien im März 
2005 im Europa Verlag, Hamburg, und folgt der im August 2003 er- 
schienenen amerikanischen Erstausgabe. Wo es relevante Unter- 
schiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Fassung 
gibt, ist dies angemerkt; Anm. d. Ü. 



48 



Allgemeine Einführung 

nebensächlich. Es geht mir vielmehr um die Erkenntnis, daß es 
die systematische, institutionalisierte Verblendung in bezug auf 
den israelisch-palästinensischen Konflikt ist, die ein Buch wie 
Plädoyer für Israel auf den Bestsellerlisten landen läßt. Wenn 
Dershowitz nicht stolz auf seine geistige Heimat Harvard hätte 
verweisen können; wenn Leute wie Mario Cuomo, Henry Louis 
Gates Jr., Elie Wiesel und Floyd Abrams 36 das Buch nicht mit 
Lob überschüttet hätten; wenn Zeitungen wie die New York 
Times und der Boston Globe 17 das Buch nicht durch wohlwol- 
lende Besprechungen geadelt hätten, dann wäre Plädoyer für 
Israel nicht öfter über die Ladentheke gegangen als die neueste 
Veröffentlichung der »Freunde der Erdscheibenhypothese«. 

Mit dem vorliegenden Buch möchte ich den israelisch-palä- 
stinensischen Konflikt, der durch künstlich herbeigeredete Kon- 
troversen absichtlich verkompliziert wird, von dem ihn um- 
gebenden ideologischen Dunst befreien. Ich bin überzeugt, daß 
jeder, der sich die geschichtlichen Fakten in unverfälschter 
Form vor Augen führt, erkennen wird, daß den Palästinensern 
Unrecht geschehen ist. Ich würde mir wünschen, daß die Lese- 
rinnen und Leser dieses Buch auch zum Anlaß nehmen werden, 
sieh selbst politisch zu engagieren und sich der Wahrheit zu 
verpflichten, damit wir gemeinsam einen gerechten und dauer- 
haften Frieden für Israel und Palästina herbeiführen können. 



49 



Teill 

Der nicht ganz so neue 
»neue Antisemitismus« 



»Wir sehen uns heute mit einer Situation 
konfrontiert, in der die Sicherheit des jüdischen 
Volkes genauso stark bedroht ist wie in den 
1930er Jahren - wenn nicht noch stärker.« 

Abraham Foxman, 

Chef der Anti-D efamation League 



Kapitel 1 

Von Jesus Christ Superstar 
zur Passion Christi 



Das neueste Werk derjenigen, die Israel blind verteidigt sehen 
wollen, ist der »neue Antisemitismus«. Gerade als die Palä- 
stinenser begannen, ihren Widerstand gegen die Besatzung zu 
verstärken, und Israel mit noch größerer Härte versuchte, den 
Aufstand niederzuschlagen, gab es eine wahre Flut von Bü- 
chern, Artikeln und Konferenzen zu diesem »neuen Antisemi- 
tismus«. Der Chef der »Anti-Defamation League« (ADL), Abra- 
ham Foxman, ließ sich mit den Worten vernehmen: »Wir sehen 
uns heute mit einer Situation konfrontiert, in der die Sicherheit 
des jüdischen Volkes genauso stark bedroht ist wie in den 
1930er Jahren - wenn nicht noch stärker.« 1 Nun ist es allerdings 
so, daß die Warnung vor einem neuen Antisemitismus weder 
neu ist noch aus Sorge vor Antisemitismus ausgegeben wird. 
Schon vor dreißig Jahren veröffentlichten die ADL-Chefs Ar- 
nold Forster und Benjamin R. Epstein unter großem Tamtam 
ein Buch über den neuen Antisemitismus (The New Anti- 
Semitism, 1974). Und es vergingen keine zehn Jahre, da veröf- 
fentlichte auch ADL-Chef Nathan Perlmutter gemeinsam mit 
seiner Frau Ruth Ann Perlmutter ein Buch über den neuen An- 
tisemitismus, der, so behaupteten sie, damals in Amerika gras- 
sierte (The Real Anti-Semitism in America, 1982). 2 

Diese in schöner Regelmäßigkeit neu inszenierte, bis ins 
kleinste Detail durchkomponierte Oper, die den Zuschauern 
medienwirksam die erschrecklichen Ausmaße des weltweiten 
Antisemitismus vor Augen führen soll, verfolgt nicht den 

53 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Zweck, Antisemitismus zu bekämpfen. Vielmehr dient die Auf- 
führung dieser Oper immer wieder und in erster Linie dazu, 
das historische Leid der Juden auszubeuten, um Israel gegen 
jedwede Kritik immun zu machen. Immer wenn Israel durch 
verstärkten internationalen Druck dazu gebracht werden soll, 
sich als Gegenleistung für die Anerkennung durch die arabi- 
schen Nachbarstaaten aus besetzten arabischen Gebieten zu- 
rückzuziehen, ist es höchste Zeit für eine Neuinszenierung des 
»neuen Antisemitismus«. 

Das Buch von Forster und Epstein, The New Anti-Semitism, 
sollte späteren Werken dieser Art als Vorlage dienen. Ein paar 
Kapitel waren dem wirren antisemitischen Gerede von größten- 
teils marginalen Rechtsextremisten in den Vereinigten Staaten 
gewidmet. Außerdem galt es, den Antisemitismus unter Afro- 
amerikanern ausgiebig vorzuführen und zu verurteilen. Um zu 
verdeutlichen, wie stark der neue Antisemitismus bereits um 
sich gegriffen hatte, wurden auch solche Institutionen an den 
Pranger gestellt, die normalerweise als unverdächtig galten, 
wobei die Vorwürfe ziemlich willkürlich gewählt waren und 
sich einigermaßen lächerlich ausnahmen: Zeitungen wie die 
Washington Post und die New York Times gingen, so Forster 
und Epstein, nicht entschieden genug gegen Antisemiten vor; 
die Filmindustrie geniere sich nicht, antisemitische Zeichen- 
trickfilme zu produzieren, etwa »Fritz the Cat, einen Film, der 
als jugendgefährdend eingestuft wurde und . . . eine geschmack- 
lose Synagogenszene enthielt, oder The Crunch Bird, einen 
Film, der jüdischen Dialekt verulkte und sich ethnischer Kari- 
katur bediente, um einen rüden Witz zu machen, und im Jahr 
1972 auch noch einen Oscar gewann«. 3 

Wenn die Wellen der Empörung angesichts des neuen Anti- 
semitismus wieder einmal hochschlagen, kann es passieren, 
daß sich das eine oder andere Deja-vu-Erlebnis einstellt; selbst 
die Details der jeweils aktuellen Debatte kommen einem bis- 
weilen seltsam bekannt vor. Einer der Hauptanklagepunkte im 
54 



Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

Buch von Forster und Epstein war Norman Jewisons gerade in 
den Kinos angelaufene Filmfassung von Jesus Christ Superstar. 
»Aus einer ohnehin schon antisemitischen Bühnenfassung hat 
er einen noch antisemitischeren Film gemacht«, lautete der Vor- 
wurf. An der »antisemitischen« Bühnenfassung hatte Andrew 
Lloyd Webber mitgewirkt, dessen spätere Broadwaymusicals 
bekanntlich ebenfalls Antisemitismus übelster Sorte verbrei- 
teten - man denke nur an Cats. Jewison selbst hatte gerade die 
Arbeit an seiner Filmfassung von Fiddler on the Roof [deutscher 
Titel: Anatevka] abgeschlossen. Webber und Jewison wurden 
gegeißelt, weil sie an der Lüge festhielten, daß »die Juden, alle 
miteinander, Jesus Christus umgebracht haben«. Statt sich an 
der »neuen ökumenischen Interpretation der Kreuzigung« zu 
orientieren, folgten sie »>der alten primitiven Auslegung der 
Passionsgeschichte, deren Geist vom Zweiten Vatikanischen 
Konzil verworfen worden war<«. 

Die Einseitigkeit der Darstellung der biblischen Hauptak- 
teure war für Forster und Epstein Beweis genug für die antise- 
mitische Stoßrichtung des Films: »Für Jesus Christ Superstar 
wurde die Geschichte des Neuen Testaments nach Belieben ab- 
gewandelt ... An dem Bild des bösen Jerusalemer Mobs und 
der bösen Priester wurde nicht gerüttelt, und wieder einmal 
wurde diesen beiden Gruppen die Hauptschuld an der Kreuzi- 
gung gegeben. Gleichzeitig hielten es die Autoren von Jesus 
Christ Superstar für angebracht, Pontius Pilatus reinzuwa- 
schen. Da sie ihn von der Schuld am Prozeß und an der Verur- 
teilung Jesu freisprachen, fiel der jüdischen Priesterschaft um 
so mehr Verantwortung zu.« Schnell vorgespult ins Jahr 2004: 
Der Aufschrei, der auf Mel Gibsons Passion Christi folgte, 
klang nicht viel anders. In der New York Times schrieb Frank 
Rieh: »Es steht außer Frage, daß Gibson die Geschichte um- 
schreibt, wenn er Kaiphas und die anderen Hohepriester zu 
den Hauptanstiftern hinter Jesu Tod macht und überdies den 
Lindruck erweckt, Pontius Pilatus - ein berüchtigter römischer 

55 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Verbrecher - sei in Wirklichkeit ein widerwilliger, gar von Ge- 
wissensbissen geplagter Vollstrecker gewesen.« 4 

Abraham Foxman soll davor gegraut haben, daß Gibsons 
Film einen antisemitischen GAU auslösen könnte. Dabei rich- 
tete sich der Film in erster Linie an genau das Publikum, das 
Foxmans ADL seit Jahren zu ihren Verbündeten zählt: christ- 
liche Fundamentalisten. Ralph Reed von der »Christian Coa- 
lition« hat zum Beispiel oft auf ADL-Veranstaltungen ge- 
sprochen. Wenn aber Reed und Konsorten Foxman keine Kopf- 
schmerzen bereiten, wie kommt es dann, daß Gibson so große 
Empörung hervorrief? Nun, Foxman weiß die Mitglieder der 
Christian Coalition als »treue Anhänger« Israels zu schätzen, 
und da muß er eben hin und wieder ein Auge zudrücken. 5 Ent- 
scheidend für die Empörung über Mel Gibson dürfte gewesen 
sein, daß Foxman erkannte, wie vortrefflich sich Die Passion 
Christi dazu eignen würde, die Hysterie über den neuen Anti- 
semitismus anzuheizen. Diese Gelegenheit ließ er sich nicht 
entgehen. 

Wie der Danksagung von Forster und Epstein zu entnehmen 
ist, hatte sich Foxman schon damals im Kampf gegen den 
»neuen Antisemitismus« bewährt. Nun war er derjenige, der 
Die Passion Christi als erster unter Beschuß nahm und diesen 
Kriegsschauplatz auch in der Folge dominierte. Die ADL 
wußte, daß sie so oder so siegreich aus der Schlacht um Die 
Passion Christi hervorgehen würde: Sollte Gibson aufgeben, 
hätte die ADL ein Zeichen gesetzt, daß Juden sich so etwas 
nicht gefallen ließen; und sollte er nicht aufgeben, hätte das nur 
die Allgegenwart des Antisemitismus bewiesen. Foxman wet- 
terte bereits erfolgreich gegen den Gibson' sehen Antisemi- 
tismus, als der Film noch gar nicht in den Kinos angelaufen 
war. In ihrem Überblick über antisemitische Vorfälle des Jahres 
2003 hob die ADL hervor: »Anfang 2003 gab Mel Gibson be- 
kannt, daß er an dem Film Die Passion Christi arbeitete. Was 
darauf folgte, war eine Kontroverse, die sich fast über ein gan- 
56 



Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

zes Jahr erstreckte. In deren Verlauf erhielten die ADL und 
andere jüdische Organisationen sowie Journalisten, religiöse 
Führer und andere, die sich kritisch über den Film geäußert 
hatten, abscheuliche antisemitische E-Mails und Briefe.« Und: 
»>An diesen Haßbotschaften ließ sich ablesen, in welchem Maße 
die jüdischen Sorgen anläßlich des Films antisemitische Ge- 
fühlsausbrüche nach sich zogen. <« 6 Foxman wußte: Auf die 
Journalisten ist Verlaß. Sie haben offenbar ohnehin nichts Wich- 
tigeres zu tun als ständig nach dem jüngsten noch zu ent- 
hüllenden antisemitischen Vorfall Ausschau zu halten, und so 
dachten sie gar nicht daran, den ihnen dargereichten Leckerbis- 
sen zu verschmähen. Experten und Kolumnisten, die froh sind, 
wenn man ihnen die Gelegenheit gibt, sich für die eine oder 
andere Sache mal so richtig ins Zeug zu legen, stürzten sich 
mutig in die Schlacht. Vorausgesetzt, der Gegner existiert nur 
in ihrer Phantasie, geben sie nämlich nur allzugern den furcht- 
losen Ritter. Und so zog ein jeder von ihnen aus - Leon Wiesel- 
tier für die New Republic, Frank Rieh für die New York Times, 
Christopher Hitchens für die Vanity Fair und Charles Kraut- 
hammer für die Washington Post -, um die tapferen Mitstreiter 
noch an Kühnheit zu übertreffen und am Ende der Held zu sein, 
von dem es heißen würde, er allein habe dem bösen Drachen (in 
Gestalt von Mel Gibson) den entscheidenden Schlag versetzt. 

Selbst wenn man der Ansicht ist, daß die schwerwiegendsten 
Vorwürfe, die die ADL gegen Die Passion Christi erhob, be- 
rechtigt waren - daß also der Film genauso antisemitisch war 
wie Jesus Christ Superstar -, fragt man sich doch, wieviel Mut 
es wohl gekostet hat, Gibson auf den Seiten dieser Presseorgane 
zu verurteilen. Rieh vertauschte Ursache und Wirkung, als er, 
scheinheilig und mit gespielter Unschuld, nicht etwa der ADL 
und ihren publizistischen Außenposten, sondern Gibson vor- 
warf, »den Streit vom Zaun gebrochen« zu haben und »auf eine 
Schlägerei aus« zu sein. Um eine Vorstellung davon zu be- 
kommen, wie idiotisch die ganze »Kontroverse« war, genügt es, 

57 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

sich in Erinnerung zu rufen, woran sie sich entzündete: an Mel 
Gibsons Bibelauslegung. Wer hätte vor dieser Kontroverse ge- 
dacht, daß Mel Gibson überhaupt von irgendwas einen blassen 
Schimmer hat? Die Debatte um Die Passion Christi bewegte sich 
auf dem gleichen Niveau wie all die gelehrten Erörterungen 
über den tieferen Sinn von Michael Jacksons neuesten Liedtex- 
ten. 7 

Forster und Epstein ging es bei ihrem Buch The New Anti- 
Semitism vor allen Dingen - um nicht zu sagen: ausschließlich - 
darum, der Kritik an Israel nach dem Oktoberkrieg von 1973 
etwas entgegenzusetzen. Damals wurden neue Anstrengungen 
unternommen, um Israel zum Rückzug aus dem ägyptischen 
Sinai zu veranlassen und den Konflikt mit den Palästinensern 
auf diplomatischem Wege zu lösen. Diese »Feindseligkeit« ge- 
genüber Israel sei »das Herzstück des neuen Antisemitismus«. 
Sie speise sich aus dem Antisemitismus, stelle aber zugleich 
auch dessen »ausgereifte« Form dar: »Die einzige Erklärung 
hierfür scheint zu sein, daß Juden nur solange als erträglich 
empfunden und mitsamt ihren Eigenheiten geduldet werden, 
wie sie Opfer sind. Wenn sich die Situation dahingehend ver- 
ändert, daß sie nicht länger Opfer sind (oder es zumindest den 
Anschein hat, als seien sie es nicht mehr), nimmt die nicht- 
jüdische Welt daran dermaßen Anstoß, daß sie anfängt, die Ju- 
den erneut zu Opfern zu machen.« 8 Die Möglichkeit, daß die 
Kritik an Israel vielleicht mit Israels starrer Haltung zu tun ha- 
ben könnte - also damit, daß Israel sich trotz arabischer Frie- 
densangebote weigerte, sich aus besetzten Gebieten zurückzu- 
ziehen -, wurde gar nicht erst in Erwägung gezogen. Der Ge- 
danke war schlechterdings zu absurd. 

Zum Beweis, daß der Antisemitismus eindeutig auf dem 
Vormarsch war, wurde nicht nur auf die üblichen Schreckge- 
spenster - die Vereinten Nationen, die Sowjetunion und die 
arabische Welt 9 - verwiesen, sondern vor allem auch betont, 
daß es inzwischen selbst in den traditionell mit Israel verbünde- 
58 



Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

ten Ländern Westeuropas und in den Vereinigten Staaten zu 
offenen Ausbrüchen von Judenhaß komme. In Großbritannien 
beispielsweise fand die Ansicht, daß »Israel alle oder die mei- 
sten der im Juni 1967 besetzten Gebiete behalten soll«, zuneh- 
mend weniger Zustimmung, und in einem Artikel des briti- 
schen Guardian war zu lesen gewesen, daß Israel zu »nieder- 
trächtigen Ausflüchten« greife, um palästinensisches Land zu 
beschlagnahmen. In Deutschland hatte der Stern behauptet, 
daß »die Juden Terror und Gewalt angewandt hatten, um 
schließlich 1948 die Gründung ihres Staates zu erzwingen«. 
Was Südamerika betraf, so war die Gefahr eines neuen Antise- 
mitismus vor allem in Argentinien »besorgniserregend«. Dort 
hatte sich ein »Sprecher der Linken« für »einen gerechten Frie- 
den« im Nahen Osten ausgesprochen und deutlich gemacht, 
daß dafür »die Räumung aller besetzten Gebiete« erforderlich 
sein werde, und Anhänger dieses Mannes hätten »auf das 
>Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser gepocht«. 10 

Forster und Epstein waren zu der Einschätzung gelangt, daß 
die neue antisemitische Bedrohung in den Vereinigten Staaten 
von der »radikalen Linken« ausging, also von den Trotzkisten 
der Sozialistischen Arbeiterpartei, den Stalinisten der Kommu- 
nistischen Partei und den Maoisten der Progressiven Arbeits- 
partei - obwohl sich deren gesamte Wählerschaft bequem in 
einer Telefonzelle hätte versammeln können. Auch einige reli- 
giöse Gruppierungen und Friedensinitiativen seien der antise- 
mitischen Versuchung erlegen; so »wurde die Grenze über- 
schritten«, als ein liberaler protestantischer Geistlicher in einer 
Predigt sagte: »Jetzt werden die Unterdrückten zu Unter- 
drückern: Araber werden deportiert; Araber werden ins Ge- 
fängnis geworfen, ohne daß sie auch nur erfahren, was ihnen 
vorgeworfen wird.« Daß der National Council of Churches 
[der Nationale Kirchenrat] »forderte, das Recht der palästinen- 
sischen Araber auf >eine Heimstätte in ihrem Sinne < anzuer- 
kennen und diese unverzüglich zum Gegenstand von Ver- 

59 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

handlungen zu machen <«, war ebenfalls vollkommen inak- 
zeptabel. 

Auch die Quäker vom »American Friends Service Commit- 
tee« hatten die Grenze überschritten, als sie in einer ihrer Ver- 
öffentlichungen die Ansicht äußerten, »daß Ägypten und Israel 
für den Ausbruch des Junikriegs von 1967 gleichermaßen ver- 
antwortlich waren« (was allenfalls davon zeugt, daß die Quä- 
ker Israel eine Vorzugsbehandlung angedeihen ließen). Des wei- 
teren nahmen Forster und Epstein daran Anstoß, daß es in die- 
ser Publikation hieß, Israel solle »als ersten Schritt die Ver- 
pflichtung eingehen, sich aus allen besetzten Gebieten zurück- 
zuziehen«. Nach Ansicht von Forster und Epstein hielten sich 
die Quäker damit »streng an die arabische Lesart der UN- 
Sicherheitsratsresolution vom 22. November 1967« (auch wenn 
diese Lesart der Resolution 242 den Konsens der internationa- 
len Gemeinschaft wiedergab, dem sich auch die Vereinigten 
Staaten angeschlossen hatten). Und schließlich enthielt der 
Band noch eine Äußerung, die dermaßen antisemitisch war, 
daß Forster und Epstein das kalte Grausen kriegten: Die Quä- 
ker schlugen allen Ernstes vor, die amerikanischen Juden soll- 
ten »simple militärische Lösungen ablehnen und ... für eine 
bedächtige und sorgfältige Prüfung aller strittigen Punkte ein- 
treten«. 11 Wenn einmal öffentlich angemerkt wurde, daß es eine 
amerikanisch-jüdische Lobby gab, die es sich zur Aufgabe 
machte, Unterstützung für Israel zu mobilisieren, oder wenn 
einmal jemand, was noch seltener vorkam, die Vereinigten 
Staaten in bezug auf den israelisch-arabischen Konflikt der 
Heuchelei zieh, so war das nach Meinung von Forster und Ep- 
stein ebenfalls ein untrügliches Zeichen von Antisemitismus. 
Die Washington Post habe zum Beispiel geschrieben, »der Ein- 
fluß, den amerikanische Juden auf die amerikanische Politik 
ausüben, ist um einiges größer, als es ihrem Anteil an der Wäh- 
lerschaft entsprechen würde«; und sie »betreiben Lobby- Arbeit 
auf dem Kapitolshügel und haben oft auch direkten Zugang 
60 



Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

zum Weißen Haus«; ein Kommentator bei CBS-News habe »den 
Vereinigten Staaten im Hinblick auf den Terror im Nahen 
Osten eine >Doppelmoral< vorgeworfen«. 12 Wer hätte angesichts 
dieser schier überwältigenden Fülle von Beweismaterial, abge- 
sehen von eingefleischten Judenhassern, bezweifeln können, 
daß mit dem neuen Antisemitismus eine tödliche Bedrohung 
heraufgezogen war? 

Als Nathan und Ruth Ann Perlmutter im Jahr 1982 ihr Buch The 
Real Anti-Semitism in America veröffentlichten, waren die ame- 
rikanisch-jüdischen Eliten politisch noch weiter nach rechts ab- 
gedriftet. Insofern war es nur folgerichtig, daß die Perlmutters 
den Antisemitismus von rechts im Vergleich zu dem Vorgän- 
gerband von Forster und Epstein auf weniger Seiten abhandel- 
ten, während sie dem Antisemitismus von links mehr Platz ein- 
räumten - wobei sie unter »links« nicht etwa die Linke verstan- 
den, sondern alles, was links von ihnen zu verorten war. Für 
Forster und Epstein stellte die radikale Linke noch »eine min- 
destens ebenso große Gefahr für die Juden in aller Welt dar wie 
die Gefahr von rechts«. Aus Sicht der Perlmutters stellt die Lin- 
ke bereits die weitaus größere Gefahr dar, und zwar, wie ge- 
sagt, nicht nur die radikale, sondern auch die gemäßigte Linke, 
bis weit in die politische Mitte hinein. »Wenn wir uns hier nicht 
mit der Rechten befaßt haben, so liegt das«, wie sie erklären, 
»nicht daran, daß die Rechte den Juden keine Sorgen bereiten 
würde, sondern daran, daß die Juden diese Gefahr bereits so 
gut kennen.« 13 

Der wahrscheinlichere Grund dafür, daß sich die Perlmutters 
mit dem Antisemitismus von rechts nicht lange aufhielten, 
dürfte indes gewesen sein, daß sich die amerikanisch-jüdischen 
Eliten in der Zwischenzeit mit der Rechten verbündet hatten, ja 
dieser sogar, wenn wir vom rechtsextremen Rand absehen, 
mehr und mehr selbst angehörten. Innenpolitisch war von der 
einstmals »natürlichen« Nähe der Juden zu ihren Verbündeten 

61 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

auf der Linken sowie zu anderen diskriminierten Minderheiten 
nicht mehr viel übrig; der institutionalisierte Antisemitismus 
war so gut wie verschwunden, und vielen amerikanischen Ju- 
den ging es wirtschaftlich blendend, so daß sich die amerika- 
nisch-jüdischen Eliten immer mehr darauf verlegten, ihre Ober- 
schichtprivilegien, ja sogar ihre Bevorzugung als »Weiße« zu 
pflegen und zu schützen. Und außenpolitisch fanden die ameri- 
kanisch-jüdischen Eliten - weil Israels politischer Starrsinn und 
die brutale Besatzung die Öffentlichkeit befremdeten und über- 
dies die israelische Verbundenheit mit der Rechten in den Ver- 
einigten Staaten (wie auch anderswo) zunahm - immer weniger 
Gemeinsamkeiten mit der politischen Mitte, so daß sie sich nun 
um so stärker nach rechts orientierten. Die Perlmutters haben 
diese Entwicklung mit bemerkenswerter, wenn auch moralisch 
abstoßender Offenheit geschildert. 

Der klassische Antisemitismus, der die Juden angriff, weil 
sie eben Juden waren, stelle, so die Perlmutters, in den Ver- 
einigten Staaten keine große Bedrohung mehr dar: »Die heuti- 
gen Ku-Klux-Klan-Anhänger und Neonazis sind nur noch ein 
magerer Abklatsch ihrer einstmals politisch einflußreichen 
Vorfahren. Wenn irgendwo antisemitische Ansichten ausge- 
tauscht werden, und sei es auch nur hinter vorgehaltener Hand, 
gilt dies bereits als sicheres Kennzeichen einer schlechten 
Wohngegend.« Dieser klassische Antisemitismus sei durch eine 
neue Form von Antisemitismus ersetzt worden. Und diesen 
neuen, »wahren« Antisemitismus definierten die Perlmutters 
als jedweden Angriff auf jüdische Interessen. Dieser Antisemi- 
tismus müsse sich nicht einmal subjektiv gegen Juden richten - 
es reiche, daß er ihnen objektiv schade: »Die These dieses Bu- 
ches ist im wesentlichen, daß die Interessen der Juden heute 
weniger durch ihre altbekannte Nemesis - rohen Antisemitis- 
mus - bedroht werden als vielmehr durch eine Regierungspoli- 
tik, die die Juden in keiner Weise berücksichtigt. Dabei kann es 
durchaus sein, daß die Regierungsvertreter selbst gar keine 
62 



Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

Antisemiten sind, ja es kann sogar gut sein, daß ebendiese Re- 
gierungsvertreter Juden im wahrsten Sinne des Wortes zu ihren 
besten Freunden zählen.« 

Mit dieser Definition stempelten die Perlmutters praktisch 
jeden, der die gehobene Stellung von Juden in der Gesellschaft 
und ihre damit verbundene politische Macht kritisierte, als »an- 
tisemitisch« ab. Das gleiche galt für jede Kritik an der Israeli 
seilen Vormachtstellung, auch von seiten anderer Staaten. 
Amerikanisch-jüdische Eliten setzten den »Antisemitismus« - 
cm historisches Phänomen, das für unermeßliches Leid und 
Martyrium auf der einen Seite und Haß und Völkermord auf 
der anderen Seite steht - als ideologische Waffe ein, um ihren 
gehobenen Status in der Gesellschaft zu verteidigen und das 
Ringen um weitere Privilegien zu erleichtern. Sie machten aus 
ihrem zynischen Mißbrauch dieses leidbeladenen Begriffs nicht 
einmal einen Hehl. Die Perlmutters warnten, der von ihnen be- 
schriebene wahre Antisemitismus könne, »wenn ihm nichts 
entgegengesetzt wird und er nicht unter Kontrolle bleibt, erneut 
zu klassischem Antisemitismus führen«. 14 Das Gegenteil dürfte 
der Wahrheit näherkommen: Wer die berechtigte Kritik an jü- 
dischen Privilegien und jüdischer Macht als »Antisemitismus« 
verunglimpft, sorgt vielmehr dafür, daß auch irrationale Vorur- 
teile gegenüber Juden neue Nahrung bekommen. Dazu später 
mehr. 

Da die Macht der amerikanisch-jüdischen Eliten innenpoli- 
tisch bereits fest verankert war, wurde die »Antisemitismus- 
keule« hauptsächlich in Richtung derer geschwungen, die Is- 
rael kritisierten. Die Perlmutters erklärten, Israel sei »zwei- 
felsohne das, was uns Juden am meisten beschäftigt«, »eine Sa- 
che, die uns sehr am Herzen liegt« - vorausgesetzt natürlich, 
wir reden von einem spartaähnlichen, den Vereinigten Staaten 
hörigen Israel. 15 Mitte der 1970er Jahre geriet dieses Israel in die 
Kritik. Als sich die Palästinensische Befreiungsorganisation 
(PLO) dem internationalen Konsens anschloß, der eine Zwei- 

63 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Staaten-Lösung vorsah, stieg der Druck auf Israel, diesen 
Schritt ebenfalls zu vollziehen - oder, um es mit der verqueren 
Logik der Perlmutters auszudrücken: Israel war »in der Public 
-Relations-Sackgasse des >Friedens< in die Ecke getrieben« wor- 
den. Diese »Friedensoffensive« der PLO (so nannte es der israe- 
lische Strategieexperte Avner Yaniv) galt es abzuwenden, und 
so beschloß Israel, im Juni 1982 in den Libanon einzumar- 
schieren. 16 

Die Perlmutters gaben sich große Mühe festzustellen, daß 
Israels Kritiker, wenn sie auch »Mordkomplizen« waren, in 
den meisten Fällen keineswegs von antijüdischen Gefühlen 
geleitet wurden. Wenn diese Leute an der israelischen Politik 
Anstoß nahmen, dann lag das nach Meinung der Perlmutters 
daran, daß sie sich entweder von »modischen« Dritte-Welt- 
Ideologien hatten irreleiten lassen (und nun zum Beispiel ge- 
gen »Rassismus«, »Sexismus« und »Imperialismus« waren) 
oder daß es sich um schäbige Opportunisten handelte, denen 
alles egal war, solange nur der Preis fürs arabische Erdöl 
stimmte. 17 Auf die Idee, daß Israel im Unrecht sein könnte, 
kamen die Perlmutters nicht. Zu den »wahren Antisemiten« 
zählten sie nicht allein die üblichen Verdächtigen wie den 
National Council of Churches, der »Israel dazu aufforderte, 
die PLO in die Nahostfriedensverhandlungen einzubeziehen«, 
und die Vereinten Nationen, die (man denke nur an ihre Befür- 
wortung einer Zwei-Staaten-Lösung) »zu einem Schauplatz 
für hinterhältige Angriffe auf jüdische Interessen geworden 
sind«. Nein, laut Perlmutter-Lexikon traf die Bezeichnung 
»Antisemit« auf all jene zu, die Israel, wie indirekt auch im- 
mer, Schaden zufügen könnten. Darunter fielen auch dieje- 
nigen, die im Namen der Demokratie »an der Institution des 
Wahlmänner-Gremiums rüttelten« - schließlich würde der Ver- 
lust dieser Einrichtung die (zum Großteil in Swing States le- 
benden) amerikanischen Juden empfindlich treffen und im 
selben Moment den jüdischen Einfluß auf die amerikanische 
64 



Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

Nahostpolitik verringern.* Antisemiten waren in den Augen 
der Perlmutters auch diejenigen, die sich generell für friedli- 
che Konfliktlösungen aussprachen und nach Einschnitten im 
Verteidigungshaushalt verlangten, denn ihretwegen »reden 
die Leute allmählich nur noch schlecht vom Krieg, während 
der Frieden in der Presse viel zu positiv dargestellt wird« - 
was für Israel natürlich eine Katastrophe ist. Nach Ansicht der 
Perlmutters waren auch die Atomkraftgegner dem Antisemi- 
tenlager zuzurechnen, vergrößerten sie doch »die Abhängig- 
keit des Westens vom OPEC-Öl« und sorgten dafür, daß »un- 
sere Wirtschaft auf den Rückfluß der Petrodollars angewiesen 
ist«. 18 

Der Antisemitismus der Schwarzen, der schon Forster und 
Epstein beschäftigt hatte, schlug auch die Perlmutters in ihren 
Bann. Für sie war es die größte jüdische Sünde, daß die Juden 
»dazu neigen, sich mehr um die Menschheit zu kümmern, als 
seh die Menschheit um [die Juden] kümmert«. Diese Veranla- 
gung hatte, so die Perlmutters, ihren Ursprung in der Tatsache, 
daß »Gott die Juden mit einem extrem hohen Maß an Einfüh- 
lungsvermögen ausgestattet hat«. Kurzum, das Problem be- 
stand darin, daß die Juden viel zu gut für diese Welt waren. 
Und nirgends war die Großzügigkeit der Juden stärker zu Bu- 
che geschlagen als bei »ihrer liebevollen Umsorgung der noch 
jungen NAACP [der »Nationalen Vereinigung zur Förderung 
Farbiger«] und der Urban League, um deren Anwälte, Strate- 
gieexperten und Aktivisten im Kampf gegen den Rassismus zu 
unterstützen«. Die Schwarzen müssen wirklich undankbare 
Leute sein, oder woran hätte es sonst liegen können, daß die 



Das Wahlmänner-Gremium (»Electoral College«) ist das Gremium 
der einzelnen US-Bundesstaaten bei der Präsidentenwahl. Als 
»swing states« werden die (wenigen) Staaten bezeichnet, auf die die 
beiden großen Parteien ihren Wahlkampf konzentrieren, weil sich 
hier, anders als in den meisten anderen Bundesstaaten, Republi- 
kaner und Demokraten Chancen auf einen Sieg ausrechnen können. 

65 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Feindseligkeit der Afroamerikaner gegenüber Juden laut den 
von den Perlmutters zitierten Umfrageergebnissen stark ge- 
stiegen war? 19 In Wirklichkeit hatten die Spannungen zwischen 
Juden und Schwarzen (wie sogar, wenn auch nur indirekt, von 
den Perlmutters selbst eingestanden wird) andere Ursachen: 
Zum Teil waren sie Ausdruck eines durch Klassenunterschiede 
hervorgerufenen Konflikts bei Initiativen zur Förderung Be- 
nachteiligter, beispielsweise der »Affirmative Action« - ein 
Konzept, gegen das amerikanisch-jüdische Organisationen 
ganz offen aufbegehrten. Zum Teil rührten die Spannungen 
auch daher, daß die vorbehaltlose Unterstützung Israels durch 
die Schwarzen in Amerika zu wünschen übrig ließ. Und 
schließlich hatten die Spannungen auch damit zu tun, daß der 
häßliche, mühsam unterm Deckel gehaltene Rassismus vieler 
Juden gelegentlich doch zum Vorschein kam. 20 

Auch was den letzten Punkt anbelangt, lohnt sich ein Blick in 
das Perlmutter-Buch: Nach Meinung der Autoren waren die 
New Yorker Juden konservativ geworden, weil ihre Wohnge- 
genden in Upper Manhattan nach Einbruch der Dunkelheit 
nicht mehr vor Verbrechern sicher waren: »Wo Musik, Theater, 
Bibliotheken und liberale Wähler zu Hause sind, geht die Angst 
um, und man kennt sich vor lauter Dreck kaum noch aus.« 
»Angst« und »Dreck« - auf wen das wohl anspielen sollte? Die 
Perlmutters hatten sich auch schon überlegt, was »der Schwar- 
ze« tun müsse, um die Sache wieder geradezubiegen und die 
Gunst der Juden zurückzugewinnen. Ihm oblag - wen wun- 
dert's? - die Pflicht, Israel stärker zu unterstützen. Das Akti- 
onsprogramm der Perlmutters sah vor, daß die Schwarzen »die 
Verbrechen der Vereinten Nationen gegen das jüdische Volk 
lautstark, deutlich und wiederholt verurteilen; den unzu- 
treffenden Nahostberichten des National Council of Churches 
lautstark, deutlich und wiederholt widersprechen; Delegatio- 
nen nach Washington entsenden, damit sie sich dort für die Si- 
cherheit Israels einsetzen.« 21 Die Moral Vorstellungen der Perl- 
66 



Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

mutters waren zwar eine Zumutung, aber mangelndes logi- 
sches Denkvermögen konnte man ihnen nicht vorwerfen. 

Die Perlmutters fanden, man solle die religiöse Rechte nicht 
länger als antisemitisch einstufen, hatte sie doch geschworen, 
den Heiligen Staat zu unterstützen: »Die Intoleranz der Funda- 
mentalisten wirkt sich derzeit nicht allzu schlimm aus. Was 
zählt, ist ihre freundschaftliche Haltung gegenüber Israel.« Wie 
wenig dieser angeblich »wahre« Antisemitismus mit Anti- 
semitismus und wieviel er mit Kritik an der israelischen Politik 
zu tun hatte, ließ sich daran ablesen, daß die Perlmutters der 
christlichen Rechten - die sich zwar in antijüdischer Bigotterie 
gefiel, aber »pro«-israelisch eingestellt war - gegenüber dem 
liberalen Protestantismus den Vorzug gaben. Letzterer war 
zwar frei von antijüdischer Bigotterie, galt aber als »anti«- 
israelisch: 

Warum also ist uns der Führer der Southern Baptist Con- 
vention, Reverend Bailey Smith, heute lieber als der sozial 
engagierte National Council of Churches? Immerhin hat 
Smith einmal allen Ernstes erklärt: »Bei allem Respekt für 
diese lieben Menschen, meine Freunde: Gott der All- 
mächtige erhört die Gebete eines Juden nicht.« Außerdem 
werfen mir die Southern Baptists noch heute Gottesmord 
vor, während mich manche Mitgliedsorganisationen des 
National Council of Churches von diesem Vorwurf schon 
freisprachen, noch ehe das Zweite Vatikanische Konzil über 
die Angelegenheit befunden hatte. Die Frage läßt sich mit 
Verweis auf das jeweilige Maß an antisemitischem Gedan- 
kengut nicht beantworten; die Antwort liegt vielmehr in der 
politischen Ausrichtung dieser Organisationen. In der heu- 
tigen Zeit und in diesem Land können wir verquere religiö- 
se Ansichten von Christen der verschiedenen Glaubensbe- 
kenntnisse getrost als Privatsache abtun, denn das Leben 
von Juden wird von derartigen Ansichten kaum berührt. 

67 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Das politische Engagement unserer christlichen Nachbarn 
in bezug auf die Sicherheit des Staates Israel hat mit unse- 
rem Leben sehr viel mehr zu tun als die Frage, ob sie wo- 
möglich glauben, sie seien die einzigen mit einem heißen 
Draht »nach oben«. 

Deshalb waren auch Jerry Falwell von der »Moral Majority« 
und Pat Robertson vom »Christian Broadcasting Network« ak- 
zeptabel. Mochte ihre fundamentalistische Theologie auch vor 
Antisemitismus triefen - solange sie sich für ein militarisiertes 
Israel stark machten, tat das überhaupt nichts zur Sache. »Las- 
set uns den Herrn preisen - und die Munition rüberreichen«, 
rieten die Perlmutters in Anlehnung an einen Hit aus dem 
Zweiten Weltkrieg. Sie priesen die christliche Rechte nicht nur, 
sie sprachen sie auch von Schuld frei: »Selten ist eine Glaubens- 
richtung derart verunglimpft worden wie die Fundamen- 
talisten. So wie die vernichtende Kritik am Zionismus dazu 
dient, ungeschminkten Antisemitismus zu verdecken, so wer- 
den übertriebene Äußerungen zur Moral Majority und zum 
Religious Roundtable dazu benutzt, Fundamentalisten in einem 
ganz falschen Licht darzustellen.« Dieser Vergleich hat zwar 
wenig für sich, aber eines muß man den Perlmutters lassen: Sie 
haben es geschafft, klar aufzuzeigen, wo die Gemeinsamkeiten 
zwischen dem Zionismus (oder sagen wir: dem, was sie darun- 
ter verstehen) und der Moral Majority liegen. 22 

Um die Perlmutters zu überzeugen, daß man im Kampf ge- 
gen den Antisemitismus ganz vorn mitmischte, war aber nicht 
nur die Lobpreisung Israels gefragt. Sie sahen es gern, wenn 
man zusätzlich ein hartes Durchgreifen bei der Krimina- 
litätsbekämpfung forderte (»angesichts der grassierenden Ge- 
walt ist die Zeit reif für das Bekenntnis, daß die Verteidigung 
der Opfer über alles geht«), wenn man außerdem gegen »Affir- 
mative Action« kämpfte (»daß diese umgekehrte Diskriminie- 
rung einzelne Weiße willkürlich bestraft, liegt auf der Hand«) 
68 



Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

und wenn man schließlich auch noch für eine ständige militäri- 
sche Angriffsbereitschaft der Vereinigten Staaten und eine dra- 
stische Erhöhung des Verteidigungshaushalts eintrat (»um der 
expansionistischen [sowjetischen] Bedrohung des Weltfriedens 
um so glaubwürdiger begegnen zu können«). Was diesen letz- 
ten Punkt betraf, so kam es den Perlmutters irgendwie paradox 
vor, daß sich die ADL eher wie »ein Verein konservativer Rü- 
stungslobbyisten ... denn [wie] eine jüdische Menschenrechts- 
organisation« anhörte. 23 Paradox war das allerdings nicht. Die 
ADL war als ein Spiegelbild ihrer elitären jüdischen Wähler- 
schaft zu einem Bollwerk reaktionärer Kräfte geworden. Wie 
schon Forster und Epstein in The New Anti-Semitism sprachen 
auch die Perlmutters im Vorwort ihres Buches The Real Anti- 
Semitism Abraham Foxman ihren Dank für seine tatkräftige 
Unterstützung aus. Als Foxman Nathan Perlmutter schließlich 
an der Spitze der ADL nachfolgte, war er, was Inszenierungen 
des »neuen Antisemitismus« betraf, längst ein alter Hase. Als 
Israel im Herbst 2000 auf eine neue Krise zusteuerte, wußte 
Foxman genau, welche Strippen er zu ziehen und welche Hebel 
er in Bewegung zu setzen hatte. 



69 



Kapitel 2 

Israel - Der »Jude« unter den Völkern 



»Diejenige Beschaffenheit, welche ein jeder Gegenstand er- 
reicht hat, wenn seine Entwicklung vollendet ist, eben diese 
nennen wir die Natur desselben«, so Aristoteles in der Politik. 1 
In diesem Sinne beschert uns das jüngste Revival des neuen 
Antisemitismus tiefe Einblicke in dessen wahren Charakter. Im 
Jahr 2003 beschrieb Abraham Foxman in einem mit »Nie wie- 
der?« betitelten Buch »die Bedrohung durch den neuen Anti- 
semitismus« (Never Again? The Threat ofthe New Anti-Semitism). 
Es enthielt zwar altbekannte Requisiten wie Kapitel über 
rechtsextreme Spinner (»Die Gefahr von rechts: Gewalt und 
Extremismus mitten in Amerika«) und Afroamerikaner (»Kein 
einfaches Bündnis: Die Zerwürfnisse zwischen Juden und 
Schwarzen in Amerika«); doch es wurde gar nicht erst lang 
versucht, so zu tun, als ginge es hier um irgend etwas anderes 
als um Israel. Auch auf die Unterscheidung zwischen »wah- 
rem« und »klassischem« Antisemitismus wurde fortan verzich- 
tet. In The Real Anti-Semitism waren Antisemiten noch entdä- 
monisiert worden, insofern die Perlmutters aus ihnen einfach 
NichtJuden mit gegenteiligen »Interessen« machten. Doch als 
die illegale und unmoralische Politik Israels genauer unter die 
Lupe genommen wurde, fiel denen, die sich der Verteidigung 
dieser Politik verschrieben haben, nichts besseres ein, als Isra- 
els Kritiker erneut zu dämonisieren, indem sie versicherten, es 
handele sich bei ihnen um klassische Judenhasser. Im ersten 
Werk zum »neuen Antisemitismus« (Forster/ Epstein) waren es 

70 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

noch Organisationen vom linken Rand gewesen, die das Herz 
der antisemitischen Finsternis verkörperten, etwa die Kommu- 
nistische Partei und die Sozialistische Arbeiterpartei. Inzwi- 
schen haben Israels Apologeten den Sprung an den rechten 
Rand des politischen Spektrums vollzogen. Beim gegenwärti- 
gen Revival wird die Rolle, die früher der radikalen Linken zu- 
gedacht war, daher mit Organisationen aus der politischen Mit- 
te, etwa Amnesty International und Human Rights Watch, neu 
besetzt. 

Bei der Debatte über den »neuen Antisemitismus« wird vor 
allem ein sprachliches Bild immer wieder gern bemüht. Israel, 
heißt es, sei der »Jude« unter den Völkern: »Israel ist schnell 
zum Juden der Welt geworden« (Phyllis Chesler); »Israel wird 
für die Völkergemeinschaft praktisch zum kollektiven Juden« 
(Mortimer B. Zuckerman); »So wie der klassische Antisemitis- 
mus in der Diskriminierung der jüdischen Religion verankert 
war, so ist die neue Feindseligkeit gegenüber Juden in der Dis- 
kriminierung der Juden als Volk - und dessen Inbegriff: Israel - 
verankert« (Irwin Cotler); »Der Staat Israel ... wurde in >den 
Juden der Völker < verwandelt« (Gabriel Schoenfeld). 2 So wie 
sieh Israels Apologeten die Idee eines »neuen Antisemitismus« 
hei früheren Werken abgeguckt hatten, so brauchten sie für die 
These, daß antisemitische Vorurteile nunmehr auf das jüdische 
Opfer Israel projiziert würden, ebenfalls nur einen Griff in die 
Mottenkiste zu tun. Die Perlmutters hatten bereits in ihrem 1982 
erschienenen Buch geschrieben, es finde eine »Umwandlung« 
statt, »von einem Antisemitismus, der sich gegen Juden richtet, 
hin zu einem Antisemitismus, der sich gegen den Stellvertreter 
der Juden - Israel - richtet«. Der an der Harvard University leh- 
rende Juraprofessor Alan Dershowitz verurteilte diese »neueste 
Form« von Judenfeindschaft ebenfalls schon vor Jahren. In sei- 
ner 1991 erschienenen Autobiographie erklärte er: »Man kann 
unmöglich verstehen, warum Israel die Aufmerksamkeit - und 
ausdrücklich die Kritik - zuteil wird, die ihm zuteil wird, ohne 

71 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

zur Kenntnis zu nehmen, daß Israel der >Jude< unter den Staa- 
ten ist. « 3 Dahinter steckt der Gedanke, daß die Kritik an Israel, 
dem »Juden« der Welt, demselben Giftquell entspringt wie der 
Antisemitismus und deswegen schon von Natur aus antisemi- 
tisch ist. Und weil der letzte größere Ausbruch von Antisemi- 
tismus im HOLOCAUST gipfelte, beschwören nun diejenigen, 
die Israel kritisieren, einen neuen HOLOCAUST herauf: »Es 
könnte sein«, warnt Foxman in Never Again?, »daß das Über- 
leben des jüdischen Volkes schon sehr bald wieder ganz kon- 
kret in Gefahr ist.« Das Motiv für Behauptungen dieser Art liegt 
auf der Hand: Wer Israel kritisiert, soll als verkappter Antisemit 
erscheinen, und die wahre Situation soll auf den Kopf gestellt 
werden. Unter der »gegenwärtigen Belagerung« (Chesler) lei- 
den demnach nicht etwa die Palästinenser; die Opferrolle 
kommt allein Israel (und Juden) zu. 4 

Worin beim Ausspielen des Antisemitismus-Trumpfs der po- 
litische und ideologische Hauptvorteil liegt, geht (wenn auch 
unbeabsichtigt) aus der Aussage einer der glühendsten Vertei- 
digerinnen Israels hervor, der an der Harvard University leh- 
renden Ruth Wisse: »Wenn zugestanden wird, daß bei der Dis- 
kussion über den sogenannten arabisch-israelischen Konflikt 
auch über Antisemitismus geredet werden muß, dann bedeutet 
dies das Eingeständnis der Tatsache, daß die Abwehrhaltung 
der Araber gegenüber dem jüdischen Staat in ihrer eigenen po- 
litischen Kultur begründet ist und daß sie ihre Abwehrhaltung 
erst aufgeben werden, wenn sich an dieser politischen Kultur 
etwas ändert.« 5 Damit wird die grundlegende Verantwortung 
für den Ausbruch des Konflikts von Israel auf die Araber abge- 
schoben. Das Thema ist dann nicht länger die Inbesitznahme 
palästinensischen Landes durch Juden, sondern die arabische 
»Abwehrhaltung« gegenüber Juden. Auch die grundlegende 
Verantwortung für die Lösung des Konflikts liegt dann nicht 
mehr bei Israel, sondern bei der arabischen Welt. Nach dieser 
Logik sollte, wer eine Beilegung des Konflikts herbeiwünscht, 
72 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

nicht etwa Israel auffordern, seine Besatzung zu beenden, son- 
dern die arabische Welt dazu bringen, ihrer irrationalen Feind- 
seligkeit gegenüber Israel abzuschwören. 

Diejenigen, die sich als große Freunde Israels gerieren, be- 
haupten zwar, mit Kritik an der einen oder anderen israelischen 
»Überreaktion« leben zu können - man nennt das »berechtigte 
Kritik« -, aber dieses Zugeständnis dient lediglich dazu, die 
ganze übrige Kritik für antisemitisch und somit für unzulässig 
zu erklären. Kommunistische Parteien haben es früher genauso 
gehandhabt: Kritik an der einen oder anderen stalinistischen 
»Überreaktion« war durchaus gestattet, aber prinzipielle Kritik 
war »antisowjetisch« und ging eindeutig zu weit. In Wirk- 
lichkeit aber sind beispielsweise die Vereinigten Staaten und 
Deutschland, anders als man angesichts der ganzen Hysterie 
meinen sollte, weit davon entfernt, Israel fortwährend der Kri- 
tik auszusetzen. Der Vorwurf, die Medien schürten den neuen 
Antisemitismus, wird benutzt, um den ohnehin schon äußerst 
geringen Anteil der Berichterstattung, der es schafft, sich der 
ideologischen Kontrolle zu entziehen, auch noch loszuwerden. 
Selbst in Großbritannien, das sich mit einer deutlich gehalt- 
volleren Berichterstattung zum Nahostkonflikt den Ruf einge- 
handelt hat, pro-arabisch und antisemitisch zu sein, liegen die 
Sympathien, wie eine gründliche Medienanalyse ergab, ganz 
eindeutig bei Israel. 6 

In ihrem Buch Der neue Antisemitismus verschwendet Phyl- 
lis Chesler wenig Mühe darauf zu verbergen, daß die Behaup- 
tung, es gebe einen neuen Antisemitismus, lediglich ein Vor- 
wand für die Verteidigung Israels ist. Chesler bedient sich bei 
»pro«-israelischen Internetquellen, um ihren Lesern auf acht 
Seiten eine »Kurze Geschichte der arabischen Angriffe auf Is- 
rael von 1908 bis in die 70er Jahre« sowie auf vier Seiten eine 
Übersicht über den »jüngsten arabischen Terror gegen Israel« 
zu präsentieren. Über israelische Angriffe auf Araber und über 
israelischen Terror gegen Araber verliert sie kein Wort. Wie 

73 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Chesler schreibt, hat es »im Laufe der letzten 55 Jahre in Israel 
nicht weniger als neun große Verteidigungskriege« gegeben, 
aber anscheinend keine, bei denen sich die Araber gegen israe- 
lische Angriffe verteidigt hätten, obwohl sich unter den zum 
Teil fragwürdigen Beispielen, die Chesler aufzählt, auch die 
israelische Sinai- Invasion des Jahres 1956, die israelische Liba- 
noninvasion des Jahres 1982 und die in den Jahren 1987 und 
2000 ausgebrochenen Aufstände gegen die israelische Besat- 
zung befinden. 

Wenn Chesler hinsichtlich der Massaker von Sabra und Sha- 
tila* schreibt, »vielleicht kann man auch Argumente dafür fin- 
den, daß die Juden oder einzelne Israelis eine gewisse morali- 
sche Verantwortung dafür übernehmen sollen«, begibt sie sich 
schon hart an die Grenze dessen, was noch als »berechtigte Kri- 
tik« durchgeht. Chesler bekennt: »Ich bin natürlich kein militä- 
rischer Experte.« Das hält sie allerdings nicht davon ab zu be- 
haupten, »die israelische Kontrolle über den Grenzverlauf, die 
Checkpoints und die Straßen im Westjordanland und im Gaza- 
streifen bis zum Meer bzw. zum Fluß hinunter« sei »mögli- 
cherweise - oder sogar sehr wahrscheinlich - unabdingbar für 
die Sicherheit Israels geworden«. Was die Palästinenser für ih- 
re Sicherheit oder auch nur zum Überleben brauchen, interes- 
siert Chesler nicht. 7 

Im November 2003 kam es zu einem künstlichen Skandal, als 
der »Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und 
Fremdenfeindlichkeit« (EUMC) vorgeworfen wurde, einen 
unerquicklichen Bericht über Antisemitismus in der Europä- 
ischen Union, Manifestations of Anti-Semitism in the European 
Union, zurückzuhalten. Der Präsident des Jüdischen Weltkon- 
gresses, Edgar Bronfman, befand die EU-Kommission des 



* Zu den Massakern in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila (Li- 
banon, September 1982) siehe Noam Chomsky, Offene Wunde Nah- 
ost: Israel, die Palästinenser und die US-Politik, Europa: Hamburg/ 
Wien 2002, Kap. 2; Anm. d. Ü. 

74 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

»Antisemitismus« für »schuldig«, weil sie den Bericht »zen- 
siert« habe, obwohl die EUMC eine unabhängige Einrichtung 
ist. Die EUMC rechtfertigte ihre Entscheidung, den von ihr in 
Auftrag gegebenen Bericht nicht in Umlauf zu bringen, damit, 
daß er »tendenziös« sei und seine »empirischen Daten nicht 
genügend Aussagekraft besaßen«. Der Hohe Vertreter für die 
gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen 
Union, Javier Solana, stimmte dem zu, da es der Bericht in sei- 
nen Augen »an schlüssiger Argumentation und empirischer 
Zuverlässigkeit vermissen ließ«. 8 

Das war noch höflich formuliert. Die zusammengestellten 
Daten taugten ebenso wie die zum Messen von Antisemitismus 
angewandten Methoden und die Ergebnisse, zu denen die Stu- 
die gelangte, bestenfalls dazu, die Lachmuskeln zu trainieren. 
Die Studie stellte allerdings die bei weitem ausführlichste und 
detailreichste Materialsammlung über den neuen Antisemitis- 
mus dar, und das war einer der Gründe dafür, warum die Apo- 
logeten Israels für dieses Werk nur zu gern die Werbetrommel 
rührten. Die Behauptung, in Europa grassiere der Judenhaß, 
ließ sich schwerlich aufrechterhalten, sollte die Studie anders- 
lautende Ergebnisse zutage fördern, zumal sie sich auf den 
Zeitraum konzentrierte, in dem der »neue Antisemitismus« sei- 
ne größten Ausmaße erreichte. Die Studie war ein Produkt des 
Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) an der Tech- 
nischen Universität Berlin, verfaßt von Werner Bergmann und 
Juliane Wetzel, und sie war für die Art und Weise, wie in 
Deutschland heute in der öffentlichen Diskussion mit Juden 
und dem Thema Israel umgegangen wird, symptomatisch. (Zu 
dieser Studie gleich mehr.) Deutschland, einst die europäische 
Brutstätte des Antisemitismus, hat sich inzwischen zu einer 
Brutstätte des Philosemitismus entwickelt. Auf der einen Seite 
fordern »politisch korrekte«, oft auch zynische Persönlichkeiten 
des öffentlichen Lebens im Verein mit den Medien immer wie- 
der Antisemiten zutage, obwohl diese so zahlreich nicht sind, 

75 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

und sie tun das mit einem Eifer, der schon stark an die mittel- 
alterlichen Hexenverfolgungen erinnert. Auf der anderen Seite 
mißbrauchen diejenigen, die von Deutschland Israel ge- 
genüber blinden Gehorsam erwarten, die schrecklichen Nazi- 
Verbrechen dazu, jegliche Kritik an jüdischen Funktionären 
und Israel zu unterbinden. Damit wird die öffentliche Diskus- 
sion jedoch nur ins Private abgedrängt, und die Ressentiments 
wachsen im Stillen. 9 

Dies war im übrigen nicht das erste Mal, daß der Versuch 
unternommen wurde, die deutsche Öffentlichkeit dazu zu brin- 
gen, das Phantom eines »neuen Antisemitismus« zu bekämp- 
fen. Im Jahr 1981, als Israel verstärkt dazu aufgefordert wurde, 
mit den Palästinensern über eine Zwei-Staaten-Lösung zu ver- 
handeln, veröffentlichte die Arbeitsgemeinschaft Juden und 
Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag eine Er- 
klärung mit dem Titel: »Zur Gefahr eines neuen Antisemitis- 
mus.« Die Arbeitsgemeinschaft warnte, es »mehren sich jetzt 
die Zeichen des Rückfalls in Judenfeindschaft«. Insbesondere 
wies sie darauf hin, daß »hinter der Kritik an der israelischen 
Regierung ... der alte Antisemitismus sichtbar [wird]«. 10 Die 
Gleichsetzung von Kritik an Israel mit Antisemitismus zieht 
sich wie ein roter Faden auch durch Manifestations, die Studie 
des deutschen Zentrums für Antisemitismusforschung. »Die 
frühere Dämonisierung von Juden wird jetzt auf den Staat Isra- 
el übertragen«, heißt es dort, und die »über das gesamte politi- 
sche Spektrum verteilte scharfe Kritik an der israelischen Poli- 
tik« wird als Beweis für den »gefährlichen Charakter« des neu- 
en Antisemitismus angeführt. Unter der Überschrift »Formen 
antisemitischer Vorurteile« verlangt die folgende abstruse Be- 
merkung unsere Aufmerksamkeit: »Während der historische 
Opferstatus der Juden nach wie vor anerkannt wird, sehen viele 
Europäer darin nicht länger einen Grund, Israel zu unterstüt- 
zen. Die israelische Politik gegenüber den Palästinensern liefert 
einen Grund, Juden als Täter anzuprangern, womit der morali- 
76 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

sehe Opferstatus eingeschränkt wird, der ihnen infolge des Ho- 
locausts zukam. Antisemitismus und antiisraelische Stimmung 
sind deswegen miteinander verknüpft, weil letztere die Chance 
für einen Rollentausch bietet, bei dem die Opfer als Täter und 
die Täter als Opfer erscheinen.« Mit anderen Worten: Die Euro- 
päer geben zwar zu, daß dem jüdischen Volk mit der Massen- 
vernichtung der Juden durch die Nazis unsagbares Leid ange- 
tan wurde, aber sie sind trotzdem Antisemiten - weil sie näm- 
lich glauben, daß auch Juden Täter sein können und weil sie 
Israel nicht automatisch unterstützen. Unter der Überschrift 
»Vorherrschende antisemitische Vorurteile« listet die Studie 
unter anderem folgende Beispiele auf: die »Annahme, daß die 
USA und Israel enge Verbündete sind«; die Annahme, daß Ju- 
den »auf die angeblich voreingenommene, pro-israelische Poli- 
tik der USA großen Einfluß nehmen«; und die Annahme, daß 
Israel sich der »Apartheid«, der »ethnischen Säuberung« und 
der »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« schuldig gemacht 
hat. 11 

Die in Manifestation^ vorgenommene Aufschlüsselung »anti- 
semitischer« Vorfälle nach einzelnen EU-Ländern zeigt einmal 
mehr, was es mit dem »neuen Antisemitismus« in Wirklichkeit 
auf sich hat. Bei der Lektüre der Beispiele sollte man im Hin- 
terkopf behalten, daß die präsentierten Daten überwiegend 
aus der Zeit stammen, in der die Sympathien für die Palä- 
stinenser und die Feindseligkeit gegenüber Israel einen Höhe- 
punkt erreichten, als nämlich Israel im März/ April 2002 die 
»Operation Schutzschild« durchführte, die in der Belagerung 
des Flüchtlingslagers Jenin gipfelte. Belgien: »Während einer 
pro-palästinensischen Demonstration ... wurden Schaufenster 
eingeschlagen, und eine israelische Flagge wurde verbrannt«; 
Irland: »Die israelische Botschaft erhielt im vergangenen Mo- 
nat eine Reihe von haßerfüllten Telefonanrufen«, Spanien: 
»Viele junge Spanier sind der Auffassung, daß man, um als 
>progressiv< oder links zu gelten, die PLO unterstützen muß«; 

77 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Italien: »Beim Kongreß [der Kommunistischen Partei] waren 
einige Gegenstände zu sehen, die explizit Bezug auf Palästina 
nahmen: die palästinensische Flagge, ein Buch des Vertreters 
der Palästinensischen Autonomiebehörde in Italien, . . . und die 
traditionelle arabische Kopfbedeckung, die Kefiah«; Nieder- 
lande: »Gretta Duisenberg, die Frau des Präsidenten der Euro- 
päischen Zentralbank, Wim Duisenberg, ließ auf ihrem Balkon 
die palästinensische Flagge wehen«; Portugal: »Die israelische 
Botschaft erhielt verleumderische Telefonanrufe und beleidi- 
gende Mitteilungen über das Internet«; Finnland: »Pro-palästi- 
nensische Organisationen verteilten bei mehreren Anlässen 
Flugblätter. Auf einigen dieser Flugblätter . . . wurde zum Boy- 
kott israelischer Produkte aufgerufen, weil dies helfe, den Frie- 
den in Israel herbeizuführen.« 12 

Wenn praktisch jede Kritik an Israel als Antisemitismus aus- 
gelegt wird, ist es kein Wunder, daß das Ausmaß des neuen 
Antisemitismus die Vorstellungskraft übersteigt. Phyllis Ches- 
lers Schurkengalerie umfaßt nicht nur die üblichen Verdäch- 
tigen wie Araber, Muslime, die gesamte Dritte Welt sowie Eu- 
ropa und die Vereinten Nationen, sondern auch »die inter- 
nationalen Menschenrechtsorganisationen, die ihren Sitz im 
Westen haben, . . . Akademiker [und] Intellektuelle«; »die west- 
lichen Kapitalismuskritiker, Globalisierungsgegner, Um- 
weltschützer und Antirassismus- Aktivisten«; »Antikriegs-« Ak- 
tivisten; »progressive Feministinnen«; »jüdische Femini- 
stinnen« (»an einem gewissen Punkt hörten eine ganze Reihe 
amerikanisch-jüdischer Feministinnen . . . auf, sich für die Rech- 
te der Frauen in Amerika einzusetzen, und begannen für die 
Rechte der PLO zu kämpfen«); die »europäischen und linken 
bzw. liberalen amerikanischen Medien« wie Time, Associated 
Press, Reuters, die Washington Post, die Los Angeles Times, die 
New York Times, der britische Guardian, der Toronto Star, die 
BBC, NPR, CNN und ABC; und schließlich viele Israelis, dar- 
unter auch der verstorbene Yeshayahu Leibowitz von der He- 
78 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

bräischen Universität, ein orthodoxer Jude und Intellektueller, 
der in Israel höchstes Ansehen genoß. Sie alle schüren also An- 
tisemitismus, und »jeder, der diese Tatsache leugnet«, ist, das 
fügt Chesler sicherheitshalber noch hinzu, ebenfalls »ein Anti- 
semit«. 

Kein Wunder, daß es in der Welt, wie Chesler sie sieht, vor 
Antisemiten nur so wimmelt: Es ist »wie bei den Nazis«. »Es ist, 
als ob Hitlers Braunhemden von den Toten auferstanden wären 
- und, in größerer Anzahl, immer und überall ihre schmutzige 
Kristallnachtsarbeit verrichten würden.« Selbst in den Vereinig- 
ten Staaten hat der Antisemitismus so stark an Boden gewon- 
nen, daß diejenigen, die ihn zu kritisieren wagen, »den gelben 
Stern tragen«. Inmitten dieser absurden Bemerkungen hält 
Chesler dem Orient mit seinem Hang zur »extremen Übertrei- 
bung« ihren eigenen »westlichen Wahrheits- und Objektivitäts- 
standard« entgegen. 

Um das ganze Ausmaß des um sich greifenden neuen Anti- 
semitismus zu veranschaulichen, bombardiert Chesler ihre Le- 
ser mit einer Fülle abenteuerlicher Vergleiche und Metaphern: 
»Es liegt eine ekstatische Stimmung der Schrankenlosigkeit in 
der Luft - eine Art elektrisch aufgeladener und veränderter 
Realität, wie sie vielleicht auch LSD-Süchtige oder Epileptiker 
kurz vor einem Anfall erleben.« »Manipuliertes Bildmaterial 
von angeblichen israelischen Massakern ist heute in der Vor- 
stellung von Milliarden von Menschen präsent. So wie Porno- 
graphie lassen sich solche Vorstellungen nicht einfach auslö- 
schen.« »Es ist so, als ob das politische Pendant zum Aids- 
Virus auf die Welt losgelassen worden wäre.« »Jude-sein be- 
deutet, ein gefährliches Leben zu führen, am Rande der Gesell- 
schaft zu stehen, mit einem offenen, >beschnittenen< Herzen.« 
»LSD-Süchtige«, »Epileptiker«, »Pornographie«, »Aids«, >>be- 
schnittenes< Herz« - man fragt sich, ob Cheslers Hauptwerk, 
Frauen - das verrückte Geschlecht?, womöglich autobiogra- 
phisch geprägt war. 13 Die Medien werden von Chesler auch 

79 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

dafür gescholten, daß sie sich »wie besessen ausschließlich« 
damit beschäftigen, wie Israel mit den Palästinensern umgeht. 
Das ist in Cheslers Augen »ein Luxus, der von den eigentlichen 
Problemen ablenkt«. Sie fände es viel besser, wenn die Presse 
»ihre Aufmerksamkeit auf die wirklich großen Probleme rich- 
ten würde, die die Mehrheit« der Menschen in aller Welt be- 
schäftigen. Daß sich ausgerechnet diejenige ethnische Gruppe 
in Amerika, die die geringsten Sorgen hat, »wie besessen aus- 
schließlich« damit beschäftigt, wie sehr sie angeblich leidet und 
verfolgt wird, ist natürlich kein »Luxus, der von den eigent- 
lichen Problemen ablenkt«. 14 

Verglichen mit Commentary-Cheh edakteur: Gabriel Schoen- 
feld kommt Chesler einem allerdings vor wie die Vernunft in 
Person. So, wie Schoenfeld die Sache sieht, liegt die »Kristall- 
nacht« in Amerika bereits hinter uns. Wir befinden uns nun- 
mehr mitten in der »Endlösung«. »Tatsache ist, daß wir derzeit 
mit einer völlig neuen Situation konfrontiert sind: Juden in den 
Vereinigten Staaten sind sich ihres Lebens nicht mehr sicher.« 
Schoenfelds Schwarzbuch der Antisemiten enthält nicht nur 
Altbekannte wie »Umweltschützer, Pazifisten, Anarchisten, 
Globalisierungsgegner und Sozialisten«, die »großen briti- 
schen und europäischen Zeitungen« (Le Monde, The Econo- 
mist), die »französischen Fernsehnachrichten« und die BBC, 
»liberal bis links eingestellte Organisationen wie Human 
Rights Watch und Amnesty International«, die New York Ti- 
mes-Kolumnistin Maureen Dowd und Hardball-Talkmaster 
Chris Matthews, um nur einige zu nennen. Nein, laut Schoen- 
feld erkennt man einen Antisemiten auch daran, daß er »den 
Begriff >Neokonservativer<« benutzt, weil das »ein kaum ver- 
hülltes Synonym für >Jude< ist«. Sehen wir einmal von der Fra- 
ge ab, ob dieser Begriff tatsächlich mit der versteckten An- 
schuldigung befrachtet ist, die Schoenfeld ihm zuschreibt. Se- 
hen wir ferner von dem Umstand ab, daß die Gründer der 
neokonservativen Bewegung in der Tat größtenteils Juden wa- 
80 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

ren, ein Umstand, der sie übrigens mit Stolz erfüllte. Belassen 
wir es bei einer einzigen Frage: Angenommen, es zeugt wirk- 
lich von einer antisemitischen Einstellung, wenn jemand das 
Wort »Neokonservativer« in den Mund nimmt: Was ist dann 
mit den sich um Commentary scharenden jüdischen Neo- 
konservativen, die sich durch die Bezeichnung geehrt fühlen 
und sich den Orden folglich nur allzu gern selbst an die Brust 
heften?i 5 

Bemerkenswert und unerreicht ist das außerordentlich breite 
Spektrum von Juden, das Schoenfeld in der Rubrik »Antisemi- 
ten« unterzubringen versteht. Nach Schoenfelds Analyse geht 
der neue Antisemitismus vor allem von der Linken aus, und 
innerhalb dieser antisemitischen Linken sind die Juden, wie 
Schoenfeld ausführt, tonangebend. In seinen Augen handelt es 
sich bei dem Angst und Schrecken verbreitenden Heer neuer 
Antisemiten um »ein überwiegend jüdisches Kontingent«; »lin- 
ke Juden« bilden eindeutig die »Speerspitze« des neuen Anti- 
semitismus. Daß für Schoenfeld demnach auch Noam Choms- 
ky ein Antisemit ist, wird bei aller Absurdität niemanden über- 
raschen; schließlich ist Chomsky, der sich als der prin- 
zipienfesteste und wirkungsvollste jüdische Kritiker israeli- 
scher Politik erwiesen hat, der leibhaftige Apologetenschreck. 
Wenn man aber sieht, daß Schoenfeld Leute wie Rabbi Michael 
Lerner von der Zeitschrift Tikkun und Daniel Boyarin, einen 
(laut Schoenfeld) »führenden Experten der Jewish Studies in 
den Vereinigten Staaten«, mit Chomsky zusammen in einen 
Topf wirft, wird man doch stutzig. Und wenn man dann auch 
noch feststellen muß, daß Schoenfeld sogar Leon Wieseltier, 
den fanatisch »pro«-israelischen Literaturredakteur der fana- 
tisch »pro«-israelischen Zeitschrift New Republic, verdächtigt, 
vom rechten Glauben abgefallen zu sein, fängt man an, sich 
ernsthaft um Schoenfelds geistiges Wohlbefinden zu sorgen. 
Wieseltier hat sich insofern ketzerisch verhalten, als er zu be- 
zweifeln wagte, daß eine zweite »Endlösung« unmittelbar be- 

81 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

vorstünde. Das macht ihn zwar noch nicht direkt zum Anti- 
semitismusleugner, aber er hat doch immerhin die Sünde be- 
gangen, sich als Antisemitismusverharmloser zu betätigen. Es 
scheint, die Revolution frißt ihre Kinder. 16 

Eine von Ron Rosenbaum herausgegebene Anthologie zum 
Thema Antisemitismus mit dem Titel Those Who Forget the 
Fast [»Wer die Vergangenheit vergißt«] befindet sich auf dem- 
selben moralischen und intellektuellen Niveau wie die Ausfüh- 
rungen von Chesler und Schoenfeld.' 7 Der Journalist Alexander 
Cockburn hat einmal über eine neokonservative Zeitschrift 
gesagt, sie hänge schon bei der Zustellung voller Spinnweben. 
Ähnliches könnte man von dem Rosenbaum-Band behaupten. 
Die darin versammelten Beiträge, größtenteils kurz vor oder 
kurz nach dem Irak-Krieg geschrieben, waren schon bei Er- 
scheinen des Buches, Mitte 2004, eine peinliche Lektüre. Die 
Daily TeZegrap/z-Kolumnistin Barbara Amiel preist zum Bei- 
spiel die »16000-Pfund-schweren Daisy-Cutter-Bomben«*, weil 
diese ihrer Meinung nach der »unnachgiebigen arabisch- 
muslimischen Welt« den nötigen »Stupser« verpassen würden. 
Die für die Vanity Fair schreibende Journalistin Marie Brenner 
sieht in der französischen Kritik am amerikanischen Angriff 
auf den Irak den ultimativen Beweis für einen um sich greifen- 
den Antisemitismus - was einmal mehr verdeutlicht, worauf 
die Hysterie über einen angeblich neuen Antisemitismus in 
Wirklichkeit zielt. Brenner stellt irritiert fest, daß die Franzo- 
sen selbst dann noch stur bei ihrer Ablehnung des Krieges 
blieben, »als die Bürger von Bagdad die amerikanischen 
Truppen mit offenen Armen empfingen«. Damit war es ja auch 
spätestens nach einer Woche vorbei. Um zu beweisen, daß die 
Mentalität derjenigen, die Daniel Pearl gefangennahmen, jener 



* Die Daisy-Cutter-Bombe ist so groß wie ein Auto und gilt als die 
gewaltigste konventionelle Bombe der Welt, auch wenn sie dem 
Namen nach lediglich Gänseblümchen ummäht; Anm. d. Ü. 

82 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

der » Nazis« vergleichbar sei, läßt sich der Journalist Thane Ro- 
senbaum über das »lüsterne, wie ein harter Porno gedrehte« 
Video von Pearls Enthauptung aus. Er weist vor allem auf die 
»Erniedrigung« hin, die Pearl bei laufender Kamera zu erdul- 
den hatte. Ob der Autor jetzt auch darüber nachsinnt, was uns 
die Fotos und Videos aus dem Abu-Ghraib-Gefängnis über die 
Mentalität derer sagen, die die Iraker gefangenhielten, und was 
das für Leute sein müssen, die die angewandten Verhör- 
methoden absegneten? 

Der Dramatiker und Drehbuchautor David Mamet - ein wei- 
terer Fachmann auf dem Gebiet der Antisemitismusforschung, 
auf dessen eminent wichtigen Beitrag Ron Rosenbaum in seiner 
Anthologie nicht verzichten mochte - ist der Ansicht, daß die 
Welt »den Juden Dank schuldet«. Denn: »Hätte Israel nicht im 
Jahr 1981 den irakischen Kernreaktor bombardiert, der damals 
nur wenige Wochen von der Herstellung atomwaffenfähigen 
Materials entfernt war, hätte (Gott bewahre!) ganz New York 
zu Ground Zero werden können.« Nur daß der irakische Reak- 
tor erstens keine Atomwaffen herstellte, daß Israel Saddam 
zweitens durch die Bombardierung vermutlich erst dazu ge- 
bracht hat, die Herstellung von Atomwaffen anzustreben, und 
daß der Irak drittens mit dem Anschlag auf das World Trade 
Center nichts zu tun hatte. Diese Dankesschuld können wir 
also getrost streichen. Nach Ansicht des an der Hebräischen 
Universität lehrenden Robert Wistrich »war Saddams Irak der 
finstere Beweis« dafür, daß die arabische Welt »entschlossen ist, 
Massenvernichtungswaffen herzustellen, und auch bereit ist, 
sie einzusetzen«. Dies zeuge davon, wie weit »nazistisches« 
Gedankengut in der arabischen Welt verbreitet sei. Glückli- 
cherweise aber habe der Sturz Saddams, so Wistrich, »der Hor- 
rorvorstellung, daß ein skrupelloser Diktator über tödliche 
Waffen verfugt«, ein Ende bereitet. Nur daß keine Massen- 
vernichtungswaffen gefunden wurden und das Atomwaffen- 
programm schon vor langer Zeit aufgegeben worden war. 18 

83 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Wo wir gerade von Spinnweben sprachen: Für das Nachwort 
zu seiner Anthologie konnte Ron Rosenbaum die Romanauto- 
rin Cynthia Ozick gewinnen. Mit ihrem Text dürfte sie die in sie 
gesetzten Erwartungen voll und ganz erfüllt haben, schlüpfte 
sie für diesen Anlaß doch nur zu gern in ihr Lieblingskostüm. 
Das Nachwort beginnt dramatisch: »Wir dachten, all das wäre 
vorbei. Die Öfen sind schon seit langem abgekühlt ... Die 
Schreie der Nackten ... Die Deportationen, über die so genau 
Buch geführt wurde ... Wir dachten, all das wäre vorbei ... Es 
war naiv, albern, dumm, ahistorisch von uns, uns der trügeri- 
schen Hoffnung hinzugeben, daß der einmal besiegte Kanniba- 
lenhaß nicht wieder aufleben würde. Doch nun ist er zu neuem 
Leben erwacht.« Sie dachte, es wäre vorbei? Hat Ozick verges- 
sen, daß sie diese Arie, leicht variiert, schon bei der Urauffüh- 
rung des »neuen Antisemitismus« gesungen hatte? Damals, 
1974, hatte sie für die Zeitschrift Esquire einen Artikel verfaßt, 
der auf breites Interesse stoßen sollte. Titel: »Die ganze Welt 
wünscht den Juden den Tod.« Hat Ozick vergessen, daß sie 
ihre Ausführungen schon damals mit Bildern aus den national- 
sozialistischen Vernichtungslagern einleitete? Daß sie anschlie- 
ßend die Araber geißelte, sie träten in Hitlers Fußstapfen und 
seien fest entschlossen, alle Juden der Welt, einschließlich ihrer 
selbst, zu ermorden? (»Kairo und Damaskus halten die Fackeln 
in der Hand; sie sind zwar weit weg, am anderen Ende der 
Welt, aber sie haben es dennoch auf mich abgesehen.«) Und 
daß sie dann dem ganzen Rest der Welt, einschließlich anderer 
Juden, vorgeworfen hatte, sich mitschuldig zu machen und 
sich in Schweigen zu hüllen? Sollte Ozick am Ende gar ihr ein- 
dringliches Schlußwort vergessen haben? Uns klingt ihre Em- 
pörung noch in den Ohren: »Palästinensische Flüchtlinge, poli- 
tische Taktierer, nationale Befreiungskämpfer, olympische Ter- 
roristen, Terroristen der Lüfte! Vernichter von 49 friedvollen 
Leben in einem einzigen Nachkriegsfrühling! Todesschützen 
von dreizehn Müttern und Säuglingen in Qiryat Shemona! 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

Mörder von ...!« Ist dieser seit Urzeiten auftretenden Diva, die 
bei keiner Inszenierung des »neuen Antisemitismus« fehlen 
darf, wirklich nicht aufgefallen, daß auch ihr neuestes Kostüm 
reichlich nach Mottenkugeln duftet? 19 

Als »Herzstück des antizionistischen Antisemitismus« hat 
Kon Rosenbaum, wie er in der Einleitung zu seinem Sammel- 
band schreibt, die Leugnung der folgenden unumstößlichen 
Tatsachen ausgemacht: »Juden wollen in Frieden leben, aber 
drei Kriege, in denen arabische Staaten versucht haben, die Ju- 
den ins Meer zu treiben, und die Terrorkampagne der Palästi- 
nenser, die die Idee eines jüdischen Staates ablehnen, lassen 
Israelis nur die tragische Wahl zwischen Selbstverteidigung 
und Selbstzerstörung.« 20 Besonders stolz ist Rosenbaum darauf, 
daß er die Angst vor einem »zweiten Holocaust« in die Debatte 
über den neuen Antisemitismus eingebracht hat. »Jede europäi- 
sche Nation hat sich in hohem Maße an Hitlers Völkermord 
mitschuldig gemacht«, und »die meisten Europäer taten es auch 
noch freiwillig« (Hervorhebung im Original). Nach Kosen- 
baums Ansicht waren also nicht nur die Deutschen, sondern 
alle Europäer »Hitlers willige Vollstrecker«. Und heute sind 
diese Europäer »erneut willens, sich der Mittäterschaft am Ju- 
denmord schuldig zu machen«. In Wirklichkeit haben sie, in- 
dem sie den Juden einen eigenen Staat in weiter Ferne aufnötig- 
ten, schon gleich nach dem Zweiten Weltkrieg damit begonnen, 
einen zweiten HOLOCAUST zu planen. Es gab nämlich eine 
europäische Verschwörung, »um die überlebenden Juden, de- 
ren Gegenwart unweigerlich an die europäische Schande erin- 
nerte, vom Kontinent zu schaffen und den europäischen Völ- 
kern endgültig all das Eigentum zu überlassen, das sie den Ju- 
den während des Krieges gestohlen hatten«. 

Man könnte an dieser Stelle ironisch anmerken, daß der Hin- 
weis auf die Gemeinsamkeit zwischen der zionistischen Forde- 
rn ng nach einem eigenen Judenstaat außerhalb Europas und 
der antisemitischen Forderung nach einem Europa ohne Juden 

85 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

üblicherweise nicht für, sondern gegen den Zionismus ins Feld 
geführt wird. Aber lassen wir das. Sehen wir uns nur einmal 
Rosenbaums bahnbrechende Hauptthese an: Die treibende 
Kraft hinter der Gründung Israels waren in erster Linie nicht 
Juden, die sich nach einem eigenen Staat sehnten, sondern Eu- 
ropäer, die die Juden loswerden und sie endgültig ihres gesam- 
ten Besitzes berauben wollten. Und das war noch nicht alles. 
Laut Rosenbaum waren es nicht etwa die Zionisten, die sich 
eine jüdische Heimstätte in Palästina wünschten, nein, auch das 
war eine perfide Idee der nichtjüdischen Europäer: Die Europä- 
er wählten für Israel absichtlich »einen schutzlos daliegenden 
Wüstenstreifen inmitten eines Meeres feindlich gesinnter Völ- 
ker«. Und was noch schlimmer ist: Diese Europäer machten Is- 
rael absichtlich so klein, daß es Juden und Palästinensern dort 
zwangsläufig zu eng werden mußte, damit die Juden die Palä- 
stinenser vertreiben, die Palästinenser im Gegenzug die Juden 
hassen, die »Semiten« sich schließlich eines Tages »gegenseitig 
die Schädel einschlagen« und »man die Schuld auf die Juden 
schieben kann«. 

Als ob das alles nicht schon genug wäre, sind die Europäer 
jetzt auch noch klammheimlich dazu übergegangen, die auf 
dem Kontinent verbliebenen Juden zu vernichten, denn die 
Europäer »erlauben es der arabischen Bevölkerung, ihnen den 
Job, Synagogen in Brand zu stecken und Juden auf offener 
Straße zu verprügeln, abzunehmen« (Hervorhebung im Origi- 
nal). Angesichts der übertriebenen Zurückhaltung, die Israel 
an den Tag legt, macht sich Rosenbaum um die Überlebens- 
chance des jüdischen Staates ernsthaft Sorgen. Zwar geht Ro- 
senbaum nach eigenem Bekunden »die verzweifelte Lage der 
Palästinenser« sehr wohl nahe. Doch die einzige Chance für 
Israel, einen zweiten HOLOCAUST abzuwenden, besteht sei- 
ner Ansicht nach darin, dafür zu sorgen, daß die »Familien 
[der Selbstmordattentäter] . . . das Schicksal derer ereilt, die von 
den Attentätern in die Luft gesprengt wurden«. Rosenbaum 
86 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

befürchtet allerdings, daß Israel seinen dringenden Rat, will- 
kürlich Männer, Frauen und Kinder zu ermorden, nicht befol- 
gen wird (»Israelis werden so etwas nicht tun«), »und deswe- 
gen ist die Wahrscheinlichkeit, daß es einen zweiten Holocaust 
geben wird, sehr groß«. Doch noch ist nicht alles verloren. Falls 
»über Tel Aviv eine Atombombe abgeworfen wird«, dann wird 
Israels »nuklearer Vergeltungs schlag« gegen »Bagdad, Damas- 
kus oder Teheran, vielleicht auch [gegen] alle drei« »nicht lange 
auf sich warten lassen«. Diesmal werden die Juden den Gojim 
eine Lektion erteilen, die sie, verdammt noch mal, nicht so 
schnell vergessen werden. »Wenn wir sagen, >Nie wieder! <«, 
schwört Rosenbaum, »dann meinen wir damit auch: >Und wenn 
doch, dann seid ihr diesmal mit dran.<« (Hervorhebung im Ori- 
ginal) Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, daß der Her- 
ausgeber einer Anthologie, deren Autoren sich über paranoide 
Verschwörungstheorien und blutrünstige Rachegelüste der ara- 
bischen Welt lustig machen, in seinem eigenen Beitrag derart 
vor sich hinphantasiert. 21 

Ein am Massachusetts Institute of Technology (MIT) leh- 
render Experte für Software und Web- Anwendungen namens 
Philip Greenspun scheint zwar der Buchform eher abgeneigt zu 
sein - sein Beitrag für die Rosenbaum-Anthologie, einer der 
beiden längsten, speist sich fast ausschließlich aus Internet- 
quellen, und von ihm selbst war zuvor offenbar auch noch 
nichts Gedrucktes über Israel zu lesen gewesen -, aber er kann 
es, wie er wohl weiß, durchaus mit den anderen Autoren auf- 
nehmen, und so stellt er ohne falsche Scheu die folgende These 
auf: Die Gründung Israels war das Herzstück einer weltweiten 
Verschwörung zur Ermordung der Juden. Die Europäer hatten 
Israel ursprünglich »als Konzentrationslager für Juden« kon- 
zipiert. Doch »in der Geschichte sind die meisten Konzentra- 
tionslager für Juden irgendwann zu Vernichtungslagern ge- 
worden, und es steht außer Frage, daß es in der Welt keinen 
Mangel an Leuten gibt, die versuchen, diese Umwandlung zu 

87 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

vollziehen«. 22 Für Paranoiker ist es symptomatisch, daß sie je- 
des Ereignis als neuerlichen Beweis für die Existenz irgendeiner 
großen Verschwörung ansehen. Wenn aber diejenigen, die von 
sich behaupten, Zionisten zu sein, nun schon die Gründung 
Israels als das Herzstück einer großen antisemitischen Ver- 
schwörung auslegen, fragt man sich, in was für eine merk- 
würdige Phase ihre Paranoia da getreten ist. 

Die kalkulierte Hysterie bezüglich eines neuen Antisemitismus 
dient nicht allein dazu, berechtigte Kritik an Israel abzuwehren. 
Wie beim »Krieg gegen den Terrorismus« besteht der höhere 
Zweck dieser Kampagne darin, von einem in diesem Ausmaß 
noch nie dagewesenen Angriff auf das Völkerrecht abzulenken. 
Und darin liegt die größte Gefahr. Der Krieg gegen den Irak 
stellt in dieser Hinsicht einen entscheidenden Wendepunkt dar, 
denn hier wurde die prinzipielle Weigerung, sich an einem An- 
griffskrieg zu beteiligen - zweifellos eine der wichtigsten Leh- 
ren, die man aus dem Nationalsozialismus ziehen muß -, aus- 
gerechnet mit Judenhaß gleichgesetzt. Während sich Israel und 
jüdische Mainstream-Organisationen über den US-Angriff 
hocherfreut zeigten, wurde die weltweite Protestbewegung ge- 
gen den »präventiven« Irakkrieg der Vereinigten Staaten be- 
schuldigt, sie vertrete einen »Antisemitismus, von dem man 
dachte, daß er im Westen längst nicht mehr existierte«. Sogar 
prominente amerikanische Dichter, die die kriminelle Aggres- 
sion ihres Landes und die israelische Besatzung verurteilten, 
mußten sich vorwerfen lassen, »mit einer Art von Antisemitis- 
mus, die schon beinahe an die 1930er Jahre erinnert«, zu spie- 
len. Und als die Deutschen den Mut hatten, Washington die 
Gefolgschaft zu verweigern, nutzte der deutsche Zweig der Is- 
rael-Lobby in Gestalt von Paul Spiegel den Anlaß des Holo- 
caust-Gedenktages, um Saddam explizit mit Hitler zu verglei- 
chen und die deutsche Ablehnung des Irakkrieges zu verurtei- 
len. Es gebe nun einmal »notwendige Kriege«, und diese zu un- 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

terstützen sei, wie Spiegel wenig später an anderer Stelle aus- 
führte, dringend geboten. 23 

Der neue Antisemitismus dient des weiteren dazu, die Men- 
schenrechte in ihren Grundfesten zu erschüttern. »Das große 
moralische Problem, das sich der Welt in der Dämmerung des 
neuen Jahrtausends stellt, ist«, nach Meinung von Alan Dersho- 
witz, »die Frage, ob Israels Versuch, sich gegen den Terroris- 
mus zu schützen, zu einer massiven weltweiten Zunahme des 
Antisemitismus führen wird«. Dabei spricht natürlich (von we- 
nigen Ausnahmen abgesehen) niemand Israel das Recht ab, sich 
gegen Terrorismus zu verteidigen; die Kritik richtet sich gegen 
die schweren Menschenrechtsverletzungen, die Israel im Na- 
men der Terrorismusbekämpfung begeht. Dershowitz bringt 
den »Antisemitismus« nicht nur deswegen ins Spiel, weil er 
von der Kritik an ebendiesen schweren Menschenrechts- 
verletzungen ablenken will; es geht ihm auch darum, die Ver- 
stöße zu legalisieren. Denn im Namen der Verteidigung Israels 
und - kaum zu glauben - der »Herrschaft des Rechts« tritt er für 
einen massiven Abbau der im Laufe der letzten hundert Jahre 
erzielten Fortschritte beim humanitären Völkerrecht und beim 
internationalen Menschenrechtsschutz ein. Dershowitz behaup- 
tet, daß »der internationale Menschenrechtsschutz und die 
Menschenrechtsrhetorik zu wirksamen Waffen geworden sind, 
die selektiv gegen Israel eingesetzt werden«. Die Folgerung, die 
er daraus zieht, lautet: »Es ist an der Zeit, daß die Vereinigten 
Staaten darauf bestehen, daß das internationale Kriegsrecht ge- 
ändert wird«; sie sollten »an vorderster Front dafür kämpfen, 
daß >archaische< internationale Gesetze und Konventionen re- 
vidiert werden«, vor allem »die Genfer Konvention«. 

In einem schockierenden Vortrag auf einer Konferenz in Is- 
rael erklärte Dershowitz völkerrechtliche Vereinbarungen kur- 
zerhand für nicht bindend: »Israelis sind verpflichtet, sich der 
in der israelischen Demokratie festgelegten Herrschaft des 
Rechts zu unterwerfen, so wie ich verpflichtet bin, mich der in 

89 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

der amerikanischen Demokratie festgelegten Herrschaft des 
Rechts zu unterwerfen . . . Wie genau Israel es mit völkerrechtli- 
chen Vereinbarungen nimmt, kann der Staat selbst entscheiden. 
Man kann sich daran halten oder man läßt es bleiben - das ist 
eine Frage der Taktik und keine Frage der moralischen Ver- 
pflichtung oder der demokratischen Theorie.« Konkret befür- 
wortet Dershowitz zum Beispiel politische Liquidierungen: 
»Der Vorteil der gezielten Liquidierung ... liegt in ebendieser 
Gezieltheit, die Kollateralschäden und Kollektivstrafen im all- 
gemeinen ausschließt.« Kollektivstrafen, etwa die »automatische 
Zerstörung« palästinensischer Dörfer nach jedem Terroran- 
schlag, kann Dershowitz ebenfalls nur wärmstens empfehlen: In 
seinen Augen »ist die Zerstörung von [Wohnhäusern]* ... durch 
und durch moralisch«; sie »gehört zu den moralischsten und 
abgewogensten Reaktionen auf den Terrorismus überhaupt«. 
Auch ist Dershowitz ausdrücklich ein großer Freund von Fol- 
termaßnahmen. So schlägt er zum Beispiel vor, Verdächtigen 
eine »Nadel unter die Fingernägel zu schieben«, und erklärt: 
»Ich bin für den größtmöglichen Schmerz, ... den schrecklich- 
sten, intensivsten, am schnellsten wirksamen Schmerz.« Auch 
ethnische Säuberungen haben nach Meinung von Dershowitz 
einiges für sich: »Politische Lösungen erfordern oftmals die Um- 
siedlung von Menschen, und solche Bevölkerungsbewegungen 
sind nicht immer freiwillig . . . [Es ist] eine Frage fünften Ranges, 
in vielerlei Hinsicht analog zu irgendeiner großangelegten 
Stadtsanierung.« Wenn Palästinenser gegen das Völkerrecht ver- 
stoßen, schwingt sich Dershowitz indes gern zu dessen Beschüt- 
zer auf. Daß Palästinenser israelische Zivilisten angreifen, ist, 
wie er betont, »niemals zu tolerieren ... Es verstößt gegen die 



* Änderung entsprechend dem amerikanischen Original (»home de- 
struction is entirely moral«; Alan M. Dershowitz, The Case for Israel, 
Hoboken/New Jersey, 2003, S. 171); in der deutschen Ausgabe, Plä- 
doyer für Israel, ist der Ausdruck an dieser Stelle mit »Zerstörung 
von Gebäuden« wiedergegeben; Anm. d. Ü. 

90 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

Genfer Konventionen, es verstößt gegen internationales Kriegs- 
recht, es verstößt gegen sämtliche moralische Grundsätze.« 
Während es natürlich gegen rein gar nichts verstößt, wenn man 
anderen Leuten Nadeln unter die Fingernägel schiebt. 24 

Anderswo sieht es nicht viel besser aus. In Kanada gab der 
Vorsitzende des B'nai-Brith-Instituts für Internationale Ange- 
legenheiten zwar zu, daß Israel gegenüber den Palästinensern 
zu Terrortaktiken greift, doch befand er diesen Terror für »ak- 
zeptabel«: »Terror gibt Staaten die Möglichkeit, Todesopfer zu 
vermeiden ... Was im Gazastreifen und im Westjordanland 
stattfindet, könnte man durchaus als das Werk von in staat- 
lichem Auftrag handelnden Terroristen bezeichnen. Wenn es 
aber doch dazu dient, Todesopfer zu vermeiden, wollen wir 
uns dann etwa hinstellen und sagen, das sei nicht in Ord- 
nung?« 25 In Frankreich konnte unterdessen im Oktober 2004 
ein vom Innenministerium in Auftrag gegebener, auf großes 
Medieninteresse stoßender Bericht mit einer bizarren neuen 
Kategorie aufwarten: dem »Stellvertreter-Antisemitismus« 
(»l'antisemitisme par procuration«). Bei »Stellvertreter- Anti- 
semiten« handelt es sich um Subjekte, die zwar selbst keine 
antisemitische Handlung begangen haben und auch weder 
durch gezielte Manipulation noch durch offene Anstiftung ein 
anderes Individuum dazu getrieben haben, eine solche zu be- 
gehen, die aber »durch ihre Meinungen, ihre Worte oder 
manchmal auch nur durch bloßes Stillschweigen derartige Ge- 
walt unterstützen«. Dieses »stummen« Antisemitismus machen 
sich, wie es in dem Bericht heißt, vor allem »radikale Antizio- 
nisten« schuldig: Leute, die »die Politik Sharons verurteilen«, 
eine Vorliebe für »jüdische Dissidenten« haben und der Auf- 
fassung sind, palästinensische Flüchtlinge hätten das »Recht«, 
in ihre Heimat zurückzukehren. Diese Argumentation wirft 
uns zurück in die finstersten Tage des Stalinismus, als diejeni- 
gen, die im Westen das Sowjetregime kritisierten, schon allein 
dadurch, daß sie es kritisierten, »objektiv« Beihilfe zum Fa- 

91 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

schismus leisteten, und man mit ihnen entsprechend verfuhr. In 
einem wahrhaft beängstigenden Abschnitt empfiehlt der Be- 
richt in Fällen, in denen Israel »Rassismus« oder »Apartheid« 
vorgeworfen wird oder entsprechende Vergleiche angestellt 
werden, das Mittel der Kriminalisierung: »In der Situation, in 
der wir uns gegenwärtig befinden, sind [derartige Vorwürfe 
und Vergleiche] folgenschwer und können, einer ansteckenden 
Krankheit gleich, rasch um sich greifen und das Leben unserer 
jüdischen Mitbürger gefährden. Es ist legitim, durch Gesetze 
dafür zu sorgen, daß die Leute [derartige Vorwürfe und Ver- 
gleiche] nicht leichtfertig in Umlauf bringen.« Abgesehen von 
der Empfehlung, »Stellvertreter-Antisemitismus« unter Strafe 
zu stellen, rät der Bericht zu mehr pädagogischer Aufklärung 
über den HOLOCAUST, bei der vor allem sein »singulärer, ein- 
zigartiger« Charakter und seine »universelle« Bedeutung betont 
werden sollen. Erst ist es die Einzigartigkeit und Universalität 
des theologischen Absolutismus; dann ist es die Einzigartigkeit 
und Universalität des Marxismus-Leninismus; und jetzt ist es 
die Einzigartigkeit und Universalität des HOLOCAUST. Die 
einzige Konstante ist eine totalitäre Gesinnung sowie die dazu- 
gehörige Stigmatisierung von Dissens als eine Krankheit, die 
durch den Staat zu bekämpfen sei. 26 

Cheslers Losung im Kampf gegen den neuen Antisemitis- 
mus lautet: »Wir müssen die großen Lügen bekämpfen.« Die 
»ständig wachsende Zahl naiver und falsch informierter Stu- 
denten« gelte es zu »unterrichten«. In ihrem Buch widmet sich 
Chesler denn auch hauptsächlich der Aufgabe, all die »großen 
Lügen« als solche zu entlarven. Zum Beispiel stellt sie klar, daß 
»der Anspruch der Juden auf das Land Israel« berechtigt ist, 
denn: »Während ihres Exils beteten die Juden dreimal täglich 
für Jerusalem und Israel und wandten sich dabei in seine Rich- 
tung.« Heißt das, Chesler würde den Anspruch auf ihr Haus 
einbüßen, falls es Amerikas Ureinwohnern, die sich nicht seit 
2000, sondern erst seit 200 Jahren im Exil befinden, einfiele, ein 
92 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

entsprechendes Ritual zu veranstalten? Als weiteren Beleg für 
den berechtigten »Anspruch der Juden auf das Land Israel« 
führt Chesler an: »Gott versprach das Land dem Stammvater 
Abraham und all den anderen jüdischen Stammvätern und 
-müttern.« Nur keine Skepsis - die Autorin hat diese These so- 
gar mit einem Quellennachweis versehen. Chesler glaubt auch 
fest daran, daß »viele Palästinenser (sie selbst, ihre Eltern und 
auch ihre Großeltern) eigentlich in Jordanien, Ägypten, im Li- 
banon und in Syrien geboren wurden« - auch wenn alle ernst- 
zunehmenden Wissenschaftler diese These als zionistisches 
Märchen erkannt und verworfen haben. 

Chesler klärt ihre Leser des weiteren darüber auf, daß die 
Hamas schon Terroranschläge verübte, bevor Israel im Jahr 
1967 das Westjordanland und den Gazastreifen besetzte - auch 
wenn die Hamas erst in den späten 1980er Jahren gegründet 
wurde. Laut Chesler ist die israelische Armee »eine der zivili- 
siertesten auf der Welt« - auch wenn der frühere Chef der israe- 
lischen Geheimpolizei, Avraham Shalom, das israelische Vor- 
gehen in den besetzten Gebieten öffentlich mit den Worten 
beklagte: »Es ist eine Schande, wie wir uns aufführen. Ja, das 
ist das einzig passende Wort dafür: eine Schande.« Um zu zei- 
gen, wie zivilisiert die israelische Armee ist, schreibt Chesler 
weiter: »Israelische Soldaten zielen nicht auf palästinensische 
Frauen und Kinder«, und darum »bestand die Mehrheit der 
Palästinenser, die in den letzten drei Jahren ums Leben ge- 
kommen sind, aus bewaffneten (männlichen) Soldaten und 
(männlichen) Selbstmordattentätern.« Angesehene Menschen- 
rechtsorganisationen haben jedoch umfangreich belegt, daß 
israelische Soldaten routinemäßig und ungestraft mit »über- 
mäßiger«, »unverhältnismäßiger«, »willkürlicher« und »rück- 
sichtsloser« Gewalt gegen Palästinenser vorgehen, die keiner- 
lei Gefahr darstellen; daß die Armee auch diese Palästinenser 
»gezielt unter Beschuß« nimmt; daß bei derartigen militäri- 
schen Aktionen schon »viele Menschen ... getötet wurden«; 

93 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

daß unter den Toten »ein hoher Anteil an Kindern« war; und 
schließlich daß es sich bei der »überwiegenden Mehrheit« der 
während der zweiten Intifada getöteten Palästinenser um »un- 
bewaffnete Zivilisten und Unbeteiligte« handelte. 

Was die »Operation Schutzschild« betrifft, die im Frühjahr 
2002 durchgeführt wurde und deren Höhepunkt die Belage- 
rung des Flüchtlingslagers Jenin war, schreibt Chesler, israeli- 
sche Soldaten hätten weder Krankenwagen noch medizinisches 
Personal angegriffen, noch hätten sie sich an palästinensischem 
Eigentum vergriffen; außerdem seien es palästinensische Ter- 
roristen (und nicht Israelis) gewesen, die palästinensische Zivi- 
listen als menschliche Schutzschilde mißbraucht hätten; und es 
hätte auch kein israelischer Panzer absichtlich einen palästinen- 
sischen Rollstuhlfahrer überfahren. Angesehene Menschen- 
rechtsorganisationen sind sich jedoch bezüglich all dieser Punk- 
te einig, daß genau das Gegenteil zutrifft. Chesler besteht auch 
darauf, daß Israel »kein Land [ist], in dem ... Apartheid 
herrscht« - auch wenn der Apartheidvergleich im politischen 
Diskurs in Israel ein Gemeinplatz ist und Chesler sogar selbst 
eine »hervorragende Kollegin« aus Israel mit den Worten zi- 
tiert: »Wir werden langsam zu einem neuen Südafrika.« »Das 
Neue am neuen Antisemitismus ist«, laut Chesler, »daß er zum 
ersten Mal im Namen des Antirassismus, Antiimperialismus 
und Antikolonialismus ausgeübt wird« - auch wenn sie im 
gleichen Atemzug die UN-Resolution verurteilt, die den Zio- 
nismus bereits vor drei Jahrzehnten mit »Rassismus«, »imperia- 
listischer Ideologie« und »Apartheid« gleichsetzte. Und was 
Noam Chomsky sagt, kann ja wohl auch nicht stimmen, meint 
Chesler, denn die von ihm angeführten Zitate aus israelischen 
Quellen »klingen für mich wie nicht richtig wiedergegeben 
oder aus dem Zusammenhang gerissen«. Soweit Cheslers Lü- 
genbekämpfung. 27 

Neben Chesler haben sich auch andere Autoren darange- 
macht, in Abhandlungen zum neuen Antisemitismus all die 
94 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

»großen Lügen« über Israel aus der Welt zu schaffen. In einer 
Titelgeschichte für die Zeitschrift New York verwirft Craig Ho- 
rowitz die Sprache, die im Hinblick auf die israelische Politik 
Verwendung findet: In seinen Augen wird mit Ausdrücken 
wie »Apartheid« die Wirklichkeit »grotesk verzerrt«. Auch 
das »empörende Verhalten der Vereinten Nationen, die in 
Feindseligkeit gegenüber Israel schwelgen«, bringt ihn in Ra- 
ge. Als Beispiel führt er an, daß die Vereinten Nationen vor 
kurzem Israel verurteilt haben, nur weil es »einen Zaun er- 
richtet, um die Selbstmordattentäter draußen zu halten« - 
auch wenn Israel sich mit dem Zaun am Ende nicht weniger 
als die Hälfte des Westjordanlandes einverleiben könnte. Als 
der an der Columbia University lehrende Journalismusprofes- 
sor Samuel G. Freedman bei Salon.com über den Mord an 
Daniel Pearl nachsann, erwähnte er, daß diejenigen, die Pearl 
gefangennahmen, dem »Dogma« verfallen seien, nach dem 
die Vereinigten Staaten Israel »uneingeschränkte Unterstüt- 
zung« gewährten. (Woher diese Typen ihre abstrusen Ideen 
nehmen, ist einem wirklich schleierhaft.) Von Israelis getötete 
palästinensische Kinder bezeichnete Freedman unterdessen 
als »angebliche« Opfer. 

In der Zeitschrift The New Republic beklagt der HOLO- 
CAUST-Historiker Omer Bartov »gehässige Kommentare«, in 
denen »die israelische Operation in Jenin« als »Kriegsverbre- 
chen« dargestellt wird - auch wenn Amnesty International und 
Human Rights Watch diese Wortwahl in bezug auf diese Ope- 
ration ebenfalls für angebracht halten. Außerdem beklagt er 
»Kommentare«, in denen behauptet wird, »Zionismus bedeutet 
ethnische Säuberung« - auch wenn führende israelische Histo- 
riker diese Wortwahl in bezug auf das Jahr 1948 ebenfalls für 
angebracht halten. Tom Gross, ein vielgepriesener britischer 
Beobachter antisemitischer Tendenzen in den Medien, hat für 
»Geschichten«, nach denen Israel in Jenin Kriegsverbrechen 
verübte, ebenfalls nur Spott übrig. Er gibt vor, die Menschen- 

95 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

rechtsberichte über Jenin gelesen zu haben und seine Medien- 
kritik auf sie zu gründen, behauptet aber, daß nur »ein kleiner 
Teil des Lagers« von der israelischen Zerstörung betroffen war 
- auch wenn sowohl Amnesty als auch Human Rights Watch 
dokumentiert haben, daß 4000 Menschen, also mehr als ein 
Viertel derer, die im Flüchtlingslager Jenin untergebracht wa- 
ren, durch die israelische Zerstörung obdachlos wurden und 
daß diese Zerstörung größtenteils erst stattfand, als die bewaff- 
neten Auseinandersetzungen bereits beendet waren. 

David Zangen, ein israelischer Militärarzt, der in Jenin im 
Einsatz war, ergeht sich in Lobpreisungen über die »tüchtigen 
und moralisch verantwortlich handelnden Streitkräfte, die die 
Operation in Jenin durchführten«, sowie über »unsere Kampf- 
ethik«. In seiner Schilderung des Geschehens, die Ron Rosen- 
baum so »überaus faszinierend« fand, gab Zangen auch zu Pro- 
tokoll, daß »niemandem zu irgendeinem Zeitpunkt ärztliche 
Hilfe verwehrt wurde« - auch wenn sowohl Amnesty als auch 
Human Rights Watch mehr als genug Beweise dafür geliefert 
haben, daß die Menschen im Flüchtlingslager mehr als zehn 
Tage lang auf medizinische und humanitäre Hilfe warten muß- 
ten, weil Israel die Helfer nicht hineinließ. Der Chefredakteur 
der New Republic, Martin Peretz (er hatte zuvor die Ansicht 
vertreten, Joan Peters' Meisterwerk sei geeignet, »die Ideen ei- 
ner ganzen Generation ... und die Geschichte der Zukunft zu 
verändern«), ereiferte sich über »hysterische Lügen, die von 
Haß auf Israel zeugen«. Als Beispiel für eine solche Lüge nann- 
te er den Vorwurf, daß Israelis »in Jenin aus Jux und Tollerei 
Häuser zerstörten«. Ein israelischer Bulldozerfahrer stellte sei- 
nen Einsatz in Jenin gegenüber einer israelischen Zeitung aller- 
dings folgendermaßen dar: »Ich wollte am liebsten alles zerstö- 
ren. Ich hab die Offiziere angefleht,... damit sie mir erlauben, 
alles restlos kaputtzumachen . . . Drei Tage lang hab ich nur ge- 
wütet und soviel zerstört, wie ich nur konnte . . . Über jedes ein- 
zelne einstürzende Haus hab ich mich gefreut . . . Wenn mir et- 
96 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

was leid tut, dann höchstens, daß ich nicht das ganze Flücht- 
lingslager plattgewalzt hab ... Der Job hat mir 'ne Menge Be- 
friedigung verschafft. Hat echt Spaß gemacht.« (Die israelische 
Armee ehrte den Bulldozerfahrer nach der Veröffentlichung 
dieses Artikels für seine herausragenden Verdienste.) 

Schoenfeld nennt Ausführungen eines Hizbollahführers »an- 
tisemitisch«, weil dieser bei seiner Schilderung des arabisch- 
israelischen Krieges von 1948 davon gesprochen hatte, daß Is- 
raelis »Massaker [begingen], ... Häuser zerstörten, ganze Dör- 
fer vernichteten und ihren eigenen Staat auf Land errichteten, 
das sie durch Gemetzel, Terrorismus, Gewalt und Grausamkeit 
an sich gerissen hatten« - auch wenn sich diese Schilderung 
genau mit dem deckt, was israelische Historiker wie Benny 
Morris dokumentiert haben. Cynthia Ozick prangert die ihrer 
Meinung nach schon an Hitlers Antisemitismus erinnernde 
»große Lüge« an, nach der Israel »das Völkerrecht verletzt«; 
und wenn jemand davon redet, daß Israel die besetzten Gebie- 
te kolonisiert und die Palästinenser schikaniert, dann ist das 
für Ozick ebenfalls »reine Einbildung«. Wie manche Leute es 
schaffen, die Realität vollkommen auszublenden, ist schon be- 
wundernswert. 

In einer Titelgeschichte für den U.S. News & World Report 
räumt Medienmogul Mortimer Zuckerman mit den Unwahr- 
heilen über die Geschichte Israels gründlich auf. Er verurteilt 
es, daß Israel »ethnische Säuberung und Apartheid« vorgewor- 
fen werden, und wärmt noch einmal die guten alten zionisti- 
schen Mythen auf, zum Beispiel diese: »Als die Juden in Palä- 
stina ankamen, war es nur ein spärlich besiedeltes, kaum land- 
wirtschaftlich genutztes, schrecklich vernachlässigtes Land vol- 
ler Sandwüsten und Malariasümpfe.« Was den Krieg von 1948 
betrifft, so »deutet nichts daraufhin, daß die Palästinenser nicht 
freiwillig das Feld räumten«, und außerdem »waren diejenigen, 
die die Flucht ergriffen, von anderen Arabern dazu gedrängt 
worden«. Was Jenin betrifft, so stellt Zuckerman klar, daß 

97 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

»Medienberichte und sogar palästinensische Zeugenaussagen 
beziehungsweise schriftliche Quellen ... belegen, daß Gruppen 
wie die Fatah, die Hamas und der islamische Jihad Frauen und 
Kinder während der Kämpfe als menschliche Schutzschilde 
mißbrauchten« und daß »die Israelis in der Schlacht große Zu- 
rückhaltung übten«, und so weiter und so fort. 28 

Wenn es beim Kampf gegen den neuen Antisemitismus dar- 
um geht, die »großen Lügen« über Israel aufzudecken, so ge- 
hört dazu auch, die Mainstream-Medien bloßzustellen, die die- 
se Lügen angeblich kolportieren. In der schon erwähnten, von 
der EUMC in Auftrag gegebenen, von Bergmann und Wetzel 
verfaßten Studie (Manifestations) wird wiederholt behauptet, 
daß die europäische Nahostberichterstattung einen anti- 
semitischen Unterton habe. So heißt es zum Beispiel von »links- 
liberalen Blättern« wie den britischen Zeitungen Guardian und 
Independent, die dort erscheinenden Beiträge seien »mit einer 
Feindseligkeit verfaßt, >die schon nach Antisemitismus riecht<«. 
Eine solche antisemitische Einstellung mache sich beispielswei- 
se in Berichten bemerkbar, nach denen »das palästinensische 
Volk angeblich von einem sogenannten imperialistischen Staat 
unterdrückt wird«. So etwas sei ganz typisch für die antisemiti- 
sche »Parteinahme« der »linksorientierten Medien«. Sparen wir 
uns an dieser Stelle einen Kommentar zu dem Wörtchen »an- 
geblich«; aber wie oft wird Israel von liberalen europäischen 
Medien als »imperialistisch« bezeichnet? Daß die deutsche 
»Qualitätspresse« antisemitisch gefärbt ist, kann man, wie die 
Studie erklärt, schon allein daran erkennen, daß »die Gewalt 
und die Konflikte bei der Berichterstattung stark im Vorder- 
grund stehen«. 

Um wissenschaftlich zu belegen, daß die ganze europäische 
Berichterstattung antisemitisch gefärbt ist, wartet die Studie 
mit Umfrageergebnissen auf, die zeigen, daß »diejenigen Eu- 
ropäer, die die Nahostberichterstattung am genauesten ver- 
folgten, am ehesten dazu neigten, Verständnis für die palästi- 
98 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

nensische Sache aufzubringen«. Die Schlußfolgerung, daß diese 
Leute womöglich deswegen mehr Verständnis aufbringen, weil 
sie besser informiert sind, schied offenbar von vornherein als 
zu albern - und antisemitisch - aus. Selbst wenn die Berichter- 
stattung dem Inhalt nach nicht antisemitisch ist, hat doch der 
»eindringliche und beständige Fokus auf die gewaltsamen 
Auseinandersetzungen ... eindeutig Auswirkungen auf das 
Meinungsklima«. Weil also die Wirklichkeit des israelisch- 
palästinensischen Konflikts Feindseligkeit gegenüber Israel 
hervorruft, ist es »objektiv« antisemitisch, diesem Konflikt all- 
zuviel Aufmerksamkeit zu schenken, selbst wenn die Bericht- 
erstattung an sich nicht zu beanstanden ist. 29 Wie schon oben 
angemerkt ist der Vorwurf, die westlichen Medien würden sich 
bei ihrer Berichterstattung die palästinensische Sicht der Dinge 
zu eigen machen und die israelische vernachlässigen, völlig 
aus der Luft gegriffen. 

Die Kritik an den Printmedien geht für diejenigen, die sich 
dem Kampf gegen den neuen Antisemitismus verschrieben ha- 
ben, mit Kritik am Internet einher. Das World Wide Web be- 
reitet ihnen verständlicherweise Sorgen, wird es doch (noch) 
nicht von denen kontrolliert, die für eine wirklich verantwor- 
tungsvolle, ausgewogene Nahostberichterstattung sorgen könn- 
ten - Leute vom Format eines Izzy Asper, Silvio Berlusconi, 
Conrad Black, Rupert Murdoch oder Mortimer Zuckerman. 
Bergmann und Wetzel haben die Lehren aus dem Totalitaris- 
mus zutiefst verinnerlicht und wissen das hohe Gut der freien 
Meinungsäußerung zu schätzen. Daher ihr Rat, daß »private 
und staatliche Organisationen dauerhaft Druck auf große Inter- 
netanbieter ausüben sollten, damit sie rassistische und anti- 
semitische Inhalte aus dem Netz nehmen«. Die beiden Autoren 
machen darauf aufmerksam, daß »es unabdingbar ist, die 
Rechtsprechung der europäischen Gerichte dahingehend zu 
erweitern, daß sie im Detail regelt, inwieweit Internetanbieter 
für den Inhalt ihrer Seiten verantwortlich zu machen sind«. 

99 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Außerdem ist, so Bergmann und Wetzel, »eine besonders inten- 
sive, in erster Linie durch staatliche Behörden zu leistende Be- 
obachtung erforderlich«. Die Autoren schlagen vor, »mit Fällen, 
die polizeilich verfolgt werden, sowie mit Informationen der 
staatlichen Sicherheitsbehörden« an die Öffentlichkeit zu ge- 
hen. Wenn die Autoren schon der Ansicht sind, daß jeder Inter- 
netnutzer, der nach ihrer Definition ein »Antisemit« ist, straf- 
rechtlich verfolgt werden müßte, sollten sie dann nicht auch 
den Bau von Internierungslagern vorschlagen? 30 

Ein weiteres wichtiges Mittel im Kampf gegen den neuen 
Antisemitismus stellt, laut Manifestation^, die »Förderung von 
Maßnahmen im erzieherischen Bereich sowie die Förderung 
der Erinnerungsarbeit und der Erforschung des Holocaust« 
dar. Es gelte, »die Lehren der Vergangenheit auf heutige Pro- 
bleme anzuwenden, die mit Vorurteilen, Rassismus und mora- 
lischer Entscheidungsfindung zu tun haben«. Dabei ist aller- 
dings eine ganz wesentliche Einschränkung zu berücksich- 
tigen: Man darf aus der Massenvernichtung der Juden durch 
die Nazis keine Lehren ziehen, die man dann auf die israelische 
Situation bezieht. Denn »wenn das israelische Vorgehen mit 
dem Verhalten des Naziregimes verglichen wird oder wenn 
jemand Anspielungen in dieser Richtung macht, so ist dies als 
Ausdruck einer antisemitischen Geisteshaltung zu werten«. 
Soll das heißen, daß diejenigen israelischen Juden, die das is- 
raelische Vorgehen mit dem des Naziregimes vergleichen oder 
Anspielungen in dieser Richtung machen, Antisemiten sind? 
Schweden fängt sich von den Autoren einen Klaps ein, weil 
»die israelische Politik [dort] bei mehreren Gelegenheiten mit 
der Politik der Nazis verglichen wurde«. In Deutschland hätten 
»führende Vertreter der jüdischen Gemeinden immer wieder 
ihre Ansicht bekundet«, daß »es inakzeptabel und unge- 
rechtfertigt ist, Anspielungen auf das Naziregime zu machen 
oder diesbezüglich Vergleiche anzustellen«. Wenn aber füh- 
rende deutsch-jüdische Persönlichkeiten Saddam (oder andere 
100 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

Machthaber, die gerade auf der amerikanisch-israelischen »Ab- 
schußliste« stehen) mit Hitler und diejenigen, die gegen die 
kriminelle Aggression der Vereinigten Staaten protestieren, mit 
jenen vergleichen, die einst die Nazis gewähren ließen, dann ist 
das nicht nur akzeptabel und berechtigt, sondern das denkbar 
beste Beispiel dafür, wie man das im HOLOCAUST-Unterricht 
Gelernte in die Praxis umsetzt. Und selbstverständlich ist es 
auch akzeptabel und berechtigt - um nicht zu sagen: de rigueur 
-, die Palästinenser und ihre Führung mit Nazis zu verglei- 
chen. 

Schoenf eld rät zwar eindringlich: »Mit Vergleichen muß man 
vorsichtig sein.« Das hindert ihn aber nicht daran, erstens zu 
erklären, daß »die Ähnlichkeiten zwischen dem Nationalso- 
zialismus und dem gegenwärtigen Antisemitismus arabisch- 
muslimischer Prägung verblüffend« sind; zweitens zu erklären, 
daß das Schicksal, das die Israelis durch die Palästinenser erlei- 
den, dem jüdischen Schicksal in »Auschwitz« gleicht; und drit- 
tens noch eins obendrauf zu setzen und zu erklären, daß die 
Palästinenser moralisch sogar noch verkommener sind als die 
Nazis: »Wenn es zwischen den Nazis und den Palästinensern 
(von der Effizienz abgesehen) einen Unterschied gibt, dann be- 
steht er allenfalls darin, daß erstere ihre mörderischen Ab- 
sichten als streng geheim betrachteten«, während »die Palästi- 
nenser ihre mörderischen Absichten in die Welt hinausposau- 
nen«. Außerdem hat es laut Schoenf eld einen antisemitischen 
Beigeschmack, daß der »Holocaust ... verstärkt in seiner uni- 
versellen Dimension betrachtet wird« und daß »sich heute die 
unterschiedlichsten Bewegungen jeweils in ihrem Sinne auf ihn 
berufen«. Soviel zum erwünschten Lernen aus dem HOLO- 
CAUST. Noch perverser sind in Schoenfelds Augen diejenigen, 
die »den Rassismusbegriff in einer Weise verdrehen, daß der 
Eindruck entsteht, Juden, die einst Opfer von Rassismus waren, 
seien nun selbst zu Rassisten geworden und verdienten es des- 
halb, Schelte aus aller Welt zu beziehen«. Die einzig wahre 

101 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Lehre aus dem HOLOCAUST besteht für Schoenfeld in der An- 
erkennung der Tatsache, daß es sich dabei um eine »spezifisch 
jüdische Tragödie« gehandelt habe. 31 Solche Einschränkungen 
machen vor allem eines deutlich: Die »Aufklärung« über den 
HOLOCAUST und der dazugehörige Leitspruch »Nie wieder!« 
werden als ideologische Waffe mißbraucht, um jüdische Inter- 
essen durchzusetzen. 

Der an der Hebräischen Universität in Jerusalem lehrende 
Robert Wistrich sieht in der gemeinsamen Verachtung westli- 
cher Freiheiten nicht nur eine »klare Verbindungslinie« zwi- 
schen Hitler und islamischen Fundamentalisten, sondern auch 
zwischen diesen naziähnlichen Fundamentalisten und »linken 
Globalisierungskritikern«. Auch »Yasir Arafat, die Al-Aqsa- 
Brigaden der Fatah« sowie »Millionen von sunnitischen und 
schiitischen Muslimen, konservative wahhabitische Saudis, ira- 
nische Ayatollahs, Al-Qaida, die Hizbollah, die Hamas, die 
Muslimbruderschaft, der islamische Jihad und viele säkulare 
arabische Nationalisten« seien, »ungeachtet der vielen Unter- 
schiede, die es zwischen diesen Gruppen gibt«, in ihrem Haß 
auf Juden und Israel vereint und »lassen viele Parallelen zum 
Nationalsozialismus erkennen«. Wistrichs Fazit lautet: Damit 
im Nahen Osten Frieden einkehrt »und ein echter >Dialog der 
Kulturen<« stattfinden kann, muß den heutigen Nazis, so wie 
damals Hitler, eine »umfassende und entscheidende Nieder- 
lage« beigebracht werden. 

Die an der Harvard University lehrende Ruth Wisse stößt ins 
gleiche Hörn wie Schoenfeld und Wistrich: Verglichen mit dem 
Antisemitismus der Nazis »ist die arabische Spielart schlim- 
mer«. Die Deutschen hätten ihren Völkermord »im Rahmen 
eines größeren europäischen Konflikts« durchgeführt, um ihn 
geheimzuhalten, während die »arabischen Nationen ein- 
schließlich der PLO« ihre zerstörerische Politik »explizit zum 
Herzstück ihres politischen Auftrags gemacht« hätten, ja sie 
prahlten sogar mit ihren mörderischen Absichten. Wisse warnt, 
102 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

»der Westen hat teuer dafür bezahlt, daß er Hitlers Krieg gegen 
die Juden ignoriert hat«. »Man kann nur hoffen, daß er nicht 
genauso teuer dafür bezahlen wird, daß er den Krieg der Ara- 
ber gegen Israel und die Juden so lange ignoriert oder unter- 
schätzt hat.« 

Es sei daran erinnert, daß man diesen Leuten, die so sorgsam 
über die HOLOCAUST-Erinnerung wachen, normalerweise 
nach jedem Nazivergleich Riechsalz reichen muß, damit sie 
wieder zu sich kommen: Man könne und dürfe die Verbrechen 
des Nationalsozialismus mit nichts vergleichen, heißt es immer. 
Das gilt allerdings nicht, wenn sich der Vergleich gegen Israels 
ideologische Widersacher richtet beziehungsweise gegen die- 
jenigen, die die israelische Politik kritisieren. (Womit gegen- 
wärtig ein Großteil der Weltbevölkerung von dem Vergleichs- 
verbot ausgenommen wäre.) Wenn aber Palästinenser mit Na- 
zis gleichgesetzt werden, besteht die Gefahr, daß letztere damit 
eine Aufwertung erfahren. Indem sie Palästinenser als Nazis 
bezeichnen, liefern diese selbsternannten HOLOCAUST-Ex- 
perten vielleicht noch keine Rechtfertigung für die »Endlö- 
sung«, aber sie riskieren zumindest, daß der Judenhaß der Na- 
zis rationalisiert wird. 

Wenn das israelische Vorgehen hingegen mit dem Verhalten 
des Naziregimes verglichen wird oder Anspielungen in dieser 
Richtung gemacht werden, ist das Tabu in der Tat absolut und 
gilt, das sei an dieser Stelle noch einmal betont, auch für die lei- 
seste Andeutung von Parallelen. Der führende HOLOCAUST- 
Experte Frankreichs, Alain Finkielkraut, empfindet es als Zu- 
mutung, wenn bei der Schilderung des Vorgehens der israeli- 
schen Armee Worte wie »Massenverhaftungen«, »Internie- 
iiingslager« und »Wachttürme« fallen. Er verurteilt den Ge- 
brauch derartiger Begriffe, weil sie »einen Vergleich mit dem 
Nationalsozialismus beinhalten«. Sollen wir also statt dessen 
sagen, »nach einer frühmorgendlichen Zusammenkunft wies 
Israel Dutzenden von palästinensischen Männern einen neuen 

103 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

temporären Aufenthaltsort auf einem großen Platz zu, der von 
hochaufragenden, mit Scheinwerfern ausgestatteten Objekten 
umgeben war«? 32 

Wer den neuen Antisemitismus bekämpfen will, muß natür- 
lich vor allem Israel unterstützen. Für das Kapitel, das den Hö- 
hepunkt ihres Buches markiert, wählte Chesler die Überschrift 
»Was wir tun müssen«. Ihre Mahnung lautet: »Jeder Jude muß 
einen Weg finden, um Israel zu unterstützen.« Bergmann und 
Wetzel haben in Manifestation^ einige nachahmenswerte Bei- 
spiele der Antisemitismusbekämpfung dokumentiert. Unter der 
Überschrift »Hilfreiche Maßnahmen, um Vorurteile, Gewalt 
und Aggression abzubauen« finden wir, nach Ländern geord- 
net, unter anderem die folgenden Beispiele: Griechenland: »Es 
gab . . . eine hervorragende Abhandlung über den Zionismus, in 
der ... Journalisten ... die Sehnsucht nach nationaler Identität 
und einem eigenen Staat herausarbeiteten«; Spanien: »Die evan- 
gelische Kirche und das Institut für Jüdisch-Christliche Studien 
in Madrid organisierten gemeinsam mit den jüdischen Ge- 
meinden Madrids und Barcelonas eine Demonstration zur Un- 
terstützung Israels«; Italien: »Es wurden ... spezielle Internet- 
seiten eingerichtet, mit denen die Flut von Mißverständnissen 
eingedämmt und ein Ort für Antworten auf antiisraelische Me- 
dienschelte geschaffen werden soll«; Finnland: »Es gab ein paar 
Vorträge von Israelis, die über die Situation in Israel sprachen. 
Es gab auch eine pro-israelische Demonstration.« 33 

Durch Vorkommnisse der letzten Zeit wurde noch einmal 
sehr deutlich, wie wenig der neue Antisemitismus mit Antise- 
mitismus und wieviel er mit Israel zu tun hat. Auch trat offen 
zutage, wie der neue Antisemitismus dazu benutzt wird, eine 
offene Allianz zwischen dem Staat Israel und seinen Unterstüt- 
zern am rechten Rand zu schmieden. Kurz nachdem der italie- 
nische Ministerpräsident Silvio Berlusconi Mussolinis faschi- 
stisches Regime - das antisemitische Rassengesetze erließ und 
in seiner Endphase Tausende von Juden in die Nazi-Konzentra- 
104 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

tionslager und somit in den Tod schickte - öffentlich reingewa- 
schen hatte*, hielt es die ADL für angebracht, ihm ihre Aus- 
zeichnung für herausragende Staatsmänner (»Distinguished 
Statesman Award«) zu verleihen. Foxman erklärte, warum sei- 
ne ADL Berlusconi diese Ehre angedeihen ließ: »Dieser Mann 
ist [in Europa] der einzige, der klar seine Stimme erhebt, wenn 
es darum geht, Unterstützung und Verständnis für Israel zu 
bekunden.« Und: Berlusconi »hat laut gesagt, daß Antizio- 
nismus Antisemitismus ist«. 

Drei jüdische Wirtschaftsnobelpreisträger, die offenbar nicht 
begriffen, daß ein Blankoscheck für israelische Verbrechen von 
höherem moralischem Wert ist als alles andere, protestierten 
öffentlich: Nach Ansicht von Franco Modigliani, Paul A. Sa- 
muelson und Robert M. Solow war die Ehrung Berlusconis 
durch die ADL »schlecht für die Juden, schlecht für Italien, 
schlecht für die Vereinigten Staaten und sogar schlecht für Is- 
rael«. 34 Kurz danach bereiteten israelische Regierungsvertreter 
dem Führer der italienischen Neofaschisten von der Natio- 
nalen Allianz, Gianfranco Fini, einen »pompösen und feierli- 
chen« Empfang. Fini, der Mussolini schon mal als »größten Po- 
litiker des 20. Jahrhunderts« bezeichnet hat, hatte die Ein- 
ladung laut israelischen Quellen deswegen erhalten, weil »Je- 
rusalem Finis unerschütterliche Unterstützung für die Politik 
Sharons begrüßt«, und weil die israelische Regierung ganz be- 
sonders davon angetan war, daß Fini »sich in seiner Rede bei 
einem Treffen der B'nai Brith [der Dachorganisation der ADL] 
in Mailand für den Trennzaun ausgesprochen hat«. Yossi Sarid 
von der israelischen Meretz-Partei beeindruckte das nicht - für 
ihn blieb Fini ein »fieser Faschist« -, und der ehemalige israeli- 
sche Justizminister Yossi Beilin nannte Finis Besuch eine 
»Schande für Israel«. 35 



Siehe zum Beispiel »Berlusconi: Mussolini war >gutartig<«, 
www.tagesschau.de, 12. September 2003; Anm. d. Ü. 

105 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Nach Schoenfelds Schilderung zu urteilen ist der »rechte 
Rand« in Europa weit davon entfernt, eine tödliche Gefahr für 
Juden darzustellen. Vielmehr fänden sich genau dort wichtige 
potentielle Verbündete: »Vor allem [Jörg] Haider bemüht sich 
zu betonen, wieviel ihm an einer Freundschaft zwischen Öster- 
reich und dem Staat Israel liegt. Er hat auch schon das Holo- 
caust-Museum in Washington besucht. Und [Jean-Marie] Le 
Pen hat den französischen Juden vorgeschlagen, sich mit ihm 
gemeinsam darum zu kümmern, daß die durch arabische Ein- 
wanderer ausgelösten Unruhen eingedämmt werden.« Es fällt 
auf, daß viele derjenigen Juden, die im Hinblick auf den neuen 
Antisemitismus Alarm schlagen, auch im Hinblick auf die 
wachsende arabische Präsenz in Europa Alarm schlagen. 36 
Beim kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger kam 
ein weiteres Motiv hinzu. Zwar gab es Zeiten, da hat Schwar- 
zenegger Adolf Hitler und auch den ehemaligen öster- 
reichischen Präsidenten Kurt Waldheim gepriesen, doch im 
Wahlkampf um den Gouverneursposten erwies sich die Haupt- 
filiale der Israel-Lobby an der Westküste - das Simon-Wiesen- 
thal-Zentrum - als Schwarzeneggers »standhaftester Vertei- 
diger«. Schwarzenegger hatte Israel zuvor in den höchsten Tö- 
nen gelobt und zusätzlich - man kann ja nicht vorsichtig genug 
sein - auch noch eine Art Ablaßbrief erstanden: Wie aus höhe- 
ren Kreisen der in Los Angeles ansässigen Institution ver- 
lautete, »ist Schwarzenegger für das Wiesenthal-Zentrum der 
freigebigste Spender in ganz Hollywood«. Kurz nachdem 
Schwarzenegger sein Amt angetreten hatte, verkündete er, 
daß er nach Israel reisen werde, um der Grundsteinlegung des 
neuen 200 Millionen Dollar teuren Museums beizuwohnen, 
das das Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem errichte. Der Chef 
des Wiesenthal-Zentrums in Los Angeles, Rabbi Marvin Hier, 
würdigte Schwarzeneggers bevorstehende Reise als »einen 
Ausdruck der Solidarität mit dem Staat Israel«. Da hat er aber 
wohl etwas mißverstanden. Es dürfte eher ein Ausdruck der 
106 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

Tatsache gewesen sein, daß Schwarzenegger eine zweite Amts- 
zeit anstrebt. 37 

So wie Israel davon profitiert, daß die Vereinigten Staaten 
den »Krieg gegen den Terror« ausgerufen haben, so profitieren 
umgekehrt auch die Vereinigten Staaten vom »neuen Antisemi- 
tismus«, beeilen sich doch die glühenden Verteidiger Israels, 
die Kritiker der amerikanischen Politik als »Antisemiten« ab- 
zustempeln. Und so wie die Regierung Clinton den Schwindel 
mit der HOLOCAUST- Wiedergutmachung unterstützte, um an 
jüdisches Geld und jüdische Wählerstimmen zu gelangen, so 
unterstützt auch die Regierung Bush, zweifellos aus dem glei- 
chen Kalkül heraus, den Schwindel mit dem neuen Antisemitis- 
mus. In einer gemeinsamen Anstrengung sorgten die Bush- 
Regierung, Israel und die Israel-Lobby dafür, daß das Thema 
»neuer Antisemitismus« auf die internationale Tagesordnung 
gesetzt wurde. 

Im April 2004 wurde die Organisation für Sicherheit und Zu- 
sammenarbeit in Europa (OSZE) genötigt, in Berlin eine Konfe- 
renz abzuhalten, die sich mit dem neuen Antisemitismus be- 
schäftigen sollte. US- Außenminister Colin Powell reiste als Ver- 
treter der amerikanischen Regierung an, und mit ihm zu- 
sammen kam, in einer Maschine der amerikanischen Luftwaffe, 
Elie Wiesel angeflogen. In Berlin sprach Wiesel, ungeachtet sei- 
ner ansonsten wie gewohnt inhaltsleeren Moralpredigt, sehr 
deutlich aus, worum es bei dieser Zusammenkunft eigentlich 
ging. Den beinahe eintausend Zuhörern erklärte er: »Es gibt zu 
viele Städte auf der Welt, die von verbalem und gewalttätigem 
Haß gegen das jüdische Volk heimgesucht werden ... Auf 
Transparenten der radikalen Linken wird Israel ganz ungeniert 
verleumdet . . . Massenhaft wird, getarnt als antiisraelische Pro- 
paganda, zu hysterischer Gewalt aufgerufen . . . Jedem, der sei- 
ne Solidarität mit israelischen Terroropfern bekundet, wird 
ganz unverschämt eine anti-arabische Gesinnung unterstellt.« 
Auf der OSZE-Konferenz erklärte Wiesel auch, warum er über 

107 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

die Rechte der Palästinenser kein Wort verlor: »Ich kann mich 
nicht mit Leuten zusammentun, die ihre Kinder dazu erziehen, 
sich Sprengstoff umzuschnallen und zu töten« - als ob Wiesel, 
der nichts lieber tut, als israelische Völkerrechtsverstöße zu ver- 
teidigen, für die Rechte der Palästinenser eingetreten wäre, be- 
vor es zu den ersten Selbstmordattentaten kam. 38 

Im Juni 2004 gastierte der Neue- Antisemitismus-Zirkus bei 
den Vereinten Nationen, und den unvermeidlichen Elie Wiesel 
zog es erneut in die Manege. Er zeigte sich arg verwundert. 
Eigentlich sei er »überzeugt« gewesen, »daß der Antisemitis- 
mus in Auschwitz gestorben« sei, doch jetzt müsse er, Wiesel, 
feststellen, daß der Judenhaß »60 Jahre nach der schlimmsten 
Katastrophe der Menschheit« wieder zunehme. In seiner 
OSZE-Rede beklagte Wiesel diesen Umstand ebenfalls: Nach 
dem Krieg sei er so »naiv gewesen anzunehmen, daß man 
über Jahre hinaus jeden Juden und jede Jüdin auf Händen tra- 
gen und in die Arme schließen werde, wo immer man ihnen in 
Europa begegnen werde«. »Hätte mir damals irgendein 
Schwarzseher gesagt, daß ich es noch erleben werde«, daß Ju- 
den erneut angegriffen würden, »ich hätte es nicht geglaubt. 
Aber jetzt ist es Realität geworden.« Der arme Elie ist schok- 
kiert, daß es nun, urplötzlich, nach 60 Jahren Ruhe, wieder 
Antisemitismus gibt. Hier noch einmal Wiesel: »Hätte uns da- 
mals bei unserer Befreiung jemand gesagt, daß wir zu unseren 
Lebzeiten noch einmal gegen den Antisemitismus würden an- 
kämpfen müssen, ... wir hätten nicht einmal die Kraft aufge- 
bracht, um unsere Augen von den Ruinen abzuwenden.« Und 
noch einmal: »Was ist am Antisemitismus bloß so anziehend, 
daß unser Volk erneut dieser Krankheit der Menschheit ausge- 
setzt werden muß? Der Antisemitismus ist zu unseren Lebzei- 
ten erneut zur Bedrohung geworden. In aller Welt wird nun 
wieder mit vereinten Kräften versucht, die Juden auszugren- 
zen. Israel war nie so allein wie heute. Und man kann den Staat 
Israel nicht von dem Volk Israels trennen . . . Deswegen bereitet 
108 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

uns Juden der neue Antisemitismus in Europa und in den USA 
große Sorge.« 

Mit Wiesels gegenwärtigem Schock gibt es nur ein kleines 
Problem - die beiden eben zitierten Monologe stammen von 
Wiesel- Auftritten aus dem Jahr 1981. Der Titel der Rede, der 
das zweite Zitat entnommen ist (gehalten im April 1981), lau- 
tete »Der neue Antisemitismus«. In seiner Rede vor den Ver- 
einten Nationen sagte Wiesel, der Antisemitismus sei »die älte- 
ste Form kollektiven Fanatismus' in der Geschichte der 
Menschheit«, noch dazu eine Form, die alle anderen Formen 
von Fanatismus auf einzigartige Weise in sich vereinige. Alles 
an den Juden ist einzigartig: der Antisemitismus, der 
HOLOCAUST, Israel, die jüdische Nation, das jüdische Volk . . . 
Der Chauvinismus hinter dieser behaupteten Einzigartigkeit 
wäre schon für sich genommen schwer zu ertragen. Hinzu 
kommt aber noch, daß diese erkenntnistheoretisch wertlose 
Einzigartigkeitsdoktrin eine wichtige ideologische Funktion 
erfüllt: Sie erlaubt es Israel, eine moralische Vorzugsbehand- 
lung einzufordern. Wenn das jüdische Leid einzigartig war, 
braucht sich Israel nicht an den gängigen moralischen Maßstä- 
ben messen zu lassen. 39 

UN-Generalsekretär Kofi Annan war offenbar nicht entgan- 
gen, daß sich ihm hier die günstige Gelegenheit bot, bei seinen 
Schirmherren in Washington flugs ein paar Pluspunkte zu sam- 
meln, und so spielte er bei der Scharade gern mit. »Sechzig Jah- 
re später [hebt] der Antisemitismus erneut sein Haupt«, tönte 
er. Die Welt erlebt gegenwärtig »einen besorgniserregenden 
Anstieg dieses Phänomens, in neuem Gewand und in neuen 
Manifestationen«. Annan appellierte an alle, »engagiert und 
kompromißlos jenen zu widersprechen, die den Holocaust oder 
seine Einzigartigkeit zu leugnen suchen«. Wie wird wohl die 
Strafe derer aussehen, die diese Einzigartigkeit leugnen? Wird 
man sie ins Gefängnis werfen? Zum Tode verurteilen? Sie 
zwingen, eine Stunde mit Ehe Wiesel zu verbringen? Man hätte 

109 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

annehmen sollen, daß ein UN-Generalsekretär, der von einem 
Kontinent stammt, dessen Bevölkerung im Verlauf einer langen 
Kolonialgeschichte nur so dahingerafft wurde, gegenüber der 
behaupteten Einzigartigkeit des HOLOCAUST ein bißchen 
mehr Skepsis an den Tag legen würde, und man hätte weiter 
annehmen sollen, daß ein solcher UN-Generalsekretär ange- 
sichts der Tatsache, daß Afrika gegenwärtig von Hunger, 
Krankheit und Krieg heimgesucht wird, vielleicht Wichtigeres 
zu tun hätte, als die internationale Gemeinschaft auf die Einzig- 
artigkeit des HOLOCAUST einzuschwören. 

Nun, wie nicht anders zu erwarten war, dauerte es nicht lan- 
ge und die ersten Konferenzteilnehmer machten sich daran, die 
Vereinten Nationen mit Schimpf und Schande zu überziehen. 
Die an der York University [Toronto; Anm.d.Ü.] lehrende Anne 
Bayefsky warf den Vereinten Nationen vor, der »weltweit füh- 
rende Antisemitismuslieferant« zu sein, Abraham Foxman ap- 
pellierte an die Vereinten Nationen, endlich »aufzuhören, das 
jüdische Volk zu dämonisieren und ihm die Existenzbe- 
rechtigung abzusprechen«, und Malcolm Hoenlein von der 
»Conference of Presidents of Major American Jewish Organi- 
zation« beklagte, daß die Vereinten Nationen die Meßlatte für 
Israel höher hängten »als für jedes Land«, und zwar »uner- 
reichbar« hoch. Inmitten dieser Schimpfkanonade lohnt sich 
ein Blick darauf, wie die Vereinten Nationen in Wirklichkeit 
mit Israel umgehen. Der frühere israelische UN-Botschafter 
und ehemalige Außenminister Abba Eban bemerkte einmal, 
daß es beim Betrachten der »Gesamtbilanz« der Vereinten Na- 
tionen auffalle, daß sie »Israels Schicksal und Israels Status 
überaus positiv beeinflußt haben«. Und: »Es gibt keine um ihre 
Daseinsberechtigung kämpfende Nation ..., die ein ähnlich 
starkes Maß an Unterstützung durch die Jurisprudenz einer 
internationalen Organisation erfahren hätte« (Jerusalem Post, 
1988). Es stimmt zwar, daß die Vereinten Nationen das, was 
Israel tut, nicht mit der gleichen Elle messen wie das, was an- 
110 



Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

dere Länder tun, doch gilt das genaue Gegenteil dessen, was 
Israels Apologeten nicht müde werden zu behaupten: Der Maß- 
stab, der an Israel angelegt wird, ist in Wirklichkeit nicht höher, 
sondern niedriger als der, der bei anderen UN-Mitgliedstaaten 
Anwendung findet. Marc Weller von der Universität Cam- 
bridge hat die Situation in Israel und den besetzten Gebieten 
sehr sorgfaltig mit ähnlichen Situationen in anderen Teilen der 
Welt verglichen. Für seine Studie wählte er die Beispiele Bos- 
nien und Herzegowina, Kosovo, Ost-Timor, das besetzte Ku- 
wait und den Irak sowie Ruanda. Weller kam zu dem Ergebnis, 
daß Israel »praktisch Immunität« genießt: Die Vereinten Natio- 
nen sähen bei Israel von Zwangsmaßnahmen - etwa Waffenem- 
bargos und Wirtschaftssanktionen - ab, die gegen andere UN- 
Mitgliedstaaten, die genau die gleichen Völkerrechtsverstöße 
begingen, ganz selbstverständlich verhängt würden. 

Bei der UN-Konferenz zum Antisemitismus verurteilte 
Hoenlein auch die »Holocaustleugnung durch Vertreter der 
Vereinten Nationen«. Hoenlein ist wirklich genau der Richtige, 
um den Vereinten Nationen eine Geschichtslektion in Sachen 
HOLOCAUST zu erteilen. Bei einer Veranstaltung in Toronto 
im April 2004 erzählte er den Zuhörern, daß es nicht Hitler, 
sondern der palästinensische Mufti von Jerusalem gewesen sei, 
der die Juden hatte umbringen wollen. Hitler habe sich schließ- 
lich widerstrebend gefügt: »Hitler handelte nach den Wün- 
schen des Mufti.« Was hätten die Angeklagten in Nürnberg um 
Hoenleins Beistand gegeben! Auf der UN-Konferenz wurde es 
auch als »Schande« verurteilt, daß sich der Internationale Ge- 
richtshof mit Israels Trennmauer befaßte, und daß die Palästi- 
nenser in der Erklärung und im Aktionsprogramm von Durban 
als »Opfer eines israelischen Rassismus« bezeichnet worden 
waren. Angeprangert wurde außerdem, daß »Antisemiten und 
Antizionisten« die »verquere« Auffassung verträten, »Juden 
benutzten den Holocaust als Ausrede, um sich nicht um das 
Leid anderer Leute scheren zu müssen«. Und schließlich wurde 

111 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

noch die Frage aufgeworfen, ob es denn »wirklich hilfreich« sei, 
»die israelische Präsenz im Gazastreifen und im Westjor- 
danland als Besatzung zu bezeichnen«. Warum sagen wir nicht 
einfach, die Israelis studierten dort Land und Leute? 40 



112 



Kapitel 3 

Zeter und Mordio 



Das, was derzeit als »neuer Antisemitismus« bezeichnet wird, 
besteht im wesentlichen aus drei Komponenten: erstens aus 
Vorfällen, die übertrieben dargestellt werden oder reine Phan- 
tasieprodukte sind, zweitens aus zu Unrecht als antisemitisch 
bezeichneter berechtigter Kritik an der israelischen Politik und 
drittens aus Vorkommnissen, bei denen die Kritik an Israel tat- 
sächlich in allgemeine Kritik an Juden umschlägt, was zwar un- 
gerechtfertigt ist, aber niemanden überraschen kann. 



Übertreibungen und Phantasieprodukte 

Belege für den neuen Antisemitismus stellen hauptsächlich sol- 
che Organisationen bereit, die direkt oder indirekt mit Israel 
verbunden sind beziehungsweise ein beträchtliches Interesse 
daran haben, das Ausmaß des existierenden Antisemitismus 
übertrieben darzustellen. Die Antisemitismus-Studie von Berg- 
mann und Wetzel nennt zum Beispiel als wichtige Quellen die 
»israelische Botschaft in Kopenhagen« für die Situation in Dä- 
nemark, den »Verein der Freunde Israels« für die Situation in 
Finnland, die »israelische Botschaft« sowie die »Ireland-Israel 
Friendship League« für Irland und so weiter. Die Jahresberichte 
des an der Universität Tel Aviv ansässigen »Stephen-Roth- 
Instituts für die Erforschung des zeitgenössischen Antise- 
mitismus und Rassismus« dienen ebenfalls als wichtige Quelle 

113 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

für Datenmaterial und Analysen. In seinem für den Zeitraum 
2000-2001 erstellten Überblick über Antisemitismus in aller 
Welt (Antisemitism Worldwide) wies das Stephen-Roth-Institut 
auf die folgende unheilvolle Entwicklung hin: »Prof. Norman 
Finkelsteins Buch Die Holocaust-Industrie [wurde] begeistert 
aufgenommen, vor allem in Deutschland und insbesondere von 
Rechtsextremisten ... [Finkelsteins] Thesen haben - obwohl sie 
von seriösen Wissenschaftlern und Publizisten voll und ganz 
widerlegt wurden - in den Köpfen das Bild vom manipulieren- 
den, gierigen, machthungrigen Juden wiederauferstehen las- 
sen.« Quellenangaben zu diesen Widerlegungen enthält der 
Bericht nicht, aber wo keine Quellen, da keine Nachweise; Raul 
Hilberg hingegen hat die zentralen Ergebnisse des Buchs als 
»Durchbruch« gepriesen. Daten, die von amerikanisch- 
jüdischen Organisationen wie der ADL und dem Simon- 
Wiesenthal-Zentrum sowie von ihren Gegenstücken in Europa 
zum Thema Antisemitismus angeboten werden, gelten eben- 
falls als verläßlich. Diese Organisationen stehen zu ihrem jewei- 
ligen Gastland in der gleichen Beziehung wie einstmals die je- 
weiligen Kommunistischen Parteien, nur daß für sie nicht das 
stalinistische Rußland, sondern Israel die geistige Heimat ist. 
Wenn es Abraham Foxman von der ADL und Rabbi Hier vom 
Simon-Wiesenthal-Zentrum nicht mehr gelänge, Antisemiten 
aus dem Hut zu zaubern, würden sie sich sehr bald mit der 
Notwendigkeit konfrontiert sehen, sich nach richtigen Jobs um- 
zusehen. Im Falle von Foxman und Rabbi Hier wäre das wirk- 
lich tragisch: Die beiden beziehen von ihrer jeweiligen »Wohltä- 
tigkeitsorganisation« ein Jahresgehalt von beinahe einer halben 
Million Dollar. 1 

Wenn wieder mal berichtet wird, daß irgendwo Antisemiten 
ihr Unwesen getrieben haben, stellt sich beim Nachhaken oft 
heraus, daß der betreffende Vorfall entweder nicht halb so dra- 
matisch war, wie es die Schilderung vermuten ließ, oder daß er 
überhaupt nicht stattgefunden hat. Ein großer Artikel in der 
114 



Zeter und Mordio 

einflußreichen amerikanischen Zeitschrift Foreign Policy be- 
hauptete unter der Überschrift »Die Globalisierungskritiker 
und ihr Judenproblem«, daß »Demonstranten beim Weltsozial- 
forum (WSF) 2003 im brasilianischen Porto Alegre das Haken- 
kreuz zeigten« und »Schilder mit der Aufschrift >Nazis, Yan- 
kees, Juden: Schluß mit auserwählten Völkern! < trugen«. Die 
Demonstrationsteilnehmer haben von diesem an die SA erin- 
nernden Aufmarsch allerdings nichts bemerkt. 2 Die Zeitschrift 
Mother Jones brachte einen Beitrag mit dem Titel »Das häßliche 
Monster kehrt zurück«. Der Autor, Todd Gitlin, schrieb darin: 
»Da ist er wieder, dieser niederträchtige Antisemitismus, ... 
und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wird dieser 
Schwachsinn auch noch von Studenten verbreitet. Von Studen- 
ten!« Um seinen Vorwurf zu untermauern, zitiert Gitlin eine E- 
Mail-Nachricht, die »um die Welt ging« und von der damaligen 
Direktorin für Jewish Studies an der San Francisco State Uni- 
versity (SFSU), Laurie Zoloth, stammte. In dieser E-Mail hatte 
Zoloth geschrieben: SFSU »ist wie die Weimarer Republik, mit 
lauter Braunhemden, die sie nicht unter Kontrolle bekommt«. 
Die Nazis waren in diesem Fall »eine Gruppe wütender Palästi- 
nenser«. Eines schönen Frühlingstages taten sich diese Palä- 
stinenser zu einem »unkontrollierbaren Mob« zusammen und 
verübten einen »rohen, körperlichen Angriff« auf »betende 
Studenten und hochbetagte Frauen, die zu unseren ältesten 
Kursteilnehmern zählen und den Holocaust überlebt haben« - 
und die Polizei sah tatenlos zu. 

Merkwürdigerweise scheint es dem gegenwärtig an der Co- 
lumbia University Journalismus lehrenden Gitlin nicht in den 
Sinn gekommen zu sein, seine Quelle zu überprüfen. Hätte er 
es getan, hätte er vielleicht herausgefunden, daß sich jüdische 
Wortführer in der Bay Area - darunter der jetzige Direktor der 
Jewish Studies bei der SFSU und Augenzeuge des fraglichen 
Vorfalls, Dr. Fred Astren - darüber einig sind, daß Zoloth zu 
»starken Übertreibungen« neigt. Diese Neigung wird darauf 

115 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

zurückgeführt, daß Zoloth eine »marxistisch-leninistische« 
Schule durchlaufen hat und sich nunmehr mit derselben Erge- 
benheit, die sie früher gegenüber der Sowjetunion an den Tag 
legte, für »den jüdischen Staat Israel, einen Staat, der mir sehr 
viel bedeutet«, aufopfert. Die Polizei griff nicht ein, weil ihr 
Einsatz nicht gefordert war. Daß Zoloths E-Mail so hohe Wellen 
schlug, war, wie Astren trocken bemerkte, weniger ihrem 
Wahrheitsgehalt als vielmehr den »technischen Möglichkeiten 
des Internets« zu verdanken. Um zu beweisen, daß die antise- 
mitische »Gefahr« an den Universitäten »deutlich spürbar und 
gegenwärtig« ist, beruft sich Gitlin außer auf den herbeiphanta- 
sierten SFSU-Pogrom einzig darauf, daß »zwei meiner Studen- 
ten« wissen wollten, ob es stimme, daß Juden, die in den Zwil- 
lingstürmen arbeiteten, am 11. September nicht zur Arbeit er- 
schienen seien. Kein Zweifel: »Das häßliche Monster kehrt zu- 
rück«. 3 

Die progressive amerikanisch-jüdische Monatszeitschrift 
Tikkun brachte einen Artikel, in dem sich Miriam Greenspan 
sehr ausführlich mit der Frage »Was ist neu am Antisemi- 
tismus?« auseinandersetzte. Dabei lobte Greenspan Phyllis 
Cheslers neuestes Werk als »wirklich wichtigen Beitrag, um das 
Wiederaufleben dieser besonders aggressiven neuen Form von 
Antisemitismus besser zu verstehen«. Der Beweis für diese 
»besonders aggressive neue Form« findet sich gleich im ersten 
Absatz: »Ein jüdischer Student mit einer Kippa auf dem Kopf 
wird in seinem Wohnheim an der Yale University von einem 
Palästinenser angegriffen.« Doch war der Vorfall weder dem 
Center for Jewish Life von Yale noch der Universitätsleitung 
bekannt. An der University of Chicago hatte es laut Gabriel 
Schoenfeld den Fall gegeben, daß »ein Lehrbeauftragter einer 
jüdischen Studentin mitteilte, daß er ihre BA-Abschlußarbeit 
nicht lesen werde, weil darin überwiegend Themen behandelt 
würden, die das Judentum und den Zionismus beträfen«. Doch 
war am Center for Jewish Life der University of Chicago dies- 
116 



Zeter und Mordio 

bezüglich keine Beschwerde eingegangen, und als die Univer- 
sitätsleitung von dem angeblichen Vorfall (der zuerst auf der 
rechtsgerichteten Internetseite Campus Watch auftauchte) er- 
fuhr, ließ sie ihn gründlich untersuchen, fand aber nichts, was 
ihn bestätigt hätte. 

Im Frühjahr 2004 kam die Columbia University in New York 
unter Beschuß. In einem von einer dubiosen Organisation ge- 
drehten Film, der dann privat vor ausgesuchtem Publikum ge- 
zeigt wurde, klagten »pro«-israelische Studenten im Jargon po- 
litischer Korrektheit, daß ihre »Stimmen«, wann immer sie sie 
zur Verteidigung Israels erhöben, von Mitgliedern des Lehr- 
körpers »zum Schweigen gebracht« würden. Die Lokalpresse 
verkündete in großen Lettern, daß es an der Columbia Univer- 
sity nur so vor Antisemiten wimmele, und verlangte im Verein 
mit Lokalpolitikern den Rausschmiß der betreffenden Profes- 
soren. Die Hysterie um Columbia war Teil einer viel größer an- 
gelegten Kampagne: Ein Konsortium gutbetuchter »pro«- 
israelischer Organisationen und Stiftungen versucht derzeit, 
die paar Universitäten, an denen es mittlerweile tatsächlich 
einigen wenigen Lehrenden gelingt, abweichende Meinungen 
in die Diskussion einzubringen, »zurückzugewinnen«. Das 
heißt, Israels Apologeten wollen die öffentliche Debatte end- 
lich wieder komplett in den Griff bekommen. Im Dezember 
2004 richtete der Präsident der Columbia University, Lee Bol- 
linger, einen Ad-hoc-Ausschuß ein, der den von studentischer 
Seite erhobenen Beschwerden nachgehen sollte. Im März 2005 
veröffentlichte der Ausschuß seine Ergebnisse. Obwohl er den 
Anschuldigungen in aller Ausführlichkeit nachgegangen war 
und unter massivem Druck stand, einen deutlichen Schuld- 
spruch abzugeben, konnte der Ausschuß nur ein einziges Vor- 
kommnis zutage fördern, bei dem sich ein Professor möglicher- 
weise etwas hatte zuschulden kommen lassen: Es sei denkbar, 
daß sich ein palästinensischer Professor während des israeli- 
schen Einmarschs in Jenin ȟber eine Frage erregte, die das 

117 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

israelische Vorgehen gutzuheißen schien, und daß er auf diese 
Frage hitzig reagierte, weil er selbst das israelische Vorgehen 
ablehnte«. Was den Antisemitismusvorwurf betraf, stellte der 
Ausschuß klar: »Wir haben keinerlei Anzeichen dafür gefun- 
den, daß es von Seiten des Lehrkörpers Äußerungen gegeben 
hat, die man ernsthaft als antisemitisch hätte auffassen kön- 
nen.« 

Bezeichnenderweise hatten sich Israels Unterstützer, wie der 
Ausschuß herausfand, sehr viel Schlimmeres zuschulden kom- 
men lassen als Israels Kritiker. Der Bericht hielt fest, daß sich 
bei Lehrveranstaltungen von Professoren, die der israelischen 
Politik kritisch gegenüberstehen, nichteingeschriebene »Stu- 
denten« einfanden, um die Veranstaltungen zu stören oder 
heimlich zu filmen. Offenbar hatte ein Columbia-Professor so- 
gar Studenten rekrutiert, die ihm darüber Bericht erstatten soll- 
ten, was einer dieser israelkritischen Kollegen in seinen Lehr- 
veranstaltungen sagte, und zwar »als Teil einer Kampagne ge- 
gen ihn«. Seine schärfste Kritik behielt sich der Ausschuß genau 
für diesen Punkt vor: »Wir finden es in höchstem Maße beun- 
ruhigend, daß Angehörige des Lehrkörpers offenbar bereit wa- 
ren, Studenten dazu zu ermuntern, ihnen über das in der Ver- 
anstaltung eines Kollegen Gesagte Bericht zu erstatten« und die 
Studenten dadurch »zu Informanten« zu machen. Somit war 
der Antisemitismusvorwurf formal widerlegt. Die Columbia 
University und andere Universitäten sahen sich durch diese 
Hysterie jedoch dermaßen eingeschüchtert, daß sie gutdotierte 
Lehrstühle für »Israel Studies« einrichteten. Das bedeutet: zu- 
sätzliche Lehrstühle für politische Zwecke. Die wahre Offen- 
barung in der Columbia- Affäre bestand weniger in der Feststel- 
lung, daß der Antisemitismusvorwurf erstunken und erlogen 
war, als vielmehr in der Erkenntnis, daß De-facto-Handlanger 
einer ausländischen Regierung sich zusammengetan haben, um 
die akademische Freiheit in den Vereinigten Staaten einzu- 
schränken. 4 
118 



Zeter und Mordio 

Als sich Harvard-Präsident Lawrence Summers in einer viel- 
beachteten Rede darüber ausließ, wie sehr der Antisemitismus 
an Universitäten wachse und gedeihe, erntete er für seine Lei- 
stung (das Schreckgespenst heraufzubeschwören war ihm recht 
eindrucksvoll gelungen) viele Lorbeeren. Die Hauptaufgabe 
eines Universitätspräsidenten besteht nun einmal darin, den 
Universitätssäckel zu füllen. Wie der an der Harvard University 
lehrende Juraprofessor Alan Dershowitz in einem seiner Bücher 
schrieb, bekam er von jemandem, der für Harvard um Gelder 
warb, einmal zu hören, daß »Harvard [seit ein paar Jahren] 
praktisch von der Unterstützung durch Juden lebt«. Man muß 
kein Wirtschaftsfachmann vom Kaliber eines Lawrence Sum- 
mers sein, um sich auszumalen, daß jüdischen Harvard- 
Absolventen das Geld möglicherweise ein bißchen lockerer in 
der Tasche sitzt, wenn der Präsident zum Kampf gegen den 
neuen Antisemitismus bläst. An der Harvard University erfreut 
sich dieses Spiel in verschiedenen Varianten großer Beliebtheit. 
Schon 1992 bediente sich der schwarze Professor Henry Louis 
Gates Jr. des geflügelten Worts vom »neuen Antisemitismus«: 
Als Gates damals in einem ganzseitigen Beitrag für die New 
York Times den schwarzen (neuen) Antisemitismus verurteilte, 
hat das seinem Ansehen an der Harvard University nicht gera- 
de geschadet. Auf den Machtlosen herumzuhacken, um sich bei 
den Mächtigen einzuschmeicheln, ist das, was in elitären Krei- 
sen als Zivilcourage bezeichnet wird; wenn es sich bei den 
Machtlosen auch noch um die »eigenen Leute« handelt, um so 
besser. 5 

»Es hat sich etwas verändert«, schrieb Paul Berman, als er zu 
der Erkenntnis gelangte, der Antisemitismus sei derzeit auf 
dem Vormarsch. Diese Erkenntnis verdankte er der folgenden 
Beobachtung: Bei einer Podiumsdiskussion auf der alljährlichen 
Konferenz Sozialistischer Wissenschaftler in New York habe 
eine Ägypterin »ihre Zustimmung zu den Selbstmordattentaten 
zum Ausdruck gebracht«, und unter den Zuhörern habe es sogar 

119 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

eine Person gegeben, die sich berufen fühlte, »die Diskussions- 
teilnehmerin auch noch zu verteidigen«. Unterstützung für 
Selbstmordattentate ist für sich genommen noch kein Beleg für 
eine antisemitische Gesinnung, aber selbst wenn es so wäre, 
was würde dieser Vorfall schon beweisen? Berman berichtet, 
daß die Konferenz Tausende von Teilnehmern hatte, darunter 
»jede noch so lächerliche linke Splittergruppe«. Dennoch be- 
weisen diese eine Podiumsdiskussionsteilnehmerin und dieser 
eine Zuhörer laut Berman, daß »definitiv ein neuer Wind 
weht«. Der wäre allerdings noch nicht einmal beim Wetter kanal 
registriert worden. 6 

Wenn man sich die Dinge, die angeblich von einem neuen 
Antisemitismus zeugen, einmal genauer ansieht, stellt man bis- 
weilen fest, daß an den vorgelegten Beweisen überhaupt nichts 
dran ist. Die Anklageschrift der Antisemitismus-Studie von 
Bergmann und Wetzel (Manifestation^) enthält den Hinweis 
auf ein »antisemitisches« Poster, das dazu aufrief, sich anläß- 
lich von Bushs Berlinbesuch an einer Protestdemonstration zu 
beteiligen (siehe Abb. 1, S. 122). Die Autoren analysieren das 
Poster wie folgt: »Das bekannte Bild von >Uncle Sam< zeigt eine 
>typisch jüdische Nase<. Außerdem impliziert das Poster die 
angebliche jüdische Weltverschwörung, denn am Zeigefinger 
von >Uncle Sam< baumelt die Welt an einem Faden. >Uncle 
Sam< als Juden zu porträtieren spielt auf den angeblichen Ein- 
fluß an, den Juden auf die Politik der Vereinigten Staaten neh- 
men, und verbindet antijüdische und antiamerikanische Ge- 
fühle.« Niemand, dem der Verfasser dieser Zeilen das Poster 
vorlegte, konnte darauf eine jüdische Nase, geschweige denn 
eine jüdische Verschwörung entdecken. Allerdings meinten 
einige der Befragten, daß sie sich bei dem abgebildeten Riech- 
kolben ein wenig an die unter Afroamerikanern verbreitete 
Form erinnert fühlten. Schoenfeld entdeckt »klassischen« Anti- 
semitismus in einer Anzeige, in der die Zeitschrift Tikkun ihren 
Protest gegen die israelische Besatzung ausdrückt (siehe Abb. 2, 
120 



Zeter und Mordio 

S. 123). Sagt das Schild mit der Aufschrift »Juden sind keine 
Tyrannen und Ausbeuter«, auf dem zu allem Überfluß auch 
noch ein Friedenszeichen prangt, nicht schon alles über die da- 
hintersteckende antisemitische Gesinnung? 7 

Foxman sieht ebenfalls überall Antisemiten am Werk. Es ist 
antisemitisch zu glauben, daß »Juden gegenüber Israel eine 
größere Loyalität empfinden als gegenüber diesem Land [den 
USA; Anm. d. Ü.]« - obwohl das, nach allem, was man weiß, 
empirisch zutreffen könnte und für viele Zionisten zutreffen 
sollte. Laut Foxman ist es auch antisemitisch, dem jüdischen 
Volk das Recht auf »ein eigenes Heimatland« sowie auf »Un- 
abhängigkeit und Souveränität« in Israel abzusprechen - aber 
sagt er damit nicht, daß Israel in der Tat der Staat aller Juden 
ist, ganz gleich, wo sie wohnen? Und wer könnte bestreiten, 
daß Foxman seine eigene Loyalität gegenüber Israel dermaßen 
nach außen kehrt, daß man meinen könnte, er beziehe Prämien 
dafür? Als »Belgien, der Sitz des Internationalen Gerichtshofs 
in Den Haag, . . . versuchte, den Ministerpräsidenten des Staates 
Israel wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzukla- 
gen«, war das »schlicht und einfach Antisemitismus«. Das 
gleiche galt für die Dänen, als sie dagegen protestierten, daß 
Israel einen notorischen Folterer zum Botschafter in ihrem 
Land ernennen wollte. Seinen Antisemitismus Vorwurf rechtfer- 
tigt Foxman damit, daß ähnliche Verbrecher schließlich auch 
nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Mal abgesehen davon, 
daß Den Haag nicht in Belgien, sondern in den Niederlanden 
liegt - empören sich nicht alle Verbrecher (unterstützt von ih- 
ren Verteidigern) darüber, daß ausgerechnet ihnen der Prozeß 
gemacht werden soll, wo doch so viele andere Übeltäter frei 
herumlaufen? Doch zu behaupten, daß es nicht nur unfair, son- 
dern obendrein auch noch antisemitisch ist, Mörder und Folte- 
rer für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, das fällt 
nur Leuten wie Foxman ein. Foxman ist auch der Ansicht, es sei 
»ein Echo altbekannter antisemitischer Verleumdungen«, wenn 

121 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 



ACHTUNG 

BUSH KOMMT 



DEMO 

21. MAI 

16 DO UHR 

Uin«r dan Undan 

ab 1700Uhr 

Kundgebung 

Al*^#nfjivrplati 




22. MAI 

18.00 OHR 

Bu«h'Trom mein 

■ m Barlinur Dorn 

und niigffliclr 

in vpfrffln Stadien 



Abb. 1: »Das bekannte 

Bild von >Uncle Sam< 

zeigt eine >typisch 

jüdische Nase.« 

(Gestaltung: 

Uta Eickworth, Berlin) 



jemand behauptet, daß das American Israel Public Affairs 
Committee (AIPAC) israelkritische Politiker angreift - auch 
wenn AIPAC damit prahlt, daß es das tut. Nichtsdestoweniger 
versichert Foxman seinen Lesern, die ADL wähle das Wörtchen 
»antisemitisch« mit Bedacht: »Wir sind sehr vorsichtig damit, 
wie und wann wir es benutzen«, ja die ADL »verwendet sehr 
viel Mühe darauf, antisemitische Worte und Taten hinsichtlich 
ihrer Schärfe und ihres Ausmaßes angemessen zu unterschei- 
den«. Diese Besonnenheit war bei jeder der vielen Gelegenhei- 
ten, bei denen die ADL den Verfasser dieser Zeilen als »bekann- 
ten Holocaustleugner« diffamiert hat, deutlich zu erkennen. 
»Wenn ich in bezug auf Antisemitismusvorwürfe unbesonnen 
agieren würde«, wiegelt Foxman ab, »würde ich meine Glaub- 
würdigkeit und damit auch jede Wirksamkeit als Wortführer 
bei diesem Thema sehr schnell einbüßen.« 
122 



Zeter und Mordio 



W 



NO, Mr. Sharon! Many AmericHns do am Support your policies In die West 

Bank and Ciu — which are imniciral and We ileereased Israeli sertirily. As a Step Wniard 

endiilg tli« cyck of violeiäce, we urge oui feil«*' Citizens tu 



Support the Israeli Army Reservists 
who say "No" to the Occupation 



^fester 




Abb. 2: »Eine Form von klassischem Antisemitismus.« 
Aus der Zeitschrift Tikkun. (Zeichnung: Khalil Bendib) 

Foxman stärkte Ronald Reagan den Rücken, nachdem dieser 
auf seiner Reise nach Bitburg erklärt hatte, daß die deutschen 
Soldaten, die dort begraben lagen (darunter auch Mitglieder 
der Waffen-SS), »ebenso Opfer der Nazis waren wie die Opfer 
in den Konzentrationslagern«. Später ehrte Foxman Reagan mit 
der ADL- Auszeichnung »Torch of Liberty«. Des weiteren 
führte Foxman die Oberaufsicht über eine großangelegte Be- 
spitzelungsoperation in Amerika, in die auch der israelische 
Geheimdienst und das südafrikanische Apartheidregime invol- 

123 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

viert waren. Und auch im Fall des milliardenschweren Roh- 
stoffhändlers Marc Rieh, der zunächst in die Schweiz geflüch- 
tet war, sich später aber wegen 51 Fällen von Steuerhinter- 
ziehung, Betrug und der Mißachtung des Wirtschaftsembargos 
gegen den Iran vor Gericht verantworten mußte, spielte Fox- 
man eine unrühmliche Rolle: Nachdem er Schmiergeld von 
Rieh kassiert hatte, sorgte er mit dafür, daß dieser während der 
letzten Stunden, die Clinton im Amt war, noch rasch vom Prä- 
sidenten begnadigt wurde. Die Tatsache, daß Foxman noch ei- 
nen Funken Glaubwürdigkeit besitzt, bietet einen beängstigen- 
den Einblick in die gegenwärtige politische Kultur der Verei- 
nigten Staaten. 8 

Die Antisemitismus-Studie von Bergmann und Wetzel (Ma- 
nifestations) nennt als einen Beleg für europäischen Anti- 
semitismus das Ergebnis einer Umfrage, die die ADL in der Eu- 
ropäischen Union durchgeführt hat. Demnach stimmte fast die 
Hälfte der Befragten der Aussage zu: »Die Juden reden immer 
noch zuviel über den Holocaust.« Man muß sich jedoch wun- 
dern, daß es nicht noch mehr Europäer sind, die das chau- 
vinistische Herumreiten auf dem HOLOCAUST leid sind und 
nicht länger hinnehmen wollen, daß der HOLOCAUST poli- 
tisch instrumentalisiert wird. Bei der Auflistung ihrer nach 
Ländern geordneten Ergebnisse führen Bergmann und Wetzel 
auch die folgenden, angeblich antisemitischen Vorfälle auf: 
Dänemark: »Eine Frau mit Verbindungen zum Progressiven Jü- 
dischen Forum berichtete, daß . . . ein Kollege einmal, als sie ge- 
rade ins Büro kam, zu ihr sagte: >Den (d.h. ihren Stuhl) hast du 
aber gut besetzt, was? Ha ha<«; Griechenland: »In zwei Artikeln 
... wurde die Ansicht vertreten, daß Juden den aus der Grau- 
samkeit des Holocaust entstandenen Schmerz exzessiv ausnut- 
zen«; Italien: »In einer Unterführung in der Stadt Prato wurde 
entdeckt, daß jemand in großen, fetten Buchstaben die Worte 
Juden Morden an die Wand gesprüht hatte« (wo überall hat 
man noch nachgesehen?); Niederlande: »Im Zentrum von Am- 
124 



Zeter und Mordio 

sterdam hat jemand einen jüdischen Marktverkäufer mit einer 
Pistole bedroht und zu ihm gesagt: >Ich schieß dich tot<« (ist 
das nicht der übliche Räuberspruch?). Den Autoren der Studie 
war zweifellos nicht entgangen, wie dürftig - um nicht zu sa- 
gen: lächerlich - ihr Beweismaterial war. Sie gingen denn auch 
dazu über, »der deutschen Öffentlichkeit in starkem Maße la- 
tent vorhandene antisemitische und antizionistische Vor- 
urteile« zu attestieren, den Italienern einen »spirituellen (oder 
psychologischen) Antisemitismus« zu bescheinigen, unter 
Griechen eine »latente Struktur« des Antisemitismus festzu- 
stellen und schließlich, wie schon oben angemerkt, zu behaup- 
ten, daß es in Großbritannien »nach Antisemitismus riecht«. 9 

Kurz nach Erscheinen der ursprünglichen, von Bergmann 
und Wetzel verfaßten Studie legte die Europäische Stelle zur 
Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit 
(EUMC) eine ausführlichere Studie mit dem Titel Manifestati- 
on of Antisemitism in the EU 2002-2003 vor, in der nun, anders 
als beim ersten Anlauf, nicht nur ein paar Monate, sondern ein 
Zeitraum von zwei Jahren untersucht wurde. 10 Zwar ist auch 
bei dieser Studie noch zu bemängeln, daß sie zum Teil tenden- 
ziös und apologetisch ist, doch war diese zweite, offizielle 
EUMC-Studie (im folgenden: Manifestation^ II) um einiges ge- 
nauer und nüchterner als der inoffizielle Vorgänger. 11 Da die in 
der zweiten Studie versammelten Ergebnisse, anders als die der 
ersten, nicht für sensationelle Schlagzeilen taugten, wurde Ma- 
nifestations II von den Medien größtenteils ignoriert. (Ein siche- 
rer Anhaltspunkt dafür, daß wir es hier mit einer einigermaßen 
seriösen Publikation zu tun haben, ist die Tatsache, daß Fox- 
man seine »Enttäuschung« darüber zum Ausdruck brachte. 12 ) 
Während des Beobachtungszeitraums von zwei Jahren hatte 
sich in keinem der fünfzehn untersuchten Länder ein antisemi- 
tischer Mord ereignet; bei tätlichen Angriffen, die auf Antisemi- 
tismus zurückzuführen waren, war eine Handvoll Menschen 
schwer verletzt worden 13 ; die Zahl der Anschläge, die auf jüdi- 

125 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

sehe Einrichtungen verübt worden waren, war recht hoch, und 
einige hatten großen Schaden angerichtet. 

Doch bei der überwiegenden Mehrheit antisemitischer Vor- 
falle handelte es sich um alle möglichen Arten von verbalen 
Drohungen und Beschimpfungen. Hier ein paar Beispiele: »Ei- 
ne Person in Belgien erhielt einen antisemitischen Brief aus 
Frankreich.« »In Paris wurde ein Mann, der seine drei Kinder 
bei sich hatte, beschimpft. Jemand sagte zu ihm, >Sie töten ein 
palästinensisches Kind<« [sie]. »Eine Internetrecherche förderte 
einen Bericht über einen Bauern in Oberösterreich zutage, der 
vor seinem Hof eine Anschlagtafel mit der Aufschrift Juden 
erpressen die ganze Welt< und >Ariel Sharon ist ein Staatsterro- 
rist< aufgestellt hatte.« 14 Selbst in Frankreich, dem Land, in 
dem die Studie die größte Anzahl antisemitischer Vorfälle regi- 
strierte - 2002 gab es zum Beispiel drei Brandanschläge, bei 
denen jüdisches Gemeindeeigentum beschädigt wurde, wenn 
auch keine im Jahr 2003 15 -, kündeten die Untersuchungs- 
ergebnisse keineswegs von einem grassierenden Antisemitis- 
mus. 

Die Studie stellte im Gegenteil fest, daß, »wie Umfragen zei- 
gen, antisemitische Ansichten in der französischen Bevölkerung 
rückläufig sind«. So wurde zum Beispiel die Frage »Ist eine 
französische Person jüdischer Herkunft >so französisch wie an- 
dere Franzosen auch<?« von 89 Prozent der Befragten mit Ja be- 
antwortet. Und obwohl die meisten antisemitischen Vorfälle in 
Frankreich tatsächlich auf das Konto junger Muslime gingen, 
lehnten »junge Leute nordafrikanischer Herkunft den Antisemi- 
tismus«, wie eine Umfrage ergab, im allgemeinen »sogar noch 
stärker ab als der Durchschnitt«. Und schließlich sollte man 
hinsichtlich der französischen Situation noch bedenken, daß 
»die Zahl derjenigen, die Opfer antisemitischer Übergriffe wur- 
den, . . . geringer war als die Zahl von Einwanderern«, die Opfer 
fremdenfeindlicher Übergriffe wurden. 16 

Etwa zeitgleich mit Manifestation^ II erschien ein Bericht mit 
126 



Zeter und Mordio 

den neuesten Umfrageergebnissen des Pew Research Centers. 
Das renommierte Institut hatte im Zeitraum von Ende Februar 
bis Anfang März 2004 Umfragen in den Vereinigten Staaten 
und acht weiteren Ländern durchgeführt. »Entgegen der Be- 
fürchtung, daß der Antisemitismus in Europa um sich greift, 
gibt es«, wie der Bericht festhält, »keinerlei Hinweise darauf, 
daß antisemitische Einstellungen in den letzten zehn Jahren zu- 
genommen haben. Vielmehr ist zu konstatieren, daß Juden in 
Frankreich, Deutschland und Rußland derzeit positiver wahr- 
genommen werden, als dies noch 1991 der Fall war.« Anders 
ausgedrückt: An der Behauptung, es grassiere heute ein neuer 
Antisemitismus, ist nichts dran. Angesichts der Tatsache, daß 
»Europäer gegenüber Muslimen sehr viel negativere Umstel- 
lungen haben als gegenüber Juden«, gibt die Feindseligkeit ge- 
genüber Muslimen weitaus mehr Anlaß zur Sorge. Auf einer 
politischen Tagesordnung, die nicht nach ideologischen Ge- 
sichtspunkten ausgerichtet wäre, würde diesem Problem ganz 
selbstverständlich Priorität eingeräumt. 17 Doch die Hysterie 
bezüglich des neuen Antisemitismus hat mit dem Kampf gegen 
Vorurteile nichts zu tun. Es geht dabei einzig und allein darum, 
die Kritik an Israel im Keim zu ersticken. 



Die Verunglimpfung berechtigter Kritik an der 
israelischen Politik 

Unter denen, die sich mit dem Thema beschäftigen, herrscht 
weitgehend Einigkeit darüber, daß sich der neue Antisemitis- 
mus in dem Moment am stärksten bemerkbar machte, als der 
israelisch-palästinensische Konflikt zuletzt eskalierte, und zwar 
vor allem auf dem Höhepunkt dieser Eskalation, nämlich wäh- 
rend der Belagerung des Flüchtlingslagers Jenin im Zuge der 
»Operation Schutzschild« im Frühjahr 2002: »Seit im September 
2000 die neue Intifada ausbrach, ist es, angefacht durch anti- 

127 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

israelische Gefühle, in aller Welt zu einem ungeheuer drasti- 
schen Anstieg antisemitischer Äußerungen und tätlicher Über- 
griffe gekommen« (Foxman); »Bei dem heftigen Ausbruch, den 
wir heute in Europa und (in einem sehr viel geringeren Maße) 
in den Vereinigten Staaten erleben, scheint es sich in der Tat um 
eine Begleiterscheinung des arabisch-israelischen Konflikts zu 
handeln. Der Antisemitismus hat bei Ausbruch der zweiten In- 
tifada fraglos auf beiden Kontinenten sehr stark zugenommen« 
(Schoenfeld); »Die Tatsache, daß es in den meisten EU-Mit- 
gliedstaaten seit Beginn der sogenannten Al-Aqsa-Intifada ei- 
nen sehr deutlich wahrnehmbaren Anstieg antisemitischer Ak- 
tivitäten gegeben hat, ... weist darauf hin, daß zwischen den 
Ereignissen im Nahen Osten und der damit einhergehenden 
Kritik an der israelischen Politik einerseits und dem Anwach- 
sen des Antisemitismus andererseits eine Verbindung besteht« 
(Manifestations); »Daß zwischen der Anzahl gemeldeter anti- 
semitischer Vorfälle und der politischen Situation im Nahen 
Osten ein Zusammenhang besteht, . . . läßt sich daran erkennen, 
daß es im April 2002, als die israelische Armee in einer umstrit- 
tenen Operation mehrere palästinensische Städte besetzte, in 
einigen Ländern zu einem signifikanten Anstieg von Vorfällen 
kam« (Manifestations II). 

Der Kausalzusammenhang scheint darin zu bestehen, daß Is- 
raels brutale Unterdrückung der Palästinenser Feindseligkeit 
gegenüber dem »jüdischen Staat« und jenen Juden hervorruft, 
die ihn im Ausland lautstark unterstützen. Dazu passen auch 
die Ergebnisse einer ADL-Umfrage. Diese besagen, fast zwei 
Drittel der Europäer glaubten, daß »der jüngste Gewaltaus- 
bruch gegenüber Juden in Europa auf antiisraelische Gefühle 
und nicht auf im traditionellen Sinne antisemitische bezie- 
hungsweise antijüdische Gefühle zurückzuführen« sei und daß 
zum Beispiel italienische »Kommentatoren die Ausbreitung des 
Antisemitismus als das Ergebnis der israelischen Politik gegen- 
über den Arabern seit dem Ausbruch der Intifada ansehen«. 
128 



Zeter und Mordio 

Auch in Manifestation^ war zu lesen, daß die Feindseligkeit und 
Gewalt gegen Juden in Europa - außer von Rechtsextremisten, 
für die der Antisemitismus schon immer Programm war - 
hauptsächlich von »jungen Muslimen mit arabischem Hinter- 
grund« ausging, die sich stark mit den Palästinensern und ih- 
rem Kampf identifizierten. (Manifestations II gibt zu bedenken, 
daß es, »wenn man die vorhandenen Daten auswertet und die 
EU im ganzen betrachtet, problematisch ist, allgemeine Aussa- 
gen [darüber] zu treffen«, welche dieser beiden Gruppen für 
die größere Anzahl antisemitischer Vorfälle verantwortlich 
ist.) 18 Dieser Zusammenhang von Faktoren würde umgekehrt 
wohl auch erklären, warum die Antipathie gegenüber Israel 
und Juden während der hoffnungsvollen frühen Jahre des Oslo- 
»Friedensprozesses« - als viele Menschen glaubten, eine ge- 
rechte Lösung des Konflikts sei in greifbare Nähe gerückt - so 
rapide abnahm, daß selbst Dershowitz einräumte, der Anti- 
semitismus sei nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in 
der ganzen Welt zum Randproblem geworden. 19 

Dennoch lehnen Israels Apologeten genau diesen Kausalzu- 
sammenhang ganz entschieden ab. Wenn die israelische Politik 
und die breite Unterstützung, die diese Politik durch Juden er- 
fährt, Feindseligkeit gegenüber Juden hervorruft, dann könnte 
das ja bedeuten, daß Israel und seine jüdischen Unterstützer 
selbst für diesen Antisemitismus verantwortlich sind, und das 
würde womöglich den Schluß nahe legen, daß Israel und seine 
indischen Unterstützer im Unrecht sind. Diesen Gedankengang 
läßt die Holocaust-Industrie gar nicht erst zu, denn nach ihrem 
Dogma kann Feindseligkeit gegenüber Juden keinesfalls daher 
rühren, daß Juden Unrecht getan haben. Argumentiert wird 
statt dessen wie folgt: Die »Endlösung« war irrational; die 
»Endlösung« markierte den Höhepunkt eines tausendjährigen 
Antisemitismus der NichtJuden; also ist jedes einzelne Anzei- 
chen von Antisemitismus irrational. 20 Aufgrund der Gleichset- 
zung von Antisemitismus mit Feindseligkeit gegenüber Juden 

129 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

ist jede Feindseligkeit, die Juden entgegengebracht wird - sei es 
auf individueller oder kollektiver Ebene -, unbedingt als irra- 
tional anzusehen: »Der Antisemitismus ... ähnelt einer Krank- 
heit, weil er vollkommen irrational ist«, so eine typische Fest- 
stellung von Foxman. »Wer Juden haßt, tut das nicht wegen, 
sondern trotz der Beweislage.« 

Wenn Palästinenser zu Selbstmordattentätern werden, dann 
ist das laut Schoenfeld nicht auf konkrete Aktionen Israels zu- 
rückzuführen, sondern vielmehr auf den Umstand, daß Israel in 
eine »teuflische Abstraktion« verwandelt worden ist. Nach An- 
sicht von Ron Rosenbaum stellt der Antisemitismus eine Nicht- 
juden befallende, irrationale, unerklärliche, unentrinnbare 
Krankheit dar: »Die Erklärung für erneuten Antisemitismus ist 
Antisemitismus: seine nicht auszulöschende Vorgeschichte - 
und seine Wirksamkeit. Er gebiert sich inzwischen selbst.« Als 
der milliardenschwere Finanzier George Soros, selbst Jude, auf 
einer Versammlung bekannter jüdischer Persönlichkeiten die 
gegenteilige Meinung äußerte - er sagte, der »Anstieg des Anti- 
semitismus in Europa« sei größtenteils auf die Politik Sharons 
und das Verhalten von Juden zurückzuführen -, zog er sich, 
was nicht weiter verwunderlich ist, den Zorn des Publikums 
zu. Der ehemalige israelische Knessetsprecher Avraham Burg 
beging dieselbe Sünde, als er bemerkte: »Die wenig schmei- 
chelhaften Ansichten der internationalen Gemeinschaft gegen- 
über Israel sind zum Teil auf die Politik der israelischen Regie- 
rung zurückzuführen.« 

»Eines wollen wir mal klarstellen«, erwiderte Elan Steinberg 
vom Jüdischen Weltkongreß nach Soros' Rede: »Antisemitis- 
mus wird nicht von Juden gemacht, sondern von Antisemiten.« 
Foxman nannte Soros' Worte »absolut obszön«. Wenn ein Jude 
laut darüber nachdenkt, ob Juden womöglich selbst Antisemi- 
tismus schüren, ist das also »obszön«, und wenn ein NichtJude 
es ihm gleichtut, ist das, man ahnt es schon, antisemitisch. In 
Manifestation^ wird ein holländischer Zeitungsartikel mit der 
130 



Zeter und Mordio 

Überschrift »Israel mißbraucht das Antisemitismustabu« ver- 
urteilt, weil »sich der Autor des klassischen antisemitischen 
Stereotyps bedient, nach dem die Juden am Antisemitismus 
selbst schuld sind«; ebenso wird ein Leserbrief an eine österrei- 
chische Zeitung verurteilt, weil darin »den Israelis vorgeworfen 
wird, selbst für den wachsenden Antisemitismus verantwort- 
lich zu sein«. 21 

Dieses Dogma, nach dem es sich beim Antisemitismus um 
eine NichtJuden befallende Krankheit handle - Holocaust- 
Industrie-Guru Daniel Goldhagen sprach davon, daß Antisemi- 
tismus »mit tatsächlichen Juden nichts zu tun« habe, »grund- 
sätzlich keine Antwort auf objektiv bewertetes jüdisches Han- 
deln« darstelle und »unabhängig von Wesen und Handlungen 
der Juden« entstehe -, kennt zwei Ausnahmen. Ausnahme 
Nummer eins besagt: Es kann passieren, daß Juden, die Gutes 
tun, Antisemitismus hervorrufen. Die Tatsache, daß die 
schwarze Bürgerrechtsbewegung von amerikanischen Juden 
deutlich sichtbar unterstützt wurde, hat zweifellos dazu beige- 
tragen, daß der Antisemitismus unter weißen Südstaatlern zu- 
nahm, doch wäre es den Juden nicht im Traum eingefallen, die 
Verantwortung für diese Art von Antisemitismus von sich zu 
weisen. Im Gegenteil, sie zu übernehmen war Ehrensache. 
Ausnahme Nummer zwei besagt: Die nichtjüdische Krankheit 
Antisemitismus ist zwar irrational, entspringt aber doch einer 
allzumenschlichen Leidenschaft: dem Ressentiment. »Der neue 
Antisemitismus macht vor keiner Grenze, keiner Nationalität, 
keiner Politik und keinem Gesellschaftssystem halt«, erklärt 
Mortimer Zuckerman. »So wie Neid und Ressentiment einst- 
mals dem einzelnen Juden galten, richten sich Neid und Res- 
sentiment heute gegen Israel.« 

Die Ähnlichkeit dieses Dogmas der Holocaust-Industrie mit 
der politisch korrekten Interpretation des amerikanischen 
»Kriegs gegen den Terrorismus« ist offensichtlich: Die Araber 
hassen uns entweder, weil sie irrationale Fanatiker sind, oder 

131 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

weil sie uns unseren Lebensstil neiden. Es kann unmöglich dar- 
an liegen, daß wir irgend etwas falsch gemacht haben - nur 
Apologeten des »Islamofaschismus« behaupten solchen Un- 
sinn. Damit wir den »Grund für den Angriff auf Amerika« er- 
fahren, erteilt Jeffrey Goldberg vom New Yorker einem ägyp- 
tischen Intellektuellen das Wort: »Diese Leute sind neidisch . . . 
Talent weckt in den Herzen der Untalentierten die Eifersucht.« 
Das »natürliche« Mitgefühl, das Israel und die Vereinigten 
Staaten einander seit dem 11. September entgegenbringen - 
»Jetzt wissen sie, wie es uns geht« (Israel) und »Jetzt wissen 
wir, wie es ihnen geht« (USA) -, ist in ebendieser chau- 
vinistischen und entlastenden Ideologie verankert. Die zwei, 
die hier in trauter Eintracht miteinander um die Wette seufzen, 
sind in ihren eigenen Augen nicht nur unschuldig, sondern 
schlicht zu gut für diese Welt. 22 

Übrigens erklärt die Doktrin essentieller jüdischer Unschuld 
auch den Reiz, den Jean-Paul Sartres kleines Buch Betrachtun- 
gen zur Judenfrage: Psychoanalyse des Antisemitismus auf viele 
Juden ausübt. »Mit seiner chirurgisch präzisen Untersuchung 
des klassischen Antisemitismus legte sein Werk«, so die schwer 
beeindruckten Perlmutters, »den Grundstein« für jede zukünf- 
tige Studie. Auf den ersten Blick mag es seltsam erscheinen, daß 
sich ausgerechnet dieses Buch - und sein linker Autor - so gro- 
ßer Beliebtheit erfreuen. Immerhin geht Sartre von der These 
aus, daß der Begriff des jüdischen Volkes erst durch das, was 
ihm vom Antisemitismus zugeschrieben wird, inhaltlich gefüllt 
wird. »Der Antisemit macht den Juden«, lautet Sartres berühm- 
te Formulierung dieser Annahme (Hervorhebung im Original). 
Doch von dieser Prämisse ausgehend argumentiert Sartre wei- 
ter, daß schlechte Eigenschaften, die zum stereotypen Bild des 
Juden gehören, von Antisemiten erfunden werden beziehungs- 
weise daß die Schuld für diese schlechten Eigenschaften bei den 
Antisemiten zu suchen ist. Das bedeutet - zumindest kann es 
der geneigte Leser so verstehen -, daß Juden entweder gar 
132 



Zeter und Mordio 

keine schlechten Eigenschaften haben oder daß sie, wenn sie 
denn welche haben, dafür nicht verantwortlich sind. 

Wenn es Feindseligkeit gegenüber Juden gibt, so kann diese, 
laut Sartre, nicht daher rühren, daß Juden sich etwas haben zu- 
schulden kommen lassen: »Nicht die Erfahrung schafft den Be- 
griff des Juden, sondern das Vorurteil fälscht die Erfahrung.« 
Und: »Die antisemitische Leidenschaft ... greift den Tatsachen 
vor, die sie hervorrufen sollte.« Das Motiv hinter dieser philo- 
semitischen Doktrin war zwar sicher ein anständiges, doch ihre 
Folgen sind katastrophal, denn wozu dient diese Doktrin, wenn 
nicht dazu, völlige moralische Verantwortungslosigkeit walten 
zu lassen? »Wichtig ... ist, daß den Juden nicht die Schuld am 
Antisemitismus gegeben wird«, schreibt Dershowitz wie ein 
Echo auf Sartre. »Der Antisemitismus ist das Problem der Bi- 
gotten ... Nichts, was wir tun, kann die verqueren Gedanken 
des Antisemiten nachhaltig beeinflussen« (Hervorhebungen im 
Original). Zusammenfassend müssen wir also feststellen, daß 
Juden an der Antipathie, die andere ihnen entgegenbringen, 
niemals Schuld sein können: Sie sind dafür verantwortlich, 
nicht wir. 23 



Wenn Kritik an Israel in Kritik an Juden umschlägt 

In gewissen Kreisen ist die Wut über Israels brutale Besatzung 
zweifellos in Feindseligkeit gegenüber Juden umgeschlagen. So 
beklagenswert das auch ist - wundern sollte es keinen. Die bru- 
tale amerikanische Aggression gegen Vietnam und die Ag- 
gression der Bush-Regierung gegen den Irak hatten eine allge- 
mein antiamerikanische Stimmung zur Folge, so wie auch die 
völkermörderische Naziaggression während des Zweiten Welt- 
kriegs eine allgemein antideutsche Stimmung zur Folge hatte. 
Wenn nun die brutale Besatzung durch einen nach eigenem 
Bekunden jüdischen Staat eine allgemeine Antipathie gegen- 

133 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

über Juden hervorruft, ist das wirklich so verwunderlich? »Alle 
Fälle, bei denen die Juden kollektiv für die Politik der israeli- 
schen Regierung verantwortlich gemacht werden, stellen eine 
Form von Antisemitismus dar«, verkünden die Autoren von 
Manifestation^ ernst. Dementsprechend wird zum Beispiel Spa- 
nien des Antisemitismus geziehen, weil »die Massenmedien oft 
nicht zwischen Israel und der jüdischen Gemeinschaft unter- 
scheiden«. 

Wenn aber Juden selbst jede Unterscheidung zwischen Israel 
und den Juden in aller Welt ablehnen, ja wenn sie eine solche 
Unterscheidung bereits als antisemitisch verurteilen; wenn jü- 
dische Mainstream-Organisationen jedwede israelische Maß- 
nahme, ganz gleich, wie kriminell diese auch sein mag, unkri- 
tisch unterstützen, ja den Scharfmachern in Israel noch den 
Rücken stärken und prinzipienfesten Kritikern außerhalb Isra- 
els einen Maulkorb verpassen; wenn Israel sich selbst juristisch 
als souveräner Staat des jüdischen Volkes definiert, und wenn 
anderswo lebende Juden jede Kritik an Israel als antijüdisch 
bezeichnen, dann ist es doch ein wahres Wunder, daß die ge- 
gen Israel gerichtete Antipathie nicht viel öfter in Antipathie 
gegenüber Juden umschlägt. »Jeder, der nicht zwischen den 
Juden und dem jüdischen Staat unterscheidet, ist ein Antise- 
mit«, ist sich Chesler ganz sicher. Allerdings war sie sich ein 
paar Seiten vorher genauso sicher, daß »die amerikanischen 
und die Diaspora-Juden« begreifen müssen, daß »Israel unser 
Herz und unsere Seele ist ... Schließlich sind wir eine Familie« 
(Hervorhebung im Original). Die italienische Journalistin Fi- 
amma Nirenstein erklärt ebenfalls, daß »Juden in aller Welt es 
als eine Tugend und eine Ehre ansehen sollten, wenn sie mit 
Israel identifiziert werden«; und eine Erkenntnis sollten »Juden 
in aller Welt« den Leuten unbedingt immer wieder unter die 
Nase reiben: »Wenn Sie Vorurteile gegenüber Israel haben, 
dann haben Sie etwas gegen die Juden.« Anscheinend ist bei- 
des antisemitisch: bei Israel an Juden zu denken, und bei Israel 
134 



Zeter und Mordio 

nicht an Juden zu denken. »Antisemitische iranische Propagan- 
disten geben sich«, laut Schoenfeld, »alle Mühe, sämtliche Un- 
terschiede zwischen Israel, dem Zionismus und den Juden zu 
beseitigen.« Doch in einem Beitrag für die Zeitschrift Com- 
mentary, deren Chefredakteur Schoenfeld ist, schrieb Hillel 
Halkin: »Israel ist der Staat der Juden. Zionismus ist die Über- 
zeugung, daß die Juden einen eigenen Staat haben sollten. Isra- 
el zu diffamieren ist dasselbe, wie die Juden zu diffamieren.« 
Sind Halkin und der Chefredakteur von Commentary vielleicht 
auch Antisemiten? 24 

Genauso wie es zu einfach (und zu bequem) ist, es als Anti- 
semitismus abzutun, wenn Juden für die israelische Politik ver- 
antwortlich gemacht werden, so ist es auch zu einfach (und zu 
bequem), die Vorstellung von jüdischer Macht als Antisemitis- 
mus abzutun. In den Vereinigten Staaten bilden Juden heute 
die wohlhabendste ethnische Gruppe, und mit dieser wirt- 
schaftlichen Macht ist auch eine gehörige Portion politischer 
Macht verbunden. Die jüdischen Wortführer üben diese Macht 
oft genug ganz ungeniert aus, um die amerikanische Politik ge- 
genüber Israel nach ihren Wünschen zu formen. Dieselben 
Wortführer setzen ihre Macht aber auch bei anderen Gelegen- 
heiten ein. So haben es amerikanisch-jüdische Organisationen 
gemeinsam mit Einzelpersonen aus allen Regierungsebenen 
und aus allen Teilen der Gesellschaft verstanden, unter dem 
Vorwand der Forderung von »Holocaust-Wiedergutmachung« 
Europa zu erpressen. Daß die Regierung Clinton der Operation 
ihren Segen gab, ja ihr zu jedem Zeitpunkt die entscheidende 
Schützenhilfe gewährte - selbst wenn dies den nationalen Inter- 
essen der Vereinigten Staaten zuwiderlief -, war dem Umstand 
zu verdanken, daß die Regierung am »jüdischen Geld« überaus 
interessiert war. Und wer soll glauben, daß die pro-jüdische 
Tendenz in der Berichterstattung der Medienkonzerne absolut 
gar nichts damit zu tun hat, daß Juden in diesen Unternehmen 
einflußreiche Posten bekleiden? 

135 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

»Es stimmt natürlich, daß es in Hollywood unter den Produ- 
zenten und Regisseuren, unter den Leitern der Filmgesellschaf- 
ten und unter den Stars Juden gibt, die sehr prominent sind«, 
räumt Foxman ein. »Es stimmt sogar, daß Juden in der Film-, 
Fernseh- und Schallplattenindustrie, proportional gesehen, 
immer recht stark in führenden Positionen vertreten waren.« 
Doch dann erklärt Foxman: »Die Juden, die in Hollywood ar- 
beiten, sind nicht als Juden dort, sondern als Schauspieler, Re- 
gisseure, Drehbuchautoren, Geschäftsführer und wer weiß was 
noch alles«, und sie alle wollen einfach nur »Geld verdienen« 
(Hervorhebung im Original). Sein Beweis? »Dies erklärt das 
Paradoxon, um das bisher alle antisemitischen Verschwörungs- 
theoretiker einen großen Bogen gemacht haben, nämlich die 
Frage, wie es kommt, daß die angeblich in der Hand von Juden 
befindliche Filmindustrie so wenige Filme hervorgebracht hat, 
in denen es erklärtermaßen um jüdische Figuren und jüdische 
Themen geht.« Ist das seine Begründung dafür, daß Hollywood 
seit 1989 lediglich 175 Filme über die Massenvernichtung der 
Juden durch die Nazis produziert hat? Es ist selbstverständlich 
legitim zu fragen, ob und bei welchen Gelegenheiten Juden als 
Leute handeln, die eben zufällig Juden sind, und wann sie »als 
Juden« handeln; im Hinblick auf den zweiten Fall (der zweifel- 
los gelegentlich eintritt) wäre dann weiter zu fragen, was es mit 
dieser »jüdischen Macht« auf sich hat, wie weit sie reicht und 
wo ihre Grenzen liegen. Diese Fragen lassen sich jedoch nur 
empirisch beantworten und nicht a priori durch politisch kor- 
rekte Floskeln. Wer schon das Interesse an diesem Thema als 
antisemitisch abtut und Nachforschungen ausschließt, trägt 
gewollt oder ungewollt dazu bei, daß sich Juden in der Gewiß- 
heit wiegen, bezüglich der Art und Weise, wie sie mit ihrer be- 
trächtlichen Macht umgehen, niemandem Rechenschaft schul- 
dig zu sein. 

In einem ansonsten ganz vernünftigen Aufsatz über den 
neuen Antisemitismus behauptet Brian Klug, daß »es eine Form 
136 



Zeter und Mordio 

von Antisemitismus ist«, wenn ein Vorwurf gegenüber Juden 
antisemitische Stereotype aufgreift, zum Beispiel die Vorstel- 
lung, Juden seien »mächtig, reich . . . und verfolgen ganz eigen- 
süchtig nur [ihre] eigenen Interessen«. Wenn sich aber Juden 
genau so benehmen, wie es das Stereotyp will, dann kann man 
schlecht argumentieren, daß sie dazu gar nicht in der Lage sei- 
en, weil sie damit dem Stereotyp zu nahe kämen. Warum soll- 
ten sie nicht fähig sein, sich unmöglich aufzuführen, auch wenn 
das genau dem jüdischen Stereotyp entspräche? Es ist vielleicht 
politisch nicht korrekt daran zu erinnern, aber es bleibt nichts- 
destoweniger ein Gemeinplatz, daß wirkungsvolle Stereotype 
wie auch erfolgreiche Propaganda ihre Kraft daraus beziehen, 
daß sie ein Körnchen Wahrheit enthalten, manchmal sogar 
mehr als ein Körnchen. Sollen Abraham Foxman, Edgar Bronf- 
man und Rabbi Israel Singer etwa außerhalb jeder Kritik stehen, 
weil sie stark an traditionelle antisemitische Klischees erin- 
nern? 25 

In meinem Buch Die Holocaust-Industrie habe ich unter- 
schieden zwischen dem Begriff der systematischen Massenver- 
nichtung der Juden durch die Nazis, also dem historischen Er- 
eignis, und dem Begriff HOLOCAUST, also der Instrumentali- 
sierung des tatsächlichen historischen Ereignisses durch ame- 
rikanisch-jüdische Eliten und ihre Unterstützer. Parallel dazu 
sollte man zwischen Antisemitismus, also den nicht zu recht- 
fertigenden Angriffen gegen Juden, nur weil sie Juden sind, 
und »Antisemitismus«, der Instrumentalisierung des tat- 
sächlich vorhandenen Antisemitismus durch jüdische Eliten in 
Amerika (und anderswo), unterscheiden. Wie der HOLO- 
CAUST wird auch der »Antisemitismus« als ideologische Waf- 
fe eingesetzt, um von der berechtigten Kritik an Israel und 
gleichzeitig auch von der berechtigten Kritik an mächtigen in- 
dischen Interessengruppen abzulenken. In seinem gegenwär- 
tigen Wortgebrauch dient der Kampf gegen den »Antisemitis- 
mus« zusammen mit dem »Krieg gegen den Terrorismus« als 

137 



Der nicht ganz so neue »neue Antisemitismus« 

Deckmantel für einen massiven Angriff auf das Völkerrecht 
und die Menschenrechte. Diejenigen Juden, die den echten An- 
tisemitismus bekämpfen wollen, müssen zunächst einmal den 
vermeintlichen »Antisemitismus« als Bluff entlarven. »Es gibt 
hier keine Patentlösung, nichts, mit dem man das Problem 
schnell aus der Welt schaffen könnte«, so die Schlußfolgerung 
der Antisemitismus-Studie von Bergmann und Wetzel. »Es ist 
nicht möglich, eine Strategie zu formulieren, mit der sich das 
Problem in jedem Land ein für alle Mal lösen ließe.« 26 

Der Verfasser dieser Zeilen ist da, mit Verlaub, anderer Mei- 
nung. Es gibt sehr wohl eine erprobte Strategie, mit der sich 
Antisemitismus, wie im übrigen auch Fanatismus anderer Art, 
bekämpfen läßt. Diese Strategie besteht darin, laut die Wahrheit 
zu sagen und für Gerechtigkeit zu kämpfen. Wenn es denn 
stimmt, was die wichtigsten Antisemitismus-Studien alle mit- 
einander festgestellt haben, daß nämlich die gegenwärtigen An- 
feindungen von Juden zeitlich mit der brutalen Unterdrük- 
kung der Palästinenser durch Israel zusammenfallen, dann wä- 
re die »Patentlösung« - oder das, was erforderlich ist, um »das 
Problem schnell aus der Welt zu schaffen« - ganz offensichtlich 
ein Ende der Besatzung. Ein vollständiger israelischer Rückzug 
aus den seit 1967 besetzten Gebieten würde darüber hinaus 
auch einen Rückschlag für die echten Antisemiten bedeuten - 
und wer wollte bezweifeln, daß es diese Leute gibt? Die echten 
Antisemiten nehmen die israelische Unterdrückungspolitik 
zum Vorwand, um Juden zu verteufeln; ein Ende der Besat- 
zung würde diese Leute erstens einer gefährlichen Waffe be- 
rauben und zweitens ihre wahren Ziele zum Vorschein bringen. 
Je mehr Juden ihre Ablehnung der israelischen Besatzung offen 
zum Ausdruck bringen, desto weniger NichtJuden werden 
fälschlicherweise annehmen, daß »die Juden« die ver- 
brecherische israelische Politik und die unkritische Unterstüt- 
zung, ja Ermunterung, die diese Politik durch die einschlägigen 
jüdischen Organisationen erfährt, gutheißen. 
138 



Zeter und Mordio 

Die schlimmsten Feinde im Kampf gegen den wahren Anti- 
semitismus sind jedoch die Philosemiten. Das macht sich vor 
allem in Europa bemerkbar. Weil die Philosemiten glauben, aus 
Rücksicht auf das historische Leid des jüdischen Volks die Au- 
gen vor israelischen Verbrechen verschließen zu müssen, ver- 
setzen sie Israel in die Lage, seinen mörderischen Weg unbehel- 
ligt weiterzugehen. Was sie dabei übersehen ist, daß genau das 
Antisemitismus schürt und schließlich auf die Selbstzerstörung 
Israels hinausläuft. Daß Philosemiten auch hinsichtlich der Ma- 
chenschaften der amerikanisch-jüdischen Eliten gern beide Au- 
gen zudrücken, hat sich ebenfalls als katastrophal erwiesen. 
Wie schon gesagt, genießen die jüdischen Eliten in den Verei- 
nigten Staaten enormen Wohlstand. Die Kombination aus wirt- 
schaftlicher und politischer Macht hat bei ihnen, was nicht wei- 
ter verwunderlich ist, ein Gefühl jüdischer Überlegenheit ent- 
stehen lassen. Diese jüdischen Eliten hüllen sich in den Deck- 
mantel des HOLOCAUST, inszenieren sich als Opfer - womög- 
lich bilden sie sich in ihrem solipsistischen Universum sogar 
ein, Opfer zu sein - und tun jede Kritik als neuerliche Manife- 
station des »Antisemitismus« ab. Aus dieser Brühe, zu deren 
Zutaten ungeheure Macht, chauvinistische Arroganz, eine vor- 
getäuschte (oder eingebildete) Opferrolle und schließlich die 
Gewißheit gehört, daß Kritik aufgrund des HOLOCAUSTS 
ausbleibt, aus dieser Brühe schöpfen amerikanisch-jüdische Eli- 
ten eine beängstigende Rücksichtslosigkeit und Skrupellosig- 
keit. Neben Israel sind es vor allem diese Eliten, die dafür sor- 
gen, daß der Antisemitismus in der heutigen Welt neue Nah- 
rung bekommt. Um diese Leute herumzuscharwenzeln ist kei- 
ne Lösung. Sich ihnen in den Weg zu stellen schon. 



139 



Teil II 

»Im allgemeinen 
herausragend«: Israels 
Menschenrechtsbilanz 



Einleitung 



Im August 2003 veröffentlichte der an der Harvard Law 
School lehrende Juraprofessor und Anwalt* Alan Dershowitz 
sein Buch The Case for Israel [im folgenden: Plädoyer für Isra- 
el]. 1 In Amerika wurde das Buch umgehend zum einflußrei- 
chen Bestseller. Es hieß, amerikanisch-jüdische Organisationen 
verleihen das Werk großzügig an Universitäten und würden 
dafür Sorge tragen, daß jeder jüdische High-School- Absolvent 
sein eigenes Exemplar bekäme. Das israelische Außenministe- 
rium erwarb Tausende von Exemplaren, um sie in aller Welt 
zu verleiten. Die israelischen Botschaften horteten das Buch in 
rauhen Mengen. Public-Relations-Spezialisten aus den israeli- 
sehen Ministerien benutzten es als Grundlagenwerk, und bei 
den Vereinten Nationen verteilte die israelische Vertretung 
Hunderte von Exemplaren an UN-Botschafter und andere UN- 
Mitarbeiter. 2 Dershowitz hat offenbar keine Mühen gescheut: 
Laut seiner Danksagung rekrutierte er eigens eine kleine Ar- 
mee von Assistenten. Überdies ließ er seine Gedanken zum 
Thema über Jahrzehnte heranreifen, denn »die Anfänge dieses 



Laut dem Buchumschlag zu Dershowitz' im Jahr 2000 auf deutsch 
erschienenen Autobiographie handelt es sich bei ihm um »Ameri- 
kas brillantesten und umstrittensten Strafverteidiger und Staran- 
walt«; er vertrat unter anderem O. J. Simpson, Larry Flint und Na- 
tan Sharansky; Alan M. Dershowitz, Chuzpe, Europäische Ver- 
lagsanstalt: Hamburg 2000 [Alan M. Dershowitz, Chutzpah, Boston 
1991]; Anm. d.U. 

153 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Buchs« gehen, wie er uns mitteilt, »zurück bis ins Jahr 1967« (S. 
415). Bei Dershowitz' Plädoyer für Israel muß es sich demnach 
um die papiergewordene Frucht all seiner geistigen Schaf- 
fenskraft handeln. 

Selbstverständlich hat sich Dershowitz auch sehr genau 
überlegt, was sein Plädoyer für Israel leisten soll. »Sinn und 
Zweck dieses Buches ist es«, erklärt er, »zur Reinigung [der] 
Atmosphäre beizutragen, indem es den Diskussionspartnern 
direkte und wahrheitsgemäße Erwiderungen auf falsche An- 
schuldigungen an die Hand gibt« (S. 33). In seinen Augen hal- 
ten sich Israels »Freunde« bei der Abwehr unberechtigter Ver- 
balattacken viel zu sehr zurück: »Die Zeit für eine offensive 
Verteidigung Israels vor dem Tribunal der öffentlichen Mei- 
nung ist überreif« (S. 15f.). Nun mögen Israels »Freunde« ja un- 
ter so mancher Unzulänglichkeit leiden, aber daß sie es bislang 
versäumt hätten, Israel aggressiv zu verteidigen, kann man ih- 
nen eigentlich nicht nachsagen. Wie im ersten Teil dieses Bu- 
ches gezeigt wurde, haben sie unter dem Vorwand, den »neuen 
Antisemitismus« zu bekämpfen, in den letzten Jahren vielmehr 
ein großes Medienspektakel veranstaltet, um Kritik an Israel 
abzuwehren. Nach eigener Einschätzung ist Dershowitz »als 
gestandener Professor, der bereit ist, seine Stimme für Israel zu 
erheben, ganz allein auf weiter Flur«. 3 Das zu hören dürfte ei- 
nige seiner Harvard-Kollegen 4 und überhaupt jeden, der die 
universitären Gepflogenheiten kennt, einigermaßen überra- 
schen. Wie dem auch sei, Dershowitz hat sich mit Plädoyer für 
Israel ein hohes Ziel gesteckt: Er will nicht nur mit den Lügen 
aufräumen, die die erklärten Feinde Israels in Umlauf bringen, 
sondern auch all jene Unwahrheiten aus der Welt schaffen, »die 
sogar viele israelische Friedensaktivisten zu akzeptieren bereit 
sind«*, und er weiß auch, wie er dieses Ziel erreichen will. Er 



* Diese Aussage fehlt in der deutschen Ausgabe (siehe The Case for 

Israel, S. 220); Anm. d. Ü. 
144 



Einleitung (zu Teil II) 

gedenke seine Aussagen »mit Fakten und Zahlen zu belegen ..., 
die zum Teil durchaus überraschen werden - vor allem jene 
überraschen werden, die ihre Informationen aus vorein- 
genommenen Quellen beziehen« (S. 17). Dabei »verlasse ich 
mich«, so Dershowitz, »im allgemeinen nicht auf israelfreund- 
liche, sondern hauptsächlich auf objektive und zuweilen - zur 
besonderen Betonung meines Arguments - sogar auf ausge- 
sprochen israelfeindliche Quellen« (S. 25). 

Man darf Dershowitz' Beteuerung, sein Buch gebe dem Leser 
»direkte und wahrheitsgemäße Erwiderungen auf falsche An- 
schuldigungen an die Hand«, jedoch nicht für bare Münze 
nehmen. Es kommt nicht von ungefähr, daß Plädoyer für Israel 
bei Amazon.com gern im Doppelpack mit Joan Peters' Buch 
Froom Time Immemorial angeboten wird. Peters' Buch wurde 
1984 veröffentlicht, nachdem Israel im Zuge der Libanoninva- 
sion sein erstes großes Public-Relations-Debakel erlebt hatte. 
Dershowitz' Buch wurde 2003 veröffentlicht, nachdem Israel im 
Zuge der zweiten Intifada eine weitere Public-Relations- 
Katastrophe zu verkraften hatte. Beide Bücher verfolgen die 
Absicht, die Moral getreuer Zionisten zu stärken. Auch der 
Modus operandi ist in beiden Fällen derselbe: Beide Bücher 
kommen im wissenschaftlichen Gewand daher, gehen mit den 
Quellen jedoch höchst unwissenschaftlich um. Was Dershowitz 
betrifft, muß man allerdings einschränkend hinzufügen, daß 
diese Aussage nur in bezug auf die wenigen Fälle gilt, in denen 
er überhaupt seriöse Quellen zu Rate zieht: Während sich Pe- 
ters exzellent darauf verstand, Primärquellen für ihre Zwecke 
zurechtzubiegen, besteht Dershowitz' Spezialität darin, absurde 
Quellen zu zitieren oder gleich ganz auf Quellen zu verzichten 
und sich flugs selbst etwas auszudenken. Dershowitz verläßt 
sich darauf, daß er, der doch schließlich den prestigeträchtigen 
Felix-Frankfurter-Lehrstuhl an der Harvard Law School inne- 
hat, soviel Autorität besitzt, daß er es sich leisten kann, auf se- 
riöse Quellen fast ganz zu verzichten. 

145 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Um Zweifel an der Stichhaltigkeit seiner Argumente gar 
nicht erst aufkommen zu lassen, streut Dershowitz hin und 
wieder so elegante Formulierungen ein wie: »Es ist dies ein 
Fakt, der unter vernünftigen Menschen noch nicht einmal dis- 
kutiert werden muß« (S.26). Oder: »Kein vernünftiger Mensch 
... wird sich über die Fakten streiten wollen« (S. 27). Oder: »Das 
ist schlicht eine historische Tatsache« (S. 127). Oder: »Es handelt 
sich hier um unbestreitbare historische Fakten, an denen kein 
vernünftiger Mensch zweifeln wird« (S. 129). Wenn Be- 
teuerungen dieser Art überhaupt irgendeinen Zweck erfüllen, 
dann allenfalls den, den Leser mit der Nase drauf zu stoßen, 
daß der Wahrheitsgehalt der betreffenden Behauptung aller 
Wahrscheinlichkeit nach gegen null tendiert. Auf seine Lese- 
reise anläßlich der Veröffentlichung von Plädoyer für Israel an- 
gesprochen berichtete Dershowitz: »Egal, wo ich meine Vor- 
träge halte - meistens sagen die Studenten hinterher zu mir, 
>Das haben wir ja gar nicht gewußte« 5 Das könnte damit zu- 
sammenhängen, daß vieles von dem, was Dershowitz erzählt, 
nie stattgefunden hat. Bei einer Fernsehdiskussion über sein 
Buch versprach Dershowitz, »der PLO 10 000 Dollar zu ge- 
ben«, wenn es seinem Gesprächspartner (oder irgend jeman- 
dem sonst) gelänge, »in meinem Buch eine einzige historische 
Tatsache zu finden, die nachweislich falsch ist«. 6 Die wahre 
Herausforderung besteht indes darin, in Plädoyer für Israel 
überhaupt irgendeine historische Tatsache von Bedeutung zu 
finden. 7 

In seinem Buch geht es Dershowitz vor allem darum, Israels 
Umgang mit den Menschenrechten zu verteidigen. Er hat sich 
vorgenommen, 

die These zu belegen, daß keine andere Nation der Weltge- 
schichte, die sich - weder von innen noch außen - ver- 
gleichbaren Bedrohungen ausgesetzt sah, größere An- 
strengungen unternommen hat, [ihre] hohen Grundsätze 
146 



Einleitung (zu Teil II) 

hinsichtlich [der] Herrschaft des Rechts zu erfüllen, und daß 
keine andere Nation diesem Ziel näher gekommen ist als der 
jüdische Staat. Und dennoch hat die internationale Gemein- 
schaft die ganze Weltgeschichte hindurch keine andere zivi- 
lisierte Nation ... wiederholt derart unfair und scheinheilig 
verurteilt und kritisiert. Fazit dieser Tatsache ist, daß die 
Kluft zwischen Israels tatsächlicher und vermeintlicher Bilanz 
in Sachen Rechtsherrschaft größer ist als bei irgendeiner an- 
deren Nation der Geschichte. (S. 352; Hervorhebungen im 
Original) 

Es scheint in der Tat eine ziemlich tiefe Kluft zu sein, die sich 
da auftut, denn nach Meinung von Dershowitz ist Israels Men- 
schenrechtsbilanz »im allgemeinen herausragend« (S. 325). Um 
diese These zu beweisen, muß Dershowitz allerdings ein 
schwieriges Hindernis überwinden. Seit den späten 1970er Jah- 
ren, und verstärkt seit dem Aufstand der Jahre 1987 bis 1993, 
als sich Israels Menschenrechtsverletzungen in den besetzten 
palästinensischen Gebieten nicht länger ignorieren ließen, wird 
das israelische Vorgehen von mehreren Menschenrechtsorgani- 
sationen unter die Lupe genommen, und zwar sowohl von Or- 
ganisationen mit Sitz in Israel - so dem Israelischen Informati- 
onszentrum zur Lage der Menschenrechte in den besetzten Ge- 
bieten (B'Tselem), dem Antifolterkomitee »Public Committee 
against Torture in Israel« (PCATI) und der Ärzteorganisation 
»Physicians for Human Rights - Israel« (PHR-Israel) - als auch 
von Organisationen mit globalem Mandat wie Amnesty Inter- 
national und Human Rights Watch. Darüber hinaus wird der 
Umgang Israels mit den Menschenrechten auch von Einrich- 
tungen der Vereinten Nationen sowie von anderen Institutio- 
nen, die generell mit der Überwachung des internationalen 
Menschenrechtsschutzes befaßt sind, beobachtet. Obwohl all 
diese unabhängigen Organisationen ihre eigenen Mitarbeiter 
ins Feld schicken und eigenständig recherchieren, sind ihre 

147 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Ergebnisse in bezug auf Israel und die besetzten Gebiete oft 
kaum voneinander zu unterscheiden. Das gilt für die einzelnen 
registrierten Vorfälle ebenso wie für deren rechtliche Interpre- 
tation, und es gilt für den Gesamteindruck ebenso wie für die 
Details. 

Amnesty International schreibt in einer Studie zu Menschen- 
rechtsverletzungen während der zweiten Intifada: »Es hat eine 
Vielzahl von Untersuchungen zur Situation in Israel und in 
den besetzten Gebieten gegeben - durch die Vereinten Natio- 
nen . . . ebenso wie durch internationale und lokale Menschen- 
rechtsorganisationen. Die Ergebnisse, zu denen diese Institu- 
tionen gelangten, und die Empfehlungen, die sie in ihren Ab- 
schlußberichten aussprachen, zeugen von einem bemerkens- 
werten Konsens.« 8 Dershowitz' Problem besteht darin, daß 
diese Ergebnisse, die den Konsens aller Menschenrechtsorgani- 
sationen widerspiegeln, nicht geeignet sind, seine These von 
der »im allgemeinen herausragenden« israelischen Menschen- 
rechtsbilanz zu stützen. Ganz im Gegenteil. Die grundlegend- 
ste und aufschlußreichste Erkenntnis in bezug auf die Men- 
schenrechtskapitel in Plädoyer für Israel ist, daß Dershowitz zur 
Bekräftigung seiner Thesen kein einziges Mal auf Aussagen der 
bekannten Menschenrechtsorganisationen verweist. Nicht daß er 
gern darauf verzichtete, aber da war nun einmal nichts zu ma- 
chen. Und so mußte er sich zur Bekräftigung seiner Thesen 
notgedrungen auf Quellen beziehen, deren Einseitigkeit offen- 
kundig ist. Das, was die Quellen nicht hergaben, dachte er sich 
unter dreister Mißachtung wissenschaftlicher Gepflogenheiten 
kurzerhand selbst aus. Hätte Dershowitz seine Ausführungen 
auf die Erkenntnisse der bekannten Menschenrechtsorganisa- 
tionen gestützt, hätte er sich wohl oder übel einen anderen 
Buchtitel ausdenken müssen, denn ein Plädoyer für Israel wäre 
das nicht geworden. 

Nicht genug damit, daß Dershowitz die Menschenrechtsbe- 
richte systematisch ignoriert - er gibt sich auch alle Mühe, die 
148 



Einleitung (zu Teil II) 

Organisationen selbst zu diskreditieren, um sein eigenes Vorge- 
hen zu rechtfertigen. Denn erstens ist seine These, solange die 
Glaubwürdigkeit dieser Organisationen unangetastet bleibt, 
unhaltbar, und zweitens sind ihm diese Organisationen, die 
sich ja dem Schutz der Menschenrechte verschrieben haben, ein 
Dorn im Auge. An diesen beiden Punkten wird schon sichtbar, 
worin Dershowitz' Dilemma besteht. »Die Parteinahme für Is- 
rael kann und sollte nicht um den Preis von Kompromissen bei 
den Prinzipien Gerechtigkeit, Egalitarismus, bürgerliche Frei- 
heiten und Liberalismus erfolgen, sondern auf diese erhabenen 
Prinzipien Bezug nehmen«, schrieb Dershowitz in seiner Auto- 
biographie Chuzpe. 9 Da er sich liberal gibt und den Ruf eines 
Bürgerrechtlers genießt, ist Dershowitz verpflichtet, »diese er- 
habenen Prinzipien« zu verteidigen, doch als treuer »Freund« 
Israels bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als sie über den 
Haufen zu werfen: Die israelische Besatzung ist auf rohe Ge- 
walt angewiesen; wenn anerkannt würde, daß das Völkerrecht 
in den besetzten palästinensischen Gebieten Anwendung fin- 
den muß - und wenn es dann vor allen Dingen auch durchge- 
setzt würde -, ließe sich die Besatzung nicht länger aufrechter- 
halten. So kommt es, daß Dershowitz, während er in den Verei- 
nigten Staaten den großen Bürgerrechtler mimt und die israeli- 
sche Politik im Namen der genannten Prinzipien rechtfertigt, 
nichts anderes tut, als unablässig die schlimmsten israelischen 
Menschenrechtsverletzungen zu verteidigen. 

Um zu demonstrieren, daß Amnesty International, was die 
Objektivität angeht, »die Nagelprobe nicht bestanden« hat, 
zitiert Dershowitz zweimal eine Zeitungskolumne, in der zu 
lesen war, daß eine Amnesty- Vertreterin bei einer UN- 
Konferenz fälschlicherweise behauptet habe, unter den palästi- 
nensischen Selbstmordattentätern seien keine Minderjährigen 
gewesen (S. 211, 312). Da weder Dershowitz noch die Kolum- 
nistin die betreffende Amnesty-Sprecherin beim Namen nennt, 
läßt sich die Aussage nicht verifizieren. In den vorbereiteten 

149 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Stellungnahmen und offiziellen Wortmeldungen von Amnesty 
- also in den Konferenzbeiträgen, die wirklich zählen und die 
im übrigen auch jeder nachlesen kann - ist eine solche Behaup- 
tung nicht enthalten. Nehmen wir einmal an, diese im Kontrast 
zum überprüfbaren Material stehende angebliche Äußerung 
wäre tatsächlich gefallen - was würde sie schon beweisen? Al- 
lenfalls, daß eine Amnesty- Vertreterin in einem informellen 
Rahmen eine unzutreffende Bemerkung gemacht hat. 10 Ders- 
howitz behauptet auch, Amnesty habe in bezug auf die israeli- 
sche Folterpraxis gelogen - dabei ist er derjenige, der die Tatsa- 
chen nach Belieben verdreht (siehe Kapitel 6). 

Im Falle der israelischen Organisation B'Tselem behauptet 
Dershowitz sogar, daß es dieser überhaupt nicht um die »Men- 
schenrechte« gehe: »Sie untersucht ja nur Israel und die [pa- 
lästinensischen] Gebiete.« In seiner Autobiographie hatte 
Dershowitz der angesehenen palästinensischen Menschen- 
rechtsorganisation Al-Haq ähnliches vorgeworfen. Dort hielt er 
Menschenrechtsorganisationen, die nur »ihre beschränkten 
Interessen propagieren« und »die selbstsüchtige Vertretung 
ihrer eigenen Rechte und Interessen« im Auge haben, authenti- 
sche »Organisationen für Menschenrechte« entgegen, die sich 
um »die universalen Rechte aller Menschen« kümmern, so et- 
wa die »Anti-Defamation League« (Hervorhebungen im Ori- 
ginal). 11 Sparen wir uns den Kommentar zu Dershowitz' Bei- 
spiel einer authentischen Menschenrechtsorganisation, das 
schon für sich genommen Bände spricht. 12 Halten wir an dieser 
Stelle nur fest, daß Dershowitz nach dieser Logik auch einwen- 
den müßte, daß die ACLU [»Amerikanische Bürgerrechts Ver- 
einigung«] keine echte Bürgerrechtsorganisation ist, weil sie 
sich nur um amerikanische Bürgerrechte kümmert, und daß die 
NAACP [»Nationale Vereinigung zur Förderung Farbiger«] 
keine echte Bürgerrechtsorganisation ist, weil sie sich nur um 
die Belange von Schwarzen kümmert. Interessanterweise ver- 
kneift sich Dershowitz jeden gehässigen Kommentar zu Human 
150 



Einleitung (zu Teil II) 

Rights Watch, obwohl diese Organisation ebenso hohes An- 
sehen genießt wie Amnesty und obwohl deren Berichte über 
Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete dieselben 
vernichtenden Schlußfolgerungen enthalten wie die Amnesty- 
Berichte. Nach dem Grund für dieses Stillschweigen muß man 
nicht lange suchen. Human Rights Watch ist eine Organisation, 
die ihren Sitz in Amerika hat; viele ihrer führenden Mitglieder 
gehören zur Prominenz des Establishments. Um diese Leute als 
antisemitisch hinzustellen, bedürfte es schon echter Chuzpe, 
nicht der billigen Kopie, die für Dershowitz zum einträglichen 
Geschäft geworden ist. 

Ginge es in den folgenden Kapiteln dieses Buches allein dar- 
um, Dershowitz zu »entlarven«, wäre ihr Wert doch arg be- 
grenzt. Meine Absicht ist es vielmehr, Plädoyer für Israel als 
Aufhänger zu benutzen, um die Menschenrechtsfragen des is- 
raelisch-palästinensischen Konflikts zu erörtern. Auf den fol- 
genden Seiten gebe ich einen umfassenden Überblick über Is- 
raels Umgang mit den Menschenrechten, wie er von den be- 
kannten Menschenrechtsorganisationen ermittelt wurde. An- 
hand einzelner Beispiele mache ich deutlich, welche Diskre- 
panz zwischen dem Konsens dieser Organisationen und der 
Dershowitz' sehen Schilderung der Menschenrechtslage be- 
steht. Wenn Wahrheit und Gerechtigkeit die stärksten Waffen 
im Arsenal der Unterdrückten sind, dann stellen die vielfälti- 
gen Berichte dieser Menschenrechtsorganisationen die am 
stärksten vernachlässigte Ressource im Kampf um eine gerech- 
te Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts dar, denn 
offenbar werden diese Berichte nur selten gelesen und so gut 
wie nie zitiert. Daß es denjenigen, die Israel blind verteidigt 
sehen wollen, gelingt, bezüglich der israelischen Menschen- 
rechtsbilanz so viele Mythen zu produzieren und diese als Fak- 
ten zu verkaufen, liegt vor allen Dingen daran, daß diese ab- 
solut zuverlässigen Berichte weitgehend unbeachtet bleiben 
und vielerorts nur als Staubfänger dienen. Wäre der Inhalt die- 

151 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ser Menschenrechtsberichte allgemein bekannt, würden sich die 
Leute bezüglich der Frage, ob Israels Besatzung moralisch ver- 
tretbar ist oder nicht, keine Illusionen mehr machen. 



152 



Kapitel 4 

Unreinheit der Waffen* 



Während der ersten Wochen der zweiten Intifada, die im Sep- 
tember 2000 begann, betrug das Verhältnis von palästinensi- 
schen zu israelischen Todesopfern 20 zu 1. Die überwiegende 
Mehrheit der Palästinenser kam »bei Demonstrationen ums Le- 
ben, und zwar in Situationen, in denen das Leben von Ange- 
hörigen der [israelischen] Sicherheitskräfte nicht in Gefahr war« 
(Amnesty International). 1 Für die ersten drei Jahre der zweiten 
Intifada (September 2000 bis einschließlich November 2003) hat 
B'Tselem die folgenden Daten zusammengetragen: 

Palästinenser Israelis 

2236 Palästinenser, darunter 196 israelische Zivilisten, dar- 
428 Minderjährige, wurden in unter 30 Minderjährige, wur- 
den besetzten Gebieten von den in den besetzten Gebieten 
israelischen Sicherheitskräften von Palästinensern getötet, 
getötet. 

32 Palästinenser, darunter drei 178 Angehörige der israe- 

Minderjährige, wurden in den lischen Sicherheitskräfte wur- 

besetzten Gebieten von israe- den in den besetzten Gebieten 

lischen Zivilisten getötet. von Palästinensern getötet. 



Dies bezieht sich auf den Moralkodex der israelischen Armee: 
»Reinheit der Waffen«; Anm. d.U. 

153 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

48 in den besetzten Gebieten 376 israelische Zivilisten, dar- 
wohnhafte Palästinenser, dar- unter 74 Minderjährige, wur- 
unter ein Minderjähriger, den in Israel von Palästinen- 

wurden in Israel von israeli- sern aus den besetzten Gebie- 
schen Sicherheitskräften getö- ten getötet, 
tet. 

77 Angehörige der israeli- 
schen Sicherheitskräfte wur- 
den in Israel von Palästinen- 
sern aus den besetzten Gebie- 
ten getötet. 

Gesamt: 2316 Gesamt: 827 



Die Gesamtzahl aller palästinensischen Opfer wäre sogar noch 
um einiges höher anzusetzen: So sind beispielsweise »Palästi- 
nenser, die starben, weil sie aufgrund der eingeschränkten Be- 
wegungsfreiheit nicht rechtzeitig ärztlich behandelt werden 
konnten«, in dieser Statistik »nicht enthalten«. Für den Zeit- 
raum vom Beginn der ersten Intifada (Dezember 1987) bis Ende 
Mai 2003 hat B'Tselem 3650 palästinensische und 1142 israeli- 
sche Todesopfer gezählt. 2 



Opferzahlen 

Alan Dershowitz stellt den Wert dieser Zahlen in Frage. Dazu 
führt er drei Argumente an, die er mehrfach wiederholt: 
i Wer behauptet, daß während der zweiten Intifada dreimal 
mehr Palästinenser als Israelis getötet wurden, »übersieht 
dabei geflissentlich«, so Dershowitz, »daß palästinensische 
Terroristen Tausende weitere Israelis zu töten versucht hat- 
ten« - schließlich sei es den israelischen Behörden gelungen, 

154 



Unreinheit der Waffen 

eine Vielzahl von Anschlägen zu verhindern (S. 31, 201 f.; 
Hervorhebung NGF). Doch wie die israelische Zeitung Maa- 
riv unter Berufung auf israelische Geheimdienstkreise be- 
richtet, »hat die israelische Armee während der ersten Tage 
der Intifada in Judäa und Samaria* rund 700 000 und im Ga- 
zastreifen rund 300 000 Kugeln und andere Munition ver- 
schossen. Insgesamt wurden etwa eine Million Kugeln und 
andere Geschosse verbraucht.« Die israelische Armee spen- 
dierte also, um es mit den Worten eines israelischen Offiziers 
auszudrücken, »jedem Kind eine Kugel«. 3 Sollen wir diese 
verschossene Munition mit aufführen, um zu belegen, daß 
die israelische Armee versucht hat, während der ersten Tage 
der Intifada eine Million palästinensischer Kinder zu töten? 
Zu den »etwa 2000« Palästinensern, die während der zweiten 
Intifada getötet wurden, zählen, so Dershowitz, auch »mut- 
maßliche Kollaborateure ..., die von ihren eigenen Leuten 
hingerichtet« wurden, ja sogar die Selbstmordattentäter 
selbst (S. 31f., 201, 204). Doch B'Tselem zählt die mutmaß- 
lichen Kollaborateure keineswegs mit zu den Opfern; zudem 
weist B'Tselem ausdrücklich daraufhin, daß »Palästinenser, 
die durch einen selbstgezündeten oder an ihrem Körper be- 
findlichen Sprengsatz getötet wurden, in diesen Zahlen nicht 
enthalten sind«. Dershowitz bemängelt außerdem, daß die 
Opferstatistik auch »bewaffnete« Palästinenser berücksich- 
tigt (S. 204); daß sie aber gleichzeitig auch die Opfer aus den 
Reihen der israelischen Sicherheitskräfte berücksichtigt, de- 
ren Zahl fast ein Drittel aller getöteten Israelis ausmacht, 
stört ihn nicht. 

»Zählt man nur unschuldige Zivilisten«, so Dershowitz, 
»sieht das Verhältnis gleich ganz anders aus, denn dann sind 
mehr Israelis umgekommen als Palästinenser« (S. 32, 205- 



Mit »Judäa und Samaria« ist das Westjordanland gemeint; Anm. 
d. Ü. 

155 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

207,237). Sein einziger Beleg für diese Behauptung ist »eine 
interne Analyse« der israelischen Armee (S. 205). Doch nicht 
nur B'Tselem, auch Amnesty International ist zu dem Ergeb- 
nis gekommen, daß während der zweiten Intifada dreimal 
mehr Palästinenser als Israelis getötet wurden. Amnesty be- 
richtet: »Auf beiden Seiten besteht die überwiegende Mehr- 
heit der Toten und Verwundeten aus unbewaffneten Zi- 
vilisten und Unbeteiligten.« 4 Selbst wenn wir einmal an- 
nehmen, das 51 Prozent der palästinensischen und 100 Pro- 
zent der israelischen Opfer Zivilisten waren - was, wie wir 
wissen, nicht der Fall ist -, bleibt es bei der Feststellung, daß 
auf palästinensischer Seite sehr viel mehr Zivilisten getötet 
wurden als auf israelischer Seite. 



Tötungsabsicht 

Dershowitz behauptet mehrfach, daß man den Tod eines Palä- 
stinensers nicht mit dem Tod eines Israelis vergleichen könne, 
da ein Israeli, der einen Palästinenser töte, ohne Vorsatz hand- 
le. Wenn ein Israeli einen Palästinenser töte, dann allenfalls 
»unbeabsichtigt« oder »versehentlich« (S.32, 197, 201, 208, 304, 
307). Dershowitz belegt seine Behauptung wie folgt: »Wenn 
[ein Israeli] versehentlich einen Zivilisten tötet, so fuhrt das zu 
interner Kritik, zu Untersuchungsausschüssen und manchmal 
sogar zur Bestrafung« (S. 208). Dershowitz weist auf einen Fall 
hin, bei dem ein israelischer Soldat dafür, daß er einen palästi- 
nensischen Jungen getötet hatte, für »49 Tage ins Gefängnis« 
mußte (S. 404 Anm. 21) - was in der Tat eindrucksvoll belegt, 
welchen Wert Israel dem Leben eines Palästinensers beimißt. 
Dershowitz hätte ebensogut den folgenden beispielhaften Fall 
nennen können: »Das Jerusalemer Bezirksgericht . . . verurteilte 
Nahum Korman, einen 37jährigen Israeli, zu sechs Monaten 
gemeinnütziger Arbeit, nachdem er ein elfjähriges palästinen- 

156 



Unreinheit der Waffen 

sisches Kind namens Hilmi Shawasheh getötet hatte. Zusätz- 
lich mußte er zur Strafe 70 000 Schekel [ca. 13 000 Euro] an die 
Familie des Opfers zahlen. Dieses Strafmaß steht im krassen 
Gegensatz zu der sechseinhalbjährigen Gefängnisstrafe, die 
Suad Hilmi Ghazal, einer aus dem nahe Nablus gelegenen Dorf 
Sebastia stammenden Palästinenserin, auferlegt wurde. Diese 
war jm Dezember 1998 - im Alter von 15 Jahren und zu einer 
Zeit, in der sie mit psychologischen Problemen zu kämpfen 
hatte - mit dem Messer auf einen israelischen Siedler losge- 
gangen und hatte diesen verletzt.« Dershowitz hätte auch den 
Fall eines israelischen Soldaten anführen können, der, nach- 
dem er »eine 95-jährige Palästinenserin gelötet hatte, ... eine 
Haftstrafe von 65 Tagen« erhielt. 5 Diese lächerlichen Urteile 
wurden lediglich in den - äußerst seltenen, jedoch meist von 
großem Medienrummel begleiteten - Fällen gesprochen, die 
überhaupt strafrechtlich verfolgt wurden. Unter der Überschrift 
»Al-Aqsa-Intifada: Erste Verurteilung eines Israelis, der den 
Tod eines Palästinensers verschuldet hat«, berichtet B'Tselem 
von dem folgenden Fall: »Am 3. Mai 2004 verurteilte ein Mili- 
tärgericht Hauptmann Zvi Kortzky zu zwei Monaten Gefäng- 
nis, vier Monaten Arbeitsdienst beim Militär und sechs Mona- 
ten auf Bewährung. Er war für schuldig befunden worden, 
Muhammad Zid, 16, erschossen zu haben ... Dies ist das erste 
Mal während der Al-Aqsa-Intifada, daß ein israelischer Soldat 
für die fahrlässige Tötung < eines Palästinensers verurteilt wur- 
de ... Die Verurteilung von Hauptmann Kortzky ist eine von 
nur drei Verurteilungen in Fällen, in denen Zivilisten getötet 
oder verwundet wurden ... In lediglich 72 Fällen, in denen Zi- 
vilisten getötet oder schwer verwundet wurden, hat [Israel] 
militärpolizeiliche Ermittlungen eingeleitet. Bei nur 13 dieser 
Fälle kam es zu einer Anklage, und in lediglich drei Fällen 
wurde der Angeklagte auch verurteilt. Kortzky hat einen Min- 
derjährigen getötet, der zu Hause saß und für die Soldaten kei- 
nerlei Gefahr darstellte; angesichts des milden Urteils drängt 

157 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

sich der Verdacht auf, daß das Leben eines Palästinensers wert- 
los ist.« 6 

Der Konsens der Menschenrechtsorganisationen, der in der 
folgenden Übersicht zum Ausdruck kommt, lautet, daß die is- 
raelischen Sicherheitskräfte in den besetzten Gebieten rück- 
sichtslos Gewalt angewandt haben und sich dabei nicht im ge- 
ringsten um den Verlust von Menschenleben scherten. B'Tse- 
lem ist zu der Schlußfolgerung gelangt: »Wenn so viele Zivili- 
sten getötet und verwundet werden, ist die Frage, ob Absicht 
dahintersteckt oder nicht, irrelevant; Israel hat es zu verantwor- 
ten.« 7 Hinzu kommt, wie Amnesty International feststellt, daß 
Israel die Möglichkeit hätte, die Gewaltanwendung erheblich 
zu reduzieren: »Daß die israelischen Sicherheitskräfte durchaus 
in der Lage sind, bei Einsätzen gegen gewalttätige Demonstran- 
ten ohne den Gebrauch von Schußwaffen auszukommen, haben 
sie bei Ausschreitungen jüdischer Gruppen bewiesen ... Bei 
Veranstaltungen jüdischer Gruppen ist noch nie auf Demon- 
stranten geschossen worden, auch nicht mit Gummigeschos- 
sen.« 8 Eine weitere Schlußfolgerung von Amnesty International 
soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben - sie betrifft die 
Verantwortung der Vereinigten Staaten für die fortwährenden 
Greueltaten: »Die überwiegende Mehrheit der Fälle, in denen 
Palästinenser in Israel oder in den besetzten Gebieten un- 
gesetzlichen Tötungen zum Opfer fielen oder verwundet wur- 
den, ist darauf zurückzuführen, daß die israelische Armee ein 
Übermaß an Gewalt angewandt hat. Zudem hat die israelische 
Armee übermäßige Härte demonstriert, als sie bei Raketenan- 
griffen US-Hubschrauber einsetzte, obwohl niemandes Leben 
unmittelbar bedroht war. Auch hat Israel Kampf hubschrauber 
eingesetzt, um außergerichtliche Hinrichtungen zu vollstrecken 
und Angriffe zu fliegen, die dazu führten, daß Zivilisten, dar- 
unter auch Kinder, getötet wurden. Viele seiner Kampfhub- 
schrauber und Ersatzteile bezieht Israel von den USA, Kanada 
und Großbritannien.« 9 
158 



Unreinheit der Waffen 



Die Anwendung tödlicher Gewalt durch Israel in den be- 
setzten palästinensischen Gebieten 

Human Rights Watch 

Quelle: Investigation into the Unlawful Use of Force in the West Bank, 
Gaza Strip and Northern Israel, New York 2000, S. 1. 

»[Human Rights Watch] hat beobachtet, daß die israelische 
Armee wiederholt nach einem ganz bestimmten Muster vorge- 
gangen ist: Bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheits- 
kräften und palästinensischen Demonstranten hat die Armee 
ein Übermaß an Gewalt angewandt, und zwar in Situationen, in 
denen die Demonstranten unbewaffnet waren und weder das 
Leben der Sicherheitskräfte (oder Unbeteiligter) gefährdeten 
noch irgend jemanden ernsthaft zu verletzen drohten. In den 
Fällen, in denen unsere Ermittlungen ergaben, daß palästinen- 
sische Sicherheitskräfte oder bewaffnete Demonstranten tat- 
sächlich von Schußwaffen Gebrauch gemacht hatten, hatte die 
israelische Armee tödliche Gewalt angewandt, die nicht gegen 
die eigentliche Bedrohung gerichtet, sondern willkürlich war. 
Auf diese Weise das Gesetz durchzusetzen ist völkerrechts- 
widrig.« 10 

Amnesty International 

Quelle: Excessive Use ofLethal Force, London 2000, S. 5-6. 

»Die meisten Menschen, die getötet wurden, hatten an De- 
monstrationen teilgenommen, bei denen abgesehen von Steinen 
keinerlei Waffen eingesetzt wurden . . . Unter den Verletzten 
und Getöteten gab es einen hohen Anteil an Kindern. (Die Kin- 
der nehmen üblicherweise an den Demonstrationen teil, bei de- 
nen sie dann oft mit Steinen werfen.) Auch Passanten, Kran- 
kenwagenpersonal und Leute, die zu Hause geblieben waren, 
wurden getötet. Manche Personen waren offenbar Opfer von 
Geschossen, die ihr eigentliches Ziel verfehlten, doch in zahlrei- 

159 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

chen Fällen . . . scheinen die Opfer gezielt unter Beschuß ge- 
nommen worden zu sein. Bei vielen Fällen, in denen Kinder 
getötet wurden, drohte weder akut tödliche Gefahr noch be- 
stand Grund zu der Annahme, daß die Situation eskalieren 
würde.« 11 

B'Tselem 

Quelle: Trigger Happy: Unjustified Shootingand Violation ofthe 
Open-Fire Regulations during the al-Aqsa Intifada, Jerusalem 2002, 
S.7, 11-13, 16,39-41. 

»Die Vorschriften [zum Gebrauch von Schußwaffen] erlauben 
es anscheinend, daß in Situationen geschossen wird, in denen 
keine konkrete und akut lebensgefährliche Bedrohung auszu- 
machen ist, ja selbst in Situationen, in denen überhaupt keine 
tödliche Gefahr besteht.« 12 

»Das Ermittlungsteam der Militärpolizei hat bei Verstößen 
gegen die Schußwaffenverordnungen fast gar keine Ermittlun- 
gen eingeleitet... In den Fällen, die militärpolizeilich untersucht 
wurden, waren die Ermittler weder aufrichtig noch ernsthaft 
um Wahrheitsfindung bemüht. . . In nur zwei Fällen wurde An- 
klage wegen unberechtigten Schußwaff engebrauchs erhoben, 
und in beiden Fällen war seit dem Vorfall bereits mehr als ein 
Jahr vergangen.« 13 

»Während der ersten Monate der Al-Aqsa-Intifada haben Palä- 
stinenser Hunderte von Demonstrationen organisiert . . . Bei den 
allermeisten dieser Demonstrationen wurden von palästinensi- 
scher Seite keinerlei Schüsse abgegeben. Die Soldaten haben auf 
diese Demonstrationen mit übertriebener, unangemessener 
Gewalt reagiert, weswegen viele Menschen, darunter auch 
Kinder, getötet wurden.« 

»[Die Vorschriften] ... erlauben es den Soldaten, automatisch 
auf jeden Palästinenser zu schießen, der sich im Gazastreifen in 
die Nähe sogenannter >Gefahrenzonen< begibt . . . Letztlich be- 
deutet es für jede Person, die sich - ob absichtlich oder aus 
160 



Unreinheit der Waffen 

Versehen - einer Siedlungsumzäunung, bestimmten Straßen 
oder dem Grenzzaun nähert, das Todesurteil . . . Ein solcher Be- 
fehl ignoriert im übrigen völlig, daß viele Palästinenser nur 
deshalb versuchen, heimlich über die israelische Grenze zu ge- 
langen, weil sie Arbeit suchen, und nicht, weil sie israelischen 
Soldaten oder Zivilisten etwas antun wollen.« 

Dershowitz versucht anhand einzelner Beispiele zu beweisen, 
daß Israel bei der Anwendung von Gewalt in den besetzten pa- 
lästinensischen Gebieten Milde walten läßt. Die folgenden Ab- 
schnitte »Keinerlei Hinweise«, »Möglichst wenige Tote« und 
»Unnötige Opfer vermeiden« machen deutlich, wieviel von 
Dershowitz' Argumenten zu halten ist. Die beiden anschließen- 
den, mit »Abtreibung nach Terroristenart« und »Teuflische 
Pläne« überschriebenen Abschnitte zeugen von Dershowitz' 
Phantasiereichtum: Hier versucht er zu beweisen, daß die Be- 
drohung, der sich Israel ausgesetzt sieht, so abgrundtief böse 
ist, daß der Armee bedauerlicherweise gar nichts anderes üb- 
rigbleibt, als tödliche Gewalt anzuwenden. 

Keinerlei Hinweise 

Um zu beweisen, daß Israelis Palästinenser nicht mit Absicht 
töten, merkt Dershowitz in Plädoyer für Israel (S. 205) mit Bezug 
auf die israelische Belagerung Jenins im April 2002 an: 

Es gibt keinerlei Hinweise darauf, daß israelische Soldaten 
dabei auch nur einen einzigen Zivilisten getötet haben. 

In einer umfangreichen Studie über die militärischen Operatio- 
nen in Jenin hat Human Rights Watch festgestellt, daß »viele 
der getöteten Zivilisten« von der israelischen Armee »vorsätz- 
lich und auf ungesetzliche Weise getötet wurden«. Ein Bei- 

161 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

spiel: »Am 10. April wurde Kamal Zgheir, ein 57jähriger, an 
den Rollstuhl gefesselter Mann, auf einer der Hauptstraßen au- 
ßerhalb des Flüchtlingslagers unter Beschuß genommen und 
von einem Panzer überrollt, und das, obwohl an seinem Roll- 
stuhl eine weiße Fahne angebracht war.« 14 Ebenso hat Amnesty 
International in einer umfangreichen Studie über die militäri- 
schen Operationen in Jenin und Nablus viele Fälle dokumen- 
tiert, »in denen die Umstände, unter denen diese Menschen ge- 
tötet oder verwundet wurden, die Vermutung nahelegen, daß 
sie nicht nur auf ungesetzliche Weise, sondern auch vorsätzlich 
angegriffen wurden«. Ein Beispiel: »Am 6. April 2002 wurde 
der 33jährige Jamal al-Sabbagh von israelischen Soldaten er- 
schossen, nachdem sie ihn in Gewahrsam genommen hatten«, 
und das, obwohl er laut einer Zeugenaussage »unbewaffnet ge- 
wesen war und für die Soldaten, die ihn festgenommen hatten, 
keinerlei Gefahr darstellte«. 15 

In Plädoyer für Israel (S. 235) behauptet Dershowitz außerdem, 
die Belagerung Jenins gelte »vielen als Vorbild für das Vor- 
gehen gegen Terroristen, die sich unter der städtischen Zivilbe- 
völkerung verstecken«. Human Rights Watch gelangte zu der 
folgenden Erkenntnis: »Während ihres Einmarschs in das 
Flüchtlingslager Jenin hat sich die israelische Armee schwer- 
wiegender Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht schul- 
dig gemacht; bei einigen dieser Verstöße handelt es sich prima 
facie um Kriegs verbrechen.« Amnesty International gelangte 
ebenfalls zu der Erkenntnis, daß »die israelische Armee bei ih- 
ren Aktionen gegen den internationalen Menschenrechtsschutz 
und das humanitäre Völkerrecht verstoßen hat; manche dieser 
Aktionen stellen Kriegsverbrechen dar«. 16 



162 



Unreinheit der Waffen 
Möglichst wenige Tote 

Um zu zeigen, wie umsichtig Israel agiert, wenn es darum geht, 
das Leben der Palästinenser zu schonen, merkt Dershowitz in 

Plädoyer für Israel (S. 208) an: 

So versucht Israel nach Möglichkeit, Gummigeschosse und 
andere nichttötende Waffen einzusetzen, und israelische Sol- 
daten versuchen auf die Beine zu zielen. 

Eine im November 2000 erschienene Studie der Ärzte-Organi- 
sation »Physicians for Human Rights« (PHR) hat ergeben, daß 
im Gazastreifen »fast allen Opfern in den Kopf geschossen 
worden war. Es gab einige Opfer, die in den Rücken getroffen 
beziehungsweise von hinten erschossen worden waren, und in 
einem Fall gab es Indizien, die darauf hindeuteten, daß das Op- 
fer am Boden lag, als es erschossen wurde ... In einigen dieser 
Fälle konnte PHR nachweisen, daß die israelische Armee im 
Vorfeld der Schüsse keiner unmittelbaren Gefahr ausgesetzt 
gewesen war.« PHR schrieb, daß »sich die durch Schnellfeuer- 
waffen verursachten Wunden in den Beinen - vor allem in den 
Oberschenkeln - als typisch erwiesen. Diese Wunden heilen 
nur sehr schwer ... Die meisten Opfer... werden bleibende 
Schäden davontragen . . . Viele der Opfer, denen solche Wunden 
zugefügt wurden, hatten allerhöchstens Steine geworfen.« PHR 
kam zu folgendem Schluß: »Angesichts der zahlreichen Kopf- 
und Augenverletzungen sowie des hohen Anteils von Ober- 
schenkelwunden und Kopfschüssen mit Todesfolge und 
schließlich der Tatsache, daß über einen Zeitraum von mehre- 
ren Wochen ähnliche Aktionen zu beobachten waren, lassen 
sich zwei beunruhigende Handlungsmuster erkennen: 1.) Israe- 
lische Soldaten schießen nicht nur in lebensbedrohlichen Situa- 
tionen; 2.) Israelische Soldaten zielen auf Kopf und Oberschen- 
kel, und sie tun dies in der Absicht, jemanden zu verletzen 

163 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

beziehungsweise zu töten, und nicht, weil sie sein Leben scho- 
nen und Verletzungen vermeiden wollen.« 17 In einer Studie 
vom März 2002 zitierte B'Tselem den Mann, der die für den 
Einsatz von Gummigeschossen notwendige Vorrichtung ent- 
wickelt hat, Generalmajor Mickey Levi. Gummigeschosse gehö- 
ren, wie er sagte, »nicht in die Kategorie >Nichttödlich<«. Die 
B'Tselem-Studie gibt auch Aussagen israelischer Soldaten wie- 
der, die belegen, daß »viele Soldaten ihre Gummigeschosse 
präparieren, um möglichst sicherzugehen, daß sie ihre tödliche 
Wirkung entfalten«. 18 Amnesty International schrieb in einer im 
Oktober 2002 veröffentlichten Studie, daß die israelische Armee 
Gummigeschosse »regelmäßig« gegen demonstrierende Kinder 
einsetzt und daß »der vorgeschriebene Mindestabstand bei wei- 
tem nicht eingehalten wird ... Das Verletzungsschema läßt er- 
kennen, daß die übliche Praxis der israelischen Armee nicht 
darin besteht, Demonstranten in die Beine zu schießen, denn 
die Mehrzahl von Verletzungen, die Kindern durch Gummige- 
schosse zugefügt wurden, betrafen Kopf und Oberkörper.« 
Amnesty gelangte zu der folgenden Schlußfolgerung: »Die ho- 
he Anzahl von Kindern, die während der letzten zwei Jahre in 
den gesamten besetzten Gebieten von der israelischen Armee 
getötet oder verletzt wurden, sowie die Tatsache, daß den mei- 
sten getöteten oder verletzten Kindern in den Kopf oder in den 
Oberkörper geschossen wurde, machen deutlich, daß die israe- 
lische Armee beständig gegen internationale Standards ver- 
stößt, die die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von 
Schußwaffen reglementieren.« 19 

Unnötige Opfer vermeiden 

Um zu beweisen, »daß Verhältnismäßigkeit und Vermeidung 
unnötiger Opfer unter der Zivilbevölkerung für Israel mehr als 
nur hohle Worte sind«, führt Dershowitz in Plädoyer für Israel 
(S. 238) als Beispiel den »israelischen Angriff auf Salah Sheha- 
164 



Unreinheit der Waffen 

deh, den Mitbegründer und Kommandeur des militärischen 
Flügels der Hamas« an, »einen Mann, der für Hunderte von 
Terror anschlagen verantwortlich war«. Dershowitz schreibt 
weiter: 

Die israelische Armee ließ [zuvor] mehrere Gelegenheiten für 
einen Angriff verstreichen, »weil er mit Frau und Kindern 
zusammen war. Jede dieser Gelegenheiten, in denen man 
sein Leben verschonte, bezahlte man mit weiteren Selbst- 
mordanschlägen gegen Israel.« Anders gesagt, Israel war be- 
reit, das Leben seiner eigenen Zivilbevölkerung aufs Spiel zu 
setzen, um das Leben palästinensischer Zivilisten zu scho- 
nen, selbst das der Frau eines gesuchten Terroristen wie She- 
hadeh. 

Das Binnenzitat stammt aus einem Artikel des Boston Globe, der 
wiederum einen israelischen Offizier zitiert, der mit dieser Aus- 
sage ein gutes Bild abzugeben suchte. Dershowitz vergißt zu 
erwähnen, wie der »israelische Angriff auf Salah Shehadeh« 
vonstatten ging. Der Autor des GZofce-Artikels hatte diese In- 
formation gleich im ersten Absatz untergebracht: »Ein F-16- 
Kampfjet der israelischen Luftwaffe warf eine tonnenschwere 
Bombe auf das Wohnhaus in Gaza-Stadt, in dem Salah Sheha- 
deh lebte.« Dabei wurden außer Shehadeh »noch 14 weitere 
palästinensische Zivilisten, darunter neun Kinder, getötet«. 20 
(Dutzende wurden verletzt; viele Häuser wurden zerstört.) Im 
Radiosender der israelischen Armee sagte Luftwaffenkomman- 
deur Generalmajor Dan Halutz zu diesem Anschlag: »Wir 
wußten, daß seine Frau bei ihm war, als wir den Angriff flo- 
gen.« 21 Amnesty International verurteilte den Anschlag auf 
Shehadeh als »unverhältnismäßig« und »vollkommen inak- 
zeptabel«. Obwohl sogar eine Untersuchung der israelischen 
Armee zu dem Schluß kam, daß die bei dem Anschlag einge- 
setzten Mittel »unangemessen« waren, gab Generalmajor Dan 

165 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Halutz den Piloten, die die tonnenschwere Bombe abgeworfen 
hatten, den folgenden Rat: »Jungs, schlaft gut heute Nacht. Ich 
schlafe übrigens auch immer gut.« Ministerpräsident Sharon 
lobte den Bombenangriff als »großen Erfolg«. 22 



Abtreibung nach Terroristenart 

In Plädoyer für Israel (S. 213) schreibt Dershowitz über Frauen, 
die Selbstmordanschläge verübten: 

Einige dieser Frauen wurden durch emotionelle und kultu- 
relle Erpressung dazu genötigt. So im Falle von Andalib Su- 
leiman, einer 21jährigen aus Bethlehem, die einer der Terro- 
risten ganz bewußt verführte, und als sie dann schwanger 
wurde, redete man ihr ein, es gebe nur eine Möglichkeit, der 
Schande zu entgehen, und das sei der Märtyrertod. Sie er- 
klärte sich daraufhin bereit, sich auf einem Jerusalemer 
Markt in die Luft zu sprengen, tötete dabei sechs Zivilisten, 
darunter auch zwei Arbeiter aus China. Ähnlich verhielt es 
sich mit Ayat Al-Ahras [sie], einer 18jährigen aus Dehaisi 
[sie], die sich in einem Supermarkt in die Luft sprengte und 
dabei zwei Zivilisten mit in den Tod nahm; auch sie hatte 
man ganz bewußt verführt und geschwängert. Diese [Ab- 
treibung nach Terroristenart]* ist ein besonders abscheuliches 
Beispiel dafür, neues Leben zu schaffen, um damit zu töten. 
Es gibt Beispiele dafür, daß man junge Frauen vergewaltigt 
hat, nur um Schande über sie und ihre Familie zu bringen, 
die angeblich einzig und allein durch den Märtyrertod zu til- 



* Änderung entsprechend dem amerikanischen Original (»method of 
terrorist abortion«; Alan M. Dershowitz, The Case for Israel, Hobo- 
ken/New Jersey 2003, S. 131). In der deutschen Ausgabe wurde die- 
se »Abtreibung nach Terroristenart« in Anführungszeichen gesetzt 
und als »Abtreibungsmethode« wiedergegeben; Anm. d. Ü. 

166 



Unreinheit der Waffen 

gen sei. In einem Fall hat die Familie von den Absichten 
der Tanzim*, ihre Tochter zu erpressen, erfahren und 
schmuggelte sie aus der Stadt. Sie lebt heute in einem Ver- 
steck. 

Worauf stützt sich Dershowitz, um zu belegen, daß die Palästi- 
nenser »Abtreibung nach Terroristenart« praktizieren? Allein 
auf einen »Bericht des israelischen Außenministeriums vom 12. 
Februar 2002«. 23 Dieser Bericht stützt sich wiederum auf einen 
vertraulichen »israelischen Militärgeheimdienstbericht«, der 
sich seinerseits auf »zuverlässige palästinensische Quellen« 
stützt. Um welche Quellen es sich im einzelnen handelt, erfah- 
ren wir nicht, und von unabhängiger Seite bestätigt werden sie 
auch nicht. 

In ihrem kürzlich erschienenen Buch Shahidas bietet Barbara 
Victor eine »Innenansicht der Welt palästinensischer Selbst- 
mordattentäterinnen«. Victor berichtet, daß »Hunderte« palä- 
stinensischer Frauen »darum bäten, Selbstmordattentate 
durchführen zu dürfen«, und daß »allein in Bethlehem ... 
zweihundert Mädchen bereit [sind], sich für Palästina zu op- 
fern«. Angesichts der Tatsache, daß sich so viele Palästinen- 
serinnen freiwillig für Selbstmordanschläge zur Verfügung 
stellen, fragt man sich, weshalb Terroristen auf die Idee verfal- 
len sollten, Frauen zu vergewaltigen. Der Entschluß einer palä- 
stinensischen Frau, ein Selbstmordattentat zu verüben, ist in 
Victors Augen »ein irregeleiteter und bedauernswerter Ver- 
such der Befreiung«. Männer, die Selbstmordattentäterinnen 
rekrutieren, handeln für Victor »verwerflich«. Die Autorin hat 
für ihr Buch ausgiebig Beamte des israelischen Staatsapparats 
sowie Militärangehörige und sogenannte Terrorismusexperten 
befragt. Sie kolportiert einige israelische Behauptungen, die 
längst diskreditiert sind, so etwa daß sich in den Flüchtlings- 



Tanzim: militante Fatah- Aktivisten; Anm. d. Ü. 

167 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

lagern Sabra und Shatila im September 1982 »zwischen zwei- 
und dreitausend Terroristen unter der Zivilbevölkerung ver- 
steckt« haben sollen. Victor ist auch der Ansicht, daß Yassir 
Arafat der »vielleicht unmoralischste« aller Führer gewesen sei. 
Doch obwohl sie allein Andalib Suleiman aus Bethlehem und 
Ayat al-Akhras aus dem Flüchtlingslager Dheisheh beinahe 30 
Seiten widmet und obwohl ihre Sympathien eindeutig bei Israel 
liegen, behauptet Victor an keiner Stelle, Suleiman, Al-Akhras 
oder irgendeine andere Palästinenserin habe sich in die Luft 
gesprengt, weil sie sexuell verführt oder vergewaltigt worden 
sei. 24 Der Jerusalem-Korrespondent der Zeitschrift Newsweek, 
Joshua Hammer, hat sich in seinem 2003 erschienenen Buch 
ebenfalls eingehend mit dem Al-Akhras-Fall beschäftigt. Wie er 
überzeugend darlegt, handelte Al-Akhras aus eigenem Ent- 
schluß. Niemand hatte sie rekrutiert. Vielmehr hatte sie von 
sich aus Kontakt zu dem Mann aufgenommen, der ihr helfen 
sollte, den Anschlag auszuführen. Daß Al-Akhras verführt 
wurde oder schwanger war, behauptet Hammer nicht. Er be- 
hauptet noch nicht einmal, daß sie durch romantische Gefühle 
oder eine sexuelle Beziehung zu ihrer Tat verleitet wurde. 25 

Teuflische Pläne 

In Plädoyer für Israel (S. 207) schreibt Dershowitz: 

Terroristen versuchen alles nur mögliche, um die Zahl der 
Toten zu maximieren; sie gehen, wie man hört, sogar so weit, 
die Nägel, die sie in ihren gegen Personen gerichteten Spreng- 
körpern verwenden, in Rattengift zu tauchen, um eine Gerin- 
nung des Blutes zu verhindern. Israelische Ärzte haben bereits 
die Sorge geäußert, am Tatort verspritztes Blut, ja selbst die 
Knochenteile einiger Selbstmordattentäter, mit denen das 
medizinische Personal in Kontakt kommt, könnte hepatitis- 

168 



Unreinheit der Waffen 

oder aidsinfiziert sein, was Anlaß zu der Befürchtung gibt, 
Terroristenführer könnten Selbstmordbomber in Träger biologi- 
scher Kampfstoffe umwandeln, indem sie sie [infizieren]* oder 
von vorneherein infizierte Menschen auswählen. Über den 
ersten dokumentierten Fall dieser Art berichtete im Juli 2002 
das Israel Medical Association Journal. [Hervorhebungen 
NGF] 

Weiter unten (S. 308) schreibt Dershowitz: 

[Es gibt] dennoch keine moralische Äquivalenz zwischen der 
Zündung [einer Splitterbombe voller in Rattengift getauchter 
Nägel, deren]** einziger Sinn und Zweck darin besteht, eine 
größtmögliche Zahl von Zivilisten zu töten, und dem geziel- 
ten Schlag gegen Terroristen, bei dem aller Wahrscheinlich- 
keit nach auch die eine oder andere unschuldige Zivilperson 
zu Schaden kommen kann. [Hervorhebung NGF] 

Auf welche Informationen stützt sich Dershowitz, um die Exi- 
stenz dieser teuflischen Pläne nachzuweisen? Er nennt drei 
Artikel (Medical Post, National Review online, The Straits Ti- 
mes) 26 , doch in diesen Artikeln geht es lediglich um folgendes: 
Nachdem sich herausgestellt hatte, daß ein Selbstmordat- 
tentäter offenbar mit Hepatitis B infiziert war, fragten sich is- 
raelische Ärzte, ob womöglich noch weitere Selbstmordatten- 
täter mit diesem Virus oder anderen ansteckenden Krankheits- 



Änderung entsprechend dem amerikanischen Original (»by injec- 
ting them«, The Casefor Israel, S. 127). In der deutschen Ausgabe 
heißt es: »indem sie sie impfen«; Anm. d. Ü. 

Änderung entsprechend dem amerikanischen Original (»an anti- 
personnel bomb made of nails soaked in rat poison«, The Case for 
Israel, S. 193). In der deutschen Ausgabe heißt es: »eines mit vergif- 
teten Nägeln gefüllten Sprengkörpers«; Anm. d. Ü. 

169 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

erregern infiziert sein könnten, ob also das Blut und die Kno- 
chen der Attentäter ein potentielles Gesundheitsrisiko für Israe- 
lis darstellten. Keine einzige der angegebenen Quellen erwähnt 
die Befürchtung, daß die Selbstmordattentäter vor ihrer Entsen- 
dung absichtlich infiziert würden. Die Berichte behaupten noch 
nicht einmal, daß die Selbstmordattentäter (oder deren Auf- 
traggeber) überhaupt etwas von ihrer ansteckenden Krankheit 
wußten. Keine einzige der angegebenen Quellen erwähnt mit 
Rattengift verseuchte Splitterbomben. Ein Journalist, der her- 
ausfinden wollte, ob an der Rattengiftgeschichte, die von den 
amerikanischen Medien immer wieder gern einmal aufgewärmt 
wird, irgend etwas dran ist, stellte fest, daß für diese Behaup- 
tung »keinerlei forensische Beweise« vorliegen. Sein Fazit: Das 
ist »so ein Fall, bei dem zynische Nachrichtenreporter zu sagen 
pflegen, die Geschichte sei doch >für eine Überprüfung viel zu 
schade <. Wir möchten so gern glauben, daß die Palästinenser 
dreckige Bomben mit Rattengift bauen, daß wir für diese Be- 
hauptung noch nicht einmal Belege verlangen.« 27 Selbst die 
rechtsgerichtete Jerusalem Post schrieb unter Berufung auf den 
Generaldirektor eines israelischen Krankenhauses, daß es »lä- 
cherlich ist, den Verdacht nahezulegen«, ein mit Hepatitis B 
infizierter Selbstmordattentäter sei »extra deswegen für den 
Anschlag ausgewählt worden, weil er dieses Virus in sich 
trug«: »Hepatitis B ist im Nahen Osten weitverbreitet und 
kommt gerade in sozioökonomisch schwachen Gruppen häufi- 
ger vor. Daß das Virus gefunden wurde, ist nicht weiter ver- 
wunderlich.« 28 Die bislang ausführlichste Studie über palä- 
stinensische Selbstmordattentäter stammt von Human Rights 
Watch. Die genannten Anschuldigungen werden darin mit kei- 
nem Wort erwähnt. Hingegen wurde Israel von Amnesty Inter- 
national aufgefordert, gegen israelische Siedler vorzugehen, die 
das Land palästinensischer Bauern mit »giftigen Chemikalien 
verseuchen«. 29 



170 



Unreinheit der Waffen 

Verantwortung 

Dershowitz behauptet: »Die Schuld für den Tod aller im israe- 
lisch-palästinensischen Konflikt getöteten Zivilisten liegt aus- 
schließlich bei den palästinensischen Terroristen. Schließlich 
haben sie absichtlich eine Situation geschaffen, in der Zivilisten 
ums Leben kommen.« 30 Die Abschnitte »Menschliche Schutz- 
schilde«, »Kindergärten in Gefahr«, »Selbst schuld« und »Ri- 
tualmordlegende« untersuchen, wie er diese Behauptung zu 
belegen sucht. Der Abschnitt »Kultur des Todes« befaßt sich 
etwas allgemeiner mit der Frage nach der Verantwortung für 
den gewaltsamen Tod von Kindern. Die Abschnitte »Gewalt- 
freiheit unterstützen« und »Unverbesserlicher Terrorist« zei- 
gen, wie es um Dershowitz' Unterstützung für diejenigen steht, 
die Terrorismus verurteilen. 

Menschliche Schutzschilde 

Um zu beweisen, daß die Palästinenser selbst schuld sind, wenn 
palästinensische Zivilisten ums Leben kommen, behauptet Ders- 
howitz in Plädoyer für Israel (S. 196), daß die Palästinenser 

Frauen (selbst Schwangere) und Kinder als menschliche 
Schilde ... mißbrauchen. 31 

Als menschliche Schutzschilde werden Zivilisten bezeichnet, 
die für einen Einsatz bei militärischen Operationen herange- 
zogen werden. Dershowitz gibt für die Behauptung, daß Palä- 
stinenser menschliche Schutzschilde benutzen, keine Quelle an. 
Menschenrechtsorganisationen haben zwar belegt, daß »es vor- 
kam, daß bewaffnete Palästinenser Zivilisten gefährdeten, da 
ihr Beschuß israelischer Stellungen in der jeweiligen Situation 
dazu führen mußte, daß die Zivilisten in die Schußlinie der 

171 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Soldaten gerieten, sobald diese das Feuer erwiderten« (Human 
Rights Watch); doch behauptet keine dieser Organisationen, 
bewaffnete Palästinenser hätten Zivilisten für lebensgefährliche 
Einsätze zwangsrekrutiert. Obwohl aber die Berichte der Men- 
schenrechtsorganisationen sehr ausführlich dokumentieren, 
daß Israel Palästinenser als menschliche Schutzschilde einsetzt, 
geht Dershowitz nicht explizit darauf ein. Vielmehr schreibt er 
in Plädoyer für Israel (S. 243f.): 

[Die israelische Armee hat] eine Taktik ausgearbeitet, die sie 
das »Nachbar- Verfahren« nennt: Zuerst verlangt man über 
Lautsprecher die Kapitulation. Wenn das zu nichts führt, 
schickt man einen palästinensischen Nachbarn mit der Auf- 
forderung an den Terroristen, sich zu ergeben, ins Haus ... 
Im Sommer 2002 führte das Verfahren zum erstenmal zum 
Tod eines Palästinensers ..., der von einem Terroristen er- 
schossen wurde, der ihn für einen israelischen Soldaten 
gehalten hatte . . . Infolge dieser Tragödie . . . klagten mehrere 
israelische Menschenrechtsorganisationen beim Obersten 
Gericht, um der Armee den weiteren Einsatz des »Nachbar- 
Verfahrens« zu untersagen ... Der Oberste Israelische Ge- 
richtshof verhandelte den Fall nicht nur, er verbot [der israe- 
lischen Armee] das Verfahren sogar. 

Menschenrechtsorganisationen stellen die Situation anders dar. 
In einem im April 2002 veröffentlichten Bericht schrieb Human 
Rights Watch, daß »die israelische Armee systematisch palästi- 
nensische Zivilisten« - darunter auch Minderjährige - »zwingt, 
sie bei militärischen Einsätzen zu unterstützen«. Zum Beispiel 
»werden Freunde, Nachbarn und Verwandte >gesuchter< Terro- 
risten bei vorgehaltener Waffe dazu gezwungen, an Türen zu 
klopfen, verdächtig aussehende Pakete zu öffnen und Häuser, 
in denen die israelische Armee bewaffnete Palästinenser ver- 
mutet, zu durchsuchen. Es ist auch mehrfach vorgekommen, 
172 



Unreinheit der Waffen 

daß eine Familie sich damit abfinden mußte, daß die israelische 
Armee ihr Haus mit Beschlag belegte und sämtlichen Familien- 
mitgliedern befahl, während der Kampfhandlungen im Haus 
zu bleiben.« 32 In einem im November 2002 veröffentlichten Be- 
richt schrieb B'Tselem, daß Palästinensern darüber hinaus auch 
befohlen wurde, »vor den Soldaten herzugehen, um diese vor 
Beschuß zu schützen. Dabei hielten ihnen die Soldaten ihre 
Gewehre in den Rücken und schössen gelegentlich über ihre 
Schultern hinweg.« Der Bericht hielt auch fest, daß »die betref- 
fenden Soldaten sich diese Praktiken nicht selbst ausgedacht 
haben; vielmehr ist der Einsatz menschlicher Schutzschilde ein 
fester Bestandteil der Befehle, die sie bekommen«. 33 

Im Mai 2002 riefen Menschenrechtsorganisationen Israels 
Oberstes Gericht an, um den Einsatz menschlicher Schutz- 
schilde zu verbieten. Der Staat willigte ein, Menschen fortan 
nicht mehr als »lebendige Schilde« zum Schutz gegen Gewehr- 
feuer und andere Angriffe einzusetzen, doch behielt er sich das 
Recht vor, Palästinensern zu befehlen, andere Palästinenser 
zum Verlassen ihrer Häuser zu bewegen - also das »Nachbar- 
Verfahren« beizubehalten. B'Tselem erschien diese Unter- 
scheidung »unbegreiflich«: »In all den genannten Beispielen 
gefährden Soldaten das Leben unschuldiger Zivilisten, um sich 
selbst zu schützen. Deshalb sind all diese Fälle gleichermaßen 
verboten.« Im August 2002 wurde ein Palästinenser getötet, als 
ihn die israelische Armee zwang, sich im Sinne des »Nachbar- 
Verfahrens« dem Haus eines Hamas-Aktivisten zu nähern. 
Daraufhin erließ das Oberste Gericht eine einstweilige Verfü- 
gung, der zufolge der Einsatz der menschlichen Schutzschilde 
und des »Nachbar- Verfahrens« zu unterlassen war. Um die Zu- 
stimmung des Obersten Gerichts für eine Wiederaufnahme die- 
ser Praxis zu erreichen, gab der Staat dem »Nachbar- Verfah- 
ren« im Dezember 2002, wie unschwer zu erkennen war, ledig- 
lich einen neuen Anstrich: Als Ersatz für das »Nachbar- 
Verfahren« sollte nun »Einsatzdirektive: Vorwarnung« geneh- 

173 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

migt werden. »Zwar war das Verfahren, oberflächlich betrach- 
tet, leicht verbessert worden, aber es blieb«, wie B'Tselem be- 
tonte, »illegal und unmoralisch.« Im Januar 2003 verbot das 
Oberste Gericht den Einsatz menschlicher Schutzschilde, er- 
laubte dem Staat aber, »das neue Verfahren einzuführen«. In 
Wirklichkeit wurden Palästinenser also nach wie vor gezwun- 
gen, die israelische Armee bei lebensgefährlichen Einsätzen zu 
schützen. 34 Im März 2004 meldete B'Tselem: »Israelische Armee 
setzt bei Festnahmen immer noch Zivilisten als menschliche 
Schutzschilde ein.« 35 

Kindergärten in Gefahr 

Um zu beweisen, daß die Palästinenser selbst schuld sind, 
wenn palästinensische Zivilisten ums Leben kommen, behaup- 
tet Dershowitz in Plädoyer für Israel (S. 196, 215, 271, 357f.), daß 
die Palästinenser 

Bomben neben Kindergärten basteln, 
ihre Bombenfabriken neben Kindergärten und Grund- 
schulen . . . legen, 

ihre Bomben ganz bewußt neben Schulen . . . bauen, 
ihre Bombenfabriken neben Kindergärten einrichten. 

Die einzige Quelle, die Dershowitz für diese wiederholte Be- 
hauptung angibt, lautet: »[Aussagen] von Slaim Haga, einem 
der Führer der Hamas, und Ahmed Moughrabi, einem Agenten 
der Tanzim, 27. Mai 2002« (S. 404, Anm. 33). Näheres ist aus der 
Quellenangabe nicht zu erfahren. Wenn man aber die rele- 
vanten Suchbegriffe bei Google eingibt, landet man auf der 
Website des israelischen Außenministeriums. 36 Die dort ins 
Netz gestellten Informationen gründen sich auf »geheimdienst- 
liche israelische Quellen«. Haga und Moughrabi haben angeb- 
lich »während eines Verhörs mit der ISA [einem israelischen 
174 



Unreinheit der Waffen 

Sicherheitsdienst] gestanden«. Schon möglich, aber man darf 
dabei nicht vergessen, wie israelische Geheimdienstler Palästi- 
nenser dazu bringen, Geständnisse abzulegen. Mehr dazu in 
Kapitel 6, wenn wir uns dem Thema Folter zuwenden. 

Selbst schuld 

Um zu beweisen, daß die Palästinenser selbst schuld sind, 
wenn ihre Kinder ums Leben kommen, schreibt Dershowitz in 

Plädoyer für Israel (S. 212, 214f.): 

Je konsequenter die palästinensische Führungsspitze das Ta- 
bu bricht, Kinder als Terroristen einzusetzen, desto mehr 
Kinder und Jugendliche werden in diesem Konflikt sterben. 
Dieses bewußte Verheizen von Kindern ist nichts weiter als 
eine extreme Form von Kindesmißhandlung, und die Ver- 
antwortung dafür liegt ganz und gar auf der Seite derer, die 
sich dieses Mißbrauchs schuldig machen, nicht etwa derer, 
die sich ganz legitim gegen Brandsätze und Selbstmordatten- 
täter wehren, die in diesem Fall »zufällig« Jugendliche und 
Kinder sind. 

Die Schuld ... liegt... bei denen, die sich entschlossen haben, 
ihre Kinder als Überbringer tödlicher Sprengladungen zu 
mißbrauchen ... Die einzige Methode, dem Töten von Kin- 
dern, Jugendlichen und Frauen durch israelische Soldaten 
bzw. Polizei Einhalt zu gebieten, besteht darin, die Palästi- 
nenser dazu zu bringen, ihre Kinder nicht weiter als Terrori- 
sten einzusetzen. 

Menschenrechtsorganisationen haben bewaffnete palästinensi- 
sche Gruppen dafür verurteilt, daß sie Kinder rekrutierten 
(»Abscheulichkeit«, »Kriegsverbrechen«). 37 Auch die palästi- 
nensische Zivilgesellschaft hat diese Praxis scharf kritisiert. 38 

175 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Keine Menschenrechtsorganisation spricht Israel jedoch ange- 
sichts dieses Unrechts von seiner Pflicht frei, palästinensische 
Kinder anständig zu behandeln. In einem im Jahr 2001 erschie- 
nenen Bericht schrieb Amnesty International: »Manche Kinder 
waren offenbar Opfer von Geschossen, die ihr eigentliches Ziel 
verfehlt hatten; andere ... scheinen gezielt unter Beschuß ge- 
nommen worden zu sein. In vielen Fällen, in denen Kinder ge- 
tötet wurden, drohte weder akut tödliche Gefahr noch bestand 
Grund zu der Annahme, daß die Situation eskalieren würde . . . 
Die israelischen Streitkräfte dürfen tödliche Angriffe auf Kin- 
der, die mit Steinen werfen, nicht als militärisches Ziel begrei- 
fen. Die Tatsache, daß die israelische Armee Kinder getötet und 
verwundet hat, zeigt, wie rücksichtslos die Soldaten vorgegan- 
gen sind und wie wenig sie darum bemüht waren, Leben zu 
schonen.« Weiter: »Bei allen Fällen von Kindestötungen, die 
Amnesty International untersucht hat, handelte es sich allem 
Anschein nach um ungesetzliche Tötungen.« Und schließlich: 
»Nach Berichten offizieller israelischer Sprecher verstecken 
sich bewaffnete Palästinenser oft hinter Kindern ... Amnesty 
International hat keinen einzigen Fall in Erfahrung bringen 
können, bei dem sich bewaffnete Palästinenser unter die De- 
monstranten gemischt oder hinter ihnen versteckt hätten, um 
dann aus dieser geschützten Stellung heraus auf Israelis zu 
schießen.« 39 In einem Bericht aus dem Jahr 2002 kam Amnesty 
International zu dem Ergebnis: »Die überwältigende Mehrheit 
der in den besetzten Gebieten getöteten palästinensischen Kin- 
der kam ums Leben, als Angehörige der israelischen Armee bei 
Demonstrationen (oder bei anderen Zwischenfällen, bei denen 
Steine geworfen wurden) mit übermäßiger und unverhältnis- 
mäßiger Gewalt vorgingen, und als die israelische Armee rück- 
sichtslos Wohngebiete beschoß, unter Artilleriefeuer nahm 
oder aus der Luft bombardierte.« »Die meisten dieser Kinder 
wurden in Situationen getötet, in denen es keinerlei Schuß- 
wechsel gab und in denen das Leben von Soldaten nicht in Ge- 
176 



Unreinheit der Waffen 

fahr war.« »Soweit wir wissen, hat kein Fall, bei dem ein palä- 
stinensisches Kind in den besetzten Gebieten von der israeli- 
schen Armee getötet wurde, eine gerichtliche Untersuchung 
nach sich gezogen.« 40 

In diesem Zusammenhang sei auch auf eine B'Tselem-Studie 
aus dem Jahr 2001 hingewiesen, die Fälle von Folter bei palästi- 
nensischen Minderjährigen untersucht hat: 

Um [die Kinder und Jugendlichen] festzunehmen, drangen 
israelische Sicherheitskräfte - zum Teil maskiert oder auch 
mit schwarz angemalten Gesichtern - mitten in der Nacht in 
ihre Häuser ein ... Auf der Polizeiwache angekommen, un- 
terzogen die Polizisten die Häftlinge einem Verhör unter 
schwerer Folter. Sie sollten dazu gebracht werden, die ihnen 
zur Last gelegten Verbrechen zu gestehen beziehungsweise 
Informationen über Dritte preiszugeben. Die Zeugenaussa- 
gen [der betroffenen Kinder und Jugendlichen] haben erge- 
ben, daß einige Verhörmethoden routinemäßig angewandt 
wurden: Die Häftlinge wurden zum Teil schwer verprügelt, 
mit kaltem Wasser Übergossen (die Vorfälle ereigneten sich 
im Winter), mit dem Kopf in eine Toilettenschüssel gestoßen, 
bedroht und beschimpft. 

Die Studie hob auch hervor, daß sich israelische Ärzte bei die- 
ser Folter palästinensischer Minderjähriger zu Komplizen 
machten: 

Die meisten Häftlinge wurden gleich nach ihrer Ankunft 
auf der ... Polizeiwache ... einem Arzt vorgeführt... Der 
Arzt nahm dann eine oberflächliche Untersuchung vor, die 
sich in manchen Fällen in einem flüchtigen Blick erschöpfte. 
Anschließend attestierte der Arzt den Häftlingen beste Ge- 
sundheit. Es kam vor, daß Häftlinge die ärztliche Untersu- 

177 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

chung in Handschellen oder mit verbundenen Augen über 
sich ergehen lassen mußten. Manche Häftlinge wurden, 
nachdem sie verhört und gefoltert worden waren, dem Arzt 
vorgeführt. Dieser behandelte sie und schickte sie dann zur 
weiteren Vernehmung zurück. 

B'Tselem kam zu dem Schluß, daß die in dem Bericht geschil- 
derten »schockierenden« Fälle gefolterter palästinensischer 
Minderjähriger »keine Einzelfälle darstellten und auch nicht auf 
ungewöhnliches Fehlverhalten bestimmter Polizeibeamter zu- 
rückzuführen waren; vielmehr handelte es sich um Folter- 
methoden, die auf der Polizeiwache fester Bestandteil des Ver- 
nehmungsablaufs waren und gegen Dutzende Häftlinge an- 
gewandt wurden. An der Durchführung dieser Methoden wa- 
ren viele Polizeibeamte beteiligt, und sie waren sich über das, 
was dort geschah, im klaren . . . Trotz wiederholter Versprechen 
und obwohl höhere Beamte die Gewalt der Polizisten ver- 
urteilten, hat es von seiten der Behörden keinen ernsthaften 
Versuch gegeben, der Sache auf den Grund zu gehen. Ebenso- 
wenig hat es Bemühungen gegeben, die gewalttätigen Polizei- 
beamten vor Gericht zu stellen.« 41 Dem von Human Rights 
Watch verfaßten Überblick über die im Jahr 2001 weltweit be- 
gangenen Menschenrechtsverletzungen war zu entnehmen, daß 
»laut Berichten mehr als 300 der seit Oktober 2000 verhafteten 
palästinensischen Minderjährigen ... mit eiskaltem Wasser 
übergössen, verprügelt und ihres Schlafs beraubt wurden und 
für die Dauer der Verhöre einen Sack über den Kopf gestülpt 
bekamen«. 42 



Ritualmordlegende 

Um zu beweisen, daß Israel aus reiner Bosheit kritisiert wird, 
schreibt Dershowitz in Plädoyer für Israel (S. 248): 

178 



Unreinheit der Waffen 

Ignoranz allein vermag die angebliche »Reportage« eines 
»Journalisten« wie Chris Hedges nicht zu erklären, der be- 
hauptete, persönlich beobachtet zu haben, wie israelische 
Soldaten »Kinder wie Mäuse in eine Falle gelockt und sich 
einen Spaß daraus gemacht haben, sie zu ermorden«. 

Dershowitz vergleicht diesen Vorwurf mit der Ritualmord- 
legende. 43 

Daß Hedges in einem wesentlichen Punkt recht hat, wurde 
von jemandem bestätigt, von dem man es nicht unbedingt er- 
wartet hätte. In einer Studie über den ungerechtfertigten 
Schuß waffengebrauch der israelischen Armee gibt B'Tselem 
die Aussage eines israelischen Soldaten wieder. B'Tselem 
schreibt: 

Die Soldaten fuhren mit ihren Jeeps in Gegenden hinein, in 
denen es öfters zu Reibereien kam. Ihr Ziel war es, die Palä- 
stinenser so zu provozieren, daß sie mit Steinen und Molo- 
towcocktails werfen würden. Wenn die Palästinenser dann 
näher herankamen, eröffneten Soldaten, die auf zuvor ver- 
einbarten Posten Stellung bezogen hatten, das Feuer. Das 
erklärte Ziel dieses Verfahrens bestand darin, die Demon- 
stranten zurückzudrängen. Doch in Wirklichkeit ging es, 
wie der Soldat sagte, um folgendes: »Man macht sich ir- 
gendwie einen Spaß daraus zu versuchen, so viele Molo- 
towcocktailwerfer wie möglich zu >entfernen< - viele sind 
ganz versessen drauf, die zu erwischen. Man nennt das den 
> Versuch, Kontakt herzustellen^ Was mir zu denken gibt, ist 
aber: Wenn die Jeeps da nicht aufgekreuzt wären, wäre es in 
der Gegend ganz friedlich zugegangen.« 44 

Dershowitz versucht gar nicht erst zu belegen, daß Hedges' Be- 
richt nicht der Wahrheit entspricht. 



179 



>Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 






Gideon Levy, »Daß wir Kinder töten, regt hier 
niemanden mehr auf«, Haaretz, 17. Oktober 2004* 




Während der ersten zwei Wochen der Operation »Tage der 
Buße« wurden im Gazastreifen mehr als 30 palästinensische 
Kinder getötet. Es ist kein Wunder, daß viele Leute angesichts 
so vieler getöteter Kinder von »Terror« sprechen. Die allge- 
meine Opferstatistik besagt, daß während der Intifada bisher 
dreimal mehr Palästinenser als Israelis getötet wurden. Wenn 
man nur die Kinder zählt, beträgt das Verhältnis 5 zu 1. laut 
der Menschenrechtsorganisation B'Tselem waren bereits vor 
der gegenwärtigen Operation im Gazastreifen 557 palästinen- 
sische Minderjährige (unter 18 Jahren) getötet worden; auf is- 
raelischer Seite waren es HO Minderjährige. 
Palästinensische Menschenrechtsorganisationen sind sogar zu 
noch höheren Zahlen gelangt: Die »Palestinian Human Rights 
Monitoring Group« spricht von 598 getöteten palästinensi- 
schen Kindern (bis zum Alter von 17 Jahren), der Rote Halb- 
mond von 828 toten Minderjährigen (bis 18 Jahre). Das Alter 
der Opfer verdient besondere Beachtung. Laut der B'Tselem- 
Statistik, die vor rund einem Monat auf den neuesten Stand 
gebracht wurde, waren 42 der getöteten Kinder zehn Jahre alt, 
20 von ihnen waren sieben Jahre alt und acht waren zwei Jahre 
alt, als sie ums Leben kamen. Die jüngsten Opfer waren 13 
Neugeborene, die noch am Kontrollpunkt starben, an dem sie 
auf die Welt kamen. 



Übersetzung nach der englischen Ausgabe von Haaretz (»Killing 
children is no longer a big deal«); der Artikel ist auch in dem Band 
Gideon Levy, Schrei, geliebtes Land: Leben und Tod unter israelischer 
Besatzung, Melzer. Neu-Isenburg 2005, enthalten; Anm. d. Ü. 



jm Band 
raelischer 





180 



Unreinheit der Waffen 



Angesichts solch schauerlicher Statistiken sollte man mei- 
nen, daß die Frage, wer hier der Terrorist ist. jedem Israeli 
seit langem schwer zu denken gibt. Doch weit gefehlt: Die 
Frage wird in der öffentlichen Diskussion gar nicht erst ge- 
stellt. Kinder töten? Das bringen nur die Palästinenser. Unse- 
re Soldaten verteidigen nur uns und sich selbst, also hör mir 
bloß auf mit Statistiken. 

Doch die unleugbare Tatsache, die es offen auszusprechen 
gilt, lautet: Das Blut von Hunderten palästinensischen Kin- 
dern klebt an unseren Händen. Keine gewundene Erklärung 
der Armeesprecher oder anderer Militärvertreter, die uns er- 
klären wollen, welche Gefahr die Kinder für die Soldaten 
darstellten, und keine fragwürdigen Ausflüchte der Public- 
Relations-Abteilung des Außenministeriums, die uns erklärt, 
daß die Palästinenser ihre Kinder in den Kampf schicken, 
wird an dieser Tatsache etwas ändern. Eine Armee, die so 
viele Kinder tötet, ist eine Armee, die keinerlei Zurückhal- 
tung kennt. Eine Armee, die sich von ihrem Moralkodex ver- 
abschiedet hat. 

Wie Parlamentsmitglied Ahmed Tibi (Hadash) in einer be- 
sonders emotionalen Rede vor der Knesset sagte, kann nie- 
mand mehr behaupten, daß all diese Kinder aus Versehen 
getötet wurden. Eine Armee irrt sich nicht tagtäglich, er- 
wischt nicht über 500 Mal die falsche Person. Nein, ein Ver- 
sehen ist das nicht. Es handelt sich vielmehr um das katastro- 
phale Ergebnis einer Politik, bei der es vor allem darum geht, 
den Finger schnell am Abzug zu haben und den Palästinen- 
sern ihre Menschenwürde abzusprechen. Auf alles zu schie- 
ßen, was sich bewegt - und seien es Kinder -, das gilt mitt- 
lerweile als selbstverständlich. Noch nicht einmal der kleine 
(und schnell wieder verhallte) Aufschrei, den es gab, als die » 
bestätigte Tötung« des 13jährigen Mädchens Iman Alhamas 
gemeldet wurde, führte zur Debatte über das eigentliche Pro- 



181 






>Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

blem.* Der Skandal hätte durch die Tötung selbst ausgelöst 
werden müssen, nicht nur durch das. was darauf folgte. 

Iman war nicht die einzige. Mohammed Aaraj aß gerade 
ein Stück Brot vor seinem Haus, dem letzten Haus vor dem 
Friedhof des Flüchtlingslagers Balata in Nablus, als ihn ein 
Soldat aus nicht allzu großer Entfernung erschoß. Er war 
sechs, als er starb. Kristen Saada war nach einem Verwand- 
tenbesuch zusammen mit ihren Eltern unterwegs nach Hau- 
se, als Soldaten ihr Auto mit Kugeln durchsiebten. Sie war 
zwölf, als sie starb. Die Brüder Jamil und Ahmed Abu Aziz 
waren am hellichten Tag mit ihren Fahrrädern unterwegs, 
um ein paar Süßigkeiten zu kaufen, als israelische Soldaten 
eine Panzergranate auf sie abfeuerten. Jamil war 13, als er 
starb, Ahmed sechs. 

Muatez Amudi und Subah Subah wurden von einem Sol- 
daten erschossen, der auf dem Dorfplatz von Burkin wild um 
sich schoß, nachdem Steine geflogen waren. Radir Moham- 
med aus dem Flüchtlingslager Khan Yunis saß in ihrem Klas- 
senzimmer, als sie von Soldaten erschossen wurde. Sie war 
zwölf, als sie starb. Sie alle wurden von Soldaten, die in un- 
serem Namen handeln, umgebracht, obwohl sie vollkommen 
unschuldig waren. 

Zumindest in einigen dieser Fälle war den Soldaten be- 
wußt, daß sie auf Kinder schössen, aber das war für sie kein 
Hindernis. Palästinensische Kinder finden nirgends Zuflucht: 
Egal, ob sie zu Hause bleiben, in der Schule sind oder auf die 
Straße gehen - überall lauert tödliche Gefahr. 

* Am 5. Oktober 2004 schoß ein Hauptmann der israelischen Ar- 
mee - um »die Tötung zu bestätigen« - dem bereits verwundet 
am Boden liegenden 13jährigen palästinensischen Schulmädchen 
Iman Alhamas aus kürzester Entfernung zwei Kugeln in den 
Kopf, fm Weggehen drehte er sich noch einmal um und durchlö- 
cherte Imans Körper mit mindestens 20 weiteren Kugeln, wobei 
er ihr sieben weitere Male in den Kopf schoß. - NGF 



182 



Unreinheit der Waffen 



Kein einziges der Hunderte von Kindern, die getötet wur- 
den, hat den Tod verdient. Da es kein Geheimnis ist, wer sie 
getötet hat, gibt man den Soldaten die folgende Botschaft mit 
auf den Weg: Wenn Kinder getötet werden, ist das erstens 
nicht so schlimm und zweitens nicht eure Schuld. 

Der lauernde Tod stellt für ein palästinensisches Kind na- 
türlich die akuteste, aber bei weitem nicht die einzige Gefahr 
dar, der es sich ausgesetzt sieht. Laut einer Statistik des palä- 
stinensischen Bildungsministeriums wurden im Laufe der 
Intifada 3409 Schulkinder verwundet. Einige von ihnen wer- 
den für den Rest ihres Lebens schwerbehindert sein. Zehn- 
tausende junge Palästinenser durchleben ein Trauma nach 
dem anderen, ihre Kindheit und Jugend besteht aus einer 
Aneinanderreihung schrecklicher Erlebnisse. Ihre Häuser 
werden zerstört; sie müssen mit ansehen, wie ihre Eltern ge- 
demütigt werden; mitten in der Nacht dringen Soldaten in 
ihr Zuhause ein; Panzer eröffnen das Feuer auf ihre Klassen- 
zimmer. Psychologisch betreut werden sie nicht. Hat schon 
einmal jemand von einem palästinensischen Kind gehört, das 
»unter Ängsten leidet«? 

Die Gleichgültigkeit der israelischen Öffentlichkeit ge- 
genüber diesem nicht enden wollenden und durch nichts ge- 
milderten Leid macht alle Israelis zu Komplizen eines Ver- 
brechens. Selbst Eltern, die wissen, wie es ist, Angst davor zu 
haben, daß dem eigenen Kind etwas zustoßen könnte, wen- 
den sich ab und wollen von den Ängsten auf der anderen 
Seite des Zauns nichts wissen. Wer hätte gedacht, daß israeli- 
sche Soldaten Hunderte von Kindern töten würden und daß 
die Mehrheit der Israelis es nicht für nötig befinden würde, 
dagegen aufzubegehren? Die Entmenschlichungskampagne 
hat nicht einmal vor den palästinensischen Kindern haltge- 
macht. Daß wir Hunderte von ihnen toten, regt hier nieman- 
den mehr auf. 

183 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 
Kultur des Todes 

Um zu beweisen, daß die Palästinenser für den Tod ihrer Kin- 
der selbst verantwortlich sind, schreibt Dershowitz in Plädoyer 
für Israel (S. 211): 

Die Philosophin Jean Bethke Elshtain von der University of 
Chicago vergleicht in ihrem Buch Just War against Terror is- 
lamische Terroristenführer, die behaupten, »die Jugend des 
Islam lieb[e] den Tod«, mit Nazigrößen, die während der 
letzten Tage des Kampfs um Berlin noch »5000 Kinder zwi- 
schen acht und 17 Jahren« in den so gut wie sicheren Tod 
schickten. 

Dershowitz signalisiert Zustimmung und zitiert die Autorin 
weiter mit den Worten: »Die Bereitschaft, seine Kinder zu op- 
fern, ist Zeichen einer Kultur des Todes« (S. 212). 

1. Kurz nach der »Reichskristallnacht« sagte der Führer der 
zionistischen Bewegung, David Ben-Gurion: »Wenn ich wüß- 
te, daß es durch Transporte nach England möglich wäre, alle 
[jüdischen] Kinder aus Deutschland zu retten, durch Trans- 
porte nach Palästina aber nur die Hälfte von ihnen gerettet 
werden könnte, würde ich mich für letzteres entscheiden - 
denn wir werden nicht nur von diesen Kindern zur Rechen- 
schaft gezogen, sondern müssen dem jüdischen Volk histori- 
sche Rechenschaft ablegen.« Und am Ende des Krieges, im 
Jahr 1945, sperrte sich die zionistische Führung mit Ben- 
Gurion dagegen, daß man Kinder, die den Holocaust über- 
lebt hatten und die nun bei schwacher Gesundheit in elenden 
Lagern für Displaced Persons ausharrten, in Europa ein neu- 
es Zuhause gab - man befürchtete, daß eine solche Umsied- 
lung »den Kampf für das Recht jüdischer Flüchtlinge, sich in 
Palästina niederzulassen, schwächen könnte«. 45 

184 



Unreinheit der Waffen 

2. Um international für ihre Sache zu werben und das Mitleid 
von Menschen in aller Welt zu erheischen, versuchte die zio- 
nistische Bewegung im Jahr 1947, allem britischen Wider- 
stand zum Trotz, die Exodus nach Palästina auslaufen zu las- 
sen. Das Schiff war völlig überladen. An Bord waren Holo- 
caust-Überlebende, die Hälfte von ihnen Kinder, vor allem 
Waisen. »Die Augenpaare all jener Kinder ... sind eng mit 
dieser Geschichte verwoben«; diese Waisenkinder »vermö- 
gen doch die wahre Geschichte der Exodus zu erzählen«, so 
der Biograph des Schiffskapitäns. 46 Leon Ulis verewigte diese 
Geschichte später in seinem Bestseller Exodus, der für die 
amerikanischen Zionisten zu einem kanonischen Text wer- 
den sollte. 47 Welche kulturellen Werte feierte Uris - und mit 
ihm das amerikanische Judentum - in diesem halb-fiktionali- 
sierten Bericht? Uris erzählt, wie jüdische Waisen auf ein 
Schiff gebracht wurden, das aussah, »als würde es im näch- 
sten Augenblick auseinanderfallen«. Der Maschinenraum 
war mit Dynamit gefüllt, und die Zionisten warnten die Bri- 
ten, bloß nicht auf das Schiff zu schießen - sonst »sprengen 
wir uns in die Luft!« Die Briten fragten sich: »Wenn die Ab- 
sichten der Zionisten wirklich so lauter sind, weshalb ge- 
fährden sie dann das Leben von dreihundert unschuldigen 
Kindern?« Uris läßt seinen zionistischen Helden, Ari ben Ka- 
naan, darauf wie folgt antworten: »Ich nehme mit Staunen 
zur Kenntnis, daß Whitehall Krokodilstränen darüber ver- 
gießt, daß wir das Leben von Kindern aufs Spiel setzen ... 
Wenn Whitehall wirklich so besorgt um das Wohl dieser 
Kinder ist, dann fordere ich die Engländer auf, den Presse- 
vertretern die Erlaubnis zu geben, das Lager bei Caraolos 
[wo die jüdischen Flüchtlinge untergebracht waren] in Au- 
genschein zu nehmen. Es ist nicht mehr und nicht weniger 
als ein Konzentrationslager: Stacheldraht, Wachttürme mit 
Maschinengewehren, unzureichende Ernährung, zu wenig 
Wasser, ungenügende sanitäre Einrichtungen.« (Wie im Ga- 

185 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

zastreifen?) Als nächstes verordnet Ari ben Kanaan den Wai- 
senkindern an Bord der Exodus einen Hungerstreik: »Jeden, 
der ohnmächtig wird, werden wir oben an Deck hinlegen, 
damit ihn die Engländer sich ansehen können . . . Meinen Sie, 
es macht mir Spaß, eine Horde von Waisenknaben verhun- 
gern zu lassen? Geben Sie mir irgendeine andere Waffe! Ge- 
ben Sie mir etwas, womit ich auf diese [Panzer] und die Zer- 
störer schießen kann!« (Auch diese Klage kommt einem selt- 
sam bekannt vor.) Nachdem Uns die Szenen mit den ster- 
benden Kindern geschildert hat, läßt er Ari ben Kanaan be- 
kanntgeben, welche Prüfung den Waisenkindern nun noch 
bevorsteht: Er verlangt, daß »täglich zehn Freiwillige auf der 
Brücke des Schiffes in aller Öffentlichkeit und vor den Augen 
der Engländer Selbstmord begehen«. 48 
3. Jüdische Familien, die in den besetzten Gebieten siedeln, ha- 
ben sich aus zionistischer Überzeugung und aus eigenem 
Antrieb in einem Kriegsgebiet niedergelassen. Die israelische 
Regierung bemüht sich intensiv darum, jüdische Familien 
zum Umzug in dieses Krisengebiet zu bewegen, und zwar 
ausdrücklich vor dem Hintergrund, daß dadurch der zioni- 
stische Besitzanspruch auf dieses Land bekräftigt würde. Um 
ihre politischen Ziele in die Tat umzusetzen, bringen die jü- 
dischen Siedler und die jüdische Regierung wissentlich und 
absichtlich das Leben Hunderttausender jüdischer Kinder in 
Gefahr. 

»Die Bereitschaft, seine Kinder zu opfern, ist Zeichen einer Kul- 
tur des Todes.« 



Gewaltfreiheit unterstützen 

Im Jahr 2002 klagte Alan Dershowitz darüber, daß die Palästi- 
nenser »nie zivilen Ungehorsam oder andere gewaltfreie Mittel 

186 



Unreinheit der Waffen 

angewandt« hätten, und er vermutete, daß »die Palästinenser 
früher zu ihrem eigenen Staat gekommen wären, ... wenn sie 
sich statt dessen der Taktik des gewaltfreien zivilen Ungehor- 
sams verschrieben hätten«. 49 In Plädoyer für Israel (S. 274f.) läßt 
sich an Dershowitz' Beschreibung der von Palästinensern gelei- 
teten, im Jahr 2001 gegründeten Organisation »International 
Solidarity Movement« (ISM) 50 ablesen, inwieweit er gewaltfreie 
Taktik unterstützt. Für ihn ist ISM 

eine radikale propalästinensische Gruppe von Eiferern die 
ausschließlich den Terror der Palästinenser . . . unterstützt . . . 
Sie dienen als menschliche Schilde, arbeiten eng mit palästi- 
nensischen Terroristengruppen zusammen ... Wofür auch 
immer sie stehen mögen, der Friede jedenfalls ist es nicht. 
Ganz im Gegenteil, diese Eiferer befürworten den Sieg des 
palästinensischen Terrors über die israelische Selbstverteidi- 
gung ... Die Medien sollten aufhören, solche Leute als Frie- 
densaktivisten zu bezeichnen, und sagen, was sie wirklich 
sind: aktive Sympathisanten und Förderer des palästinensi- 
schen Terrorismus. 

Israels einflußreichste Tageszeitung, Haaretz, beschreibt die- 
selbe Organisation mit folgenden Worten: 

ISM ist eine internationale pazifistische Organisation, die 
ihre Inspiration aus einem Zitat von Albert Einstein bezieht: 
»Die Welt ist viel zu gefährlich, um darin zu leben - nicht 
wegen der Menschen, die Böses tun, sondern wegen der 
Menschen, die daneben stehen und sie gewähren lassen.« 
Seit Beginn der Intifada haben Hunderte Ausländer, in der 
Mehrzahl Studenten, an einer intensiven Schulung zu ge- 
waltfreier Theorie und Praxis teilgenommen. Nach dem 
Kurs werden die Freiwilligen in palästinensischen Dörfern 
und Städten untergebracht, damit sie von den Ereignissen 

187 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

dort berichten, so zum Beispiel von Vorkommnissen an 
Kontrollpunkten, von Auswirkungen der Ausgangssperre 
in einem bestimmten Dorf und von Häuserzerstörungen. 
Die Freiwilligen sind auch im Einsatz, wenn es darum geht, 
in belagerten Gebieten humanitäre Hilfe zu leisten oder 
kranke Palästinenser auf ihrem Weg zum Krankenhaus zu 
begleiten. 

Ein anderer Haaretz-Artikel, der aus erster Hand schildert, wie 
eine ISM-Schulung abläuft, beschreibt ISM als »einen Zusam- 
menschluß von Organisationen und Einzelpersonen, die die 
gewaltfreie direkte Aktion als Mittel einsetzen, um die israeli- 
sche Besatzung der palästinensischen Gebiete zu beenden, und 
die den Palästinensern dabei helfen, ihren Alltag zu bewälti- 
gen«. Der Artikel weist ferner darauf hin, daß sich jeder ISM- 
Freiwillige schriftlich »zu Gewaltfreiheit in Wort und Tat« be- 
kennen muß; während der Schulung werde ausdrücklich be- 
tont, daß »die tätliche wie verbale Gewalt ... bei allen ISM- 
Aktionen absolut verboten ist«. Dershowitz zitiert zwar aus 
diesem Artikel, übersieht diese Bemerkungen aber geflissent- 
lich (S. 274; S. 408, Anm. 2 zu Kap. 24). 51 Dershowitz zieht es 
vor, frei erfundene Anschuldigungen aus rechtsgerichteten is- 
raelischen Medien zu kolportieren, in denen zu lesen gewesen 
war, ISM werde von palästinensischen Terroristen finanziert 
und gewähre diesen auch Unterschlupf. Laut ISM sind etwa 20 
Prozent derer, die für die Organisation als freiwillige Helfer 
tätig werden, Juden. 52 

Rachel Corrie, eine 23jährige Amerikanerin aus Olympia im 
Bundesstaat Washington, die sich als Freiwillige bei ISM ver- 
pflichtet hatte, wurde getötet, als sie ein palästinensisches 
Wohnhaus vor der Zerstörung durch israelische Bulldozer zu 
bewahren suchte. Laut Dershowitz' Schilderung »warf« sie sich 
»vor einen der Bulldozer« (S. 274). Mehrere Leute haben per- 
sönlich mit angesehen, wie Corrie zu Tode kam, so auch Tom 
188 



Unreinheit der Waffen 

Dale, ein ISM-Freiwilliger, der derzeit an der Universität Ox- 
ford eingeschrieben ist. Hier sein Bericht: 

Es ist jetzt zwei Tage her. Ich war nur zehn Meter entfernt. 
Ich will erzählen, wie es passierte: 

Wir hatten die zwei Bulldozer schon seit ungefähr zwei 
Stunden beobachtet und gelegentlich bei ihrer Arbeit be- 
hindert, als einer der beiden in Richtung eines Hauses ab- 
drehte, das, wie wir wußten, von der Zerstörung durch die 
Armee bedroht war. Rachel ging hin und versperrte dem 
Bulldozer den Weg, indem sie sich hinkniete. Sie befand sich 
10 bis 20 Meter vor dem Bulldozer. Sie war deutlich zu se- 
hen. Im Umfeld von mehreren Metern gab es außer ihr nichts 
und niemanden, und die Leute im Bulldozer hatten sie direkt 
in ihrem Blickfeld. Sie standen auch in Funkkontakt zu einer 
Panzerbesatzung, die das Geschehen aus der seitlichen Per- 
spektive verfolgte. Es ist völlig ausgeschlossen, daß die Leute 
im Bulldozer Rachel von ihrem erhöhten Sitz aus nicht gese- 
hen haben. Sie wußten, daß sie da war, da gibt es gar keinen 
Zweifel. Der Bulldozer fuhr langsam auf Rachel zu und 
schaufelte dabei gleichzeitig Erde auf. Rachel rührte sich 
nicht vom Fleck. Sie blieb auf ihren Knien. Als der Bulldozer 
sie erreichte, begann sie sich aufzurichten, und dabei stieg sie 
auf die aufgehäufte Erde. Sie schien ins Führerhaus zu 
schauen. Der Bulldozer schob Rachel immer weiter, bis sie 
schließlich auf dem Haufen Erde ausrutschte. Dabei drehte 
sie sich um. Ihr Gesicht verriet, daß sie panische Angst hatte. 
Wir erkannten, daß die Gefahr bestand, daß der Bulldozer 
Rachel unter sich begraben würde. 

Alle Aktivisten schrieen, der Bulldozer solle anhalten. Wir 
gestikulierten, um die Leute im Bulldozer auf Rachels Lage 
aufmerksam zu machen. Wir waren genauso deutlich zu se- 
hen, wie Rachel es vorher gewesen war, doch sie machten 
weiter. Sie schoben Rachel erst unter die Schaufel, dann un- 

189 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ter den Schild, und dann immer weiter, bis ihr Körper un- 
term Führerhaus lag. Für ein paar Sekunden ließen sie den 
Bulldozer über ihr stillstehen, dann setzten sie zurück. Beim 
Zurücksetzen ließen sie den Schild am Boden, so daß er noch 
ein weiteres Mal über ihren Körper schleifte. Ich habe die 
ganze Zeit gedacht, sie müssen doch endlich aufhören, aber 
das taten sie nicht. 53 

Dershowitz hatte bei seiner Schilderung des Geschehens offen- 
bar noch die ursprüngliche Version der Armee im Kopf, nach 
der Corrie vor den Bulldozer gerannt war. Die israelische Ar- 
mee hat ihre Version der Geschichte allerdings mehrfach ge- 
ändert. So behauptete die Armee zum Beispiel einmal, »Corrie 
wurde nicht von einem Baumaschinenfahrzeug überfahren, 
sondern vielmehr von einem harten Gegenstand getroffen, aller 
Wahrscheinlichkeit nach von einem Stück Beton«. 54 Wie schon 
zu Stalins Zeit wird es Apparatschiks nicht eben leicht gemacht, 
in bezug auf die Parteilinie immer auf dem neuesten Stand zu 
sein. 

Unverbesserlicher Terrorist 

Kurz nachdem Professor Edward Said im September 2003 an 
Krebs gestorben war, druckte eine Zeitschrift des Amerika- 
nisch-Jüdischen Kongresses einen Nachruf aus Dershowitz' Fe- 
der. Titel: »Edward Said: der palästinensische Meir Kaha- 
ne«.* Unter anderem behauptete Dershowitz darin, daß Said 



Edward Said, der an der Columbia University (New York) Engli- 
sche und Vergleichende Literaturwissenschaft lehrte und mit sei- 
nem Werk Orientalism (1978) Furore machte, rief im Goethejahr 
1999 gemeinsam mit Daniel Barenboim den arabisch-israelischen 
Musikworkshop »Westöstlicher Diwan« ins Leben. Für ihr Engage- 
ment erhielten die beiden 2002 den Prinz-von-Asturien-Preis für 
190 



Unreinheit der Waffen 

dem Terror das Wort geredet und ihn obendrein auch noch 
selbst praktiziert habe: 

Said predigte nicht nur Gewalt und Blutvergießen, er wurde 
auch selbst gewalttätig. Einmal warf er gemeinsam mit sei- 
nem Sohn an der libanesischen Grenze mit Steinen nach Is- 
raelis ... Er weigerte sich, sehr viel tödlichere Gewaltakte ge- 
gen unschuldige israelische Zivilisten zu verurteilen . . . 
Said weigerte sich, den Terrorismus zu verurteilen, und be- 
kundete auch symbolisch seine Unterstützung für Terro- 
risten. 55 

Während er es feierte, daß Israel nach mehr als zwei Jahrzehn- 
ten brutaler Besatzung aus dem Libanon abziehen mußte, warf 
Said einen Stein in Richtung israelisch-libanesischer Grenze. 
War Said, über diese furchterregende Tat hinaus, ein Freund 
des Terrorismus? In seinem Buch The Politics of Dispossession 
schrieb Said rückblickend: »In den späten 70er Jahren habe ich 
Parolen, die in Beirut groß in Mode waren - etwa die vom be- 
waffneten Kampf< -, scharf kritisiert; und als 1980 mein Buch 
The Question of Palestine erschien, wurde ich sowohl von der 
Fatah als auch von der Volksfront heftig dafür angegriffen, daß 
ich mich erstens für die Anerkennung Israels und zweitens für 
eine Zwei-Staaten-Lösung einsetzte. Die Idee der Zwei-Staaten- 
Lösung habe ich selbst mitentwickelt. Ich habe terroristisches 
Abenteurertum und unmoralische Gewalt schon immer un- 
mißverständlich verurteilt. Aber natürlich habe ich die israe- 
lische Seite auch nicht gerade mit Kritik verschont.« 56 In seinen 
Schriften und auch bei seinen öffentlichen Äußerungen hat Said 

Völkerverständigung. Der extremistische New Yorker Rabbi Meir 
Kahane gründete, nachdem er 1972 nach Israel ausgewandert war, 
die rassistische Partei und Terrororganisation Kach. Er wurde 1990 
ermordet; Anm. d. Ü. 

191 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Terroranschläge gegen israelische Zivilisten ausdrücklich als 
»moralisch inakzeptabel« 57 verurteilt und betont: »Ich bin ge- 
gen Terror - das ist die reine Willkür, schrecklich.« 58 



Medizinische Versorgung 

Dershowitz schreibt, daß die Palästinenser in nicht geringem 
Maß selbst dafür verantwortlich sind, wenn ihre Leute sterben, 
weil die medizinische Versorgung so schlecht ist. In Plädoyer für 
Israel (S. 203) berichtet er: 

Die Palästinensische Autonomiebehörde hat beschlossen, 
verwundete Palästinenser nicht weiter in israelische Kran- 
kenhäuser zu bringen ... Israels Gesundheitsminister »hat 
mehrmals angeboten, alle Palästinenser, die bei der zweiten 
Intifada verwundet werden, in israelischen Krankenhäusern 
und auf Israels Kosten zu behandeln«. Der Minister wies 
darauf hin, daß »palästinensische medizinische Einrichtun- 
gen viele der auftretenden Verletzungen nicht adäquat zu 
behandeln vermögen«. Die Palästinenser wiesen das Ange- 
bot zurück, laut israelischem Gesundheitsministerium, »weil 
sie es vorziehen, daß wir die genaue Zahl ihrer Verwundeten 
nicht erfahren«. Wie immer die tatsächlichen Gründe ausse- 
hen mögen, Tatsache ist, daß bedeutend weniger Palästinen- 
ser ihren Verletzungen erlegen wären, wären ihre Führer 
willens gewesen, sie der erstklassigen medizinischen Versor- 
gung einer israelischen Notaufnahme zu überlassen, anstatt 
den nicht selten inkompetenten Ärzten und mangelhaften 
Krankenhäusern der Palästinenser. 

Die einzige Quelle, die Dershowitz für diese kühnen Behaup- 
tungen nennt, ist eine unbestätigte Angabe des israelischen Ge- 

192 



Unreinheit der Waffen 

sundheitsministers gegenüber der Jerusalem Post. 59 Ich habe bei 
der palästinensischen Autonomiebehörde, bei palästinensi- 
schen und israelischen Menschenrechtsorganisationen und bei 
im Gesundheitsbereich tätigen palästinensischen und israeli- 
schen Nichtregierungsorganisationen nachgeforscht: Niemand 
wußte etwas von einer Entscheidung der palästinensischen 
Autonomiebehörde, keine Verwundeten mehr nach Israel zu 
schicken. Auch von einem israelischen Angebot, all diese pa- 
lästinensischen Patienten kostenlos zu behandeln, hatte nie- 
mand erfahren. Vielmehr war den verschiedenen Rückmel- 
dungen zu entnehmen, daß die Autonomiebehörde sehr wohl 
einzelne Patienten zur Behandlung in israelische Krankenhäu- 
ser schickt. Der Hauptgrund dafür, daß nicht noch mehr 
Kranke dorthin geschickt würden, liege in den überaus hohen 
Kosten, denn Israel verlange fast immer die Übernahme der 
Behandlungskosten (oder ziehe die entsprechende Summe von 
Beträgen ab, die Israel an die Autonomiebehörde zu überwei- 
sen habe). 60 

Das umfangreiche Material, das Menschenrechtsorganisatio- 
nen zusammengetragen und analysiert haben, um aufzuzeigen, 
welche Auswirkungen die israelische Politik auf die Gesund- 
heitsversorgung in den besetzten Gebieten hat, läßt Dershowitz 
dagegen links liegen. Nehmen wir nur einmal seine abfällige 
Bemerkung über die »inkompetenten Ärzte ... der Palästinen- 
ser«. In einer detaillierten Studie schrieb die Ärzte-Organisation 
»Physicians for Human Rights - Israel« (PHR-Israel), daß Isra- 
el seit der Besetzung der palästinensischen Gebiete im Jahr 
1967 »keinerlei Konzept entwickelt hat, um im Gesund- 
heitsbereich die Ausbildung eines zukünftigen Kaders palästi- 
nensischer Fachkräfte zu gewährleisten; vielmehr beschränkte 
sich Israel darauf, Schnellkurse anzubieten und zum Teil sehr 
spezielles Wissen zu vermitteln. In manchen Fällen waren 
Fachkräfte, die im Ausland an Fortbildungskursen teilnahmen, 
gezwungen, die Lehrgänge abzubrechen und in die Region zu- 

193 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

rückzukehren, weil Israel drohte, ihnen andernfalls den Status 
als Einwohner [der besetzten Gebiete] abzuerkennen. Andere 
hatten gar nicht erst die Möglichkeit, sich im Ausland beruflich 
fortzubilden, weil die israelischen Sicherheitskräfte ihnen die 
Ausreise aus den besetzten Gebieten verweigerten.« Im Gaza- 
streifen sollten sich die Hindernisse als besonders schwierig 
erweisen, denn hier verstand es Israel mit Hilfe willkürlicher 
Bestimmungen »zu verhindern, daß Palästinenser das Medizin- 
studium aufnahmen«. PHR-Israel kam zu dem Schluß, daß es 
schon »ein beachtliches Maß an Zynismus erfordert«, den Palä- 
stinensern vorzuwerfen, daß es um die Ausbildung medizini- 
scher Fachkräfte in den besetzten Gebieten nicht zum besten 
steht. 61 

Es ist zwar ȟber den gesamten Zeitraum der israelischen 
Besatzung hinweg zu beobachten, daß das palästinensische Ge- 
sundheitswesen stark eingeschränkt wurde und daß Israel ver- 
sucht hat, die palästinensischen Bemühungen um eine unab- 
hängige Gesundheitspolitik zu torpedieren« 62 , doch im Laufe 
der zweiten Intifada hat sich die Situation dramatisch ver- 
schlechtert. Bisheriger Höhepunkt dieses massiven Angriffs auf 
die palästinensische Gesundheitsversorgung war die »Ope- 
ration Schutzschild« (März/ April 2002), als Israel »ein noch 
nicht dagewesenes Maß an Geringschätzung menschlichen Le- 
bens an den Tag legte und noch gravierender als schon zuvor 
gegen die medizinische Neutralität verstieß, ... was den bei- 
nahe vollständigen Kollaps der medizinischen Versorgung [in 
den besetzten Gebieten] zur Folge hatte«. Das Ärzte-Establish- 
ment in Israel reagierte auf diesen medizinischen Notstand in 
den palästinensischen Gebieten »bestenfalls mit Stillschweigen, 
schlimmstenfalls mit Kollaboration«. 63 Die Beispiele in der fol- 
genden Übersicht verdeutlichen die Auswirkungen der israeli- 
schen Politik auf die palästinensische Gesundheitsversorgung 
während der zweiten Intifada. Der Abschnitt »Terror- 
krankenwagen« veranschaulicht, wie Dershowitz zu beweisen 
194 



Unreinheit der Waffen 

sucht, daß sich Israel allen palästinensischen Provokationen 
zum Trotz aufrichtig um eine funktionierende Gesundheitsver- 
sorgung in den besetzten Gebieten bemüht. 

Die Gesundheitsversorgung in den besetzten Gebieten 
(1) Angriffe auf Krankenwagen 

Physicians for Human Rights 

Quelle: Evaluation ofthe Use of Force in Israel, Gaza and the West 
Bank, November 2000, S. 14. 

»Zwischen dem 1. und 23. Oktober 2000 hat die israelische 
Armee, wie PHR-Israel berichtete, 17 palästinensische Kran- 
kenwagen > vollkommen zerstört <. Ferner berichtete PHR- 
Israel, daß allein zwischen dem 19. und dem 23. Oktober wei- 
tere 26 Krankenwagen durch Schüsse beschädigt wurden.« 64 

Physicians for Human Rights - Israel 

Quelle: Mediane under Attack: Critical Damage Inflicted on Medical 
Services in the Occupied Territories, April 2002, o. S. 

»Am 4. März 2002 machte sich ein Krankenwagen des Roten 
Halbmonds mit einem Arzt und drei Mitarbeitern auf den Weg 
ins Flüchtlingslager Jenin, um Verletzte zu evakuieren. Die 
Fahrt des Krankenwagens war zuvor mit dem Roten Kreuz und 
der israelischen Zivilverwaltung abgestimmt worden. Trotz der 
Koordination eröffneten die Sicherheitskräfte das Feuer auf den 
Krankenwagen. Er explodierte. Dr. Khalil Suleiman konnte 
sich nicht aus dem brennenden Wagen befreien und kam in 
den Flammen um. Die anderen Insassen schafften es, aus dem 
Fahrzeug zu springen, und retteten so ihr Leben. Alle drei er- 
litten schwere Verbrennungen ... Ein paar Tage später... eröff- 
neten Sicherheitskräfte das Feuer auf einen . . . Krankenwagen 
in der Gegend von Tulkarem . . . Der Fahrer . . . wurde getötet, 

195 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

zwei Mitarbeiter wurden verletzt. Zur gleichen Zeit wurde 
auch ein Krankenwagen des Roten Halbmonds unter Beschuß 
genommen; der Fahrer . . . wurde getötet, zwei Mitarbeiter wur- 
den verletzt. In beiden Fällen war die Krankenwagenfahrt zu- 
vor abgesprochen worden.« 

(2) Angriffe auf medizinisches Personal 

Physicians f or Human Rights - Israel 

Quelle: A Legacy of Injustice: A Critique of Israeli Approaches to the 
Right to Health of Palestinians in the Occupied Territories, November 
2002, S. 61-63. 

»30. März 2002: Fünf Mitglieder des palästinensischen Roten 
Halbmonds wurden von der israelischen Armee verhaftet, als 
sie gerade mit einem Krankenwagen . . . unterwegs zu einer 
schwangeren Frau waren, bei der die Wehen eingesetzt hatten. 
Die Frau sollte evakuiert werden . . . Ein Rot-Kreuz- Vertreter 
sah drei Mitglieder des Krankenwagenteams später am selben 
Tag; man hatte ihnen Handschellen angelegt und ihnen die 
Augen verbunden... 2. April 2002: Drei Krankenwagen des 
palästinensischen Roten Halbmonds fuhren los, um kranke und 
verletzte Personen zu evakuieren ... Um 9.00 Uhr morgens 
wurden sie von israelischen Panzern an der Weiterfahrt ge- 
hindert. Den Teams . . . wurde befohlen, die Krankenwagen zu 
verlassen und im Regen zu den Panzern zu kriechen. . . Um 
19.30 Uhr wurde das Krankenwagenteam freigelassen. Vier 
Mitarbeiter mußten ärztlich behandelt werden.« 
»Am 4. April 2002 . . . drangen israelische Sicherheitskräfte in 
das Entbindungsheim des Roten Halbmonds in El-Bireh ein. . . 
Die Soldaten versammelten alle Krankenhausmitarbeiter und 
alle Patientinnen, darunter auch Frauen, die erst kurz zuvor 
entbunden hatten, sowie Säuglinge, die erst drei bis zehn Stun- 
den alt waren. Anschließend durchsuchten die Soldaten . . . die 
Krankenhausräume. Wenn sie eine Tür nicht öffnen konnten, 

196 



Unreinheit der Waffen 

brachen sie sie mit Eisenstangen auf. . . Später wurden alle An- 
wesenden in den Eingangsbereich des Krankenhauses gebracht 
..., wo sie einer ganzen Reihe von Demütigungen ausgesetzt 
wurden. Ein paar Soldaten ließen sich mit der Gruppe fotogra- 
fieren, während sie untereinander Spaße machten. Etwa sieben 
Anwesende . . . wurden aufgefordert, sich auf die Seite zu stel- 
len. Die Soldaten verbanden ihnen die Augen und fesselten ihre 
Hände auf dem Rücken ... [Zwei wurden freigelassen.] Die üb- 
rigen Palästinenser wurden zu einem gepanzerten Truppen- 
fahrzeug gebracht.« 65 

B'Tselem 

Quelle: Harm to Medical Personnel: The Delay, Abuse and 
Humiliation of Medical Personnel by the Israeli Security Forces, 
Dezember 2003, S. 14. 

»Im Verlauf der letzten zwölf Monate haben Krankenwagen- 
teams . . . von mindestens 28 Fällen berichtet, in denen Soldaten 
und Grenzpolizisten medizinisches Personal gedemütigt und 
geschlagen haben . . . Im Verlauf der Al-Aqsa-Intifada kam es 
immer häufiger vor, daß Soldaten und Grenzpolizisten Palästi- 
nenser demütigten und schlugen. Obwohl diese Vielzahl von 
Fällen Vertretern des Verteidigungsministeriums zur Kenntnis 
gebracht wurde, haben sie die Vorkommnisse weiterhin als > 
Einzelfälle < und die Täter als >schwarze Schafe < bezeichnet. 
Die Behörden haben es bisher versäumt, sich ernsthaft mit die- 
sem Phänomen auseinanderzusetzen. In bezug auf das Problem 
der Gewalt gegen medizinisches Personal blieben die Behörden 
genauso untätig.« 



197 



>Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 



(3) Angriffe auf medizinische Einrichtungen 



Physicians f or Hyman Rights - Israel 

Quelle: Mediane under Attack: Critical Damage Inflicted on Medi- 
cal Services in the Occupied Territories, April 2002, o. S. 

»Krankenhäuser sind auf verschiedene Art und Weise zum 
militärischen Angriffsziel geworden . . . Neben einer Vielzahl 
von Gebäuden, in denen medizinische Einrichtungen unterge- 
bracht sind, fuhren Panzer auf... Kranken Personen wird der 
ungehinderte Zugang zu diesen medizinischen Zentren ver- 
wehrt, und Krankenwagen werden daran gehindert, die Klini- 
ken zu verlassen ... In der Nacht vom 3. auf den 4. April [2002] 
wurde das Regierungskrankenhaus in Jenin unter Artillerie- 
feuer genommen und von Panzern umzingelt. Die Sauerstoff-, 
Wasser- und Elektrizitätsversorgung wurde unterbrochen, und 
die Fenster im nördlichen Teil gingen zu Bruch. Am 4. April um 
21.30 Uhr... drängten sich die Patienten gemeinsam mit dem 
Personal im Treppenhaus im Innern des Gebäudes, um sich vor 
dem unablässigen Granatenbeschuß und anderen Geschossen 
zu schützen.« 

(4) Verweigerter oder verzögerter Zugang zu ärztlicher 
Behandlung 

Physicians for Human Rights - Israel 

Quelle: A Legacy oflnjustice: A Critique of Israeli Approaches to the 
Right to Health ofPalestinians in the Occupied Territories, Novem- 
ber 2002, S. 49-52, 57. 

»Da Straßen absichtlich uneben gemacht oder mit Beton- 
blöcken versperrt werden, ist es kranken Menschen . . . nicht 
möglich,. . . zu medizinischen Einrichtungen zu gelangen . . . 
Unbemannte Straßensperren - in Form großer Betonblöcke, 
aufgehäufter Erde oder zerstörter Straßenabschnitte - wurden 
198 



Unreinheit der Waffen 

jetzt an sehr vielen Orten im Westjordanland errichtet . . . Viele 
Straßensperren sind (weil sie entweder aus einem leblosen Ob- 
jekt bestehen oder weil der Abstand der dort stationierten Sol- 
daten zu den am Kontrollpunkt eintreffenden Einwohnern sehr 
groß ist) extra so angelegt, daß sich im Notfall keine Aus- 
nahmeregelung treffen läßt und daß ein Patient keinerlei Mög- 
lichkeit hat, dem Soldaten, der ihn an der Weiterfahrt hindert, 
seine Situation zu erklären.« 

»Bevor ein Krankenwagen einen Patienten abholen kann, muß 
die Fahrt nun, unabhängig von der Dringlichkeit des Falls, im 
Vorfeld abgesprochen werden. Jeder Patient benötigt, ebenso 
wie jeder Arzt, einen Passierschein. Um diesen Schein zu be- 
kommen, muß sich der Patient im Bezirkskoordinationsbüro 
einfinden. Er oder sie wird den Weg zu Fuß bestreiten müssen, 
denn es ist nur Israelis erlaubt, die Straße zu befahren. Bei der 
Ankunft müssen die Patienten am Tor warten, in der Hoffnung, 
daß der wachhabende Soldat es ihnen erlaubt, das Büro zu be- 
treten. Wenn der Passierschein nicht fertig ist, wird die ganze 
Prozedur am nächsten Tag wiederholt. In vielen Fällen liegt der 
Passierschein erst vor, wenn der für die Untersuchung oder 
Operation vereinbarte Termin bereits verstrichen ist. Dann muß 
der Patient ganz von vorn anfangen.« 66 




B'Tselem über die »Operation Schutzschild«* 

Am Freitag, den 5. April 2002 setzten bei Tahani Ali Asad 
Fatouh, einer Apothekerin aus AI Msakan Ash Shaabiya im 
Bezirk Nablus, die Wehen ein. Ihr Mann, Dr. Ghassan Ali 
Nashat Shaar. rief einen Krankenwagen, um seine Frau, die 
im siebten Monat schwanger war, ins Krankenhaus 211 brin- 

* B'Tselem, Operation Defensive Shield: Soldiers' Testimonies, Pal- 
estinian Testimonies, Jerusalem, September 2002, S. 23. 

199 



>Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 



gen. Aufgrund der Ausgangssperre, die über die Gegend 
verhängt worden war, gelang es dem Krankenwagen nicht, 
zum Haus des Ehepaars vorzudringen, so daß nur Dr. Shaar 
und sein Nachbar Dr. Sulfeh der Frau dabei helfen konnten, 
ihr Kind zur Welt zu bringen. Die Geburt verlief ohne Kom- 
plikationen. Während der Geburt versuchte das Krankenwa- 
genteam weiter, das Haus des Ehepaars zu erreichen, weil 
der Säugling einen Brutkasten benötigen würde, doch alle 
Versuche waren vergebens. Etwa 30 Minuten nach der Ge- 
burt begann sich der Gesundheitszustand des Babys zu ver- 
schlechtern. Dr. Shaar schaffte es zweimal, seinen Sohn wie- 
derzubeleben. Beim dritten Versuch starb das Baby. Tahani 
Fatouh war schwanger geworden, nachdem sie wegen gerin- 
ger Fruchtbarkeit vier Jahre lang medizinisch behandelt wor- 
den war. Das Krankenhaus liegt nur zwei Kilometer vom 
Haus des Ehepaars entfernt. 

Terrorkrankenwagen 

Um zu beweisen, daß Israel bestrebt ist, den Palästinensern un- 
geachtet ihrer Provokationen Zugang zu medizinischer Hilfe zu 
gestatten, schreibt Dershowitz in Plädoyer für Israel (S.295): 

Der Oberste Israelische Gerichtshof... hat dem israelischen 
Militär ausdrücklich verboten, Krankenfahrzeuge anzugrei- 
fen, und das obwohl man diese immer wieder zum Trans- 
port von Sprengstoffen und Selbstmordattentätern miß- 
braucht. 

Um seine Behauptung bezüglich des Obersten Gerichts in Israel 
zu belegen, beruft sich Dershowitz - abgesehen von einer er- 
baulichen Rede, die eine an ebendiesem Gericht tätige Richterin 
bei einer Konferenz der Vereinten Jüdischen Gemeinden in 

200 



Unreinheit der Waffen 

Philadelphia hielt - einzig auf eine Gerichtsentscheidung vom 
April 2002 (PHR v. Kommandeur der Truppen im Westjor- 
danland). 67 Die Ärzte-Organisation PHR-Israel bewertete diese 
Entscheidung wie folgt: 

PHR-Israel hat beim Obersten Gericht einen Antrag einge- 
reicht, um die Sicherheitskräfte zu zwingen, sich an grund- 
legende Konventionen zu halten und von Angriffen auf 
Krankenwagen abzusehen ... Hintergrund war, daß das 
Krankenwagensystem lahmgelegt ist, daß Israel palästi- 
nensische Krankenhäuser im Westjordanland mit Mörser- 
granaten angreift und daß Kranke und Verwundete daran 
gehindert werden, zu den Krankenhäusern zu gelangen ... 
Obwohl der Antrag eine ganze Reihe von Übergriffen ein- 
zeln aufführte und diese vor dem Hintergrund des Lebens 
von Zivilisten, der medizinischen Versorgung und des Ver- 
lusts von Menschenleben schilderte, schloß sich Israels 
Oberstes Gericht der Sicht des Staates an: Es bescheinigte 
den Soldaten der israelischen Armee, daß sie im Einklang 
mit humanitären Grundsätzen handelten, und befand au- 
ßerdem, daß es angesichts der Kämpfe in den palästi- 
nensischen Gebieten unmöglich sei, die im Antrag ge- 
nannten Fälle im einzelnen zu prüfen. Dementsprechend 
beschränkte sich das Oberste Gericht in seiner Entscheidung 
darauf, einen sehr allgemein gehaltenen Kommentar ab- 
zugeben, in dem es die israelische Armee an ihre Ver- 
pflichtung gegenüber dem humanitären Völkerrecht erin- 
nerte. 68 

Um zu belegen, daß Palästinenser Krankenwagen »immer wie- 
der zum Transport von Sprengstoffen und Selbstmordattentä- 
tern mißbrauchen« und daß sie dies »auch nach dieser Ent- 
scheidung« vom April 2002 noch taten (S. 295f.), beruft sich 
Dershowitz allein auf die unbestätigte Angabe eines »höheren 

201 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Sicherheitsbeamten«. 69 In einer Studie vom November 2002 
hielt PHR-Israel fest: »In nur einem einzigen Fall hat Israel Be- 
weise für einen solchen Mißbrauch vorgelegt.« 70 Selbst in die- 
sem einen Fall ist der Mißbrauch keineswegs erwiesen. Zu die- 
sem »einzigen Fall, bei dem, wie aus zahlreichen Medien- 
berichten zu erfahren war, am 27. März 2002 ein Sprengstoff- 
gürtel in einem Krankenwagen gefunden wurde«, schrieb Am- 
nesty International: 

Mehrere Umstände lassen den Fall verdächtig erscheinen. 
Der Krankenwagen passierte auf dem Weg nach Jerusalem 
vier Kontrollpunkte, ohne durchsucht zu werden (was nor- 
malerweise nie vorkommt). Und als der Wagen schließlich 
angehalten wurde, verstrich mehr als eine Stunde, bevor 
mit der Durchsuchung begonnen wurde, weil die israelische 
Armee erst die Ankunft der Fernsehteams abwarten wollte 
(was die Vermutung nahelegt, daß die Armee zumindest 
schon wußte, daß sie dort eine Entdeckung machen wür- 
de). 71 

Abgesehen von diesem angeblichen Zwischenfall im März 2002 
war es bei allen Fällen, in denen Krankenwagen erwie- 
senermaßen zweckentfremdet wurden, stets die israelische Ar- 
mee, die sich dieses Mißbrauchs schuldig machte. Zum Beispiel 
»zwängten sich Soldaten in einen kugelsicheren Kranken- 
wagen, um so schnell wie möglich zum Haus« eines gesuchten 
Palästinensers zu gelangen; »in Nablus wurden mehrere Kran- 
kenwagenfahrer von israelischen Soldaten gezwungen anzu- 
halten, aus ihren Wagen auszusteigen und sich zwischen die 
Soldaten und die Steinewerfer zu stellen«; »Soldaten nahmen 
einen Krankenwagen in Beschlag, um damit die Zufahrt zum 
Krankenhaus in Tulkarem zu versperren«. B'Tselem hat diese 
Vorkommnisse und die israelischen Anschuldigungen wie folgt 
kommentiert: 
202 



Unreinheit der Waffen 

Die Tatsache, daß die israelische Armee Krankenwagen für 
militärische Zwecke benutzt, ist besonders beunruhigend, 
wenn man bedenkt, daß die Armee den Palästinensern wie- 
derholt vorgeworfen hat, Krankenwagen für den Transport 
von Waffen und Sprengstoff einzusetzen ... Es gilt festzuhal- 
ten, daß die israelische Armee, von einer einzigen Ausnahme 
abgesehen, keinerlei Beweise für diese Behauptung vorgelegt 
hat, obwohl sie sowohl von den »Physicians for Human 
Rights« als auch vom Internationalen Roten Kreuz mehrfach 
darum gebeten wurde. Nicht einmal in Reaktion auf Anträ- 
ge, die beim Obersten Gericht eingereicht wurden, hat die 
Armee Beweise beigebracht. 

Und noch einmal: »Offizielle [israelische] Quellen behaupten 
immer wieder und ohne dafür Beweise vorzulegen, daß Palästi- 
nenser Krankenwagen zum Transport von Waffen und Spreng- 
stoff einsetzen.« 72 Zwei Dinge sollten an dieser Stelle noch be- 
tont werden: Erstens hat die israelische Armee schon lange vor 
dem angeblichen Zwischenfall vom März 2002 palästinensische 
Krankenwagen angegriffen und auch noch lange nach der Ent- 
scheidung des Obersten Gerichts vom April 2002 »absichtlich 
Krankenwagen beschädigt«. Und zweitens: Selbst wenn wir 
einmal annehmen, daß der Zwischenfall vom März 2002 ein 
echter Zwischenfall war, so »lassen sich dadurch keine vor- 
sätzlichen Angriffe auf ein ganzes Netzwerk von Krankenwa- 
gen rechtfertigen, die einen medizinischen Auftrag zu erfüllen 
haben und gesetzlich geschützt sind« (PHR-Israel). 73 



203 



Kapitel 5 

Kurzer Prozeß 



»Zwar wurden die Attentate erst im Laufe der Al-Aqsa-Intifada 
zur offiziellen [israelischen] Politik erklärt«, wie Menschen- 
rechtsorganisationen berichten, »doch hat es diese Attentate auf 
palästinensische Aktivisten und jene, die verdächtigt wurden, 
Anschläge auf Israelis zu organisieren oder auszuführen, auch 
schon früher gegeben.« Mit den Liquidierungen wurde in den 
1970er Jahren begonnen, und bereits in der Anfangsphase der 
ersten Intifada (1987-1993) gehörten Attentate auf »gesuchte«, 
vermummte und Steine werfende Palästinenser zur gängigen 
Praxis - der damalige stellvertretende Generalstabschef Ehud 
Barak organisierte zu dieser Zeit verdeckt operierende Kom- 
mandos für diese Tötungen. Im Jahr 1992 wurde diese Praxis 
»verstärkt angewandt«, denn als Yitzhak Rabin Ministerpräsi- 
dent wurde, sanktionierte er die Zerstörung palästinensischen 
Eigentums, wenn dadurch »gesuchte« Palästinenser festge- 
nommen oder getötet werden konnten. »Dies hatte zur Folge, 
daß Hunderte Palästinenser, denen nicht das geringste vorge- 
worfen wurde, obdachlos wurden.« Mehr als 120 Palästinenser 
wurden bei diesen Operationen getötet oder nach ihrer Fest- 
nahme hingerichtet. 

Eine 1992 erschienene Studie des Palästinensischen Infor- 
mationszentrums für Menschenrechte ergab, daß »Festnahmen 
nicht ernsthaft in Erwägung gezogen« worden waren und daß 
nur sehr wenige Anschlagsopfer zur Zeit des Attentats eine 
Waffe bei sich getragen hatten oder in Widerstandsaktivitäten 
204 



Kurzer Prozeß 

verwickelt gewesen waren. »Die meisten von ihnen gingen 
gerade ihren ganz alltäglichen Beschäftigungen nach.« Eine 
ebenfalls 1992 erschienene Studie von B'Tselem kam zu ähn- 
lichen Ergebnissen: Bei einem »großen Prozentsatz« der von 
den »Tötungskommandos« Hingerichteten »bestand die Mög- 
lichkeit, die Verdächtigen gefangenzunehmen, statt sie zu tö- 
ten«. Und: Auch wenn »der Prozentsatz derjenigen Personen, 
die zum Zeitpunkt des Aufeinandertreffens mit den Geheim- 
kommandos bewaffnet waren, in den letzten Monaten gestie- 
gen ist, ... beträgt der Anteil der Unbewaffneten immer noch 
50 Prozent«. 

Human Rights Watch schrieb in einer 1993 erschienenen Stu- 
die: »Die verdeckt operierenden Einheiten gehen nach einem 
klar erkennbaren Schema vor, auch wenn dies von offizieller 
Seite bestritten wird . . . Diese Regeln erlauben es den Geheim- 
kommandos, >gesuchte< und vermummte Verdächtige zu töten, 
und dies auch in vielen Situationen, in denen die Anwendung 
tödlicher Gewalt nicht gerechtfertigt ist ... Zwar wird von offi- 
zieller Seite versichert, daß sich die geheimen Einheiten bei ih- 
ren Einsätzen auf die Verfolgung des >harten Kerns < konzen- 
trieren, daß ihre Aktionen mithin auf >gesuchte< Aktivisten ab- 
zielen, die Blut an den Händen haben. Doch lauern die Kom- 
mandos gewohnheitsmäßig auch vermummten Aktivisten auf, 
die zum Beispiel Straßensperren besetzen oder Ladeninhabern 
befehlen, einen Streik einzuhalten, also Aktivitäten nachgehen, 
die keineswegs lebensbedrohlich sind. Die Richtlinien erlauben 
es den geheimen Einheiten, Palästinenser auch bei Aktivitäten 
dieser Art zu töten.« Wie die Studie ferner ergab, galt weniger 
als die Hälfte der bei diesen Attentaten getöteten Palästinenser 
als »gesucht«. Vielmehr handelte es sich bei den meisten von 
ihnen um vermummte Jugendliche, Steinewerfer und derglei- 
chen mehr, und sie »waren weder bewaffnet noch stellten sie 
für die verdeckt operierenden Einheiten oder irgend jemanden 
sonst eine unmittelbare Bedrohung dar«. 1 

205 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Die gegenwärtige, öffentlich eingestandene Praxis politischer 
Liquidierungen wurde nach dem Ausbruch der zweiten Intifa- 
da von Ministerpräsident Ehud Barak eingeführt. Unter Ariel 
Sharon, der ihm 2001 im Amt nachfolgte, kam diese Methode 
verstärkt zur Anwendung. Von November 2000 bis Mitte 2003 
haben die israelische Armee und die israelischen Sicherheits- 
dienste bei Attentaten mehr als 100 Palästinenser ermordet und 
dabei auch »Dutzende Unbeteiligte getötet sowie Hunderte Un- 
beteiligte verletzt - palästinensische Männer, Frauen und Kin- 
der«. Es soll »nicht weniger als 175 Liquidierungsversuche« 
oder »alle fünf Tage einen Versuch« gegeben haben. »Israel ist 
das einzige demokratische Land«, so B'Tselem in einem Posi- 
tionspapier des Jahres 2001, »das ein derartiges Vorgehen für 
legitim hält.« 2 

Dershowitz hat diese Praxis vor allem gegenüber israelischen 
Kritikern verteidigt. In Kapitel 25 von Plädoyer für Israel stellt 
er den böswilligen Anschuldigungen des »Anklägers« B'Tse- 
lem die »Realität« der politischen Liquidierungen gegenüber. 
Nachdem eine Gruppe von Reservisten der israelischen Luft- 
waffe in einem Offenen Brief angekündigt hatte, daß sie sich 
als Piloten weigerten, sich weiterhin an den »illegalen und un- 
moralischen« politischen Liquidierungen zu beteiligen, flog 
Dershowitz, der »mit dem Brief der Piloten nicht einverstanden 
war«, nach Israel, »um die Piloten der israelischen Luftwaffe 
zu unterstützen und ihnen zu versichern, daß gezieltes Töten 
weder in rechtlicher noch in moralischer Hinsicht zu beanstan- 
den« sei; auch traf sich Dershowitz »mit den Kommandeuren 
der Luftwaffe, um mit ihnen zu besprechen, wie am besten mit 
dem Brief der Piloten zu verfahren« sei. In der deutschen Ta- 
geszeitung Die Welt verteidigte Dershowitz das Liquidieren 
von Palästinensern mit den Worten: »Es stärkt die bürgerlichen 
Freiheiten, nicht der Israelis, sondern der Palästinenser.« Das 
Motiv derjenigen, die die Liquidierungen kritisieren, meinte 
Dershowitz auch bereits erkannt zu haben: Die Kritiker - und 
206 



Kurzer Prozeß 

das schließt wohl auch die B'Tselem-Mitarbeiter und die prote- 
stierenden Piloten ein - »lieben tote Juden«. 3 

Die Behauptung, daß die israelische Liquidierungspolitik die 
bürgerlichen Freiheiten der Palästinenser »stärkt«, fügt sich 
nahtlos in Dershowitz' übliche Argumentation ein. »Die Tötung 
Scheich Yassins war ein moralischer und gesetzlicher Akt prä- 
ventiver Selbstverteidigung«, beteuert Dershowitz - schließlich 
war Yassin »nach jeder vernünftigen Lesart als Kombattant ein- 
zustufen, und Kombattanten ... stellen während eines andau- 
ernden Krieges wie dem, den die Hamas Israel erklärt hat, ge- 
eignete militärische Angriffsziele dar«. 4 Es will nicht recht ein- 
leuchten, wie man ein und dieselbe politische Liquidierung 
gleichzeitig als »präventive Selbstverteidigung« und als die Be- 
seitigung eines »Kombattanten« in einem »andauernden Krieg« 
rechtfertigen kann. Als präventive Selbstverteidigung hätte die 
Tötung vor Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen statt- 
finden müssen, und hätte sie im Verlauf von Kampfhandlungen 
stattgefunden, würde sich jeder Hinweis auf präventive Selbst- 
verteidigung erübrigen. In Plädoyer für Israel erläutert Dersho- 
witz seine beiden Argumente einzeln und rechtfertigt die Li- 
quidierungen wie folgt: 

Es ist legitim, Palästinenser zu liquidieren, weil sie Kom- 
battanten und keine Zivilisten sind. »Nach internationalem 
Recht wie nach Kriegsrecht ist es völlig legitim, einen feindli- 
chen Kombattanten zum Ziel zu erklären, der sich nicht er- 
geben will. Palästinensische Terroristen - seien es nun die 
Selbstmordattentäter selbst oder die, die sie rekrutieren und 
führen, oder die Köpfe der betreffenden Gruppe - sind zwei- 
felsohne feindliche Kombattanten«. (S. 281) 

Es ist legitim, Palästinenser zu liquidieren, wenn man sie 
nicht festnehmen kann, wenn sie eine unmittelbare Gefahr 
darstellen und wenn dabei keine Unbeteiligten verletzt wer- 

207 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

den, »Meiner Ansicht nach sollte die gezielte Liquidierung, 
auch in Fällen, die das Kriegsrecht ausdrücklich erlauben 
würde, nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn keine 
Möglichkeit besteht, den Mörder dingfest zu machen und 
der Terrorist in eine laufende Aktion verwickelt ist; daß man 
dabei Unbeteiligte nicht über Gebühr Risiken aussetzen soll- 
te, versteht sich von selbst.« (S. 282f.) 

Nach dem Völkerrecht sind folgende Personen als Kombattan- 
ten zu bezeichnen: »Mitglieder von Streitkräften einer am Kon- 
flikt beteiligten Partei sowie Mitglieder von Milizen und Frei- 
willigenkorps, die in diese Streitkräfte eingegliedert sind«; 
»Mitglieder anderer Milizen und Freiwilligenkorps«, die »eine 
für ihre Untergebenen verantwortliche Person an ihrer Spitze 
haben«, »ein bleibendes und von weitem erkennbares Unter- 
scheidungszeichen führen«, »die Waffen offen tragen« und »bei 
ihren Kampfhandlungen die Gesetze und Gebräuche des Krie- 
ges einhalten«. 5 Die Menschenrechtsorganisationen sind sich 
darüber einig, daß diese Kriterien auf die palästinensischen Op- 
fer der israelischen Liquidierungspolitik nicht zutreffen. 6 Viel- 
mehr sind sie, wie alle anderen unter Besatzung lebenden Zivi- 
listen auch, rechtlich geschützt. Sie »dürfen in keinem Fall getö- 
tet werden, außer wenn sie gerade selbst auf israelische Sol- 
daten oder Zivilisten schießen oder diese auf andere Art und 
Weise unmittelbar bedrohen. Da sie keine Kombattanten sind, 
ist es auch dann nicht gerechtfertigt, sie zu töten, wenn sie zu 
einem früheren Zeitpunkt an einem bewaffneten Übergriff be- 
teiligt waren.« Ein Attentat auf einen Zivilisten stellt eine Form 
von außergerichtlicher Hinrichtung dar. Das heißt, es handelt 
sich hierbei um »eine ungesetzliche, vorsätzliche Tötung, die 
auf Regierungsbefehl erfolgt ..., um eine bestimmte Person zu 
beseitigen, anstatt sie festzunehmen und vor Gericht zu stel- 
len«. 7 Die Attentate, die Israel auf Palästinenser verübt, stellen 
solche außergerichtlichen Hinrichtungen dar: Demjenigen, dem 
208 



Kurzer Prozeß 

das Attentat gilt, wird a) das Recht versagt, sich vor Gericht zu 
verteidigen, obwohl er b) niemandes Leben unmittelbar be- 
droht und obwohl es c) möglich wäre, ihn festzunehmen und 
ihm den Prozeß zu machen. 

a) »Die Entscheidungen für Attentate werden«, wie B'Tselem 
berichtet, »in Hinterzimmern gefallt, ohne daß die Geheim- 
dienstinformationen, auf die sich die Entscheidungen grün- 
den, gerichtlich überprüft würden. Den Anschlagsopfern 
wird keine Gelegenheit gegeben, etwas zu ihrer Verteidigung 
vorzubringen oder die gegen sie erhobenen Anschuldigun- 
gen zu widerlegen.« Ähnlich argumentieren das israelische 
Antifolterkomitee »Public Committee Against Torture in Is- 
rael« (PCATI) und die palästinensische Menschenrechtsor- 
ganisation »Palestinian Society for the Protection of Human 
Rights« (LAW) in einer gemeinsamen Studie: »Bis jetzt hat 
das israelische Militär noch in keinem Fall öffentlich nachge- 
wiesen, daß seine gegen die Anschlagsopfer erhobenen Vor- 
würfe begründet waren. Vielmehr gibt sich das israelische 
Militär nach jedem Attentat nur die allergrößte Mühe, über 
die Medien zu verbreiten, daß der Getötete in Terroran- 
schläge verwickelt gewesen sei. Auf diese Weise soll sicher- 
gestellt werden, daß die Bevölkerung die Liquidierungen un- 
terstützt. Beweise für die erhobenen Anschuldigungen liefert 
das Militär nie. Es läßt sich daher nicht feststellen, wie viele 
der Getöteten tatsächlich, wie von den israelischen Behörden 
behauptet, an gewaltsamen Aktionen beteiligt gewesen wa- 
ren, und wie viele von ihnen als unschuldige Opfer eines 
drakonischen Systems getötet wurden, das man eher von ei- 
ner finsteren Diktatur als von einem demokratischen Staat 
des 21. Jahrhunderts erwarten würde.« 8 

b) PCATI und LAW erinnern daran, wie die israelischen Liqui- 
dierungen in der Praxis aussehen, und stellen klar: »Ob nun 
ein Pilot von seinem Hubschrauber aus eine Rakete auf eine 

209 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Wohnung abfeuert, in der sich ein Verdächtiger gerade auf- 
hält, oder ob ein Heckenschütze eine Person, die gerade vor 
ihrem Haus sitzt, ins Fadenkreuz nimmt, oder ob ein Ge- 
heimkommando das Auto eines Verdächtigen mit Spreng- 
stoff präpariert - in all diesen Fällen handelt es sich um vor- 
sätzlichen Mord. Der Aspekt der Selbstverteidigung fehlt 
völlig. Von den Verdächtigen geht keine akut lebensgefährli- 
che Bedrohung aus.« 9 In Plädoyer für Israel (S. 283) schreibt 
Dershowitz: »Nach vernünftigen Maßstäben beurteilt, hat die 
israelische Politik gezielter Liquidierungen von Terroristen, 
auf die die Definition der >tickenden Bombe< zutrifft, die 
scharfe Verurteilung, mit der man sie bedacht hat, nicht ver- 
dient.« Doch zum einen erlauben es die israelischen Liqui- 
dierungsrichtlinien, daß die Armee »gegen bekannte Terrori- 
sten vorgeht, auch wenn diese nicht kurz davorstehen, einen 
größeren Anschlag zu verüben«, und zum anderen »hat die 
israelische Armee keinerlei Beweise dafür vorgelegt, daß die 
liquidierten Palästinenser im Begriff gewesen waren, An- 
schläge zu verüben, oder daß sie sich gar schon auf den Weg 
zu ihrem Anschlagsziel gemacht hatten. Diejenigen, die At- 
tentaten zum Opfer fielen, befanden sich in den besetzten 
Gebieten, und zwar an Orten, die von möglichen israelischen 
Angriffszielen (wie Siedlungen, Siedlerstraßen und Armee- 
posten) weit entfernt waren.« 10 

c) »Die israelische Armee hat bewiesen, daß sie in den besetz- 
ten Gebieten, einschließlich jener Gebiete, die unter die 
Rechtsprechung der palästinensischen Autonomiebehörde 
fallen, die volle und effektive Kontrolle ausüben kann und 
tatsächlich auch ausübt«, merkte Amnesty International im 
Sommer 2003 an. »In den letzten zwei Jahren haben die israe- 
lische Armee und die Sicherheitsdienste Zehntausende Palä- 
stinenser verhaftet. Einigen warfen sie vor, israelische Solda- 
ten oder Zivilisten persönlich angegriffen zu haben, anderen 
sagten sie eine Beteiligung an der Planung beziehungsweise 

210 



Kurzer Prozeß 

Durchführung solcher Angriffe durch andere Palästinenser 
nach. Verhaftungen dieser Art sind in den besetzten Gebie- 
ten an der Tagesordnung. Manche Palästinenser werden in 
Gruppen festgenommen, andere einzeln. Es macht keinen 
Unterschied, ob sie sich gerade zu Hause oder in der Woh- 
nung anderer Leute aufhalten, ob sie an der Universität oder 
im Studentenwohnheim sind, ob sie sich an ihrem Arbeits- 
platz oder an einem Kontrollpunkt befinden, ob sie sich frei 
in der Öffentlichkeit bewegen oder in den Untergrund ge- 
flüchtet sind ... Palästinenser, die sich angeblich bereits auf 
den Weg gemacht hatten, um Selbstmordanschläge zu ver- 
üben oder andere Angriffe auszuführen, wurden von der is- 
raelischen Armee und den Sicherheitskräften im West- 
jordanland und im Gazastreifen ebenso festgenommen wie 
in Israel, und an den Kontrollpunkten ebenso wie bei dem 
Versuch, die Kontrollpunkte zu umgehen und die Grenze an 
anderer Stelle zu überqueren.« 

Da die israelischen Sicherheitskräfte offenbar imstande sind, 
Palästinenser zu schnappen, wie und wo und wann es ihnen 
beliebt, kam Amnesty zu dem Schluß: »Die israelischen Be- 
teuerungen, daß der Staat Attentate nur in den Fällen anord- 
net, in denen er sich einem nicht anders abzuwendenden, 
unmittelbaren Sicherheitsrisiko ausgesetzt sieht, sind nicht 
glaubwürdig, und ... diese Praxis ist nicht zu rechtfertigen.« 
PCATI und LAW schrieben ebenfalls: »Die vielen Fälle, in 
denen das israelische Militär gesuchte Palästinenser entführt 
hat, . . . beweisen, daß das israelische Militär sehr wohl in der 
Lage ist, gesuchte Personen zu überwältigen, wenn es dies 
für angebracht hält. Es trifft also ganz offensichtlich nicht zu, 
daß Israel nichts anderes übrigbleibt, als sich dieser Personen 
durch Attentate zu entledigen.« 11 

Im Zuge der Liquidierungen werden überdies zahlreiche Unbe- 
teiligte willkürlich getötet und verletzt. »Von Seiten der israeli- 

211 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

sehen Regierung und des Militärs wird immer wieder betont, 
daß alle nur erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen wer- 
den, damit bei der Ausführung der Attentate keine anderen 
Palästinenser zu Schaden kommen«, bemerkt Amnesty. »Die 
Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache. Im Zuge der At- 
tentate - auch der fehlgeschlagenen Attentate -, die die is- 
raelische Armee auf Palästinenser verübt hat, wurden Dutzen- 
de unbeteiligter Männer, Frauen und Kinder getötet, Hunderte 
wurden verletzt... Es wird immer wieder beteuert, die Armee 
bemühe sich, Unbeteiligte zu schonen. Diese Beteuerungen ver- 
tragen sich jedoch nicht mit der Praxis, Attentate auf belebten 
Straßen oder inmitten dichtbesiedelter Wohngebiete zu ver- 
üben.« PC ATI und LAW kommen zu demselben Schluß wie 
Amnesty: »In vielen Fällen hat das israelische Militär Zivilisten 
verletzt, die nicht hätten angegriffen werden dürfen. Die Tatsa- 
che, daß immer wieder Zivilisten zu Schaden kommen, ver- 
deutlicht einmal mehr, wie rücksichtslos und übertrieben das 
Militär Gewalt anwendet. Selbst wenn man einmal annimmt, 
daß von den Personen, denen die Attentate gelten, wirklich Ge- 
fahr ausgeht (was keineswegs erwiesen ist), so steht die ange- 
wandte militärische Gewalt in keinem Verhältnis zu dieser Be- 
drohung.« 12 

Nach israelischem Strafrecht stellt ein staatliches Attentat 
auf einen gesuchten Palästinenser »vorsätzlichen Mord« dar, 
während das Völkerrecht ein solches Attentat als »Kriegsver- 
brechen« einstuft. Dershowitz selbst hat zu Protokoll gegeben, 
daß »die gezielte Liquidierung ... nur als letztes Mittel einge- 
setzt werden« sollte, nämlich nur dann, »wenn keine Möglich- 
keit besteht, den Mörder dingfest zu machen«, »der Terrorist 
in eine laufende Aktion verwickelt ist« und »wenn man dabei 
Unbeteiligte nicht über Gebühr Risiken aussetzt« (Plädoyer für 
Israel, S. 282f.). Die israelische Strategie politischer Liqui- 
dierungen läßt sich noch nicht einmal nach Dershowitz' eige- 
nen Maßstäben rechtfertigen. »Von all den Menschenrechts- 
212 



Kurzer Prozeß 

Verletzungen, bei denen offizielle Vertreter des Staates das 
Recht auf Leben mißachten, stellen die Attentate die schlimm- 
sten Verstöße dar«, so die Schlußfolgerung von PCATI und 
LAW. »Es handelt sich dabei nicht um fahrlässige Tötung, um 
eine Situation, in der dem Schützen in einem bestimmten Au- 
genblick womöglich nichts anderes übrigblieb, als sein Gegen- 
über zu erschießen, oder um eine Aktion, die, nachdem sie zu- 
nächst ein legales Ziel verfolgt hatte, plötzlich außer Kontrolle 
geriet. Es handelt sich vielmehr um eine im voraus geplante 
Operation, deren Ziel von vornherein eine Menschenrechtsver- 
letzung darstellt. Sie auszuführen ist deshalb in rechtlicher wie 
ethischer Hinsicht ein schändliches Verbrechen.« Durch die An- 
wendung solcher Methoden »gesellt sich Israel zu einer berüch- 
tigten Gruppe von Staaten, die in schwerwiegender Weise ge- 
gen grundlegende moralische und humane Normen verstoßen, 
die die internationale Gemeinschaft für bindend hält«. 13 

Lassen wir die durch die Liquidierungspraxis aufgeworfenen 
moralischen und rechtlichen Fragen einmal beiseite und wen- 
den wir uns der Frage zu, wie sich diese Maßnahmen politisch 
auswirken. »Ob diese Strategie wirklich effektiv ist, steht zu 
bezweifeln«, schreibt B'Tselem. »Diejenigen, die auf die Wirk- 
samkeit dieser Methode schwören, haben keinerlei Beweise da- 
für erbracht, daß sich diese Politik auch nur im geringsten posi- 
tiv auf die Sicherheitslage auswirkt.« Hochrangige israelische 
Sicherheitsbeamte haben ebenfalls daraufhingewiesen, daß die 
Liquidierungen durchaus nicht zu Israels Sicherheit beitragen, 
sondern die Lage, im Gegenteil, eher verschlimmern. Der frü- 
here Chef des israelischen Inlandgeheimdienstes Shin Bet*, Ami 
Ayalon, glaubt, »statt vereinzelter Selbstmordattentäter werden 



Der israelische Inlandgeheimdienst Shin Bet wird auch Shabak oder 
Allgemeiner Sicherheitsdienst genannt. In der englischsprachigen 
Literatur - so auch im Anmerkungsteil des vorliegenden Buches - 
wird er zumeist als General Security Service (GSS) bezeichnet; 
Anm. d. Ü. 

213 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

wir Dutzende oder Hunderte bekommen«, wenn die Liquidie- 
rungspolitik weiterverfolgt wird. 14 

Das israelische Vorgehen deutet stark darauf hin, daß die 
hauptsächliche, erwartete und erwünschte Wirkung der politi- 
schen Liquidierungen gerade darin besteht, weitere Terroran- 
schläge zu provozieren, »Wer auch immer grünes Licht für diese 
Liquidierung gegeben hat, wußte sehr genau, daß er damit auf 
einen Schlag das Gentlemen's Agreement zwischen der Hamas 
und der palästinensischen Autonomiebehörde zunichte mach- 
te«, schrieb der israelische Journalist Alex Fishman in Yediot 
Ahronot nach dem Attentat auf einen Hamas-Führer im No- 
vember 2001. »Nach dieser Übereinkunft hatte sich die Hamas 
verpflichtet, in der nächsten Zeit von Selbstmordanschlägen 
innerhalb der Grünen Linie* abzusehen.« »Nach der Zerstörung 
von Häusern in Rafah und Jerusalem hielten sich die Palästi- 
nenser immer noch zurück«, schrieb Shulamit Aloni von der 
israelischen Meretz-Partei im Januar 2002 in Yediot Ahronot, 
»Sharon und seinem Armeeminister graute offenbar vor der 
Aussicht, womöglich wieder an den Verhandlungstisch zu- 
rückkehren zu müssen. Sie beschlossen, das drohende Unheil 
abzuwenden, indem sie Raed Karmi [einen örtlichen Milizfüh- 
rer] liquidierten. Sie wußten, daß diese Aktion nicht unbeant- 
wortet bleiben würde und daß wir sie mit dem Blut unserer 
Bürger bezahlen würden.« 

Im Juli 2002 erzielten militante palästinensische Organisatio- 
nen einschließlich der Hamas eine vorläufige Übereinkunft, der 
zufolge Anschläge in Israel einzustellen waren - eine Überein- 
kunft, die vielleicht den Weg zu einer Rückkehr an den Ver- 
handlungstisch geebnet hätte. Nur 90 Minuten, bevor die Über- 
einkunft bekanntgegeben werden sollte, sorgte die israelische 



* Das heißt, innerhalb der international anerkannten israelischen 
Staatsgrenzen, also innerhalb jener Grenzen, die vor dem Junikrieg 
von 1967 bestanden (Waffenstillstandslinien von 1949); Anm. d. Ü. 
214 



Kurzer Prozeß 

Führung - die über die unmittelbar bevorstehende Verlautba- 
rung vollkommen im Bilde war- dafür, daß ein F-16-Kampfjet 
eine tonnenschwere Bombe auf ein dichtbesiedeltes Wohnge- 
biet in Gaza-Stadt abwarf. Dabei wurden neben dem Hamas- 
Führer Salah Shehadeh 14 palästinensische Zivilisten, darunter 
neun Kinder, getötet und 140 Menschen verletzt. (Siehe den 
Abschnitt »Unnötige Opfer vermeiden« in Kapitel 4 dieses Bu- 
ches.) Wie vorauszusehen war, wanderte die Verlautbarung 
daraufhin in den Papierkorb, und palästinensische Anschläge 
wurden mit aller Härte wiederaufgenommen. »Kann mir hier 
mal einer den tieferen Sinn erklären?«, fragte ein führendes 
Mitglied der Meretz-Partei. »Jedesmal, wenn wir drauf und 
dran sind, die Chance zu bekommen, so etwas wie einen Waf- 
fenstillstand auszuhandeln oder auf diplomatischem Wege et- 
was zu erreichen, wird das gleiche Spiel gespielt: Kaum ist es 
mal für eine Weile ruhig, liquidieren wir jemanden.« 15 »Die Ge- 
schichte des palästinensischen Terrorismus ... zeigt eindeutig, 
daß der Terror zunimmt, wann immer Israel den Frieden anbie- 
tet«, schreibt Dershowitz in Plädoyer für Israel (S. 288). »Terror 
wird seit jeher ganz bewußt als Taktik eingesetzt, jeden Schritt 
hin zu einem Frieden im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung 
zu sabotieren.« Womit Dershowitz die Dinge wieder mal auf 
den Kopf gestellt hätte. 



215 



Kapitel 6 

Israels Abu Ghraib 



Die systematische Folter palästinensischer Häftlinge durch Is- 
rael ist von Menschenrechtsorganisationen umfassend belegt 
worden. 1 »Seit 1967«, so Amnesty International, »haben die is- 
raelischen Sicherheitsdienste in den besetzten Gebieten Palä- 
stinenser, die sie politischer Vergehen bezichtigten, routinemä- 
ßig gefoltert.« 2 Zwar waren schon zu Beginn der Besatzung Fol- 
tervorwürfe laut geworden, doch wurde ihnen erst verstärkt 
Aufmerksamkeit geschenkt, als die Londoner Zeitung Sunday 
Times 1977, nach außerordentlich akratischer Recherche, eine 
mit vielen Einzelheiten aufwartende Reportage veröffentlichte. 
Die fünfmonatige Untersuchung hatte ergeben, daß »israelische 
Vernehmungsbeamte arabische Gefangene routinemäßig miß- 
handeln und oft foltern« und daß sie dies »den ganzen Zeit- 
raum der zehnjährigen israelischen Besatzung hindurch« getan 
hatten. Zu den Foltermethoden schrieb die Times unter ande- 
rem: »Es kommt oft vor, daß Gefangenen ein Sack über den 
Kopf gestülpt wird, daß man ihnen die Augen verbindet und 
daß man sie über einen langen Zeitraum hinweg an ihren Hand- 
gelenken aufhängt. Viele werden sexuell mißbraucht. Manchen 
werden Elektroschocks verabreicht. In mindestens einem Ge- 
fängnis gibt (oder gab) es einen speziellen >Schrank<. Dieser ist 
etwa 1,50 Meter hoch und hat kaum mehr als einen halben 
Quadratmeter Grundfläche. In den Boden dieses >Schranks< 
sind Betonspitzen eingelassen.« Anschließend veröffentlichte 
die Times die Antwort Israels auf die erhobenen Vorwürfe - 
216 



Israels Abu Ghraib 

und nahm die israelischen Einwände Punkt für Punkt ausein- 
ander. 3 

Nach der Veröffentlichung der Times-Reportage wurde die 
israelische Praxis, palästinensische Häftlinge zu mißhandeln 
und zu foltern, von zahlreichen Regierungs- und Nichtregie- 
rungsorganisationen untersucht, so zum Beispiel vom US- 
Außenministerium, der Schweizer Menschenrechtsliga, der 
Internationalen Menschenrechtsliga, der Internationalen Ver- 
einigung Katholischer Juristen, der in den USA ansässigen 
Anwälte Vereinigung »National Lawyers Guild« und Amnesty 
International. Die internationale Presse - die israelische und 
amerikanische nicht ausgenommen - brachte ebenfalls Be- 
richte zu diesem Thema. Während der Amtszeit Menachem 
Begins (1977-1983) ging die Zahl der Fälle, in denen Palästi- 
nenser mißhandelt oder gefoltert wurden, im Vergleich zu den 
Vorjahren merklich zurück, denn der Ministerpräsident hatte 
den Vernehmungsbeamten, offenbar in Reaktion auf die Ent- 
hüllungen der Times, hinsichtlich ihrer Verhörmethoden Be- 
schränkungen auferlegt. Kurz nach Begins Rücktritt, im Jahr 
1984, berichteten Menschenrechtsorganisationen jedoch, daß 
Palästinenser wieder sehr viel öfter mißhandelt und gefoltert 
würden. 

In der einflußreichen Studie »Wer der Folter erlag ...«: Ein 
Bericht über die Anwendung der Folter in den 80er Jahren wies 
Amnesty International darauf hin, daß die Organisation »stän- 
dig weitere Meldungen über Gefangenenmißhandlungen« in 
israelischen Gefängnissen bekam. »Die Häufigkeit und die 
Übereinstimmung dieser Berichte lassen darauf schließen, daß 
man einer Reihe von Palästinensern aus den besetzten Gebie- 
ten, die aus Sicherheitsgründen verhaftet ... wurden, zunächst 
Kapuzen über den Kopf gezogen und Handschellen angelegt 
hat, um sie dann an mehreren Tagen zu zwingen, jeweils viele 
Stunden lang regungslos zu stehen. Unbekleidet mußten sie 
lange Zeit unter kalten Duschen oder Kaltluftventilatoren ver- 

217 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

harren. Darüber hinaus waren die Häftlinge Nahrungs- und 
Schlafentzug unterworfen; man verweigerte ihnen den Zugang 
zu den Toiletten und medizinische Versorgung. Sie waren Miß- 
handlungen, Beleidigungen und Drohungen gegen sie selbst 
und gegen weibliche Familienangehörige ausgesetzt.« Auch lag 
Amnesty International »eine Reihe von detaillierten Berichten 
einzelner Gefangener aus den besetzten Gebieten vor, die wäh- 
rend der Verhöre zum Teil schwer geschlagen wurden«. In ei- 
nem dieser Fälle hatte ein palästinensischer Häftling ausgesagt, 
»daß er über einen Zeitraum von zwei Wochen immer wieder 
mit Knüppeln und Fäusten am ganzen Körper, auch auf die 
Genitalien, geschlagen worden sei; dabei sei er manchmal ent- 
kleidet worden und habe Handschellen und eine Kapuze tra- 
gen müssen. Er erhielt wiederholt Hiebe auf den Kopf, und 
man schlug ihn mit dem Kopf derart gegen die Wand, daß er 
sich Verletzungen zuzog, die ärztlich behandelt werden muß- 
ten.« 4 In einer von der palästinensischen Menschenrechtsorga- 
nisation Al-Haq verfaßten Studie aus demselben Jahr wurden 
ähnliche Verhörtechniken geschildert. Außerdem berichtete Al- 
Haq von Fällen sexueller Erniedrigung und anderen persönli- 
chen Demütigungen, die die Sunday Times in ihrer Untersu- 
chung ebenfalls nachgewiesen hatte. 5 

Mit Beginn der ersten Intifada im Dezember 1987 erschienen 
zunehmend mehr Menschenrechtsberichte, die Israel vorwar- 
fen, palästinensische Häftlinge zu foltern. In den Jahresberich- 
ten für 1988 und 1989 analysierte Al-Haq die israelischen Fol- 
termethoden im Detail, und Amnesty International stellte fest: 
»Tausende Palästinenser wurden von Angehörigen der israe- 
lischen Streitkräfte geschlagen oder in Haftzentren gefoltert 
und mißhandelt ... Zu den verschiedenen Methoden zählten 
Schläge auf verschiedene Körperteile, das Überstülpen von Ka- 
puzen, langes Stehen, Schlafentzug und Einzelhaft in Zellen 
von der Größe eines Sarges.« 6 In Israel erschienen ebenfalls 
Presseberichte über Folter, und Menschenrechtsorganisationen 
218 



Israels Abu Ghraib 

wie das israelische Antifolterkomitee PCATI wurden gegrün- 
det, um die Mißstände anzuprangern. Im März 1991 veröffent- 
lichte B'Tselem eine Studie, in der es hieß, »Formen von Miß- 
handlungen, die nach herkömmlichen Definitionen als Folter 
zu bezeichnen sind, sind weitverbreitet und werden von 
Agenten des Shin Bet routinemäßig angewandt«. Überdies 
stellte B'Tselem fest, daß »fast 50 Prozent der Verhöre einge- 
stellt werden, ohne daß es zu einer Anklage gegen den Häft- 
ling kommt oder daß anderweitig gegen ihn vorgegangen 
wird«. 7 Kurz nach B'Tselem veröffentlichten auch die großen 
Menschenrechtsorganisationen Studien zum Thema Folter. Sie 
kamen zu denselben Ergebnissen. 8 



B'Tselem über die israelischen Verhörmethoden* 
»Schrank« und »Kühlschrank« 



■ 



Zu den Verhörmethoden gehört es, Verdächtige in Einzelhaft 
zu nehmen. Hierfür stehen die »Tzinok« genannten Isolati- 
onszellen . . . sowie zwei Arten sehr viel kleinerer Zellen zur 
Verfügung: 

Der »Schrank« Der »Schrank« ist eine sehr kleine Zelle. In 
manchen Gefangnissen hat sie einen Quadratmeter Grund- 
fläche, in anderen Gefängnissen ist sie noch kleiner. In dieser 
Zelle herrscht Dunkelheit, und der Raum ist fast luftdicht 
abgeschlossen. Die einzige Vorrichtung für die Luftzufuhr ist 
ein schmaler Schlitz in der Tür oder in der Decke. Die Häft- 
linge werden für mehrere Stunden in diese »Schränke« ge- 
sperrt, manche werden zusätzlich gefesselt oder bekommen 
einen Sack über den Kopf gestülpt. Manche »Schränke« ha- 

* B'Tselem. The Interrogation of Palestinians During the Intifada: III- 
treatment, »Moderate Physical Pressure« or Torture?, Jerusalem 
1991, S. 43-59. 

219 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ben eine eingebaute Steinstufe, so daß die Häftlinge darin 
nur sitzen können. Bei anderen »Schränken« ist es nicht mög- 
lich, sich hinzusetzen oder hinzulegen, und den Häftlingen 
bleibt nichts anderes übrig, als darin zu stehen. 

Der »Kühlschrank« Diese Zelle ähnelt dem beschriebenen 
»Schrank«. In ihr herrscht ebenfalls Dunkelheit. Hinzu 
kommt aber, daß es darin auch sehr kalt ist. Aus dem West- 
jordanland ist uns kein Fall bekannt, bei dem ein solcher 
»Kühlschrank« zum Einsatz gekommen wäre, aber jeder ein- 
zelne der von uns befragten Häftlinge aus Gazas Zen- 
tralgefängnis berichtete davon, in eine Kühlschrankzelle ge- 
sperrt worden zu sein. In Gaza werden die Häftlinge übli- 
cherweise abwechselnd geschlagen und in den »Kühl- 
schrank« gesperrt. 






Fesseln (»al-Shabah«) 

Am häufigsten kommt es vor, daß die Häftlinge gefesselt 
werden. Ausnahmslos alle Befragten waren über mehrere 
Stunden vor oder zwischen den Verhören gefesselt gewesen. 
Das herkömmliche Aufnahmeverfahren im Gefängnis be- 
steht darin, den Häftling zunächst einmal über mehrere 
Stunden in Fesseln zu legen und ihm Wasser und Nahrung 
vorzuenthalten. Manche der gefesselten Häftlinge müssen 
diese Zeit draußen verbringen, egal welche Wetterverhält- 
nisse herrschen. Damit werden Häftlinge gleich zu Beginn 
ihrer Haft auf das, was sie erwartet, »vorbereitet«. Die »al- 
Shabah« genannte Methode gehört in jeder Haftanstalt zum 
Standardrepertoire. Soldaten, Polizeibeamte oder Gefäng- 
nismitarbeiter fesseln die Hände des Häftlings hinter seinem 
Rücken und über dem Kopf. In den meisten Haftanstalten 
werden die gefesselten Hände an Rohren oder Stangen befe- 
stigt, die in die Wände eingelassen sind. In der Regel werden 



220 



Israels Abu Ghraib 




die Hände dabei in einer Höhe festgebunden, die es dem 
Häftling kaum möglich macht, sich auf den Beinen zu halten, 
zumal diese ebenfalls gefesselt sind. Hinzu kommt noch, daß 
dem Häftling in der Regel die Augen verbunden werden 
oder daß ihm ein Sack über den Kopf gestülpt wird. »Al- 
Shabah« wird entweder zwischen einzelnen Verhören für die 
Dauer von fünf bis sechs Stunden oder über Nacht für dk 
Dauer von zwölf Stunden angewandt. 

Die »Banane« 

Die meisten Befragten berichteten davon, daß sie bei Ver- 
hören, während derer sie von den Vernehmungsbeamten mit 
Schlägen traktiert wurden, gefesselt waren. Eine besonders 
brutale Methode, den Gefangenen zu fesseln, ist die »Ba- 
nane«. Im Gazastreifen und auch in den meisten Haftanstal- 
ten im Westjordanland ist dies die gängige Methode. Die 
»Bananen«-Methode kommt in zwei Varianten vor. Bei der 
einen Variante werden die Beine des Verdächtigen an den 
vorderen Beinen eines Hockers festgebunden, und seine 
Hände werden an den hinteren Beinen des Hockers befestigt. 
Bei der anderen Variante werden die Hände des Häftlings an 
seinen eigenen Beinen festgebunden, und zwar so, daß sein 
Körper nach hinten gebogen wird. Diese Methode führt da- 
zu, daß der Körper des Gefangenen wie eine Banane ge- 
krümmt und somit den Schlägen der Vernehmungsbeamten 
schutzlos ausgeliefert ist. 






Schläge 






Von allen 41 Befragten ist nur ein einziger (ein Journalist) 
nicht geschlagen worden. Alle anderen wurden im Verlauf 
der Verhöre routinemäßig geschlagen. Die Vernehmungsbe- 



221 



>Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

amten schlugen entweder mit ihren Fäusten zu oder nahmen 
Stöcke, Schuhe oder was auch immer sonst gerade greifbar 
war zur Hand, beispielsweise einen elektrischen Wasserko- 
cher oder einen Ast. In [der Haftanstalt von] Dahariya wur- 
den drei der von uns Befragten mit einer schraubenförmigen 
und mit Plastik überzogenen Metallstange geschlagen. In 
den Haftzentren von Shati (Gaza) kam ein dreißig bis vierzig 
Zentimeter langer Plastikstock zum Einsatz. Die Verneh- 
mungsbeamten schlagen die Verdächtigen ins Gesicht, auf 
die Brust, auf die Hoden, in den Bauch, ja am ganzen Körper. 
Während ein Häftling verprügelt wird, wird sein Kopf 
manchmal auch mit Wucht gegen die Wand oder auf den 
Fußboden geschlagen oder er bekommt Tritte in die Beine. 



Abb. 3: Der »Schrank«. Abb. 4: Die »Banane«. (Zeichnungen von David Ger- 
stein. B'Tselem, The Interrogation of Palestinians During the Intifada) 






222 



Israels Abu Ghraib 

Alan Dershowitz hat sich während dieser Zeit in mindestens 
zwei Fällen persönlich in die Debatte um die israelischen Miß- 
handlungen und Folterungen palästinensischer Häftlinge einge- 
schaltet. Bevor wir uns diese beiden Fälle ansehen, sollten wir 
jedoch einen Blick auf einen der allerersten Fälle werfen, bei 
denen Dershowitz großes Engagement in Sachen palästinensi- 
sche Menschenrechte an den Tag legte. In allen drei Fällen gab 
Dershowitz sich alle Mühe, ausgerechnet denjenigen, deren 
Menschenwürde gerade mit Füßen getreten wurde, jeglichen 
Schutz zu verweigern. Anhand dieser persönlichen Initiativen 
wird deutlich, daß Dershowitz schon seit Jahrzehnten alles tut, 
um die Wahrheit über Israels Menschenrechtsverletzungen zu 
verschleiern - und daß er seine akademischen Weihen und sei- 
nen Ruf als Bürgerrechtler für die Durchsetzung einer men- 
schenverachtenden Politik mißbraucht. 

Der Fall Foyzi El-Asmar. Im Jahr 1969 wurde Fouzi El-Asmar, 
ein palästinensischer Dichter, der als Bürger Israels Kritisches 
über den israelischen Umgang mit den Palästinensern geschrie- 
ben hatte, in Administrativhaft* genommen. Nach 15 Monaten, 
während derer im In- und Ausland für seine Freilassung ge- 
kämpft worden war, wurde El-Asmar schließlich aus dem Ge- 
fängnis entlassen. In Israel hatten sich unter anderem der Her- 
ausgeber der Wochenzeitschrift Haolam Hazeh, Uri Avnery**, 
sowie ein prominenter rechter israelischer Politiker und die Is- 
raelische Liga für Menschen- und Bürgerrechte für El-Asmar 
eingesetzt, während im Ausland unter anderem Amnesty Inter- 
national seine Freilassung gefordert und zu diesem Zweck eine 
Brief kampagne gestartet hatte. Als El-Asmar schließlich aus der 



Administrativhaft bedeutet Haft ohne Anklage und ohne Gerichts- 
verfahren; mehr dazu im Abschnitt »Furchterregende Anord- 
nung« in Kap. 9; Anm. d. Ü. 

Von dem im Jahr 1933 aus Deutschland ausgewanderten Uri Avne- 
ry liegen einige Werke auf Deutsch vor; Anm. d. Ü. 

223 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Administrativhaft entlassen wurde, war es ihm ein Jahr lang 
verboten, die Stadt Lydda zu verlassen. Als er im Anschluß an 
diesen Arrest die Einladung zu einer Vortragsreise in den Ver- 
einigten Staaten bekam, nahm El-Asmar die Einladung an. Er 
entschied sich im Land zu bleiben, behielt aber seinen israe- 
lischen Paß. 9 Während seiner Administrativhaft bekam El- 
Asmar Besuch von Alan Dershowitz. Dieser schrieb nach der 
Begegnung einen langen Artikel, in dem er erklärte, israelische 
Geheimdienstler hätten ihm Beweise für ihre Behauptung vor- 
gelegt, daß El-Asmar der Kopf einer auf Morde spezialisierten 
Terrorgruppe sei. Dershowitz fügte hinzu: »Ich persönlich bin 
überzeugt ..., daß Fawzi al-Asmar der Anführer einer Terror- 
gruppe ist.« Der Artikel erschien zunächst in der Zeitschrift 
Commentary, anschließend, mit bedeutenden Änderungen, 
auch im Israelischen Jahrbuch für Menschenrechte sowie in ei- 
ner von amerikanischen »Sozialdemokraten« herausgegebenen 
Aufsatzsammlung und schließlich als Pamphlet, das in den 
Vereinigten Staaten überall dort verteilt wurde, wo El-Asmar 
öffentliche Auftritte hatte. 10 Nach Erscheinen des Artikels 
druckte Commentary drei Leserbriefe ab, in denen neben El- 
Asmar auch zwei israelische Juden - Felicia Langer und Israel 
Shahak - Dershowitz' Behauptungen widerlegten. 11 

Zuerst hatte Dershowitz zum Beispiel behauptet, El-Asmars 
Vater sei »schon vor dem Sechstagekrieg mit den Behörden in 
Konflikt geraten, weil er illegale Kontakte zur Regierung eines 
arabischen Landes unterhalten hatte«. In seiner Erwiderung 
schrieb El-Asmar: »Alles, was Mr. Dershowitz über meinen 
Vater schreibt, ist gelogen. Der beste Beweis dafür ist die Tatsa- 
che, daß mein Vater 30 Jahre lang - davon viele Jahre unter der 
israelischen Regierung - Beamter war. Hätte man ihn je für 
schuldig befunden, >illegale Kontakte zur Regierung eines ara- 
bischen Landes [zu unterhalten] <, hätte man ihn unverzüglich 
seines Amtes enthoben.« In der überarbeiteten Fassung von 
Dershowitz' Artikel war von dieser Anschuldigung nichts 
224 



Israels Abu Ghraib 

mehr zu lesen. Des weiteren hatte Dershowitz in der ursprüng- 
lichen Textfassung »Felicia Langer, eine jüdische Kommuni- 
stin«, als El-Asmars Anwältin genannt. Da jedoch Langer und 
El-Asmar in ihren Briefen an Commentary sehr deutlich her- 
vorhoben, daß Langer nicht seine Anwältin war, wurde auch 
diese Behauptung klammheimlich gestrichen. In jeder Fassung 
seines Artikels versicherte Dershowitz: »Wann immer es mir 
möglich war, habe ich mir die Details von unabhängiger Seite 
bestätigen lassen.« Es ist schon schlimm genug, daß Dersho- 
witz es nicht für nötig befand, sich in dieser Angelegenheit ein- 
mal mit El-Asmars Anwalt zu unterhalten, aber Dershowitz 
wußte noch nicht einmal, wer überhaupt El-Asmars Anwalt war - 
und das, obwohl er versicherte, sich durch eigene Recherchen 
sowie durch Bestätigungen von unabhängiger Seite persönlich 
von der Schuld El-Asmars überzeugt zu haben. Auf die Frage, 
warum El-Asmar aus der Administrativhaft entlassen wurde, 
wenn er doch der Anführer einer Terrorgruppe sei, antwortete 
Dershowitz: »Es gehört zur israelischen Gefängnispolitik, jeden 
Häftling nach einer angemessenen Zeit freizulassen, ganz egal 
wie gefährlich er ist.« Ein Land, das Mordkomplotte schmie- 
dende Anführer von Terrorgruppen in die Freiheit entläßt, ist 
schon etwas Besonderes. Und einen Bürgerrechtsanwalt, der 
einem staatlichen Geheimdienst so viel Vertrauen ent- 
gegenbringt, findet man auch nicht alle Tage. Nachdem sich El- 
Asmar im Ausland niedergelassen hatte (israelische Sicher- 
heitsbeamte hatten ihn während der Haft zu diesem Schritt 
»ermutigt«), konnte er sich in Israel und in den besetzten Ge- 
bieten ungehindert bewegen. Hin und wieder wurde sein Na- 
me auch in der israelischen Presse wohlwollend erwähnt. Die 
Zeitung Haar et z brachte im Jahr 1991 ein großes Porträt El- 
Asmars, in dem unter anderem daran erinnert wurde, daß er 
aus der Administrativhaft entlassen worden war, »nachdem 
man ihn fälschlicherweise beschuldigt hatte, der Volksfront für 
die Befreiung Palästinas anzugehören«. Der Artikel wies ferner 

225 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

darauf hin, daß »für die Anschuldigungen [gegen El-Asmar] 
nie Beweise vorgelegt wurden« und daß es »nie zu einem Ge- 
richtsverfahren gegen ihn gekommen ist«. Dershowitz' Auffas- 
sung, nach der es sich bei El-Asmar um einen »Terroristenan- 
führer« handelte, wurde von Haaretz ironisch kommentiert: 
»Wie es scheint, hat Israel heute keine allzu große Angst mehr 
vor El-Asmar. Wenn er, so selten wie das vorkommt, einmal für 
einen Besuch nach Israel reist, wird er noch nicht einmal mehr 
von den Sicherheitsleuten verhört, obwohl sonst so gut wie je- 
der Araber, der nach Israel zurückkommt, routinemäßig dieser 
Prozedur unterworfen wird.« 12 Während man sich in Israel 
über die einstmals gegen El-Asmar erhobenen Vorwürfe lustig 
machte, blieb Dershowitz stur bei seiner Auffassung: »Fouzi El- 
Asmar . . . saß als mutmaßlicher Terrororganisator eine Zeitlang 
in einer israelischen Haftanstalt ein, nachdem ein gefangener 
jordanischer Terrorist ausgesagt hatte, daß El-Asmar >auf den 
Gebieten Sabotage und Terrorismus sehr umtriebig< sei.« 13 

Der Fall Sami Esmail. Im Dezember 1977 verhaftete Israel ei- 
nen palästinensischen Amerikaner namens Sami Esmail am 
Flughafen von Tel Aviv. Esmaii war auf dem Weg ins Westjor- 
danland, wo er seinen Vater besuchen wollte, der im Sterben 
lag. Israel warf Esmail vor, ein Terrorist zu sein, und verurteil- 
te ihn, nachdem er ein Geständnis abgelegt hatte. Esmail gab 
jedoch an, daß man ihm dieses Geständnis abgepreßt habe. Er 
sei nackt ausgezogen und erniedrigt worden. Man habe ihn sei- 
nes Schlafes beraubt, zur Einzelhaft in eine winzige Zelle ge- 
steckt und ihn gezwungen, stundenlang einen Stuhl über sei- 
nem Kopf zu halten und sich dabei nicht vom Fleck zu rühren. 
Außerdem sei er mündlichen Drohungen ausgeliefert gewesen: 
»Du wirst einen langsamen Tod sterben ... Du wirst in dieser 
Zelle verrotten ... Wir werden deine Familie verhaften.« Er sei 
auch tätlich angegriffen worden: Man habe ihn geschlagen, ge- 
treten, geohrfeigt und an den Haaren gezogen. Erst als er 
226 



Israels Abu Ghraib 

schließlich vor lauter Angst und Erschöpfung Selbstmord- 
gedanken hegte, habe er die selbstbezichtigende Aussage ge- 
macht. Seine Anwältin war Felicia Langer, eine bekannte 
Fürsprecherin palästinensischer Häftlinge. Dershowitz und 
Monroe Freedman - ein weiterer für seine »originelle und ein- 
flußreiche Arbeit auf dem Gebiet der anwaltlichen Standes- 
regeln« gerühmter Bürgerrechtsanwalt - befaßten sich im Juni 
1978 in einem gemeinsamen Gastkommentar für die New York 
Times ausführlich mit dem Fall Esmail. 14 In seiner 1991 erschie- 
nenen Autobiographie Chuzpe beschreibt Dershowitz die ge- 
meinsame Intervention wie folgt: 

Im Jahr 1978 reiste ich gemeinsam mit einem anderen Jura- 
dozenten auf Geheiß einer Gruppe von Menschen- 
rechtsanwälten nach Israel, um Foltervorwürfen nachzuge- 
hen, die von Anhängern eines Amerikaners arabischer Her- 
kunft namens Sami Esmail erhoben wurden, dem in Israel 
gerade der Prozeß gemacht wurde, weil er in Libyen von 
der Volksfront zur Befreiung Palästinas als Terrorist ausge- 
bildet worden sei. Wir sprachen mit Esmail, seinen Anwäl- 
ten und den israelischen Behörden. Wir untersuchten sorg- 
fältig jede einzelne Behauptung und kamen zu dem Ergeb- 
nis, daß die meisten durch nichts zu belegen waren. Statt 
von der Außenwelt abgeschnitten gewesen zu sein, wie er 
behauptet hatte, war Esmail sowohl vor als auch nach dem 
Geständnis seiner Verbrechen von seinem Bruder und meh- 
reren amerikanischen Konsulatsbeamten besucht worden. 
Es gab keine Beweise für Schlafentzug und physische Fol- 
ter. 15 

Zwar ist es hier, wie in den meisten Fällen, nicht möglich, zwei- 
felsfrei nachzuweisen, daß die Verhörmethoden exakt so wa- 
ren, wie der Häftling sie beschreibt; doch die Schilderung die- 
ses Falls durch Dershowitz und Freedman in der New York Ti- 
ll! 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

mes ist ebenso wie die Schilderung in Dershowitz' Autobiogra- 
phie in wesentlichen Punkten nachweislich falsch. Dies wurde 
im Jahr 1989 deutlich, als Dershowitz und Freedman in einem 
anderen Fall, bei dem es um die Auslieferung eines weiteren 
angeblichen palästinensischen Terroristen ging, als sachverstän- 
dige Zeugen vor Gericht erschienen. (Dazu gleich mehr.) 16 

1. War Esmail von der Außenwelt abgeschnitten? In seinem im 
Jahr 1978 erschienenen Gastkommentar für die New York 
Times und in seiner 1991 erschienenen Autobiographie be- 
hauptete Dershowitz glatt, Esmail sei nie von der Außenwelt 
abgeschnitten gewesen. Doch beim Kreuzverhör der erwähn- 
ten Gerichtsverhandlung des Jahres 1989 gab Dershowitz zu, 
daß »es da sicherlich eine Zeit gab, in der Sami Esmail si- 
cherlich nicht die Möglichkeit hatte, seinen Anwalt zu sehen, 
das stimmt schon«. Auch räumte Dershowitz bei dieser Ge- 
legenheit ein, daß es eine »ziemlich ernste Sache« sei, wenn 
ein Häftling ohne jede Möglichkeit des Kontakts zur Außen- 
welt gelassen werde. 17 Auch Freedman gestand im Kreuzver- 
hör ein, daß Esmail »für einen nicht unbeträchtlichen Zeit- 
raum« von der Außenwelt abgeschnitten war und daß es 
»außer Frage« stehe, daß er (Freedman) sich »ganz schön 
Sorgen machen würde«, wenn man einem seiner eigenen 
Mandanten eine solche Behandlung angedeihen ließe. 18 

2. Hatte Langer eingewandt, daß Esmails Geständnis unter 
Zwang abgelegt worden war? Im Gastkommentar für die New 
York Times und anfänglich auch während der besagten Ge- 
richtsverhandlung im Jahr 1989 hatten Dershowitz und 
Freedman noch behauptet, Esmails Verteidigerin Felicia Lan- 
ger habe nicht »eingewandt oder sich darüber beschwert«, 
daß Esmail das Geständnis abgepreßt worden sei; auch habe 
sie »nicht behauptet, daß das Geständnis im ganzen oder im 
wesentlichen nicht beweiskräftig oder nicht zulässig sei«. 19 
Doch als Dershowitz beim Kreuzverhör 1989 mit unanfecht- 

228 



Israels Abu Ghraib 

baren Beweisen konfrontiert wurde, die seinen eigenen Aus- 
sagen genau widersprachen, mußte er schließlich doch zu- 
geben, daß Langer den Vorwurf erhoben hatte, ihrem Man- 
danten sei das Geständnis abgepreßt worden, und zwar un- 
ter anderem durch »Schläge« von israelischen Vernehmungs- 
beamten. 20 Auch Freedman gab schließlich beim Kreuzver- 
hör zu, daß Langer »bei ihren Mißhandlungsvorwürfen 
blieb«. 21 Die Behauptung, Langer habe nie eingewandt, daß 
Esmail sein Geständnis nicht aus freien Stücken abgelegt hat- 
te, ist absurd. Das zeigt schon ein Blick auf das Procedere. In 
Israel hat die Verteidigung das Recht, ein »Verfahren inner- 
halb des Verfahrens« beziehungsweise ein »kleines Verfah- 
ren« zu verlangen, wenn sie angibt, auf diese Weise die Be- 
weiskraft eines unter Zwang abgelegten Geständnisses an- 
fechten zu wollen. Es steht aktenmäßig fest, daß Langer die 
Durchführung eines »kleinen Verfahrens« beantragte und 
daß es auch durchgeführt wurde. Das Gericht entschied zwar 
gegen den Angeklagten, aber allein die Tatsache, daß es ein 
»kleines Verfahren« gegeben hat, beweist schon, daß Langer 
das Geständnis angefochten hat. Wenn Dershowitz der politi- 
schen Einstellung der Kommunistin Langer auch kritisch ge- 
genüberstand, so ließ er es sich doch nicht nehmen, ihre Pro- 
fessionalität in den höchsten Tönen zu loben. Er beschrieb 
Langer als »eine außergewöhnlich fähige Anwältin«, »eine 
sehr engagierte Anwältin, die einen hervorragenden Ruf ge- 
nießt und ihre rechtlichen Grundsätze sehr ernst nimmt. Sie 
verhandelt ihre Fälle vor Gericht sehr, sehr gut, sie ist sehr 
korrekt.« Und weiter: »Wenn sie ihre Sache im Gerichtssaal 
vorträgt, läßt sie ihre politische Meinung außen vor. Sie hält 
sich strikt an die Regeln und konzentriert sich ganz auf jeden 
einzelnen Fall. Sie ist mit ihren Fällen sehr vertraut.« 22 Lan- 
ger hat von Dershowitz (und Freedman) indes keine so hohe 
Meinung. Vielmehr bezeichnet sie die Behauptung, daß sie 
Esmails Geständnis nie angefochten habe, als »große Lüge« 

229 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

und »widerwärtige Lüge«. Im übrigen hatte Langer wegen 
der Mißhandlungen ihres Mandanten, noch bevor sie ihre 
Verteidigungsrede im »kleinen Verfahren« hielt, bei einem 
anderen israelischen Richter Beschwerde eingereicht und der 
amerikanischen Botschaft in Israel eine Kopie gegeben. 
Nachdem Langer in einem Brief an mich weitere Beispiele 
für Dershowitz' Verdrehung der Tatsachen aufgelistet hatte, 
schloß sie mit den Worten: »Ich glaube, er weiß nicht, wovon 
er spricht.« 23 Während sich Dershowitz und Freedman, wie 
sie notgedrungen einräumen mußten, bei der Arbeit von ih- 
ren eigenen politischen Interessen hatten leiten lassen, um 
Sami Esmail zu diskreditieren, hatte Langer eine ganz andere 
Rolle gespielt - eine Rolle, die Anerkennung verdient. Als 
Esmail während der besagten Gerichtsverhandlung im Jahr 
1989 gefragt wurde, ob Felicia Langer für ihn »eine zuverläs- 
sige und gewissenhafte Anwältin« gewesen sei, antwortete 
er: »Für mich war Felicia Langer wie eine Mutter. Ich sage 
das mit Stolz. Ich bin kürzlich Vater einer Tochter geworden, 
und ich habe sie nach Felicia Langer genannt. Damit möchte 
ich meine Dankbarkeit darüber zum Ausdruck bringen, daß 
sie mir das Leben gerettet hat. Für mich ist sie eine zweite 
Mutter, in jeder Hinsicht.« 24 Anläßlich des 50jährigen Be- 
stehens des Staates Israel wurde Felicia Langer im Jahr 1998 
von der israelischen Frauenzeitschrift AT (»Du«) zu einer der 
50 wichtigsten Frauen der israelischen Gesellschaft gewählt. 
Im Jahr 1990 erhielt Langer für ihre Verdienste um die Men- 
schenrechte den Alternativen Nobelpreis.* 



* Mehr zu Esmail sowie weitere Beispiele für Langers Engagement 
als Anwältin in ihrer Autobiographie: Zorn und Hoffnung, La- 
muv: Göttingen 1991. Zur Verleihung des Alternativen Nobel- 
preises siehe deren Fortsetzung, Brücke der Träume: Eine Israelin 
in Deutschland, Lamuv: Göttingen 1994. Siehe auch Hans-Dieter 
Schutt, »Nicht gegen mein Gewissen«: Gespräche mit Felicia Lan- 
230 



Israels Abu Ghraib 

Dershowitz und Freedman benutzten ihren Gastkommentar in 
der New York Times nicht nur dazu, wesentliche Aspekte im 
Fall Esmail falsch darzustellen; sie betrachteten den Beitrag 
auch als willkommene Gelegenheit, den Vorwurf, Israel foltere 
und mißhandle palästinensische Häftlinge, generell zu diskre- 
ditieren. »Behauptungen, nach denen Folter systematisch ange- 
wandt wird«, und »Behauptungen, nach denen Israel systema- 
tisch die Menschenrechte verletzt, müssen«, so der dringende 
Rat dieser zwei selbsternannten Bürgerrechtler, »mit einem ge- 
hörigen Maß an Skepsis betrachtet werden«. Zu dieser Ein- 
schätzung waren die beiden gelangt, obwohl (oder wohl doch 
eher weil) die Londoner Sunday Times umfangreiches Beweis- 
material zusammengetragen hatte, das die israelischen Behör- 
den nicht zu entkräften vermochten und das gezeigt hatte, daß 
israelische Vernehmungsbeamte arabische Gefangene schon 
seit Beginn der Besatzung »routinemäßig« mißhandelten und 
»oft« folterten. »Israels Justizsystem« ist, davon hatten sich die 
beiden persönlich überzeugen können, »eines der zivilisierte- 
sten und kultiviertesten der Welt.« Amerikanische Kommuni- 
sten zeigten sich im Hinblick auf die sowjetischen Säuberungs- 
prozesse ähnlich beeindruckt. 

Der Fall Mahmoud el-Abed Ahmad. In seiner Autobiographie 
Chuzpe präsentierte Dershowitz sein Eingreifen in der besagten 
Gerichtsverhandlung aus dem Jahr 1989, bei der es um die Aus- 
lieferung des Palästinensers Mahmoud el-Abed Ahmad [alias 
Mahmoud Abed Atta; Anm. d. Ü.] ging, wie folgt: 

Die strafrechtliche Verfolgung Sami Esmails durch Israel im 
Jahr 1978 wurde 1989 zum Gegenstand in einem amerikani- 

ger, Dietz: Berlin 2005. Weitere Ehrungen u.a.: 1990: Ehrenbürge- 
rin der Stadt Nazareth; 1991: Preis der Bruno-Kreisky-Stiftung; 
2005: Erich-Mühsam-Preis; Anm. d. Ü. 

231 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

sehen Gerichtssaal. Ein Palästinenser namens Mahmoud 
Abed Atta wurde von der israelischen Regierung beschul- 
digt, mit einem Maschinengewehr das Feuer auf einen Bus 
eröffnet zu haben, der unterwegs von Tel Aviv nach Jerusa- 
lem war, wobei er den Fahrer tötete und mehrere Fahrgäste 
verletzte. Atta wurde in den Vereinigten Staaten verhaftet, 
und Israel forderte seine Auslieferung. Er sträubte sich mit 
der Begründung, in Israel würde er gefoltert und geschlagen, 
genauso, wie Sami Esmail es von sich behauptet hatte. Sami 
Esmail, der nach einer kurzen Gefängnisstrafe von Israel auf 
freien Fuß gesetzt worden war, fungierte als Starzeuge Attas. 
Ich wurde von der US-Regierung, die das israelische Auslie- 
ferungsersuchen unterstützte, als Experte in den Zeu- 
genstand geladen. 25 

Bei seiner Zeugenaussage als »Experte«* hob Dershowitz vor 
allem auf Israels Verhörmethoden ab. Dabei muß man im Hin- 
terkopf behalten, daß er seine Aussage im Jahr 1989 machte: 
nachdem die Londoner Sunday Times 1977 nachgewiesen hatte, 
daß Israel palästinensische Häftlinge folterte und mißhandelte; 
nachdem Amnesty International und Al-Haq in ihren 1984 er- 
schienenen Berichten nachgewiesen hatten, daß Israel palästi- 
nensische Häftlinge folterte und mißhandelte; und nachdem im 
Jahr 1987 die erste Intifada ausgebrochen war und Amnesty, 
B'Tselem und andere Menschenrechtsorganisationen und auch 
israelische Printmedien darüber berichtet hatten, daß Israels 
Geheimdienst Tausende palästinensischer Häftlinge folterte 
und mißhandelte. 

Es folgen Auszüge dessen, was Dershowitz unter Eid aus- 
sagte : 



* Dershowitz fungierte hier als »expert witness«, d. h. als jemand, der 
ein Sachverständigengutachten in Form einer Zeugenaussage vor- 
trägt; Anm. d. Ü. 

232 



Israels Abu Ghraib 

»Mir stellt sich die Situation insgesamt so dar, daß die is- 
raelischen Geheimdienste, um Geständnisse zu bekommen, 
überwiegend mit Tricks arbeiten, und daß diese Tricks dafür 
sorgen, daß der Verhörte annehmen und befürchten muß, 
daß körperlich Druck auf ihn ausgeübt werden wird... Die 
härtesten Methoden bei dem Versuch, einen Verhörten zum 
Aussagen zu bewegen, zielen darauf ab, ihm Angst einzuja- 
gen und ihm einzureden, daß ihm eine schlimmere Zeit be- 
vorsteht, als es dann in Wirklichkeit der Fall sein wird; das 
gilt sowohl für das Entlocken von Geständnissen, die vor Ge- 
richt verwendet werden, als auch - ja, vor allem - für das 
Sammeln von Informationen, die im Kampf gegen den Terro- 
rismus benutzt werden.« 

»Alle meine Informationsquellen haben die Frage, ob bei 
dem Versuch, Geständnisse zu erhalten, tatsächlich Folter im 
Sinne von direkter Gewaltanwendung, also direkter Zufü- 
gung von Schmerzen, zum Einsatz kommt, mit Nachdruck 
verneint. Sie gaben aber zu, daß Folterandrohungen und die 
Angst vor Folter eine Rolle spielen ... Die tatsächliche An- 
wendung körperlicher Folter im Sinne der unmittelbaren Zu- 
fügung von Schmerzen, um auf diese Weise eine Aussage 
oder ein Geständnis zu erhalten, ist sowohl nach israelischem 
Recht als auch nach den internen Richtlinien des [Inlandge- 
heimdienstes Shin Bet] verboten, und das war sie schon im- 
mer.« 

»Kein einziger Anwalt oder Professor, mit dem ich gespro- 
chen habe, behauptet, daß Folter in dem Sinne, wie ich sie 
definiert habe - also die direkte Zufügung körperlicher 
Schmerzen zur Erlangung von Aussagen oder Geständnis- 
sen-, eingesetzt wird.« 

»Es kommt zwar gelegentlich vor, daß die Leute vom Shin 
Bet den Verhörten schubsen, also Körperkontakt herstellen, 
aber dieses Berühren ist wohldosiert und dient nur dazu, 
dem Verhörten klarzumachen, daß die Vernehmungsbeam- 

233 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ten bei der Herstellung des Körperkontakts keine große Hür- 
de zu überwinden haben... [Es handelt sich dabei] nicht um 
Folter im Sinne von Schmerzzufügung um des Schmerzes 
willen, . . . sondern es geht den Vernehmungsbeamten darum, 
dem Verhörten glaubwürdig zu vermitteln, daß sie willens 
und in der Lage sind, den Körperkontakt auszuweiten.« 26 

Kurzum, Dershowitz sagte unter Eid aus, daß die »härtesten« 
Methoden, derer sich israelische Vernehmungsbeamte bedie- 
nen, »Tricks« sind, wobei die Vernehmungsbeamten die Ver- 
hörten zwar »gelegentlich« mal »schubsen« oder anderweitig 
»Körperkontakt« herstellen, ihnen jedoch nur Angst einflößen 
und keine Schmerzen zufügen. Nachdem Dershowitz dem Ge- 
richt die israelischen Verhörmethoden aus seiner Sicht geschil- 
dert und - den Konsens von Menschenrechtsorganisationen und 
einzelnen Experten ignorierend - zu Protokoll gegeben hatte, 
daß die israelischen Verhörmethoden nicht den Tatbestand der 
Folter erfüllen, hatte der Richter eine Frage. Er wollte wissen, 
ob der Experte Dershowitz also der Auffassung sei, daß es recht- 
lich nicht den Tatbestand der Folter erfülle, sondern lediglich 
»unmenschliche« Behandlung darstelle, wenn »ein Mensch für 
lange Zeit ohne jede Möglichkeit des Kontakts zur Außenwelt 
gelassen wird; wenn er erniedrigt wird; wenn ihm kalte Du- 
schen verabreicht werden; wenn man ihn bezüglich dessen, 
was ihn körperlich erwartet, belügt; und wenn man dafür sorgt, 
daß er Angst vor tätlichen Angriffen hat«. Darauf Dershowitz: 
»Diese Frage kann ich nicht mit Ja beantworten.« 27 In seiner Au- 
tobiographie schrieb Dershowitz mit stolzgeschwellter Brust: 
»Unter Bezug auf meine Aussage kam der Richter zu dem 
Schluß, daß das im Verlauf der Auslieferungsanhörung vorge- 
legte Beweismaterial zeige, daß es unwahrscheinlich sei, daß 
Atta gefoltert würde ... Es wurde angeordnet, Atta für den Pro- 
zeß an Israel auszuliefern.« 28 Stalinistische Schreiberlinge hätten 
Dershowitz' Auftritt an sich bestimmt gar nicht übel gefunden, 
234 



Israels Abu Ghraib 

aber sein Eigenlob hätte vermutlich noch dem Abgestumpfte- 
sten unter ihnen die Schamesröte ins Gesicht getrieben. 

»Ein tyrannisches Regime zeichnet sich«, wie Alan Dershowitz 
anmerkt, »durch die Anwendung von Folter aus.« 29 Demnach 
müßte er eigentlich recht gut nachvollziehen können, warum 
die Palästinenser die israelische Besatzung als Tyrannei emp- 
finden, nur daß er in Plädoyer für Israel immer noch abstreitet, 
daß Israel palästinensische Häftlinge foltert. Die Abschnitte 
»Gelegentlicher Mißbrauch«, »Amnesty lügt«, »Folter light«, 
»Ein körperliches Leiden«, »Tickende Bombe«, »Doppelmoral« 
und »Gefoltert wird nicht mehr« veranschaulichen, mit wel- 
chen Mitteln Dershowitz versucht, die von Menschenrechts- 
organisationen erhobenen Vorwürfe zurückzuweisen. 

Gelegentlicher Mißbrauch 

Im September 1999 fällte Israels Oberstes Gericht ein Urteil zur 
Folterung palästinensischer Häftlinge. 30 In Plädoyer für Israel 
(S. 219) berichtet Dershowitz: 

Vor dieser höchstrichterlichen Entscheidung hatten israeli- 
sche Sicherheitskräfte sich gegen mutmaßliche Terroristen 
zuweilen physischer Maßnahmen ähnlich derer, wie die USA 
sie einsetzen, bedient. (Hervorhebung NGF) 

Diese physischen Maßnahmen bezeichnet Dershowitz als »eine 
gemäßigte Art nichttödlicher Folter«*. Sparen wir uns den 



* Änderung entsprechend dem amerikanischen Original (»a modi- 
fied form of nonlethal torture«; Alan M. Dershowitz, The Casefor Isra- 
el, Hoboken/New Jersey 2003, S. 134). In der deutschen Ausgabe ist 
dieser Ausdruck mit »irgendeine Art von Folter ..., und wir sprechen 
hier von nicht tödlicher Folter« (S. 218f.) wiedergegeben; Anm. d. Ü. 

235 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Kommentar zu Dershowitz' Euphemismus. Wichtiger ist: Aus 
den einschlägigen Menschenrechtsberichten geht eindeutig 
hervor, daß Israel nicht nur »zuweilen«, sondern routinemäßig 
zu Foltermethoden griff: 

Amnesty International 31 

1991 »Tausende Palästinenser wurden als Straf maßnähme 
mit Schlägen traktiert oder in anderer Weise gefoltert 
oder mißhandelt.« 

1992 »Palästinenser waren bei Verhören systematischen Fol- 
terungen und Mißhandlungen ausgesetzt.« 

1993 »Palästinenser sahen sich bei Verhören systematischen 
Folterungen und Mißhandlungen ausgesetzt.« 

1994 »Palästinenser waren während der Verhöre systemati- 
schen Folterungen und Mißhandlungen ausgesetzt.« 

1995 »Nach wie vor sahen sich Häftlinge während der Ver- 
höre systematischen Folterungen ausgesetzt.« 

1996 »Nach wie vor sahen sich Palästinenser während der 
Verhöre systematischen Folterungen oder Mißhand- 
lungen ausgesetzt.« 

1997 »Nach wie vor wurden Palästinenser während der Ver- 
höre systematisch gefoltert und mißhandelt und dieses 
Vorgehen [wurde] von offizieller Seite sanktioniert.« 

1998 »Folterungen und Mißhandlungen während der Ver- 
höre fanden nach wie vor systematisch statt und wur- 
den von offizieller Seite sanktioniert.« 

1999 »Folterungen und Mißhandlungen an aus Sicherheits- 
gründen festgenommenen Personen während der Ver- 
höre waren nach wie vor weitverbreitet und wurden 
von offizieller Seite sanktioniert.« 

In einer 2003 veröffentlichen Studie zum Thema Folter berich- 
tete Amnesty: »Seit 1967 haben die israelischen Sicherheits- 

236 



Israels Abu Ghraib 

dienste in den besetzten Gebieten Palästinenser, die sie politi- 
scher Vergehen bezichtigten, routinemäßig gefoltert.« 32 

Human Rights Watch 

»Die beiden wichtigsten israelischen Vernehmungsdienste in 
den besetzten Gebieten greifen bei dem Versuch, den aus Si- 
cherheitsgründen festgenommenen Palästinensern Geständ- 
nisse abzupressen oder ihnen Informationen über Dritte zu ent- 
locken, ganz systematisch zu Methoden, die nach der interna- 
tional gültigen Definition als Mißhandlung und Folter zu be- 
zeichnen sind.« 

»Fast alle Palästinenser, die Verhören unterzogen werden, 
müssen die gängigen Methoden in der einen oder anderen 
Kombination über sich ergehen lassen . . . Die Zahl der Palästi- 
nenser, die bei Verhören während der Intifada gefoltert oder 
schwer mißhandelt wurden, bewegt sich daher in einer Größen- 
ordnung von mehreren Zehntausend - eine Zahl, deren Bedeu- 
tung erkennbar wird, wenn man sich vor Augen führt, daß es 
im Westjordanland und im Gazastreifen zusammengenommen 
weniger als eine Dreiviertelmillion palästinensischer Männer 
und männlicher Jugendlicher gibt.« 33 

B'Tselem 

»Die Vernehmungsbeamten des Shin Bet haben Tausende, 
wenn nicht gar Zehntausende Palästinenser gefoltert.« 

»Bei rund 85 Prozent der vom Shin Bet verhörten Personen 
wurden Methoden angewandt, die den Tatbestand der Folter 
erfüllen.« 34 

Amnesty lügt 

Mit Bezug auf die Entscheidung des Obersten Gerichts in Israel 
vom September 1999 35 schreibt Dershowitz in Plädoyer für Isra- 
elis. 222): 

237 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Im Lichte dieser mutigen Entscheidung nimmt es sich wie 
eine Ironie aus, daß sich im Mai 1999 die holländische Sekti- 
on von Amnesty International öffentlich dagegen aussprach, 
dem Autor dieser und vieler weiterer Menschenrechtsurteile 
einen Menschenrechtspreis zuzuerkennen. Man hörte auf 
palästinensische Behauptungen und entschied, »die Ent- 
scheidungen des Israelischen Höchsten Gerichts [seien] vom 
Standpunkt der Menschenrechte gesehen ... verheerend ge- 
wesen«. Insbesondere behauptete Amnesty International, 
»Israel [sei] das einzige Land der Welt, das die Folter effek- 
tiv legalisiert« habe. Es braucht nicht weiter zu überraschen, 
daß so einige Verfechter der Menschenrechte den Glauben 
verloren haben, was Amnesty Internationais Objektivität 
anbelangt, wenn es um die Berichterstattung über Israel 
geht. 

Wie aber war es um die rechtlichen Bestimmungen für die is- 
raelische Folterpraxis vor der Gerichtsentscheidung vom Sep- 
tember 1999 bestellt, als Amnesty den Einwand äußerte? Die 
Verhörmethoden, die der israelische Inlandgeheimdienst Shin 
Bet bei palästinensischen Häftlingen anwandte, stützten sich 
auf die 1987 ausgesprochenen geheimen Empfehlungen einer 
gerichtlichen Kommission unter der Führung von Moshe Lan- 
dau, einem Richter des Obersten Gerichts im Ruhestand. 36 »Die 
Kommission sorgte am Ende dafür, daß die Anwendung von 
Folter legitimiert wurde«, so B'Tselem. 37 Die von der Kommis- 
sion empfohlenen Methoden (die im Nachhinein »noch weiter 
verbessert« wurden) wurden »systematisch« angewandt und 
außerhalb Israels übereinstimmend als »Folter« bewertet. 38 Der 
Mann, dem der Menschenrechtspreis verliehen werden sollte, 
war der Präsident des Obersten Gerichts, Aharon Barak - einer 
der gewichtigsten Befürworter der Landau-Empfehlungen, die 
die Anwendung von Folter billigten. Barak war der Auffas- 
sung, daß »die von der Landau-Kommission vorgeschlagene 
238 



Israels Abu Ghraib 

Lösung der Probleme, vor die sich der Shin Bet bei Verhören 
gestellt sieht, >angemessen ist<«. 39 Das Gericht fällte denn auch 
eine ganze Reihe von Urteilen, »die es dem Shin Bet erlauben, 
körperliche Gewalt anzuwenden und einige weitere spezifische 
>Druckmittel< einzusetzen ... Israels Oberstes Gericht hat sich 
auf die Seite der Regierung gestellt und die Anwendung von 
Gewalt gegen Häftlinge sanktioniert.« 40 B'Tselem gelangte zu 
dem gleichen Ergebnis wie Amnesty: »Israel war das einzige 
Land der Welt, das Folter gerichtlich sanktionierte.« 41 

Dershowitz nimmt die Gerichtsentscheidung vom Septem- 
ber 1999 mehrfach zum Anlaß, Israel Lob und Anerkennung 
auszusprechen: »Israel ist das einzige Land der Welt, dessen 
Gesetzgeber sich dem schwierigen Problem gestellt hat, ob es je 
gerechtfertigt sein könnte, auch nur [eine gemäßigte Art nicht- 
tödlicher Folter]* zur Erpressung von Informationen an- 
zuwenden« (S. 218; siehe auch S. 295, 318). Wenn aber Israel 
das einzige Land der Welt war, das dafür sorgte, daß sich sein 
Oberster Gerichtshof mit der Rechtmäßigkeit der Anwendung 
von Folter befaßte, so liegt das daran, daß Israel auch das ein- 
zige Land der Welt war, das die Anwendung von Folter zu- 
nächst einmal legalisiert hatte. Außerdem: Hätten die Men- 
schenrechtsorganisationen, über die Dershowitz in Plädoyer für 
Israel herzieht, nicht den nötigen Druck ausgeübt, hätte sich 
das Oberste Gericht gar nicht erst mit der Angelegenheit be- 
faßt: 

Eine große Antifolterkampagne wurde gestartet. Auf der 
nationalen Ebene führte sie unter anderem dazu, daß einige 
Fälle vor Gericht gebracht wurden und Menschenrechts- 
anwälte beim Obersten Gericht Anträge einreichten. Auf 
der internationalen Ebene ging es unter anderem darum, die 



Änderung entsprechend dem Original, siehe Fußnote S. 235; Anm. 
d. Ü. 

239 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 




Abb. 5: Demütigung während des Verhörs. Public Committee Against 
Tortur e in Israel, Back to a Routine of Torture: Torture and Ill-treat- 
ment of Palestinian Detainees during Arrest, Detention and Inter- 
rogation, September 2001 - April 2003, Jerusalem, April 2003, S. 51. 



Abb. 6: »Shabeh«, eine 
typische Foltermethode. 
Public Committee 
Against Torture in Israel, 
Back to a Routine of 
Torture, S. 55. 

240 




Israels Abu Ghraib 

internationale Öffentlichkeit zu mobilisieren. Gleichzeitig 
wurde die Folterpraxis auch von UN-Organen und - 
Einrichtungen stärker unter die Lupe genommen, so bei- 
spielsweise vom Ausschuß gegen Folter und vom Men- 
schenrechtsausschuß. Auf diese Weise wurde der Druck auf 
das Oberste Gericht verstärkt. Bis zum Jahr 1998 hatte dieses 
es im großen und ganzen immer wieder akzeptiert, wenn die 
Sicherheitskräfte ihr Vorgehen damit rechtfertigten, daß ge- 
wisse Verhörmethoden im Kampf gegen den »Terrorismus« 
»unerläßlich« seien. 42 

Folter light 

Dershowitz schreibt in Plädoyer für Israel (S. 223f.) bezüglich 
der von Israel bei palästinensischen Häftlingen angewandten 
»Verhörmethoden«, daß sie 

weltweit als Folter [bezeichnet wurden], obwohl sie in kei- 
nem der Fälle tödlich endeten und obwohl man den Betrof- 
fenen nicht über längere Zeiträume hinweg Schmerzen zu- 
fügte. 

Lassen wir einmal beiseite, daß »Verhörmethoden«, deren Ab- 
sicht es ist, den Tod des Befragten herbeizuführen, ihren 
Zweck zu verfehlen scheinen, und daß wir uns bei einer beab- 
sichtigten Herbeiführung des Todes nicht mehr über Folter, 
sondern über außergerichtliche Tötungen zu unterhalten hät- 
ten. Bleibt die Frage: Stimmt es, daß man den Gefangenen 
»nicht über längere Zeiträume hinweg Schmerzen zufügte«? 
Israel erkennt an, daß es dem (aus zehn Experten zusammen- 
gesetzten) UN-Ausschuß gegen Folter obliegt, die Antifolter- 
konvention zu interpretieren. Im Mai 1997 zeigte der Aus- 
schuß zwar ausdrücklich Verständnis für »das schreckliche 
Dilemma, dem Israel sich bei dem Versuch, gegen terroristi- 

241 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

sehe Bedrohungen vorzugehen, ausgesetzt sieht«; doch gleich- 
zeitig hielt der Ausschuß - in einem Urteil, das Dershowitz 
selbst zitiert (S. 224) - fest, daß Israels »Verhörmethoden ... 
gemäß Artikel 1 der Konvention den Tatbestand der Folter er- 
füllen«. 43 Im selben Jahr stellte einer der führenden Experten 
auf dem Gebiet, UN-Sonderberichterstatter über Folter Nigel 
Rodley, in seinem Jahresbericht an die UN-Menschenrechts- 
kommission ebenfalls klar, daß Israels Verhörmethoden »nur 
als Folter bezeichnet werden können«. Es könne wohl sein, so 
Rodley, daß jede dieser Methoden für sich genommen »mögli- 
cherweise keine besonders starken Schmerzen hervorruft und 
dem Gefangenen auch anderweitig kein großes Leid zufügt«. 
Aber »wenn diese Methoden zusammen zum Einsatz kommen 
- und sie werden oft miteinander kombiniert -, so ist davon 
auszugehen, daß sie dem Häftling sehr wohl starke Schmerzen 
bereiten und großes Leid zufügen, vor allem, wenn diese Me- 
thoden über einen längeren Zeitraum hinweg, etwa für mehre- 
re Stunden, angewandt werden. Und offenbar werden sie in 
der Tat bisweilen mehrere Tage hintereinander, ja sogar über 
Wochen angewandt.« 44 B'Tselem hält fest, daß »Israel bislang 
keinen einzigen internationalen Experten und keine einzige 
internationale Organisation davon überzeugen konnte, daß 
diese Methoden keine Folterungen oder Mißhandlungen dar- 
stellen«. Wie B'Tselem anmerkt, hat eine im Jahr 1998 durchge- 
führte Umfrage ergeben, daß selbst 76 Prozent der Israelis der 
Meinung sind, daß diese Methoden als Folter zu bezeichnen 
sind. 45 Und schließlich hat auch Israels Oberstes Gericht in ei- 
ner wegweisenden - und von Dershowitz gepriesenen - Ent- 
scheidung über Folter festgehalten, daß die beim Verhör palä- 
stinensischer Häftlinge angewandten Methoden »Schmerz und 
Leid verursachen«. 46 



242 



Israels Abu Ghraib 
Ein körperliches Leiden 

Um zu beweisen, daß die israelischen »Verhörmethoden« »in 
keinem der Fälle tödlich endeten und . . . man den Betroffenen 
nicht über längere Zeiträume hinweg Schmerzen zufügte«, 
teilt Dershowitz in Plädoyer für Israel (S. 405 Anm. 9) am Ran- 
de mit: 

In einem Fall starb ein Gefangener beim »Schütteln«; eine 
unabhängige Untersuchung ergab jedoch, daß der Tod als 
Folge eines körperlichen Leidens eintrat, das den Verhör- 
spezialisten nicht bekannt war. Siehe dazu Public Committee 
Against Torture, HCT (Israelischer Oberster Gerichtshof) 
5100/94. 

Wie Menschenrechtsorganisationen berichten, ist es indes schon 
oft vorgekommen, daß palästinensische Häftlinge die israeli- 
schen Verhöre nicht überlebten. So schreibt etwa Amnesty In- 
ternational im Jahresbericht 1993 (»Israel und besetzte Gebie- 
te«): »Palästinenser sahen sich bei Verhören systematischen Fol- 
terungen und Mißhandlungen ausgesetzt. Der Tod von vier 
Häftlingen stand in direktem Zusammenhang mit ihrer Be- 
handlung während der Verhöre.« Und nach Aussagen von 
PCATI »kamen während der ersten Intifada etwa 20 palästi- 
nensische Häftlinge bei Verhören und in der Haft unter frag- 
würdigen Umständen ums Leben«. 47 

Im April 1995 starb der palästinensische Häftling Abd al- 
Samad Harizat, nachdem er während eines israelischen Verhörs 
ins Koma gefallen war. Die israelischen Behörden versuchten 
zunächst, Harizats Tod auf ein bereits bestehendes körperliches 
Leiden zurückzuführen. »Doch es war nun einmal so, daß Abd 
al-Samad Harizat bis zu seinem plötzlichen Tod in guter kör- 
perlicher Verfassung war«, wie Amnesty International betonte. 
Dr. H. Kugel und Dr. B. Levi vom Institut für Forensische Me- 

243 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

dizin in Tel Aviv nahmen die amtliche Autopsie vor, während 
ein an der Universität Dundee (Schottland) lehrender Professor 
für Forensische Pathologie, Dr. D. Pounder, der Autopsie stell- 
vertretend für die Familie beiwohnte. Pounder führte Harizats 
Tod auf eine Gehirnblutung zurück, die durch »plötzliche, 
ruckartige Bewegungen des Kopfes« - mit anderen Worten: 
durch »gewaltsames Schütteln« - ausgelöst worden sei. Die 
beiden forensischen Pathologen aus Israel stellten in ihrem Au- 
topsiebericht ebenfalls fest, daß Harizat an einem »durch 
schnelle Rotationsbewegungen des Kopfes verursachten Hirn- 
schaden« gestorben war. Der kriminalpolizeiliche Bericht kam 
ebenfalls zu dem Ergebnis, daß Harizat »das Bewußtsein ver- 
lor«, nachdem die Vernehmungsbeamten ihn viele Male »hef- 
tig geschüttelt« hatten. Das »Expertengutachten«, das der Di- 
rektor des Instituts für Forensische Medizin, Dr. Y. Hiss, zu 
dem amtlichen Autopsiebericht verfaßte, führte Harizats Tod 
ebenfalls auf einen »durch Schütteln verursachten . . . tödlichen 
Hirnschaden« zurück. 48 Das israelische Justizministerium stell- 
te ebenfalls fest, daß Harizats Tod »auf schnelles Drehen des 
Kopfes zurückzuführen ist«. 49 Der von Dershowitz zitierten 
Entscheidung des Obersten Gerichts (HCT 5100/94) ist eben- 
falls zu entnehmen, daß »alle übereinstimmend feststellen«, 
daß Harizat »verschied, nachdem er geschüttelt wurde«. 50 Eine 
»unabhängige Untersuchung«, die ergeben hätte, daß Harizats 
Tod »als Folge eines körperlichen Leidens eintrat, das den Ver- 
hörspezialisten nicht bekannt war«, wird in der Gerichts- 
entscheidung nicht erwähnt. Nach allem, was bekannt ist, hat 
es diese »unabhängige Untersuchung« nie gegeben. 



244 



Israels Abu Ghraib 
Tickende Bombe 

In Plädoyer für Israel (S. 227) schreibt Dershowitz, daß der 
Zweck der bei palästinensischen Häftlingen angewandten israe- 
lischen Verhörmethoden die »Erzwingung lebensrettender In- 
formationen« sei. 51 

»Die >speziellen< Verhörmethoden waren« jedoch, wie Pro- 
fessor David Kretzmer von der Hebräischen Universität in einer 
wichtigen wissenschaftlichen Studie schrieb, »bei Vernehmun- 
gen von Palästinensern praktisch an der Tagesordnung, zu- 
mindest waren sie keineswegs auf den klassischen Fall einer 
>tickenden Bombe< beschränkt.« 52 Zwar bedient sich die israe- 
lische Regierung »oft... des furchterregenden Szenarios einer 
>tickenden Bombe <, um gewalttätige Verhörmethoden durch 
den Shin Bet zu rechtfertigen«, doch ist diese Behauptung, wie 
B'Tselem umfangreich belegt hat, »in den meisten Fällen ... 
vollkommen unbegründet«. Der Shin Bet behauptet, daß er pa- 
lästinensische Häftlinge über längere Zeiträume hinweg ihres 
Schlafes berauben muß, um die Gefahr einer »tickenden Bom- 
be« abzuwenden. B'Tselem hat jedoch folgende Beobachtung 
gemacht: »Die tödliche Bombe tickt werktags vor sich hin. Zum 
Wochenende stellt die Bombe das Ticken dann wie durch Zau- 
berhand ein, und sie fängt erst wieder zu ticken an, wenn die 
Vernehmungsbeamten nach ihrem Ruhetag an ihre Arbeitsstät- 
te zurückgekehrt sind.« 53 

»In Wirklichkeit war die Anwendung von Folter«, so B'Tse- 
lem in einer anderen Studie, »nicht nur nicht auf Personen be- 
schränkt, die >tickende Bombern gelegt hatten«: 

Die Folter war noch nicht einmal auf Personen beschränkt, 
die der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung 
verdächtigt wurden. Ebensowenig war sie auf Personen be- 
schränkt, denen Israel vorwarf, eine Straftat begangen zu ha- 
ben. Zu dem vom Shin Bet regelmäßig gefolterten Personen- 

245 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

kreis gehörten: politische Aktivisten islamischer Bewe- 
gungen; Studenten, die Israel verdächtigte, pro-islamisch 
gesinnt zu sein; weise Männer, Scheichs und religiöse Füh- 
rer; Personen, die sich in islamischen Wohltätigkeitsorgani- 
sationen engagierten; Brüder und andere Verwandte von 
Personen, nach denen gefahndet wurde (um auf diese Wei- 
se zu versuchen, an Informationen über sie heranzu- 
kommen); Palästinenser, die in Berufen arbeiteten, die ih- 
nen die Herstellung von Sprengsätzen erleichtern könnten 
- eine nahezu endlose Liste von Personen. Es kam auch öf- 
ter vor, daß Frauen, deren Männer im Gefängnis saßen, 
festgenommen wurden; um den Druck auf die Häftlinge 
noch zu erhöhen, mißhandelten die Vernehmungsbeamten 
sogar deren Ehefrauen. Auch um Kollaborateure zu rekru- 
tieren, griffen die Mitarbeiter des Shin Bet zu Folter- 
methoden. 

Schließlich betont B'Tselem noch, daß diejenigen, die behaup- 
ten, Folter sei in einer Situation mit »tickender Bombe« unver- 
zichtbar, »nicht den geringsten Beweis dafür vorgelegt haben, 
daß die Anwendung körperlicher Gewalt bei der Verhinderung 
von Anschlägen das einzige oder das wirkungsvollste Mittel 
darstellt«. 54 

Doppelmoral 

Bezüglich der israelischen Verhörmethoden schreibt Dersho- 
witz in Plädoyer für Israel (S. 220, 298): 

England setzte bei der Befragung mutmaßlicher irischer 
Terroristen ähnliche Taktiken ein, wie man sie in Israel 
eingesetzt hatte - unbequeme Körperhaltungen, laute Mu- 
sik, Kapuzen usw. Aber nur Israel wurde wiederholt und 
derart bösartig für eine Praxis an den Pranger gestellt, die 

246 



Israels Abu Ghraib 

gegenwärtiges israelisches Recht nicht einmal mehr zu- 
läßt. 

Israel... [hat] sich ... weit enger an das Prinzip der Rechts- 
herrschaft gehalten ... als irgendein anderes Land, das sich 
einer vergleichbaren Bedrohung gegenübersah. 

Lassen wir einmal beiseite, was »gegenwärtiges israelisches 
Recht« zuläßt. 55 In einem Bericht vom Januar 2000 unterzog 
B'Tselem die israelische Folterpraxis in den besetzten palästi- 
nensischen Gebieten einem systematischen Vergleich mit der 
britischen Folterpraxis in Nordirland. Die Ergebnisse sind es 
wert, hier ausführlicher zitiert zu werden: 

In den frühen 1970er Jahren durchlebte Nordirland die 
gewalttätigste Phase seiner jüngeren Geschichte: Von 1971 
bis März 1975 wurden mehr als 1100 Personen getötet und 
11500 weitere verletzt. Allein in den Jahren 1971 und 1972 
explodierten 1130 Bomben, die von einer bewaffneten 
Gruppe, der IRA, gelegt worden waren. Im Jahr 1971 setz- 
ten die britischen Sicherheitskräfte in Nordirland gegen 14 
mutmaßliche IRA-Mitglieder kurzzeitig gewaltsame Ver- 
hörmethoden ein. Diese »Fünf Vernehmungstechniken« 
waren Gegenstand der Klage Irland v. Vereinigtes König- 
reich [vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschen- 
rechte] . . . 

Die vom Shin Bet angewandten Methoden sind denen, de- 
rer sich die Briten im Jahr 1971 bedienten, vergleichbar: 
Schlafentzug, Zufügung körperlicher Schmerzen, Sinnes- 
beraubung. Da der Shin Bet diese Methoden jedoch über ei- 
nen längeren Zeitraum anwandte, hatte dies weitaus stär- 
kere Schmerzen und größeres Leid zur Folge. Zusätzlich 
wandte der Shin Bet auch direkt Gewalt an ... Von daher 

247 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

steht fest, daß ... die Methoden des Shin Bet in der Praxis 
sehr viel schlimmere Auswirkungen hatten als die Metho- 
den, die die Briten im Jahr 1971 anwandten . . . 

Hinzu kommt, daß die britische Regierung bereits im März 
1972 - mitten in einer Welle von Terroranschlägen und noch 
bevor der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit 
seiner Entscheidung den Einsatz der »Fünf Vernehmungs- 
techniken« verbot - bekanntgab, daß diese Methoden nicht 
länger angewandt würden . . . 

Das heißt also, Israel hielt im Jahr 1999 an Verhörmethoden 
fest, die Großbritannien 1971, 28 Jahre zuvor, nur für sehr 
kurze Zeit und bei lediglich 14 Personen angewandt hatte, 
und die überdies unverzüglich eingestellt und absolut ver- 
boten wurden. Seitdem ist das Verbot von Folter und Miß- 
handlung in der europäischen und internationalen Ge- 
setzgebung wie auch im Fallrecht kontinuierlich gestärkt 
worden... 

Die Terroranschläge in England und Nordirland wurden in 
den 1970er Jahren keineswegs eingestellt. Dennoch wurde 
der Gefangenenschutz stetig verbessert . . . Dies hatte zur Fol- 
ge, daß die Zahl von Beschwerden über Folterungen und 
Mißhandlungen stark zurückging. 

»Der normative Unterschied zwischen Israel und anderen de- 
mokratischen Ländern läßt sich daran ablesen, inwieweit bei 
Verhören Foltermethoden zum Einsatz kommen«, stellt B'Tse- 
lem abschließend fest. »Während Israel routinemäßig Tausende 
foltert, ist Folter in anderen liberalen Demokratien eine Selten- 
heit. Der Rückgriff auf Foltermethoden ist dort die große Aus- 
nahme.« 56 



248 



Israels Abu Ghraib 
Gefoltert wird nicht mehr 

Im Hinblick auf die israelische Gerichtsentscheidung vom 6. 
September 1999 schreibt Dershowitz in Plädoyer für Israel 
(S.328): 

[Der] Oberste Israelische Gerichtshof [hat] den Einsatz jeg- 
lichen physischen Drucks verboten, um potentiellen Terro- 
risten Informationen abzupressen. Israel ist das einzige Land 
im Nahen Osten, das jede Art von Folter abgeschafft hat, und 
zwar sowohl gesetzlich als auch in der Praxis. 57 

Im Jahr 2002 hatte Dershowitz hingegen selbst zugegeben, daß 
diese Gerichtsentscheidung keineswegs ein absolutes Folter- 
verbot bedeutete: »Das Oberste Gericht ließ die Möglichkeit 
offen, daß ein Geheimdienstmitarbeiter seine härtere Gangart 
bei einem Verhör dadurch rechtfertigte, daß er angab, ehrlich 
davon überzeugt gewesen zu sein, Menschen, deren Leben un- 
mittelbar in Gefahr war, nur auf diese Weise retten zu kön- 
nen.« 58 PCATI führte daneben noch weitere Gesetzeslücken 
auf: 

Das Gericht hat es vermieden, sich am Völkerrecht zu ori- 
entieren und Folter in jeder Situation zu verbieten. Somit 
können sich Folterer, vorausgesetzt, daß gerade irgendwo 
»eine Bombe tickt«, nach wie vor auf ihre »Notwehrsitua- 
tion« berufen. Dadurch wird die tatsächliche Anwendung 
von Folter nicht nur ermöglicht, sondern diesem verab- 
scheuungswürdigen Verbrechen wird durch die Gerichts- 
entscheidung überdies auch noch rechtliche und ethische Le- 
gitimität verliehen. Das Gericht hat es, wenn auch mit Ein- 
schränkungen, für zulässig befunden, daß Häftlinge ihres 
Schlafes beraubt und über längere Zeiträume hinweg gefes- 
selt werden. So wurden gesetzliche Schlupflöcher geschaffen, 

249 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

die sich der Shin Bet umgehend zunutze machte, um seinen 
Folter- und Mißhandlungsmethoden einen legalen Anstrich 
zu geben. Im Endergebnis bedeutet dies, daß palästinensi- 
sche Häftlinge immer noch nicht vor Folter und Mißhand- 
lung sicher sind. 59 

Zwar »machten die Vernehmungsbeamten in den Tagen nach 
der Entscheidung des Obersten Gerichts vom 6. September sel- 
ten bis gar nicht von Foltermethoden Gebrauch« 60 ; doch wie 
PCATI später in einer wichtigen Studie feststellte, sollte der 
Shin Bet - mit freundlicher Unterstützung des Obersten Ge- 
richts - die systematische Folterpraxis gegenüber palästinensi- 
schen Häftlingen schon bald wieder aufnehmen: »Von den Er- 
rungenschaften der Gerichtsentscheidung aus dem Jahr 1999, 
die der weitverbreiteten Folterpraxis und den allgegenwärti- 
gen Mißhandlungen eigentlich ein Ende hätte bereiten sollen, 
... ist nicht mehr viel übrig. Das liegt nicht zuletzt daran, daß 
das Oberste Gericht nicht willens ist, internationalen Stan- 
dards, die Folter und Mißhandlungen unter allen Umständen 
verbieten, Geltung zu verschaffen ... Anstatt ihren Pflichten 
als Hüter und Beschützer des Gesetzes nachzukommen, sor- 
gen das Oberste Gericht, die Staatsanwaltschaft und der Gene- 
ralstaatsanwalt* gemeinsam dafür, daß der Shin Bet in seinen 
Folterkammern ungestört weiterarbeiten kann.« Und noch 
einmal: »Die Errungenschaften der Entscheidung des Obersten 
Gerichts aus dem Jahr 1999 wurden zunichte gemacht.« 
PCATI schätzte: »Jeden Monat werden Hunderte von Palästi- 
nensern in der einen oder anderen Form gefoltert oder ander- 
weitig grausam und unmenschlich behandelt oder erniedrigt.« 
PCATI kam zu dem Ergebnis, daß Foltermethoden wieder 
»systematisch und routinemäßig« angewandt werden und daß 



* Der Generalstaatsanwalt ist der oberste Justizbeamte Israels; Anm. 

d.U. 
250 



Israels Abu Ghraib 

»Shin-Bet-Agenten die palästinensischen Häftlinge, die sie ver- 
hören, routinemäßig foltern, erniedrigen und anderweitig miß- 
handeln«. Die Zahl derer, »die in keiner Weise mißhandelt 
wurden, ist verschwindend gering«. 61 In einer im Jahr 2003 ver- 
öffentlichten Studie stellte Amnesty International ebenfalls fest, 
daß »viele der altbekannten Methoden wiederaufgenommen« 
worden waren: »Daß der Shin Bet die Palästinenser bei seinen 
Verhören folterte, war nun wieder die gängige Praxis.« 62 

Über die systematische Folter palästinensischer Häftlinge hin- 
aus haben Menschenrechtsorganisationen dokumentiert, daß 
die Palästinenser auch im Alltag routinemäßig brutal behan- 
delt werden. »Während der ersten Wochen der Intifada wur- 
den«, wie Amnesty International in einer 2001 veröffentlichten 
Studie berichtete, »mehr als tausend Menschen - Palästinenser 
aus den besetzten Gebieten, aber auch jüdische und palästinen- 
sische israelische Staatsbürger - von den israelischen Behörden 
festgenommen, darunter viele Kinder. Die Festnahmen waren 
von Polizeibrutalität gekennzeichnet, die als Folter oder andere 
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung be- 
zeichnet werden muß und willkürlich gegen Demonstranten 
eingesetzt wurde.« 63 

B'Tselem wies in einer ebenfalls 2001 erschienenen Studie 
über die Brutalität der Sicherheitskräfte während der Al-Aqsa- 
Intifada daraufhin, daß »das Phänomen« zwar »seit vielen Jah- 
ren beobachtet werden kann«, daß Palästinenser in letzter Zeit 
aber »zunehmend häufiger geschlagen oder mißhandelt wer- 
den«. In der Studie hieß es weiter: »In den meisten Fällen wird 
die Mißhandlung in >kleinen Dosen< verabreicht: eine Ohrfei- 
ge, ein Fußtritt, eine Beleidigung, eine grundlose Verzögerung 
am Kontrollpunkt, eine Demütigung. Über die Jahre sind all 
diese Dinge zu einem integralen Bestandteil des palästinensi- 
schen Alltags in den besetzten Gebieten geworden. Manchmal 
nimmt die Gewalt allerdings auch schärfere Formen an.« So 

251 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

dokumentierte die Studie beispielsweise den Fall »eines drei- 
jährigen Kindes, dem Grenzpolizisten eine Hand brachen«. 
Nicht genug damit, daß Palästinenser »andauernd« von Grenz- 
polizisten attackiert werden - die Grenzpolizisten »fotografier- 
ten ihre Übergriffe auch noch«; »für viele besteht der Anreiz, 
Grenzpolizist zu werden, darin, > Araber zu verhauen<.« Wie 
B'Tselem schrieb, haben es die israelischen Behörden trotz des 
großen Ausmaßes der Mißhandlungen in keinem einzigen Fall 
für nötig befunden, der Beschwerde eines Palästinensers nach- 
zugehen: »Alle Ermittlungen wurden eingestellt, ohne daß ir- 
gendwelche Maßnahmen ergriffen wurden.« Weiter hieß es in 
der Studie: »Die Armee hat es genauso wie die Grenzpolizei 
bislang versäumt, den in den besetzten Gebieten dienenden Si- 
cherheitskräften unmißverständlich klarzumachen, daß es abso- 
lut verboten ist, Palästinenser zu mißhandeln und zu schlagen.« 
B'Tselem kam zu folgendem Schluß: »Wenn den Sicherheits- 
kräften eine Botschaft mit auf den Weg gegeben wird, so lautet 
sie, daß . . . das Leben und die Menschenwürde von Palästinen- 
sern nicht weiter von Bedeutung sind und daß die Sicherheits- 
kräfte innerhalb ihres jeweiligen Aufgabenbereichs ruhig damit 
fortfahren können, die Palästinenser, mit denen sie zu tun ha- 
ben, zu mißhandeln, zu erniedrigen und zu schlagen.« 64 



252 



Kapitel 7 

Rückkehr der Wandalen 



Seit Beginn der zweiten Intifada im September 2000 »ist Israel 
dabei, die Zerstörung palästinensischer Häuser in den besetzten 
Gebieten im großen Stil zu betreiben«, berichtet B'Tselem. »In 
diesem Zeitraum hat Israel rund 4170 Häuser zerstört.« 1 Diese 
ungeheuerliche Politik wurde schon zu Beginn der Besatzung, 
gleich nach dem Junikrieg von 1967 ersonnen, wobei zu ihrer 
Rechtfertigung unterschiedliche Gründe angeführt werden: Die 
Häuserzerstörungen kommen mal als Strafmaßnahme, mal als 
Verwaltungsmaßnahme, mal als Sicherheitsmaßnahme daher. 
Sehen wir uns diese drei Begründungen der Reihe nach an. 



Häuserzerstörungen als Straf maßnähme 

Mit der Zerstörung ihrer Häuser werden Palästinenser bestraft, 
die verdächtigt werden, die Sicherheit des Staates Israel be- 
droht zu haben. Wie B'Tselem schreibt, wird die Maßnahme 
gegen Palästinenser eingesetzt, die »verdächtigt werden, Israe- 
lis in irgendeiner Form gewaltsam angegriffen zu haben. Dabei 
ist es unerheblich, welche Folgen die betreffende Tat gehabt 
hat- ob sie beispielsweise in Verbindung mit einem Selbst- 
mordanschlag stand, der viele Tote und Verletzte forderte, 
oder ob es sich um den gescheiterten Versuch handelte, einen 
Soldaten zu verletzen«; des weiteren richtet sich die Maßnah- 
me »gegen Palästinenser, die Anschläge in die Wege geleitet 

253 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

oder geplant haben, sowie gegen diejenigen, die geholfen ha- 
ben, Anschläge auszuführen«. Die israelische Regierung hat 
selbst zugegeben, daß »bei 40 Prozent der Anschläge, auf die 
Israel mit Häuserzerstörungen reagierte, keine Israelis getötet 
worden waren«. Überdies fällt auf, so B'Tselem, daß Israel »is- 
raelische Zivilisten noch nie mit der Zerstörung ihrer Häuser 
bestraft hat, auch wenn sie Straftaten begingen, die denen der 
Palästinenser vergleichbar waren«. 2 Während der ersten zwei 
Jahrzehnte der israelischen Besatzung (1967-1987) zerstörte 
(oder versiegelte) Israel rund 1400 Häuser als Straf maßnähme. 
Während der ersten Intifada (1988 -1992) waren es noch einmal 
700 Häuser. Seit Beginn der zweiten Intifada bis einschließlich 
Oktober 2004 hat Israel, um Palästinenser zu bestrafen, mehr als 
600 Häuser (in denen fast 4000 Menschen lebten) vollständig 
zerstört. 3 »Die Folgen, die diese Zerstörungen für die einzelnen 
Familien haben, sind«, so Amnesty International, »verheerend: 
In fast allen Fällen handelt es sich um Häuser, die die Familien 
selbst für sich gebaut haben und die (zum Teil aus Mangel an 
anderen Investitionsmöglichkeiten) einen größeren Anteil des 
familieneigenen Vermögens darstellen, als dies in nichtbesetz- 
ten Ländern der Fall ist. Zu dem Verlust des Hauses selbst 
kommt noch der (emotionale und finanzielle) Verlust der Ein- 
richtung und der persönlichen Gegenstände hinzu: In dem 
Moment, wo die Truppen anrücken - und es kann sein, daß seit 
dem Abrißbescheid mehrere Jahre ins Land gegangen sind -, 
sind die Familien oft zu aufgewühlt und zu verängstigt, als daß 
sie in der Frist, die die Soldaten ihnen für die Räumung ihrer 
Häuser setzen (höchstens eine Stunde), ihr Hab und Gut retten 
könnten. Wird das Grundstück nach der Zerstörung beschlag- 
nahmt, verlieren die Familien neben ihrem Haus auch noch das 
Land selbst.« 4 Wie Middle East Watch berichtete, hat außer Is- 
rael bisher nur ein Land der Welt »die Familien mutmaßlicher 
Straf täter bestraft, indem es deren Häuser zerstörte«: der Irak 
unter Saddam Hussein. 5 
254 



Rückkehr der Wandalen 

»Die Entscheidung, das Haus eines Verdächtigen zu zerstö- 
ren, fallt auf dem Verwaltungsweg, ohne Gerichtsverfahren; 
die Schuld des Verdächtigen muß vor keiner gerichtlichen In- 
stanz bewiesen werden«, schreibt B'Tselem. »In der Mehrzahl 
der Fälle wird die Strafe vor jedweder Verurteilung vollstreckt. 
Mit anderen Worten, diese Art der Bestrafung wird vor- 
wiegend gegen Personen eingesetzt, die lediglich verdächtigt 
werden, eine Straftat begangen zu haben.« Ist der Verdächtige 
bereits tot, »wird das Haus manchmal schon abgerissen, bevor 
überhaupt eine Autopsie vorgenommen und die Identität des 
Toten zweifelsfrei festgestellt wurde«. 6 Vor der zweiten Inti- 
fada sah das Verfahren üblicherweise so aus, daß die israeli- 
sche Armee den Abriß anordnete und die palästinensischen 
Hausbewohner dann 48 Stunden Zeit hatten, den Befehl des 
Militärkommandeurs anzufechten; hatten sie damit keinen Er- 
folg, konnten sie Israels Oberstes Gericht anrufen. Heute läuft 
das etwas anders. B'Tselem weiter: »In der Regel gibt die israe- 
lische Armee keine Vorwarnung. Ausnahmen von dieser Regel 
gibt es so gut wie nie.« Das Oberste Gericht bestätigte in einer 
Entscheidung, daß die israelische Armee nicht dazu verpflich- 
tet ist, eine palästinensische Familie von der bevorstehenden 
Zerstörung ihres Hauses in Kenntnis zu setzen. Weiter ließ das 
Gericht verlauten: »Bewohner der Region, die befürchten, ihr 
Haus könne Schaden nehmen, weil ihre terroristischen Ver- 
wandten den Verlust von Menschenleben herbeigeführt haben, 
können sich mit ihrem Gesuch an den Beklagten [d. h. an den 
Kommandeur der israelischen Armee] wenden. Bei dieser Ge- 
legenheit können sie dem Beklagten Informationen vorlegen, 
die nach Meinung der Familie Einfluß auf seine Entscheidung 
haben sollten . . . Vorausgesetzt, daß vor dem geplanten Abriß- 
termin noch ausreichend Zeit bleibt, wird der Beklagte das be- 
treffende Haus nicht ohne vorherige Prüfung der vorgelegten 
Informationen zerstören.« B'Tselem bemerkte sarkastisch: 



255 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Mit dieser Entscheidung hat das Oberste Gericht den Mili- 
tärkommandeur nicht nur mit der Macht ausgestattet, dar- 
über zu befinden, ob und wann unschuldige Personen be- 
straft werden sollen, sondern es hat ihn auch mit der abso- 
luten Macht ausgestattet, zu bestimmen, ob diesen Personen 
eine Anhörung gewährt werden soll oder nicht. Damit hat 
das Oberste Gericht jegliche gerichtliche Prüfung für über- 
flüssig erklärt und das Schicksal der potentiellen Opfer in 
die Hände des Militärkommandeurs gelegt . . . Die Entschei- 
dung des Obersten Gerichts entbindet den Staat von seiner 
Pflicht, eine betroffene Person von der bevorstehenden Zer- 
störung ihres Hauses zu unterrichten. Gleichzeitig wird der 
betroffenen Person die Pflicht auferlegt, gegen den Schaden, 
den sie zu erleiden fürchtet, Einwände vorzubringen - wo- 
mit der Schaden nicht mehr abzuwenden sein dürfte. Über- 
dies vermittelt die Entscheidung des Obersten Gerichts den 
Eindruck, als sei es nicht etwa die Armee, sondern die be- 
troffene Person, die die bestehenden Verhältnisse zu ändern 
suche. Daß die Verantwortlichkeit nunmehr bei der betrof- 
fenen Familie liegen soll, ist insofern besonders verwunder- 
lich, als die Familienmitglieder oft nicht einmal wissen, was 
ihrem Verwandten vorgeworfen wird. Der Staat schafft auf 
diese Weise eine absurde Situation: Er verlangt praktisch 
von den Palästinensern, auf die israelische Armee zuzuge- 
hen und ihr Haus als geeigneten Abrißkandidaten zu prä- 
sentieren. 7 

Menschenrechtsorganisationen und Juristen sind sich einig, daß 
derartige Häuserzerstörungen illegal sind, denn das humanitä- 
re Völkerrecht (die Haager Landkriegsordnung und die Genfer 
Konvention) verbietet die Zerstörung von Eigentum als Straf- 
maßnahme ebenso wie es Kollektivstrafen allgemein verbietet. 8 
Der frühere Präsident des Obersten Gerichts in Israel, Shimon 
Agranat, hat die Zerstörung von Häusern als eine »unmensch- 
256 



Rückkehr der Wandalen 

liehe« Strafe bezeichnet. 9 Dershowitz hält die Zerstörung palä- 
stinensischer Häuser dennoch aus mehreren Gründen für ge- 
rechtfertigt: 

1. Die Zerstörung eines Hauses ist eine »milde« Strafe. 

In Plädoyer für Israel behauptet Dershowitz, wenn Israel »die 
Häuser von Terroristen« oder von »Menschen, die ihnen Unter- 
schlupf gewähren«, abreiße, dann sei das »eine milde Art von 
Kollektivstrafe gegen das Eigentum derer, bei denen man einen 
gewissen Grad von Komplizenschaft sieht« (S. 274). »Das we- 
sentliche Problem bei der Zerstörung von Häusern«, erklärt 
Dershowitz, ist nicht, daß Unschuldigen Leid zugefügt wird — 
im Gegenteil, die Maßnahme »gehört zu den moralischsten und 
abgewogensten Reaktionen« -, sondern »daß sie sich im Fern- 
sehen nicht sonderlich gut macht«. Schließlich »[ruft] die un- 
vermeidliche Einblendung einer weinenden Frau, die den Ver- 
lust ihres Heims betrauert, [Mitgefühl hervor]«* (S. 275 f.). Ders- 
howitz verteidigte diese »milde« Strafmaßnahme bereits wäh- 
rend der ersten Jahre der israelischen Besatzung. Im Jahr 1971 
behauptete er auf einem Symposium in Tel Aviv, die Zer- 
störung von Häusern sei, »realistisch« betrachtet, sehr wohl ei- 
ne akzeptable Maßnahme, auch wenn sie »formaljuristisch die 
Verletzung einer gewissen Konvention« bedeute: Als rein »fi- 
nanzielle Strafe« sei diese Maßnahme doch weitaus weniger 
schlimm als wenn, sagen wir, der Angeklagte eine Gefängnis- 
strafe bekäme. 10 Dershowitz' Argumentation ist in den Augen 
angesehener israelischer Rechtsgelehrter völlig absurd. Profes- 
sor Yoram Dinstein, Israels führender Völkerrechtsexperte und 



Änderung entsprechend dem amerikanischen Original (»creates 
sympathy«; Alan M. Dershowitz, The Casefor Israel, Hoboken/New 
Jersey 2003, S. 171). In der deutschen Ausgabe heißt es: »sorgt ... für 
Sympathien«; Anm. d. Ü 

257 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ein Mann, der sich im allgemeinen eher zurückhaltend äußert, 
fand Dershowitz' Argument »beinahe grotesk«: 

Solange noch über den Wortlaut eines internationalen Ver- 
trags gestritten wird, besteht die Möglichkeit, widerstre- 
bende Interessen und Werte zu berücksichtigen. Wenn der 
Text aber erst einmal steht, hat sich jede Vertragspartei 
buchstabengetreu daran zu halten ... Wenn es jeder Besat- 
zungsmacht freistünde, sich durch den Verzicht auf ein ihr 
zustehendes Recht einseitig von einer lästigen Vertrags- 
pflicht zu entbinden, so würde dies das humanitäre Völker- 
recht »ins Chaos stürzen«. Die Gefahr, die dem Dersho- 
witz' sehen Ansatz innewohnt, wird durch seine eigene Ein- 
schätzung noch unterstrichen: Seiner Ansicht nach sind »Ge- 
fängnisstrafen sehr viel gravierender als wirtschaftliche Stra- 
fen, zumal wenn es sich um Häuserzerstörungen handelt«. 
Viele, die sowohl das eine wie das andere zu erleiden hatten, 
dürften die Sache etwas anders sehen. 

In der Tat versteht Israel die Zerstörung eines Hauses in der 
Regel nicht als Alternative zur Gefängnisstrafe, sondern viel- 
mehr als zusätzliche Strafe. 11 Und schließlich verdient die Skala, 
nach der Dershowitz in Plädoyer für Israel die Härte einer Strafe 
bemißt, noch unter einem anderen Gesichtspunkt Beachtung. 
Wenn das Haus einer palästinensischen Familie zerstört wird, 
so ist das für Dershowitz nichts weiter als eine »milde« wirt- 
schaftliche Strafe (S. 271, 274). Nicht auszudenken indes, wel- 
chen Schaden Sanktionen gegen Israel anrichten würden: Für 
Dershowitz ist klar, daß diese »wirtschaftlich einem Todesurteil 
gleichkämen« (S. 334). 



258 



Rückkehr der Wandalen 

2. Die Begriffe »kollektive Verantwortung« and »Kollek- 
tivstrafe« sind irreführend. 

Wenn ein Haus zerstört wird, ist der mutmaßliche Gewalttäter, 
dessen Delikt die Bestrafung nach sich zog, keineswegs der 
Hauptleidtragende - schließlich hat er selbst entweder eine 
lange Gefängnisstrafe anzutreten oder er befindet sich, wenn er 
nicht bereits tot ist, auf der Flucht; die Hauptleidtragenden 
sind vielmehr seine Angehörigen und oft genug auch all dieje- 
nigen, die zufällig im selben Gebäude wohnen. 12 Folglich sind 
sich Menschenrechtsorganisationen einig, daß die Zerstörung 
von Häusern »eine eklatante Kollektivstrafe« darstellt und 
»gegen ein Grundprinzip des Völkerrechts verstößt« (Amnesty 
International). Die Zerstörung von Häusern ist ein »schwerer 
Verstoß gegen das Verbot, Kollektivstrafen zu verhängen; eine 
drakonische Maßnahme gegen Familienangehörige, die für das 
Vergehen des mutmaßlichen Täters keinerlei Verantwortung 
tragen und denen auch gar nicht vorgeworfen wird, irgend et- 
was verbrochen zu haben« (B'Tselem). »Es handelt sich ein- 
deutig um eine Kollektivstrafe, denn hier werden Menschen 
bestraft, denen keinerlei Gesetzesübertretung zur Last gelegt 
wird« (Al-Haq). 13 Israels Oberstes Gericht versucht zwar abzu- 
streiten, daß es sich bei den Häuserzerstörungen um Kollektiv- 
strafen handelt, doch angesehene israelische Rechtsgelehrte 
haben die vorgebrachten Argumente für nicht stichhaltig be- 
funden (»ein ziemlich armseliger Versuch«). 14 

An anderer Stelle verurteilte Dershowitz die Verhängung 
von Kollektivstrafen als »die unmoralischste« Taktik im 
Kampf gegen den Terrorismus. Sie sei ein typisches Kennzei- 
chen »tyrannischer Regime«. Um ein besonders widerwärtiges 
Beispiel für eine Kollektivstrafe zu nennen, wies Dershowitz 
darauf hin, daß Hitler nach dem Attentat auf Reinhard Hey- 
drich »das gesamte tschechische Dorf Lidice zerstören ließ«. 
»Unschuldige unmittelbar zu bestrafen ruft ganz unmißver- 

259 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ständliche moralische Bedenken hervor, ist aber auch äußerst 
wirkungsvoll«, so Dershowitz. »Ungeachtet der Wirksamkeit 
dieser extremen Kollektivstrafe sehen wir jedoch aus morali- 
schen Gründen - und weil es gesetzlich verboten ist - davon ab, 
diese Strafe zu verhängen.« 15 Obwohl sich Menschenrechtsor- 
ganisationen ebenso wie Rechtsgelehrte einig sind, daß die Zer- 
störung eines Hauses eine Kollektivstrafe darstellt, und obwohl 
Dershowitz Kollektivstrafen verurteilt, hat er sich im Falle Isra- 
els dennoch die Verteidigung dieser Strafmaßnahme auf die 
Fahnen geschrieben. Er hat dafür zweierlei Erklärungen parat: 

a) Strafen sind oftmals Kollektiv strafen. 

Dershowitz weist in Plädoyer für Israel darauf hin, daß Un- 
schuldige bei Strafmaßnahmen oft zu Schaden kämen: »Die 
Atombomben von Hiroshima und Nagasaki bestraften Tau- 
sende unschuldiger Japaner der Verbrechen ihrer Regierung 
wegen mit dem Tod« (S. 269). Lassen wir mal beiseite, daß das 
beste Argument, das Dershowitz bei seinem Plädoyer für Israels 
Politik der Häuserzerstörungen einfällt, ein Vergleich mit Hiro- 
shima und Nagasaki ist. Wichtiger ist, daß Israels Oberstes Ge- 
richt ebenfalls darauf hinweist, daß Unschuldige oft unter 
Strafmaßnahmen zu leiden haben, und daß das Gericht dabei 
ähnlich wie Dershowitz argumentiert: Die »zur Strafe befohlene 
Zerstörung eines Hauses unterscheidet sich nicht von einer Ge- 
fängnisstrafe, die gegen ein Familienoberhaupt verhängt wird: 
Wenn es sich um einen jungen Familienvater handelt, bleiben 
dessen kleine Kinder ohne ihren Ernährer zurück«. Professor 
Kretzmer fand den Vergleich zwischen kollektivem Leid, das 
durch die Verhaftung eines Familienoberhaupts verursacht 
wird, und kollektivem Leid, das durch die Zerstörung eines 
Hauses verursacht wird, »nicht überzeugend«. 

Den grundlegenden Unterschied zwischen diesen beiden 
Maßnahmen erläuterte Kretzmer wie folgt: »Der eigentliche 
Sinn und Zweck einer Gefängnisstrafe besteht darin, einen Straf- 
260 



Rückkehr der Wandalen 

täter seiner Bewegungsfreiheit zu berauben; daß außer ihm 
auch noch andere unter seiner Gefängnisstrafe leiden, ist die 
vielleicht unvermeidliche Folge dieser Maßnahme, aber nicht 
ihr Sinn und Zweck. Wenn es möglich wäre, die negativen Aus- 
wirkungen, die der Gefängnisaufenthalt des Schuldigen auf 
seine Familie hat, zu vermeiden, verlöre die Strafe deswegen 
nicht ihren Sinn. Wenn ein Mann aber bereits verhaftet wurde 
und gar nicht mehr in dem Haus wohnt, das zerstört werden 
soll (er hat vermutlich eine lebenslange Freiheitsstrafe anzu- 
treten), besteht der unmittelbare Sinn und Zweck dieser Straf- 
maßnahme - zumal wenn der Mann bereits tot ist - nicht darin, 
einen Schuldigen seiner Rechte und Freiheiten zu berauben, 
sondern darin, seiner Familie Leid anzutun« (Hervorhebungen 
im Original). 16 Dershowitz ist sich der Unterscheidung zwi- 
schen einer Strafmaßnahme, die unbeabsichtigt auch Unschul- 
digen Leid zufügt, und einer Strafmaßnahme, deren wesentli- 
cher oder einziger Sinn und Zweck es ist, Unschuldigen Leid zu- 
zufügen, sehr wohl bewußt: »Kriminelle direkt zu bestrafen, 
auch wenn man erkennt, daß Unschuldige dabei ebenfalls zu 
Schaden kommen, ist eine Sache; der Abschreckung halber oder 
zur Bestrafung von Schuldigen gezielt gegen Unschuldige vor- 
zugehen, ist natürlich eine andere«, schrieb er an anderer Stel- 
le. 17 Die israelischen Häuserzerstörungen rechtfertigt er den- 
noch, obwohl das »explizite Ziel« dieser Strafe, wie B'Tselem 
betont, darin besteht, »als Abschreckungsmaßnahme zu dienen 
und den Leuten zu verstehen zu geben, daß eine Gewalttat 
nicht nur für den Täter selbst, sondern auch für seine Familie 
Konsequenzen haben wird«. 18 

b) Verantwortung ist oftmals kollektive Verantwortung. 

In Plädoyer für Israel spricht sich Dershowitz gegen eine »kla- 
re Trennlinie« aus, »die ... Zivilisten und Kämpfer trennt«. 
Um den Grad der Verantwortung richtig einschätzen zu kön- 
nen, muß man nach Dershowitz' Ansicht von einem »fließen- 

261 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

den Übergang zwischen dem einen und dem anderen Extrem« 
ausgehen. Wer bei einer strafbaren Handlung moralischen Bei- 
stand leiste, sei der »moralischen Komplizenschaft« schuldig 
und müsse demzufolge auch mit Strafmaßnahmen rechnen. Als 
Beispiel führt Dershowitz Nazi-Deutschland an: »So war es 
meiner Ansicht nach durchaus richtig, . . . das gesamte deutsche 
Volk dafür büßen zu lassen, was die von ihm gewählte Füh- 
rung der Welt angetan hatte ... Die große Mehrheit der Deut- 
schen hätte man für ihre Komplizenschaft mit dem Bösen zur 
Rechenschaft ziehen sollen . . . Das gehört nun mal zur Definiti- 
on einer Nation, eines Volkes. Wer einen Krieg anzettelt und 
verliert, der bringt Leid über sein Volk. Eine etwas willkürliche 
Gerechtigkeit, sicher«, in Dershowitz' Augen aber dennoch ein 
verdientes Los (S. 270-275). Die »mindeste angemessene« Strafe 
für die »kollektive Verantwortung des deutschen Volkes« - ein- 
schließlich derer, die Hitler »passiv« unterstützten, »um sich 
ein schönes Leben zu machen« - »hätte aus einer Generation 
Armut . . . bestehen müssen«, schrieb Dershowitz in seiner Au- 
tobiographie. 19 

Auf einem israelischen Symposium im Jahr 2003 drückte er 
das Ganze noch etwas drastischer aus (»in einer Nation ist jeder 
für die Taten der politischen Führung verantwortlich; wenn 
man ein Teil einer Nation, Teil einer Gruppe ist, trägt man auch 
einen Teil der Verantwortung« 20 ), doch wollen wir das an die- 
ser Stelle nicht weiter vertiefen. Sehen wir uns nur einmal 
Dershowitz 1 nicht ganz so verwegene Behauptung an, nach der 
»eine Nation, ein Volk« im ganzen bestraft zu werden verdient, 
wenn weite Teile der Zivilbevölkerung die kriminelle Politik 
ihres Staates gutheißen. Man sollte vielleicht, will man den 
Grad kollektiver Verantwortung messen, noch einen »fließen- 
den Übergang« anderer Art berücksichtigen: In einer offenen, 
freien Gesellschaft gibt es für »eine Nation, ein Volk« vielfältige 
Möglichkeiten, sich zu informieren und abweichende Mei- 
nungen zu äußern. Daher tragen Menschen in einer offenen, 
262 



Rückkehr der Wandalen 

freien Gesellschaft eine größere Verantwortung für kriminelle 
Handlungen ihres Staates als Menschen in totalitären Gesell- 
schaften. Wenn wir Dershowitz' Argument konsequent zu En- 
de denken, stellt sich die Frage, ob nicht gegen das amerika- 
nische Volk (einschließlich Dershowitz) massive Sanktionen 
hätten verhängt werden müssen. Schließlich hat »die große 
Mehrheit« der Amerikaner das Unheil, das die US-Regierung 
über Vietnam brachte - um nur ein Land aus einer ganzen Rei- 
he von Ländern herauszugreifen, die von der amerikanischen 
Politik verwüstet wurden -, die meiste Zeit unterstützt, noch 
dazu in einer besonders freien Gesellschaft. Aber es ist natür- 
lich sehr viel einfacher, seine moralischen Prinzipien auf die 
Situation anderer Leute anzuwenden und die eigene dabei au- 
ßen vor zu lassen. 

Was Israel betrifft, so rechtfertigt Dershowitz die Verhän- 
gung von Strafen wie Häuserzerstörungen damit, daß die Palä- 
stinenser laut Umfragen größtenteils »hinter einer Fortsetzung 
des Terrors stehen« und daß sie sich deshalb »der Komplizen- 
schaft mit Terroristen schuldig gemacht haben« (S. 271, 273). 
Dabei befürwortet Dershowitz nicht einmal nur die Zerstörung 
einzelner Häuser. Wenn es nach ihm ginge, würde Israel jeden 
palästinensischen Anschlag mit der »Zerstörung eines kleinen 
Dorfes« beantworten, »das als Terrorbasis gedient hat ... Die 
Reaktion müßte ganz automatisch erfolgen.« Nach Dershowitz' 
Einschätzung käme man mit Zerstörungen dieser Größenord- 
nung dem »hehren Ziel«, eine friedliche Welt ohne Terroristen 
zu schaffen, ein Stück weit näher. 21 Israel bezeichnet Anschläge 
auf sein militärisches Personal als Terrorismus; das tschechi- 
sche Volk hat das Attentat auf Heydrich zweifellos begrüßt. 
Abgesehen davon, daß im Falle des palästinensischen Dorfes 
Juden und nicht Deutsche die Maßnahme durchführen würden, 
scheint sich Dershowitz' Vorschlag nicht wesentlich von der 
nationalsozialistischen Zerstörung Lidices - die Dershowitz 
nach eigenem Bekunden verabscheut - zu unterscheiden. 

263 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Sehen wir uns nun noch an, was passiert, wenn wir Dersho- 
witz' Kriterium der kollektiven Verantwortung auf Israelis an- 
wenden: (i) Als Israel im Juni 1982 den Libanon angriff, um 
»die Besatzung des Westjordanlandes zu sichern« (Yehoshafat 
Harkabis Formulierung), schössen die Umfragewerte für Ver- 
teidigungsminister Ariel Sharon und Ministerpräsident Begin 
in die Höhe, und mehr als 80 Prozent der Israelis befanden die 
Invasion für vollkommen gerechtfertigt. Als die israelische 
Bombardierung Beiruts im August 1982 die Barbarei noch auf 
die Spitze trieb, unterstützte immer noch mehr als die Hälfte 
der Israelis die Begin-Sharon-Regierung, und mehr als 80 Pro- 
zent unterstützten weiterhin die Invasion - eine Invasion, die 
am Ende 20 000 Libanesen und Palästinensern, fast ausschließ- 
lich Zivilisten, den Tod brachte, und die von der UN-General- 
versammlung mit 143 zu 2 Stimmen (USA und Israel) verurteilt 
wurde, weil sie »unter der palästinensischen Zivilbevölkerung 
großen Schaden angerichtet, sehr viele Menschenleben geko- 
stet, unerträgliches Leid gebracht und gewaltige materielle Zer- 
störungen herbeigeführt hat«. 22 Erst als der Preis, den Israel für 
seinen Angriff auf den Libanon zu zahlen hatte, zu hoch wurde 
- zuerst durch den weltweiten Aufschrei angesichts der Massa- 
ker von Sabra und Shatila, später durch die steigende Zahl ge- 
fallener Soldaten -, fand ein Sinneswandel in der Bevölkerung 
statt, (ii) Als Israel im Jahr 1989, während der ersten Intifada, 
mit immer brutaleren Mitteln gegen die Palästinenser vorging, 
unterstützte mehr als die Hälfte der Israelis eine noch »härtere 
Gangart«, um den überwiegend gewaltfreien zivilen Aufstand 
zu ersticken (nur ein Viertel der Befragten sprach sich für eine 
Verringerung der Unterdrückung aus), und »eine überwälti- 
gende Mehrheit von 72 Prozent ... sah zwischen der Reaktion 
der Armee auf den Aufstand und >den demokratischen Werten 
der Nation< keinen Widerspruch«. 23 (iii) Obwohl die palästinen- 
sische Gesellschaft unter der »Operation Schutzschild« 
(März/ April 2002) immens zu leiden hatte und die Operation 
264 



Rückkehr der Wandalen 

darin gipfelte, daß die israelischen Streitkräfte in Jenin und Na- 
blus schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völker- 
recht sowie Kriegsverbrechen begingen, wurde sie von nicht 
weniger als 90 Prozent der Israelis unterstützt. 24 Die Unterstüt- 
zung, die Israelis für Verbrechen ihres Staates zum Ausdruck 
bringen, ist im übrigen keine rein gefühlsmäßige: Israel verläßt 
sich darauf, daß die staatliche Politik von seiner Bürgerarmee 
umgesetzt wird. Die kollektive Verantwortung des israelischen 
Volkes geht somit weit über »moralische Komplizenschaft« 
hinaus. 25 

Noch ein letzter Punkt: Ohne die bedingungslose politische 
und wirtschaftliche Unterstützung der Vereinigten Staaten 
könnte Israel diese Verbrechen nicht begehen. Und es sind Leu- 
te wie Dershowitz, die mit ihrer blindwütigen Verteidigung der 
israelischen Politik und ihrer grotesken Verzerrung der Wirk- 
lichkeit entscheidend dazu beitragen, daß es bei dieser bedin- 
gungslosen Unterstützung bleibt. Was, wenn die »milde Form 
von kollektiver Verantwortlichkeit« (S. 271), die Dershowitz für 
Palästinenser so dringend empfiehlt, auch auf ihn und seine 
eigenen vier Wände angewandt würde? 

Eine Verwaltungsmaßnahme: Die Zerstörung 
»illegaler« palästinensischer Häuser 

Um zu beweisen, daß Israel kein »rassistischer Staat« ist, zitiert 
Dershowitz eine hinsichtlich ihrer Bedeutung und Folgen zwie- 
spältige Entscheidung des Obersten Gerichts aus dem Jahr 
2000, die bestätigt, daß es auch israelischen Arabern gestattet 
sein muß, staatseigene Grundstücke in Israel zu erwerben. 26 
Dershowitz erwähnt indes nicht, daß aufgrund der Diskrimi- 
nierung bei der Vergabe von Baugenehmigungen in den besetz- 
ten Gebieten massenhaft palästinensische Häuser zerstört wer- 
den. In einer Studie über die umfangreichen Zerstörungen pa- 

265 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

lästinensischer Häuser im Westjordanland berichtete B'Tselem 
im Jahr 1997, daß »Israel im Verlauf der letzten Jahrzehnte im 
Westjordanland eine Situation geschaffen hat, in der es für Tau- 
sende Palästinenser unmöglich geworden ist, für die Bebauung 
ihres Grundstücks eine Genehmigung zu erhalten. Folglich sind 
sie gezwungen, ohne Genehmigung zu bauen.« Palästinenser, 
die sich »illegal« ein Haus bauen, tun dies nicht aus politischer 
Motivation heraus, sondern, wie B'Tselem betont, aus einem 
ganz persönlichen Grund: »Ihr Handeln ist nicht als politische 
Aussage oder als Gegenmittel gegen die israelische Kontrolle in 
der Region gedacht; da die israelische Politik es ihnen nicht ge- 
stattet, ihren Bedarf an Wohnraum zu decken, ist dies nichts 
weiter als ihr Versuch, sich und ihrer Familie eine Unterkunft 
zu beschaffen.« 

Israel gibt zwar vor, daß die Entscheidung, diese »illegalen« 
palästinensischen Häuser zu zerstören, ausschließlich unter 
dem Gesichtspunkt fehlender Baugenehmigungen getroffen 
wird, doch die Wirklichkeit sieht anders aus: »Palästinensische 
Häuser werden im Rahmen einer Politik zerstört, deren erklär- 
tes Ziel es ist, die israelischen Siedlungen im Westjordanland zu 
stärken und auszubauen, und bei der es darum geht, un- 
umstößliche Tatsachen zu schaffen« - mal müssen die Palästi- 
nenser dem Bau einer Umgehungsstraße weichen, die dann nur 
von Juden benutzt werden darf, ein andermal sollen die Palä- 
stinenser aus der Nachbarschaft einer (illegalen) Siedlung ver- 
schwinden, die ebenfalls nur Juden offensteht. Auch wenn nach 
palästinensischen Anschlägen Häuser zur Vergeltung und als 
Kollektivstrafe zerstört werden, muß zur Begründung biswei- 
len das »Planungskriterium« herhalten. Sollte an dem diskrimi- 
nierenden Charakter der Zerstörungen noch irgendein Zweifel 
bestehen, so wird er durch Israels Umgang mit illegal errichte- 
ten jüdischen Gebäuden in den besetzten Gebieten ausgeräumt: 
»Israelische Siedler haben Tausende von Wohneinheiten, öf- 
fentliche Anlagen und Industriebetriebe ohne Genehmigung 
266 



Rückkehr der Wandalen 

errichtet«, so B'Tselem weiter. »Was die ohne Genehmigung 
errichteten Bauten in den Siedlungen betrifft, so ist bei den Be- 
hörden eine nachsichtige Haltung zu verzeichnen. Soweit uns 
bekannt ist, hat es in den Siedlungen nur einen einzigen Fall ge- 
geben, bei dem ein nicht genehmigtes Gebäude zerstört wurde. 
Normalerweise wird dort von Zerstörungen abgesehen, ja die 
Behörden beeilen sich vielmehr, die Baupläne bereits bestehen- 
der Gebäude rückwirkend zu genehmigen.« 

B'Tselem stellt abschließend fest, daß diese auf diskriminie- 
renden »Planungskriterien« beruhende Zerstörung palästinen- 
sischer Häuser gegen wichtige Bestimmungen internationaler 
Verträge verstößt, die Israel unterzeichnet hat, und folglich il- 
legal ist. 27 

Amnesty International berichtete in einer 1999 veröffentlich- 
ten Studie ebenfalls darüber, wie verheerend sich Israels Zer- 
störung »illegaler« palästinensischer Häuser in den besetzten 
Gebieten auswirkt: »Tausende palästinensischer Häuser sind 
zerstört worden. Manche wurden schon vor Jahren gebaut und 
sind seitdem bewohnt und voller Einrichtungsgegenstände. Oft 
wohnt mehr als nur eine Familie mit vielen Kindern darin, und 
oftmals werden den Bewohnern nicht mehr als 15 Minuten zu- 
gestanden, um ihr Hab und Gut aus dem Haus herauszuholen 
und zu verschwinden. Es kann sein, daß ein Trupp von Arbei- 
tern anrückt und die Möbel auf die Straße wirft; es kann aber 
auch sein, daß die Möbel noch alle im Haus sind, wenn die Fa- 
milie sieht, daß die Bulldozer kommen. Manche Häuser sind 
zwar noch unbewohnt, doch hat ihr Bau bereits mehrere Mona- 
te Arbeit verschlungen und überdies in manchen Fällen die ge- 
samten Ersparnisse der Familie aufgezehrt.« 

Amnesty schätzte vorsichtig, daß in den Jahren 1987 bis 1999 
nicht weniger als 2400 Häuser zerstört und damit 14 500 Palä- 
stinenser (darunter 6000 Kinder) obdachlos gemacht wurden. 
Der Osloer »Friedensprozeß« hat nicht dazu geführt, daß weni- 
ger Häuser zerstört wurden, vielmehr blieb die Anzahl zerstör- 

267 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ter Häuser »gleichbleibend hoch«. Amnesty machte die gleiche 
Beobachtung wie B'Tselem: Israel behaupte zwar, diese »il- 
legalen« palästinensischen Häuser würden nur aufgrund feh- 
lender Baugenehmigungen abgerissen; in Wirklichkeit hätten 
die Zerstörungen jedoch diskriminierenden Charakter: »Palä- 
stinenser sind von der Maßnahme einzig und allein deshalb be- 
troffen, weil sie Palästinenser sind«, und der Zweck der Maß- 
nahme bestehe schlicht darin, das für jüdische Besiedlung zur 
Verfügung stehende Land so weit wie möglich auszudehnen: 
»Die rechtmäßige Erschließung palästinensischen Baulands ist 
praktisch vollkommen unterbunden worden. Das Ergebnis ist 
die Zerstörung von Häusern, die Palästinenser in Ermangelung 
der Möglichkeit, eine Baugenehmigung zu erhalten, schließlich 
ohne Genehmigung bauen mußten. Ziel dieser Politik ist es of- 
fensichtlich, die palästinensische Bautätigkeit auf die beste- 
henden städtischen Gebiete zu beschränken, damit zukünftig 
ein möglichst großer Teil des übrigen Landes von Israel be- 
schlagnahmt und für die jüdische Besiedlung bereitgestellt wer- 
den kann.« 

Ähnliches beobachtete Amnesty in Ost-Jerusalem. Dort be- 
stehe der Zweck der Häuserzerstörungen darin, »den ethni- 
schen Charakter des annektierten Gebiets von einem arabischen 
in einen jüdischen zu verwandeln«. »Im Hinblick auf die palä- 
stinensische Bautätigkeit verfolgt Israel hauptsächlich, ja aus- 
schließlich das Ziel, diese einzuschränken - um dadurch das 
Wachstum der palästinensischen Bevölkerung so weit wie mög- 
lich einzudämmen.« Zwischen 1987 und 1999 wurden in Ost- 
Jerusalem 284 palästinensische Häuser zerstört, und im Jahr 
1999 mußten bereits »weit mehr als ein Drittel der palästi- 
nensischen Einwohner Ost-Jerusalems die Zerstörung ihrer 
Häuser fürchten«. Nicht genug damit, daß Israel Palästinensern 
keine Möglichkeit gibt, legal zu bauen, und dann ihre »illega- 
len« Häuser zerstört. Palästinenser müssen für die Zerstörung 
ihrer Häuser auch noch selbst aufkommen und zusätzlich oft auch 

268 



Rückkehr der Wandalen 

noch ein beträchtliches Bußgeld zahlen (»welches 100 000 Schekel 
[ca. 18 300 Euro] oder mehr betragen kann«). Wie schon B'Tse- 
lem gelangte auch Amnesty International zu dem Ergebnis, 
daß »Israel durch die Zerstörung von Häusern und die Be- 
schlagnahme von Land sowie durch seine gegen die palästi- 
nensische Bevölkerung gerichteten Bauplanungsgesetze das 
humanitäre Völkerrecht und den internationalen Menschen- 
rechtsschutz verletzt«, ja sich »schwerwiegender Verstöße« ge- 
gen die Genfer Konvention schuldig gemacht hat. 28 In einer im 
November 2004 erschienenen Studie stellte B'Tselem fest, daß 
Israel im Westjordanland und in Ost-Jerusalem in den Jahren 
2001 bis 2004 fast eintausend »illegale« palästinensische Häu- 
ser zerstört hat. 29 



Häuserzerstörungen als Sicherheitsmaßnahme 

Neben den Zerstörungen, die Israel damit rechtfertigt, daß sie 
entweder der Bestrafung dienten oder aufgrund fehlender Bau- 
genehmigungen zu erfolgen hätten, zerstört Israel Häuser und 
anderes Eigentum auch deswegen in großem Stil, weil dies an- 
geblich aus militärischen Gründen beziehungsweise aus Grün- 
den der nationalen Sicherheit notwendig sei. B'Tselem berich- 
tete in einer im Februar 2002 erschienenen Studie über die Zer- 
störung von Häusern und Agrarland im Gazastreifen, daß Is- 
rael dort seit Beginn der zweiten Intifada (September 2000) 
rund 600 Häuser zerstört - und somit mehr als 5000 Palästinen- 
ser obdachlos gemacht - sowie Tausende von Bäumen ausge- 
rissen und Tausende Morgen Land zerstört hat: »Israel hat 
damit Personen geschädigt, denen es noch nicht einmal vor- 
wirft, selbst in Anschläge gegen israelische Zivilisten oder Si- 
cherheitskräfte verwickelt gewesen zu sein oder auch nur ver- 
sucht zu haben, diese anzugreifen.« Die Häuserzerstörungen 
»finden in der Regel mitten in der Nacht statt, ohne daß die Be- 

269 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Amnesty International über Häuserzerstörungen* 

Fallstudie: Die Häuser der Familie Jaber Die Familie Jaber 
bewirtschaftet ihr Land in der Nähe von Hebron schon min- 
destens seit osmanischer Zeit. Da dieses Land nunmehr aller- 
dings auch in der Nähe einer Umgehungsstraße und der sich 
immer weiter ausbreitenden Siedlung Givat Harsina liegt, 
nützt der Familie der Hinweis auf den eigenen Grundbesitz 
gar nichts. Für 13 Häuser in der Gegend liegen Abrißbe- 
scheide vor. Am 19. August 1998 zerstörte die israelische Ar- 
mee das Haus von Atta Jaber, der ohne Genehmigung gebaut 
hatte. Am nächsten Tag beschloß er sein Haus wieder aufzu- 
bauen, doch einen Monat später, am 16. September, wurde es 
erneut zerstört. Fünf Monate später war das Haus von Atta 
Jaber s Bruder, dem 22jährigen Fayez Jaber, an der Reihe - ein 
Haus, dessen zwei Zimmer sich zwölf Familienmitglieder 
teilten. Am 4. Februar 1999 um 7 Uhr morgens tauchten - 
ohne Vorankündigung und in Begleitung vieler Soldaten — 
Beamte der Zivil Verwaltung und des Obersten Planungsrates 
bei der Familie auf, um das Haus zu zerstören. Die Soldaten 
wandten Gewalt an und schlugen den 18jährigen Fadi Jaber. 
Im Mai kamen sie zurück, um drei Regenwasserzisternen zu 
zerstören, die im Winter das Wasser der umliegenden Berge 
auffingen, damit es im Sommer zur Verfügung stand. Die 
Zivil Verwaltung behauptete, das Wasser in den Zisternen sei 
von der Hebroner Wasserversorgung abgezweigt worden, 
doch gab es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr waren 
mehrere kleine Kanäle vorhanden, die das Wasser auf die tra- 
ditionelle Art und Weise in die Zisternen hinableiteten. Zur 
gleichen Zeit erhielt auch Attas Bruder Ismail einen Abrißbe- 
scheid für sein Haus, und sowohl Ismail als auch Qaid Jaber 
wurde untersagt, ihr Land zu bewirtschaften. 

* Amnesty International, Demolition and Dispossession: The Destruc- 
tion of Palestinian Homes, London, Dezember 1999, S. 3. 

270 



Rückkehr der Wandalen 

wohner irgendwie vorgewarnt würden ... In vielen Fällen muß- 
ten die Bewohner aus ihren Häusern fliehen, nachdem sie 
durch den Lärm der Panzer und Bulldozer, die schon vor ihrer 
Haustür standen, geweckt worden waren.« »Die Armee kün- 
digte auch nicht an, daß sie beabsichtigte, Felder und Obstplan- 
tagen zu zerstören. Wären die Palästinenser gewarnt gewesen, 
hätten sie wenigstens Teile der Bewässerungsanlagen und an- 
deres landwirtschaftliches Gerät in Sicherheit bringen können.« 
Zwar erlaubt das Völkerrecht die begrenzte Zerstörung von 
Häusern, wenn sie »militärisch notwendig« ist, doch wie B'Tse- 
lem schrieb, deutete das »extreme Ausmaß« der Zerstörung 
und die Art und Weise, wie sie vonstatten ging, »klar und un- 
mißverständlich« darauf hin, daß »der Schaden, der der Zivil- 
bevölkerung dadurch entstand, unangemessen hoch war«. Hier 
einige Beispiele: »Die Armee hat ganze Wohnbezirke zerstört 
und dies damit gerechtfertigt, daß es unter einigen dieser Häu- 
ser Tunnel gab, die für den Waffenschmuggel genutzt worden 
seien. In anderen Fällen zerstörte die Armee Dutzende von 
Häusern mit dem Hinweis darauf, daß aus dieser Gegend auf 
israelische Soldaten geschossen worden sei.« »In manchen Fäl- 
len zerstörte die israelische Armee die Häuser gleich im An- 
schluß an palästinensische Angriffe auf israelische Zivilisten 
oder Sicherheitskräfte, allerdings nicht unbedingt an dem Ort, 
an dem sich der Angriff ereignet hatte. Dieses Phänomen gibt 
Anlaß zu der Sorge, daß das Ziel dieser Zerstörungen darin be- 
stand, die Palästinenser für ihren Angriff zu bestrafen, und an- 
dere, die vielleicht ähnliche Angriffe planten, abzuschrecken . . . 
Die Durchsetzung politischer Maßnahmen, die Tausenden von 
Unschuldigen schadet und deren Folgen so gravierend und so 
langwierig sind, kann nur als Kollektivstrafe bezeichnet wer- 
den.« B'Tselem schrieb, daß das Internationale Komitee vom 
Roten Kreuz ebenso wie Delegationen der UN-Menschen- 
rechtskommission und sogar die amerikanische Mitchell-Kom- 
mission »Israels umfassende Zerstörung im Gazastreifen scharf 

271 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

kritisiert haben«. Abschließend hielt B'Tselem fest, daß diese 
Maßnahmen »das humanitäre Völkerrecht in eklatanter Weise 
verletzen«. Die völkerrechtlich vorgeschriebene Entschädigung 
für diese illegalen Zerstörungen lehnt Israel ab. 30 

In einer im Mai 2004 erschienenen Studie über Israels Zer- 
störungspolitik befaßte sich Amnesty International ebenfalls 
mit den jüngsten Verwüstungen, die Israel - zumeist im Namen 
militärischer Notwendigkeit beziehungsweise unter Verweis 
auf die nationale Sicherheit - in den besetzten Gebieten anrich- 
tete: 

In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat die von der is- 
raelischen Armee in den besetzten Gebieten angerichtete 
Zerstörung ein nie zuvor dagewesenes Ausmaß erreicht. 
Opfer der Zerstörungen sind oft diejenigen, die ohnehin 
schon zu den Ärmsten gehören und am meisten benachtei- 
ligt sind ... In den meisten zerstörten Häusern ... lebten 
Flüchtlingsfamilien, die während des Krieges nach der 
Staatsgründung Israels im Jahr 1948 entweder von israeli- 
schen Soldaten vertrieben worden oder vor diesen geflohen 
waren... Es wurden mehr als 3000 Häuser, Hunderte von 
öffentlichen Gebäuden und privaten Geschäftsgrund- 
stücken sowie unermeßlich viel Ackerbauland zerstört... 
Zehntausende Männer, Frauen und Kinder wurden gewalt- 
sam aus ihren Häusern vertrieben und somit obdachlos ge- 
macht oder ihrer Einkommensquelle beraubt. Tausende von 
anderen Häusern und Immobilien wurden beschädigt, viele 
so stark, daß sie nicht mehr zu reparieren sind. Hinzu 
kommt, daß derzeit Zehntausende weitere Wohnhäuser von 
der Zerstörung bedroht sind und ihre Bewohner mit der 
Angst vor gewaltsamer Vertreibung und Obdachlosigkeit 
leben müssen... Für die Zerstörungen nutzt die israelische 
Armee die in den USA hergestellten Bulldozer der Firma 
Caterpillar. Diese Bulldozer haben bereits die Häuser und 
272 



Rückkehr der Wandalen 

das Hab und Gut Tausender Familien unter sich begraben. 
Wenn die Soldaten ihr Zerstörungswerk vollendet haben, 
kehren die Männer, Frauen und Kinder zu den Ruinen ihrer 
Häuser zurück und versuchen, so viele Gegenstände wie 
möglich aus den Trümmern zu retten. 

Zu den wirtschaftlichen Folgen der Zerstörung palästinensi- 
schen Ackerlands notierte Amnesty weiter: »Hunderttausende 
von Olivenbäumen, Zitrusgewächsen, Mandelbäumen, Dattel- 
palmen und anderen Bäumen wurden ausgerissen ... Die ent- 
wurzelten Bäume und zerstörten Obstplantagen . . . stellten für 
Hunderttausende von Menschen eine wichtige - und in vielen 
Fällen die einzige - Erwerbsquelle dar... Viele Palästinenser 
hatten ihre gesamten Ersparnisse in den Ausbau und die Ver- 
besserung ihrer Familienbetriebe gesteckt und teure Gewächs- 
häuser und Bewässerungsanlagen angeschafft - nur um dann 
mit ansehen zu müssen, wie das alles, oftmals noch bevor sie 
ihre Ernte einbringen konnten, von den Bulldozern der israeli- 
schen Armee zerstört wurde.« 

Den Beginn der gegenwärtigen Runde massenhafter will- 
kürlicher Zerstörungen datierte Amnesty auf die »Operation 
Schutzschild«, Israels Einmarsch ins Westjordanland im März/ 
April 2002: »Wo immer die Soldaten einrückten - in jedem 
Flüchtlingslager und in jeder Stadt hinterließen sie eine Spur 
der Verwüstung.« Auf dem Höhepunkt der »Operation Schutz- 
schild« ließ Israel weite Teile des Flüchtlingslagers Jenin dem 
Erdboden gleichmachen. Viertausend Palästinenser wurden 
dadurch obdachlos. Israel behauptete zwar, daß die Zerstörun- 
gen im Verlauf der Kampfhandlungen stattgefunden hätten, 
doch »das vorliegende Beweismaterial, zu dem auch Luftauf- 
nahmen des Flüchtlingslagers gehören, deutet darauf hin, daß 
die Auseinandersetzungen zwischen israelischen Soldaten und 
bewaffneten Palästinensern zum überwiegenden Teil bereits be- 
endet waren, als die israelische Armee begann, die palästinensi- 

273 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

sehen Häuser mit Bulldozern zu zerstören. Die bewaffneten 
Palästinenser waren zu diesem Zeitpunkt bereits überwältigt 
worden oder hatten sich ergeben.« Die umfassendste Zerstö- 
rung der letzten Jahre fand allerdings, wie Amnesty schrieb, im 
Gazastreifen statt: Vom Oktober 2000 bis zum Oktober 2003 
wurden dort mehr als 2150 Häuser zerstört und mehr als 16 000 
beschädigt. Überdies wurden mehr als zehn Prozent des Acker- 
lands zerstört. 

Das an Ägypten angrenzende Flüchtlingslager Rafah war 
von den Häuserzerstörungen am schlimmsten betroffen. Dort 
»wird die Zerstörung . . . immer weiter vorangetrieben. Die Sol- 
daten nehmen sich eine Häuserreihe nach der anderen vor - 
was im Widerspruch zu den offiziellen Verlautbarungen israe- 
lischer Behörden steht, nach denen nur solche Häuser zerstört 
werden, aus denen Palästinenser auf israelische Grenzsoldaten 
geschossen haben oder unter denen sich Tunnel verbergen, 
durch die Waffen aus Ägypten in den Gazastreifen geschmug- 
gelt werden.« Amnesty fügte hinzu: »Abgesandte von Amnesty 
International, Mitarbeiter humanitärer Hilfsdienste und Men- 
schenrechtsaktivisten sowie Journalisten und andere Beobach- 
ter aus aller Welt haben mehrfach mit eigenen Augen gesehen, 
wie israelische Soldaten Häuser, Land und anderes Eigentum 
zerstörten und beschädigten, ohne daß es zu dem jeweiligen 
Zeitpunkt irgendwelche Unruhen oder Auseinandersetzungen 
mit Palästinensern gegeben hätte.« 

In diesem Zusammenhang legte Amnesty auch Wert darauf 
daran zu erinnern, daß Israel trotz mehrfacher Bitten der inter- 
nationalen Gemeinschaft »einen Einsatz internationaler Beob- 
achter beständig und vehement abgelehnt hat«. Dabei »könnten 
diese eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht heraus- 
zufinden, inwieweit die von beiden Seiten erhobenen Anschul- 
digungen berechtigt sind«. Amnesty bekam von israelischer 
Seite auch Ausflüchte zu hören, nach denen die von der israe- 
lischen Armee zerstörten Häuser »verlassen« oder »unbe- 
274 



Rückkehr der Wandalen 

wohnt« gewesen seien. Diese Ausflüchte kommentierte Amne- 
sty wie folgt: »Der Anblick von Töpfen mit frisch zubereitetem 
Essen, von halbvollen Getränke- und Shampoof laschen, von 
Überresten der Zeitung vom Vortag, von zertrümmerten Kühl- 
schränken und Fernsehgeräten sowie von Kleidung, Kinder- 
spielzeug und Schulbüchern, die mitten in dem ganzen Schutt 
herumliegen, läßt sich mit den Behauptungen der israelischen 
Armee schwerlich vereinbaren.« Wie schon B'Tselem kommt 
auch Amnesty zu dem Schluß, daß Israels »umfassende Zer- 
störung von Wohnhäusern und anderem Eigentum im West- 
jordanland und im Gazastreifen ... nicht durch militärische 
Notwendigkeit gerechtfertigt ist«. »Manche der Zerstörungen 
bedeuten schwere Verstöße gegen die Vierte Genfer Konven- 
tion und stellen Kriegsverbrechen dar.« 31 

Im Oktober 2004 veröffentlichte auch Human Rights Watch 
eine Studie über die massenhaften Häuserzerstörungen im Ga- 
zastreifen. Die Studie ergab, daß das israelische Militär seit Be- 
ginn der zweiten Intifada »mehr als 2500 palästinensische Häu- 
ser im besetzten Gazastreifen zerstört hat«, und zwar vor allem 
in dem besonders dichtbevölkerten Flüchtlingslager Rafah an 
der Grenze zu Ägypten: »Sechzehntausend Menschen- das 
heißt mehr als zehn Prozent der Einwohner von Rafah - haben 
ihr Zuhause verloren. Die meisten von ihnen sind Flüchtlinge. 
Vielen von ihnen wurde damit zum zweiten oder gar dritten 
Mal alles genommen.« »Das Zerstörungsmuster deutet«, so 
Human Rights Watch, »stark darauf hin, daß die israelischen 
Streitkräfte die Häuser massenweise abgerissen haben, unab- 
hängig davon, ob diese eine spezifische Bedrohung darstell- 
ten.« Während eines »großen Feldzugs« im Mai 2004 hat die 
israelische Armee 

entlang der Pufferzone ganze Häuserreihen dem Erdboden 
gleichgemacht, aber auch mitten in Rafah umfassende Zer- 
störungen vorgenommen. Gepanzerte Caterpillar-Bulldozer 

275 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

vom Typ D9 walzten durch Häuser und Geschäfte, rissen 
wahllos Straßen auf, zerstörten Anlagen der Wasser- 
versorgung und Kläranlagen und verwandelten fruchtbare 
Felder in Ödland. Zwischen dem 12. und 24. Mai, als die 
Armee immer wieder in Rafah einfiel, sollen 59 Palästinenser 
getötet worden sein, darunter elf Personen unter 18 Jahren 
und 18 bewaffnete Männer. Bei diesen Einfällen wurden ins- 
gesamt 254 Häuser zerstört. Fast 3800 Menschen verloren 
dadurch ihr Zuhause. Weitere 44 Häuser wurden im selben 
Monat bei kleineren Operationen in der Umgebung von Ra- 
fah dem Erdboden gleichgemacht. 

Israelische Behauptungen, nach denen die massive Zerstörung 
aufgrund militärischer Notwendigkeit erfolgte, läßt Human 
Rights Watch nicht gelten. In ihrer Studie verweist die Organi- 
sation darauf, daß der »bewaffnete palästinensische Wider- 
stand ... gering und begrenzt war und bei jedem Einmarsch 
binnen weniger Stunden niedergerungen wurde«. Bei einem 
Angriff zerstörte die israelische Armee in einem »zeitaufwen- 
digen und vorsätzlichen Akt«, der jeder militärischen Berechti- 
gung entbehrte, einen Zoo in Rafah: »Der Zoo war in einem 
überfüllten Flüchtlingslager, dessen Einwohnern wegen der 
israelischen Siedlungen seit vier Jahren der Zugang zum Meer 
verwehrt wird, einer der ganz wenigen Erholungsorte. Tausen- 
de von Tieren, darunter Jaguare, Krokodile, Wölfe, Schlangen 
und Vögel, entkamen während der Zerstörung des Zoos oder 
wurden getötet.« Unterdessen hat die israelische Regierung im 
Mai 2004 einen Plan gebilligt, der »die Zerstörung von etwa 30 
Prozent des zentralen Flüchtlingslagers zur Folge hätte« und 
nach dem »Zehntausende von palästinensischen Zivilisten, die 
schon jetzt in einer der am dichtesten besiedelten Gegenden der 
Welt leben, zwangsumgesiedelt würden«. 

Nach israelischen Angaben stellt ein weitreichendes Netz 
von Tunneln, die Waffenschmuggler auf der ägyptischen Seite 
276 



Rückkehr der Wandalen 

der Grenze mit Häusern in Rafah verbinden, den »erklärten 
Hauptgrund« für die kontinuierlichen Angriffe auf den Ort dar. 
Human Rights Watch stellte jedoch fest, daß Israel das Ausmaß 
dieses unterirdischen Netzwerks »übertrieb«. Überdies zerstör- 
te Israel auch Häuser über »Tunneln, die gar nicht mehr in Be- 
trieb waren«, Häuser, deren Tunneleingänge »leicht mit Beton 
zu versiegeln« gewesen wären, und sogar Häuser, deren »Tun- 
neleingänge bereits [von der palästinensischen Autonomie- 
behörde] versiegelt worden waren«. Im übrigen »gibt es weit- 
aus weniger zerstörerische Methoden, mit denen sich Schmug- 
geltunnel wirksam aufspüren und unbrauchbar machen las- 
sen«. Ein Beispiel: »An der Grenze zwischen den Vereinigten 
Staaten und Mexiko wurden keine Gebäude zerstört, um Tun- 
nel zu schließen, obwohl manche der betroffenen Häuser eben- 
falls dicht beieinander standen und nur wenige Meter von der 
Grenze entfernt waren.« 

Bis vor kurzem machte sich die israelische Armee nicht ein- 
mal die Mühe, die Tunnel selbst zu verschließen - sie begnügte 
sich damit, die palästinensischen Häuser über den Tunnelein- 
gängen platt zu walzen. Daß »derart ineffiziente Maßnahmen 
zwei Jahre lang zum Einsatz kamen, ist höchst verwunderlich«, 
bemerkte Human Rights Watch. »Diese Praxis steht in scharfem 
Kontrast zu der Behauptung, daß Israel es hier mit einer sehr 
ernsten, seit langem bestehenden Bedrohung zu tun hat.« Laut 
Human Rights Watch besteht der Zweck der massiven Häuser- 
zerstörungen durch Israel in Wahrheit nicht darin, die Sicher- 
heit der israelischen Armee zu erhöhen, sondern darin, entlang 
der Grenze freie Bahn zu bekommen, um - auch nach dem 
»Rückzug« - »die langfristige Kontrolle über den Gazastreifen 
zu erleichtern«. 

Palästinenser »können sich in Israel nirgendwohin wenden, 
um rechtlichen Schutz gegen die ungesetzlichen Zerstörungen 
und gewaltsamen Vertreibungen einzufordern«, stellte Human 
Rights Watch abschließend fest. Israel hat »keine der ungesetz- 

277 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

liehen oder unvorschriftsmäßig durchgeführten Zerstörungen 
untersucht«; »Israels Oberstes Gericht hat völkerrechtswidrige 
Maßnahmen der israelischen Armee, einschließlich der Häu- 
serzerstörungen, beständig sanktioniert«; »nach israelischem 
Gesetz darf für Schäden, die >im Kampf< entstanden sind, kei- 
nerlei Entschädigung geleistet werden - womit . . . praktisch alle 
Aktivitäten der israelischen Armee [in den besetzten Gebieten] 
abgedeckt wären«. Unter den von Human Rights Watch ausge- 
sprochenen Empfehlungen ist auch ein Appell an die Regierun- 
gen der Geberländer, »von Israel zu verlangen, entweder Wie- 
dergutmachung an die Opfer zu leisten oder aber die Geber- 
länder für Gelder, die für den Wiederaufbau ungesetzlich zer- 
störter Häuser verwendet wurden, direkt zu entschädigen«. 
Human Rights Watch ruft die Vereinigten Staaten dazu auf, 
»Israels Einsatz von gepanzerten Caterpillar-Bulldozern des 
Typs D9 ebenso wie von Apache- und Cobra-Kampfhubschrau- 
bern und anderen amerikanischen Waffensystemen, mit denen 
der internationale Menschenrechtsschutz und das humanitäre 
Völkerrecht systematisch verletzt werden, einzuschränken«. 
Außerdem sollten die Vereinigten Staaten, wie Human Rights 
Watch dringend rät, »Israels Regierung davon in Kenntnis set- 
zen, daß jede weitere militärische Unterstützung von seiten der 
Vereinigten Staaten davon abhängen wird, ob die israelische 
Regierung deutlich macht und nachweisen kann, daß sie alles 
unternimmt, um die von ihren Sicherheitskräften im West- 
jordanland und im Gazastreifen begangenen schweren und sy- 
stematischen Verstöße gegen den internationalen Menschen- 
rechtsschutz und das humanitäre Völkerrecht zu unterbinden«. 
Der Caterpillar-Bulldozer des Typs D9 ist »für die israelische 
Armee das wichtigste Gerät, um im Gazastreifen und im West- 
jordanland Wohnhäuser und andere Gebäude sowie landwirt- 
schaftliche Nutzflächen zu zerstören«. In einer separaten Emp- 
fehlung wandte sich Human Rights Watch direkt an die Firma 
Caterpillar und rief sie dazu auf, den »Verkauf von D9-Bulldo- 
278 



Rückkehr der Wandalen 

zern und Ersatzteilen an die israelische Armee einzustellen 
und auch keine Wartungsdienste mehr zu leisten«, solange Is- 
rael gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt. »Ansonsten 
wird Caterpillar auch in Zukunft eine Mitschuld daran zu tra- 
gen haben, daß die israelische Regierung unter Einsatz der von 
der Firma gelieferten Bulldozer übermäßige und unberechtigte 
Zerstörungen vornehmen läßt und somit das humanitäre Völ- 
kerrecht verletzt.« 32 In einer im November 2004 veröffentlich- 
ten Studie hielt B'Tselem fest, daß »im Verlauf israelischer 
>Räumungsoperationen <« seit Beginn der zweiten Intifada 
mehr als 2500 palästinensische Häuser, die fast 24 000 Palästi- 
nensern ein Dach über dem Kopf geboten hatten, zerstört wur- 
den. 33 

Der Abschnitt »Leere Häuser« zeigt, wie Dershowitz den 
Eindruck zu erwecken sucht, daß die arabische beziehungs- 
weise muslimische Darstellung israelischer Häuserzerstörun- 
gen nicht der Wahrheit entspricht. 

Leere Häuser 

In Plädoyer für Israel (S. 276, 348) schreibt Dershowitz: 

In einigen muslimischen Ländern [sieht es für die Fernseh- 
zuschauer so aus], als würde man die Häuser abreißen, ohne 
sie zuvor zu evakuieren! 

Vielen Palästinensern, Arabern und Muslimen in der ganzen 
Welt... [zeigt das Fernsehen] den Abriß von Häusern, ohne 
zu sagen, daß man diese Häuser geräumt hat, bevor die 
Bulldozer auffuhren. 

In einer Studie über die israelische Belagerung Jenins im April 
2002 schrieb Human Rights Watch: »Zwar gab die israelische 
Armee in einigen Fällen Warnungen aus, doch viele Zivilisten 

279 






»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

B'Tselem über Häuserzerstörungen während der 
»Operation Schutzschild«* 

Flüchtlingslager Jenin, 6. April 2002: Aussage von Fathiya 
Suliman (70) 

Als die Bulldozer kamen und anfingen, die Häuser in unse- 
rer Nachbarschaft zu zerstören, rannten wir aus dem Haus. 
Es war schon dunkel. Wir waren zu siebt: mein Mann, meine 
Schwiegertochter, meine Tochter und drei meiner Söhne. 
Einer meiner Söhne, Jamal (38 Jahre alt), ist taub und quer- 
schnittsgelähmt. Wir flüchteten uns ins Haus meines Schwa- 
gers. Als sich einer der Bulldozer auf unser Haus zubewegte 
- es steht gleich neben dem Haus meines Schwagers -, baten 
wir die Soldaten um die Erlaubnis, Jamal aus dem Haus zu 
holen. Die Soldaten lehnten das ab. Ein paar andere Frauen, 
ein Nachbar, der hebräisch spricht, und ich flehten die Sol- 
daten aber weiter an. Zuerst sagten sie, der befehlshabende 
Offizier schlafe gerade. Dann erklärte sich ein Soldat doch 
damit einverstanden, daß wir Jamal aus dem Haus holten - 
aber nur wir Frauen dürften reingehen, sagte er. Wir gingen 
also hinein, aber der Bulldozerfahrer weigerte sich, uns auch 
nur eine Minute Zeit zu lassen, um Jamal herauszuholen. 
Die Soldaten, die uns gesagt hatten, daß wir ins Haus gehen 
dürften, riefen dem Soldaten, der den Bulldozer fuhr, zu, er 
solle mal für einen Moment aufhören, aber er lehnte das ab. 
Wir rannten schnell ins Haus, während sich der Bulldozer 
schon in unser Haus fraß. Meine Tochter Amal, ein paar 
Nachbarinnen und ich fanden Jamal unter den Trümmern. 
Dann begann das Haus einzustürzen, und wir rannten um 
unser Leben. Das Haus brach über Jamal zusammen. Es 
wurde vollständig zerstört. 

* B'Tselem, Operation Defensive Shield: Soldiers' Testimonies, Palestin- 
ian Testimonies, Jerusalem, September 2002, S. 15. 

280 



Rückkehr der Wandalen 

erfuhren erst von der drohenden Gefahr, als die Bulldozer be- 
reits anfingen, ihre Häuser zu zerstören. Jamal Fayid, ein 37jäh- 
riger querschnittsgelähmter Mann, wurde getötet, weil die is- 
raelische Armee seiner Familie keine Zeit ließ, ihn herauszuho- 
len, und das Haus über ihm zum Einsturz brachte. Der 65- 
jährige Muhammad Abu Sabaa mußte einen Bulldozer-Fahrer 
der israelischen Armee anflehen, damit aufzuhören, sein Haus 
zu zerstören, in dem sich noch seine Familie befand. Als er zu 
seinem halbzerstörten Haus zurückging, wurde er von einem 
israelischen Soldaten erschossen.« 34 Auch Amnesty Internatio- 
nal schrieb in einer Studie über die israelische Belagerung Je- 
nins im April 2002: »Die Armee zerstörte Häuser, ohne in jedem 
Fall sicherzustellen, daß sich niemand mehr darin aufhielt«; 
»sechs [Personen] wurden unter den Trümmern begraben«. 
Amnesty hielt überdies fest, daß die israelische Armee auch in 
Nablus »einige Häuser mit D9-Bulldozern zerstörte und dabei 
in mindestens zwei Fällen Bewohner lebendig unter dem ein- 
stürzenden Haus begrub. Die Soldaten machten sich weder die 
Mühe nachzusehen, ob die Häuser leer waren, noch versuchten 
sie, die Menschen zu retten, die in den Trümmern eingeschlos- 
sen waren.« 35 B'Tselem stellte in einer Studie über die Belage- 
rung vom April 2002 ebenfalls fest: »Viele Bewohner des 
Flüchtlingslagers [Jenin] wurden nicht davon in Kenntnis ge- 
setzt, daß ihr Haus zerstört werden sollte. Und in den Fällen, in 
denen sie vorab informiert wurden, kamen die Warnungen zu 
spät: Aufgrund des heftigen Geschützfeuers konnten die Men- 
schen ihre Häuser nicht mehr verlassen. Menschen wurden le- 
bendig unter den Trümmern begraben. Manche wurden geret- 
tet, andere nicht.« 

Als Bewohner des Flüchtlingslagers versuchten, die in den 
Trümmern eingeschlossenen Menschen zu befreien, »schössen 
die israelischen Soldaten auf die Retter und fuhren in Beglei- 
tung eines Panzers auf sie zu, woraufhin die Retter flohen«, 
schrieb B'Tselem. Und: »Die israelische Armee erlaubte es aus- 

281 




»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Amnesty International über Kinder, die bei 
Häuserzerstörungen getötet wurden* 

In Jenin, Nablus und an anderen Orten zerstörte die israeli- 
sche Armee einige Häuser mit Bulldozern, während die Be- 
wohner, unter ihnen auch Kinder, noch im Haus waren. Es 
ist auch mehrfach vorgekommen, daß die israelische Armee 
Häuser in die Luft sprengte, ohne vorher die umliegenden 
Häuser, die bei der Explosion ebenfalls zerstört oder be- 
schädigt wurden, zu evakuieren. Es gab Fälle, bei denen 
Zivilisten, unter ihnen auch Kinder, getötet oder unter den 
Trümmern des zerstörten Hauses lebendig begraben wur- 
den. In den Fällen, bei denen Amnesty International Nach- 
forschungen angestellt hat, war den Zivilisten offenbar kei- 
nerlei Gelegenheit gegeben worden, ihre Häuser vor der 
Zerstörung zu verlassen. 

Drei Kinder, Abdallah, Azam und Anas al-Shubi (4, 7 
und 9 Jahre alt), wurden gemeinsam mit ihrer schwangeren 
Mutter und vier weiteren Verwandten unter den Trümmern 
ihres Hauses begraben, als dieses am 6. April 2002 von der 
israelischen Armee zerstört wurde. Das Haus stand in der 
Altstadt (Qasbah) von Nablus, und die israelische Armee 
hatte zu dieser Zeit eine strikte Ausgangssperre verhängt. 
Beinahe eine Woche nach der Zerstörung des Hauses konn- 
ten zwei Überlebende aus den Trümmern geborgen werden. 
Die von Amnesty International befragten Nachbarn der 
Familie sagten aus, daß die israelische Armee angefangen 
habe, das Haus mit Bulldozern zu zerstören, ohne die Fami- 
lie zu warnen. Außerdem gaben die Nachbarn an, von den 
Soldaten unter Beschuß genommen worden zu sein, als sie 

* Amnesty International, Killing the Future: Children in the Line of 
Fire. London, Oktober 2002. S. 7. 

282 



Rückkehr der Wandalen 









sich über die Ausgangssperre hinwegsetzten, um in den 
Trümmern des zerstörten Hauses nach Überlebenden zu su- 
chen. 

Ein Cousin der Kinder, Mahmud Umar al-Shubi, erklärte 
gegenüber Amnesty International, daß er sich, als die Aus- 
gangssperre am 12. April nachmittags für zwei Stunden auf- 
gehoben wurde, auf die Suche nach seinem Vater und seiner 
Schwester gemacht hatte. Als er beim Haus der Familie ein- 
traf, fand er es zerstört vor. Mahmud sagte, er habe dann 
gemeinsam mit Nachbarn begonnen, in dem Trümmerhau- 
fen zu graben, in der Hoffnung, daß seine Verwandten noch 
lebten. Als es zu regnen anfing und der Sand zu Schlamm 
wurde, wurde ihre Suche noch erschwert. Mahmud grub 
immer weiter, auch als die Ausgangssperre wieder galt. Er 
wurde mehrmals unter Beschuß genommen. 

Spät in der Nacht fanden die Retter schließlich dort, wo 
sich früher das Erdgeschoß befunden hatte, eine kleine Öff- 
nung. In diesem kleinen Teil des Hauses, der noch existierte, 
fanden sie seinen 68jährigen Onkel Abdallah und dessen 
67jährige Frau Shamsa - die beiden hatten überlebt. Die Ret- 
ter gruben in dieser Nacht immer weiter. Um 1.30 Uhr fan- 
den sie schließlich die übrigen Familienmitglieder, die einen 
Kreis gebildet und sich eng aneinandergeschmiegt hatten, 
tot vor: Mahmuds Vater Umar, seine Schwester Fatima, sei- 
nen Cousin Samir und dessen im siebten Monat schwangere 
Frau, Nabila, sowie deren drei Kinder Abdallah, Azam und 
Anas und einen weiteren Cousin namens Abir. 

Später erfuhr Mahmud von Nachbarn, daß diese die 
Schreie der Familie trotz des Bulldozerlärms hatten hören 
können, daß es ihnen aber nicht möglich gewesen war, der 
Familie zu Hilfe zu kommen, und daß der Bulldozer am En- 
de sogar selbst in den Trümmern des am Hang gebauten 
Hauses eingebrochen war. 

283 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ausländischen Rettungsdiensten nicht, das Flüchtlingslager zu 
betreten und dabei zu helfen, verschüttete Opfer aus den Trüm- 
mern zu befreien.« B'Tselem gab in dieser Studie auch das Zitat 
eines Bulldozerfahrers wieder, der sich öffentlich mit seinen 
Taten gebrüstet hatte: »Bei mir hatten die keine Chance. Ich hab 
nicht lang gefackelt. Nach dem ersten Schlag 'ne Pause einlegen 
und warten, bis alle draußen sind, das läuft bei mir nicht. Ich 
hab bei jedem Haus immer gleich voll drauflosgedonnert, da- 
mit es so schnell wie möglich einstürzt.« 36 

In einem im Februar 2002 erschienenen Bericht über Häuser- 
zerstörungen im Gazastreifen schrieb B'Tselem: »Die Zer- 
störungen finden in der Regel mitten in der Nacht statt, ohne 
daß die Bewohner irgendwie vorgewarnt würden ... In vielen 
Fällen mußten die Bewohner aus ihren Häusern fliehen, nach- 
dem sie durch den Lärm der Panzer und Bulldozer, die schon 
vor ihrer Haustür standen, geweckt worden waren.« Human 
Rights Watch wies in einer Presseerklärung vom Oktober 2002 
auf das »sehr verstörende Muster« hin, das bei den Häuserzer- 
störungen zu beobachten sei, und berichtete vom Fall eines 
»zweijährigen Jungen«, der »in den Trümmern seines Hauses 
starb, ... als israelische Soldaten ein Nachbarhaus zerstörten . . . 
Die Menschen in der Nachbarschaft konnten ihre Häuser nicht 
verlassen, und die Sprengung des Hauses erfolgte ohne Vor- 
warnung.« 37 



284 



Kapitel 8 

Abgeschnürte Lebensader 



In Plädoyer für Israel behauptet Alan Dershowitz, die israeli- 
sche Besatzung habe die Lebensbedingungen der Palästinenser 
spürbar verbessert. Er gibt zu bedenken, »daß die israelische 
Besetzung, im krassen Gegensatz zu so vielen anderen gegen- 
wärtigen Okkupationen, den Besetzten auch beträchtliche Divi- 
denden in Form einer längeren Lebenserwartung, einer bes- 
seren Gesundheitsversorgung und Bildung gebracht hat. Auch 
ein Rückgang der Kindersterblichkeit gehört dazu« (S. 260). 
Lassen wir einmal beiseite, daß Dershowitz nicht mitteilt, mit 
welchen anderen »gegenwärtigen« Besatzungen er die israeli- 
sche Besatzung vergleicht (wahrscheinlich mit gar keiner) und 
daß, historisch betrachtet, viele, ja vielleicht sogar die meisten 
Völker, deren Land besetzt wurde, in gewisser Hinsicht von der 
jeweiligen Besatzung profitierten. Es stimmt, daß die Palästi- 
nenser vor allem während der ersten Jahre der Besatzung laut 
Standardindizes ein gewisses Maß an Wohlstand genossen. Um 
diesen Wohlstand angemessen bewerten zu können, muß man 
ihn jedoch im Gesamtgefüge der wirtschaftlichen Entwicklung 
sehen. 

Zuallererst sollte man sich in Erinnerung rufen, daß sich der 
Lebensstandard der Palästinenser bereits während der briti- 
schen Mandatszeit aufgrund der jüdischen Besiedlung signifi- 
kant verbesserte. Der zuverlässige, 1937 erschienene Bericht der 
königlich-britischen Peel-Kommission gelangte nach eingehen- 
der Prüfung der Argumente und Gegenargumente zu folgen- 

285 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

dem Schluß: »Im großen und ganzen haben die Araber von den 
mit der jüdischen Einwanderung verbundenen materiellen 
Verbesserungen in nicht geringem Maße profitiert.« 1 Als die 
zionistische Bewegung Palästina im Jahr 1948 ethnisch säu- 
berte, war es mit diesen Verbesserungen jedoch schlagartig vor- 
bei. Es wäre eine Sache, wenn die ethnische Säuberung den 
Umständen geschuldet, wenn sie also unvorhergesehen und 
unbeabsichtigt gewesen wäre. Doch die Historiker sind sich in 
zunehmendem Maße darüber einig, daß die Vertreibung der 
palästinensischen Araber geplant, ja zutiefst in der zionisti- 
schen Zielsetzung verankert war - schließlich bestand dieses 
Ziel darin, in einem überwiegend von NichtJuden bewohnten 
Gebiet einen überwiegend von Juden bewohnten Staat zu grün- 
den. 2 So gesehen ist es müßig darüber zu diskutieren, inwieweit 
die Palästinenser während der Mandatszeit von der jüdischen 
Besiedlung profitierten, denn dieser Wohlstand der Palästinen- 
ser war lediglich eine kurze Zwischenetappe auf dem Weg zu 
ihrer geplanten Enteignung. Das gleiche Grundprinzip gilt für 
den Wohlstand, den die Palästinenser während der ersten Jahre 
der Besatzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens ge- 
nossen. Während es einzelnen Palästinensern vorübergehend 
finanziell relativ gut ging, verleibte sich Israel lebenswichtige 
Ressourcen und weite Teile des Landes ein. Die einheimische 
Wirtschaft wurde mit Methode und voller Absicht zerstört. Sie 
steht heute vor dem totalen Zusammenbruch. 

Die an der Harvard University ausgebildete, gegenwärtig am 
Harvard-Zentrum für Nahoststudien forschende Volkswirt- 
schaftlerin Sara Roy hat in einer wichtigen Studie dargelegt, 
daß die israelische Besatzung die palästinensische Wirtschaft 
noch stärker beeinträchtigt, als dies sonst für kolonialisierte 
oder anderweitig von außen kontrollierte Gebiete typisch ist. 3 
Der Grund dafür ist in der israelischen Zielsetzung zu suchen: 
Nicht auf die Ausbeutung der Palästinenser kommt es Israel an, 
sondern auf deren Enteignung, denn Ziel ist es, so viel palästi- 
286 



Abgeschnürte Lebensader 

nensisches Land wie möglich für eine rein jüdische Besiedlung 
zu gewinnen. Die Wechselfälle der palästinensischen Wirtschaft 
- dazu gehören »ein Jahrzehnt rapiden Wirtschaftswachstums« 
und »deutliche Verbesserungen des Lebensstandards« - müs- 
sen, so Roy, vor dem Hintergrund einer Politik der »Zurück- 
entwicklung« (»de-development«) betrachtet werden. Die von 
Israel betriebene systematische Entwendung lebenswichtiger 
palästinensischer Güter zum Wohle der jüdischen Bevölkerung 
geht dabei einher mit der Vertreibung der Palästinenser, die im 
Zuge dieser Landnahme überdies ihres Status als Nation be- 
raubt werden. 

Mit seiner Behauptung, »daß die israelische Besetzung im 
krassen Gegensatz zu so vielen anderen gegenwärtigen Okku- 
pationen« steht, mag Dershowitz also gar nicht einmal so falsch 
liegen; was aber in Wirklichkeit das Besondere an der israeli- 
schen Besatzung ist, geht aus den von ihm genannten Gründen 
nicht hervor. »Israels ideologische und politische Ziele haben 
sich als noch ausbeuterischer erwiesen als die Ziele anderer 
Siedlerregime«, schreibt Roy, »denn sie berauben die einheimi- 
sche Bevölkerung ihrer wichtigsten Ressourcen - Land, Wasser 
und Arbeit - und darüber hinaus auch ihrer Fähigkeit und 
Möglichkeit, die verbliebenen Ressourcen selbst weiterzuent- 
wickeln.« 4 Roy beschäftigte sich in dieser Studie hauptsächlich 
mit dem Gazastreifen und stellte fest, daß sich die diskriminie- 
rende Politik Israels, aufgrund derer die Palästinenser nur be- 
grenzt Zugang zu Wasser haben, hier »besonders schlimm aus- 
gewirkt hat, und zwar sowohl auf die Landwirtschaft, d. h. den 
Sektor, der den höchsten Wasserverbrauch hat und traditionell 
den bedeutendsten Wirtschaftszweig darstellt, als auch auf den 
häuslichen Verbrauch«. Der Pro-Kopf- Wasserverbrauch der 
jüdischen Siedler im Gazastreifen lag bei rund 2240 Kubik- 
metern, während der Verbrauch der dort lebenden Palästinen- 
ser bei nur 140 Kubikmetern lag - ein Verhältnis von 16 zu 1. 
Außerdem beschlagnahmte Israel illegal mehr als die Hälfte des 

287 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Landes im Gazastreifen und teilte 25 Prozent des Landes jüdi- 
schen Siedlern zu, deren Zahl laut dem Israelischen Zentralamt 
für Statistik zuletzt 7500 betrug. Damit stellten die Siedler 0,5 
Prozent der Gesamtbevölkerung im Gazastreifen (1,3 Millio- 
nen). »Daß der Staat [Israel] immer mehr Land vereinnahmte 
und die jüdische Besiedlung immer weiter vorantrieb, hat die 
Entwicklung des Gazastreifens«, so Roy, »stark beeinträchtigt«, 
zum Beispiel durch den Verlust von Agrarland und durch die 
im Zusammenhang mit enormer Überbevölkerung unweiger- 
lich entstehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Pro- 
bleme. In einem der am dichtesten bevölkerten Landstriche der 
Welt wurde jedem jüdischen Siedler 85 Mal mehr Land zuge- 
sprochen als einem Palästinenser. 5 

Diskriminierende Maßnahmen werden überall in den besetz- 
ten Gebieten durchgesetzt. Für Israel und die besetzten Gebiete 
gibt es zwei Wasser Versorgungssysteme: den Bergaquifer und 
das Jordanbecken. Israel nutzt das Wasser aus dem Bergaquifer 
zu 79 Prozent und das Wasser aus dem Jordanbecken zu 100 
Prozent, während die Palästinenser das Wasser aus dem Berg- 
aquifer nur zu 21 Prozent nutzen und auf das Wasser des Jor- 
danbeckens gar keinen Zugriff haben. »Die Palästinenser sind 
in bezug auf die Nutzung des ihnen zustehenden Anteils der 
gemeinsamen Ressourcen noch nicht zu ihrem Recht gekom- 
men«, berichtet B'Tselem, »und die Verteilung dieser Ressour- 
cen ist mit der Zeit diskriminierend und ungerecht geworden.« 
Der jährliche Pro-Kopf-Wasserverbrauch für den häuslichen, 
städtischen und industriellen Bedarf beträgt in Israel 128 Ku- 
bikmeter, während er bei den im Westjordanland lebenden Pa- 
lästinensern 26 Kubikmeter beträgt - ein Verhältnis von 5 zu 1. 

Als ein typisches Beispiel für die israelische Politik führt 
B'Tselem das folgende an: »Einige Städte im Westjordanland 
sind, vor allem im Sommer, gezwungen, die Bevölkerung nach 
dem Rotationsprinzip mit Wasser zu versorgen, um die geringe 
verfügbare Wassermenge zu verteilen. Dies bedeutet, daß die 
288 



Abgeschnürte Lebensader 

Wasserversorgung nur mit Unterbrechungen funktioniert: Zu- 
nächst werden die Bewohner eines bestimmten Stadtviertels 
versorgt; nach ein paar Stunden wird ihnen das Wasser abge- 
dreht, damit auch die anderen Stadtviertel versorgt werden 
können, und die Bewohner müssen abwarten, bis ihr Viertel 
wieder an der Reihe ist ... Das Rotationsprinzip ist erforderlich, 
weil in der heißen Jahreszeit ein erhöhter Wasserbedarf besteht. 
Während aber der Wasserbedarf sowohl bei den Palästinensern 
als auch bei den israelischen Siedlern steigt, geht [Israel] das 
Problem in diskriminierender Weise an: Nur den Siedlern wird 
eine höhere Wassermenge zugestanden. Die palästinensischen 
Städte erhalten hingegen nicht mehr, sondern eher weniger 
Wasser.« 6 In einer anderen Studie bemerkte B'Tselem: »Da- 
durch, daß die [jüdischen] Siedlungen im Jordantal von der 
Landwirtschaft leben, ... wird den palästinensischen Bewoh- 
nern dort die Möglichkeit genommen, die Wasserressourcen 
der Region in größerem Umfang zu nutzen.« Der Wasserver- 
brauch der weniger als 5000 im Jordantal lebenden jüdischen 
Siedler entspricht 75 Prozent des häuslichen und städtischen 
Wasserverbrauchs der gesamten zwei Millionen im Westjor- 
danland lebenden Palästinenser. 7 

In einer Studie zur israelischen Siedlungspolitik im Westjor- 
danland stellte B'Tselem fest, daß Israel beinahe die Hälfte des 
Westjordanlandes (ohne Ost-Jerusalem) illegal konfisziert und 
den dort illegal lebenden 200 000 jüdischen Siedlern, die weni- 
ger als 10 Prozent der Westjordanlandbevölkerung ausmachen, 
mehr als 40 Prozent des Landes zugewiesen hat. Die jüdischen 
Siedlungen »verhindern, daß die einzelnen palästinensischen 
Gemeinden auf sinnvolle Art und Weise territorial miteinander 
verbunden bleiben«, was wiederum »die Gründung eines unab- 
hängigen und lebensfähigen palästinensischen Staates unmög- 
lich macht«. Außerdem werden, wie B'Tselem weiter ausführt, 
»die Möglichkeiten, die den Palästinensern bleiben, um ihre 
Wirtschaft im allgemeinen und ihre Landwirtschaft im beson- 

289 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

deren zu stärken, durch die Siedlungen drastisch verringert«; 
die Siedlungen »verringern auch die Möglichkeiten, die den 
palästinensischen Gemeinden bleiben, um die Stadtentwick- 
lung voranzutreiben, wobei diese Möglichkeiten in manchen 
Fällen schon fast gar nicht mehr bestehen«. 

B'Tselems Schlußfolgerung verdient besondere Beachtung: 
»Israel betreibt in den besetzten Gebieten eine auf Diskrimi- 
nierung beruhende Segregation: In ein und demselben Gebiet 
gelten zwei verschiedene Rechtssysteme, und das Recht des 
Einzelnen hängt von seiner Nationalität ab. Dieses Regime ist 
weltweit das einzige seiner Art und erinnert an abstoßende Re- 
gime früherer Zeiten, so zum Beispiel an das südafrikanische 
Apartheidregime.« 8 Dershowitz schreibt, die »Analogie« zwi- 
schen der israelischen Politik und der südafrikanischen Apart- 
heid sei »nachweislich falsch« (S. 325). Er versucht jedoch gar 
nicht erst, B'Tselems Schlußfolgerung zu widerlegen. Dersho- 
witz behauptet auch, daß es »weder intellektuell noch mora- 
lisch ein Argument dafür gibt, ausgerechnet Israel für ein ... 
Divestment [d.h. für den Abbruch aller finanziellen Bezie- 
hungen, also einen Boykott; Anm. d. Ü.] herauszugreifen« (S. 
316). Wenn es aber ein Argument dafür gab, Südafrika für ein 
»Divestment« herauszugreifen, dann scheint es auch ein Argu- 
ment dafür zu geben, das dem Apartheidregime in einzig- 
artiger Weise gleichende israelische Besatzungsregime für ein 
»Divestment« herauszugreifen. 

Als der Direktor der Nahostabteilung des Internationalen 
Währungsfonds, George Abed, vor dem Ausbruch der zweiten 
Intifada die Zukunftsaussichten für die palästinensische Wirt- 
schaft untersuchte, stellte er fest: »Aufgrund des Erbes einer seit 
27 Jahre andauernden Besatzung und einer sich sehr ungünstig 
auswirkenden, seit vier Jahren bestehenden >Zwischenlösung< 
ist es um die Zukunft der palästinensischen Wirtschaft sehr 
schlecht bestellt. Das Pro-Kopf-Realeinkommen sank in dieser 
Zeit um fast 25 Prozent.« 
290 



Abgeschnürte Lebensader 

Es gibt gar keinen Zweifel, daß die Besatzung ... das Hu- 
man- und Sachkapital, die Rohstoffbasis, die Außen- 
wirtschaftsbeziehungen sowie alle anderen Aspekte des Le- 
bens stark beeinträchtigt hat . . . Einige der Vorzüge, die das 
Westjordanland (und zu einem geringeren Teil auch der 
Gazastreifen) am Vorabend der Besatzung aufzuweisen hat- 
te - einen produktiven Agrarsektor ohne Wasserbeschrän- 
kungen, blühenden Handel mit dem Osten Jordaniens so- 
wie mit anderen arabischen Ländern, einen starken Touris- 
mussektor, eine adäquate Infrastruktur, ein (für die damali- 
ge Zeit) hervorragendes Grundausbildungssystem, eine 
wachsende Zahl von Akademikern und Unternehmern - 
wurden im Verlauf der seit 27 Jahren andauernden wirt- 
schaftlichen Unterdrückung und Isolation zunichte ge- 
macht. Deswegen ist die wirtschaftliche Situation ... ge- 
messen an den Fortschritten, die andere Länder in der Regi- 
on in der Zwischenzeit gemacht haben, heute schlechter, als 
sie es im Jahr 1967 war. 9 

Die jahrzehntelange Besatzung stellte für die israelische Staats- 
kasse übrigens nie eine Steuerlast dar. »Im Gegenteil, die Palä- 
stinenser beteiligen sich mit hohen Summen an den israelischen 
Staatsausgaben«, was einer der besten israelischen Kenner der 
besetzten Gebiete, Meron Benvenisti, als »Besatzungssteuer« 
bezeichnet hat. Der Reingewinn, den Israel den Palästinensern 
entlockt, »widerlegt«, so Benvenisti, »die israelischen Behaup- 
tungen, nach denen der Grund dafür, daß die israelischen 
Staatsausgaben und Investitionen [in den besetzten Gebieten] 
so gering ausfallen, in einem begrenzten Staatshaushalt zu su- 
chen ist. Wären die Steuermittel für Investitionen [in den be- 
setzten Gebieten] anstatt für Staatsausgaben in Israel genutzt 
worden, hätten die Kommunalleistungen erheblich verbessert 
werden können. Vor allem wäre es dann auch möglich gewe- 
sen, die lokale wirtschaftliche Infrastruktur auszubauen.« 10 

291 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Seit dem Ausbruch der zweiten Intifada stehen die besetzten 
Gebiete laut einer Studie der Vereinten Nationen am Rande ei- 
ner »humanitären Katastrophe«. 11 Ein ausführlicher Bericht der 
Weltbank nannte die folgenden trostlosen Zahlen: Das Brut- 
toinlandsprodukt und das Bruttonationaleinkommen (Brutto- 
sozialprodukt) sanken zwischen 1999 und 2002 pro Kopf um 40 
beziehungsweise 45 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt bei 40 
Prozent, während 60 Prozent der palästinensischen Bevöl- 
kerung mit weniger als 2,10 US-Dollar pro Tag auskommen 
müssen und somit unterhalb der Armutsgrenze liegen. Der 
Nahrungsmittelverbrauch ist seit 1998 um 25 Prozent zurück- 
gegangen, und »die kürzlich im Gazastreifen festgestellte Häu- 
figkeit von Fällen akuter Unterernährung (13,3 Prozent) zeugt 
von schlimmer Not, die die palästinensische Gesundheit und 
Entwicklung langfristig schwer beeinträchtigen wird«. Der völ- 
lige Zusammenbruch der palästinensischen Gesellschaft wurde 
bisher allein dadurch abgewendet, daß die Geberländer (haupt- 
sächlich die Arabische Liga, aber auch, in geringerem Maße, die 
Europäische Union) Nothilfe geleistet und daß die Palästinen- 
ser selbst Einfallsreichtum bewiesen und sich gegenseitig un- 
terstützt haben. 

In bezug auf den letztgenannten Punkt schrieb die normaler- 
weise unsentimentale Weltbank: »Die Palästinenser haben ge- 
zeigt, daß sie stark zusammenhalten und sich nicht unterkrie- 
gen lassen. Trotz der Gewalt, der wirtschaftlichen Not und der 
tagtäglichen Belastung eines Lebens unter Ausgangssperren 
und Abriegelungen wird allerorten alles mögliche verliehen 
oder mit anderen geteilt, und die Familien sind größtenteils in- 
takt geblieben. Ungeachtet des Mangels an formalen sozialen 
Auffangnetzen ist das Ausmaß völliger Mittellosigkeit be- 
grenzt, denn diejenigen, die ein Einkommen haben, teilen es in 
der Regel mit denjenigen, die keines haben. Der Bevölkerung 
des Westjordanlandes und des Gazastreifens ist es gelungen, 
mit einem Ausmaß von Arbeitslosigkeit zurechtzukommen, das 
292 



Abgeschnürte Lebensader 

das soziale Gefüge vieler anderer Gesellschaften gesprengt hät- 
te.« Die Weltbank bezeichnete diese Leistung als »recht bemer- 
kenswert«. Da gegen das UN-Hilfswerk für palästinensische 
Flüchtlinge im Nahen Osten, UNWRA, immer wieder schwere 
Vorwürfe erhoben werden, sei an dieser Stelle darauf hinge- 
wiesen, was die Weltbank über diese Organisation schrieb, die 
nach der palästinensischen Autonomiebehörde der zweitgrößte 
Anbieter sozialer Dienste in den besetzten Gebieten ist und sich 
um Gesundheits- und Schulwesen sowie um humanitäre Hilfe 
für Flüchtlinge (die Hälfte der Gesamtbevölkerung und 70 Pro- 
zent der im Gazastreifen lebenden Palästinenser) kümmert: 
»Die Hilfsprogramme der UNRWA ... werden von der Bevöl- 
kerung nach wie vor sehr geschätzt.« 12 

Die »Hauptursache für die palästinensische Wirtschaftskrise« 
ist, so die Weltbank, »die Abriegelungspolitik«, also die von 
Israel verfügte eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Palästi- 
nenser und die Behinderung des palästinensischen Waren- 
verkehrs sowohl innerhalb der besetzten Gebiete als auch über 
deren Grenzen hinaus. »Die Conditio sine qua non für die Er- 
langung wirtschaftlicher Stabilität besteht«, laut der Analyse 
der Weltbank, »zum einen in der erheblichen Lockerung des 
gegenwärtigen Systems von Abriegelungen und Ausgangs- 
sperren in den besetzten Gebieten und zum anderen in der Be- 
willigung eines leichten Zugangs zu ausländischen Märkten.« 13 
Amnesty International untersuchte ebenfalls, inwieweit die Pa- 
lästinenser durch die von Israel verfügten Ausgangssperren 
und Abriegelungen beeinträchtigt werden, und kam zu dem 
Ergebnis, daß sich diese Maßnahmen »auf das Recht auf Arbeit 
und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard sowie 
auf angemessene Bildung und Gesundheitsversorgung verhee- 
rend auswirken«. 

Hier einige weitere Ergebnisse der Amnesty-Studie: »Einige 
Dörfer werden komplett abgeriegelt, und in städtischen Gebie- 
ten werden oft Ausgangssperren verhängt, die rund um die 

293 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Uhr und über längere Zeiträume hinweg gelten. Während die- 
ser Zeit darf niemand das Haus verlassen.« »Einen Weg von 
wenigen Kilometern zurückzulegen ist entweder ganz ausge- 
schlossen oder nimmt mehrere Stunden in Anspruch, weil die 
jüdischen Siedlungen und Siedlerstraßen weiträumig umfahren 
werden müssen.« »Die meisten der im Jahr 2000 im Gazastrei- 
fen lebenden 1,3 Millionen Palästinenser haben den nur 348 
Quadratkilometer großen Landstrich noch nie in ihrem Leben 
verlassen.« »Die Hauptstraßen des Westjordanlandes sind den 
deutlich an ihren gelben Nummernschildern zu erkennenden 
israelischen Autos sowie den Militärfahrzeugen vorbehalten. 
Die an ihren grünen Nummernschildern erkennbaren palästi- 
nensischen Fahrzeuge dürfen hier nicht fahren. Von ein paar 
Sammeltaxis abgesehen haben Mitarbeiter von Amnesty Inter- 
national in den letzten Jahren kaum je ein Auto mit grünem 
Kennzeichen auf einer Hauptstraße fahren sehen. Statt dessen 
begegneten sie oft Palästinensern, die mit Esel- oder Maulesel- 
karren unterwegs waren. Vor drei Jahren war dies noch ein sel- 
tener Anblick.« »Seit das israelische Militär im März/ April 2002 
die sechs wichtigsten Städte des Westjordanlandes ... wieder 
unter seine Kontrolle brachte, wurden Ausgangssperren ver- 
hängt, die rund um die Uhr galten und dann über Tage, ja bis- 
weilen sogar über Wochen aufrechterhalten wurden. Die Zivil- 
bevölkerung mußte in ihren Häusern bleiben; niemand durfte 
sich im Freien aufhalten... In Bethlehem herrschte 40 Tage lang 
ununterbrochen Ausgangssperre . . . Über Nablus . . . wurde ab 
dem 21. Juni 2002 eine Ausgangssperre verhängt, die - mit 
Ausnahme eines Monats, in dem sie nur nachts galt - rund um 
die Uhr bestand und fünf Monate lang anhielt.« »[In Gaza] sa- 
ßen Palästinenser zwischen ... Kontrollpunkten oft stunden- 
lang in ihren Fahrzeugen fest. Dabei konnten sie nicht einmal 
aussteigen, weil sie sonst riskiert hätten, erschossen zu wer- 
den.« »Die Abriegelungen und Ausgangssperren werden mit 
militärischer Gewalt durchgesetzt. Oft wenden Angehörige der 
294 



Abgeschnürte Lebensader 

israelischen Sicherheitskräfte sogar tödliche Gewalt an, um die 
Maßnahmen durchzusetzen. Dutzende von unbewaffneten Pa- 
lästinensern, die keinerlei Bedrohung darstellten, wurden da- 
bei getötet oder verwundet. Die Soldaten schössen auf Palä- 
stinenser, die Kontrollpunkte umgingen, Gräben überwanden, 
Barrikaden aus dem Weg räumten und die Ausgangssperre 
mißachteten.« 14 

Daß »die israelischen Behörden nicht nur das Recht, sondern 
auch die Pflicht haben, die für den Schutz von Israelis notwen- 
digen Maßnahmen zu ergreifen«, steht für Amnesty Internatio- 
nal außer Frage. Die Organisation weist jedoch daraufhin, daß 
»die immer umfassenderen und stärkeren Einschränkungen, 
von denen unterschiedslos alle Palästinenser betroffen sind, 
nicht zu einem Ende der Anschläge geführt haben«. Im Gegen- 
teil: »Je mehr die Palästinenser in ihrer Bewegungsfreiheit ein- 
geschränkt wurden, desto stärker sah sich Israel Anschlägen 
ausgesetzt. Daß diese unterschiedslosen Einschränkungen, bei 
denen jeder Palästinenser als Sicherheitsrisiko behandelt wird 
und ganze Gemeinden für die Verbrechen einiger weniger Leu- 
te bestraft werden, wirksame Maßnahmen darstellen, steht da- 
her zu bezweifeln.« Weiter kommentiert Amnesty die bei den 
Abriegelungen innerhalb der besetzten Gebiete häufig zu beo- 
bachtende Willkür: »Die Tatsache, daß die Soldaten in ihrer 
persönlichen Entscheidung, ob sie einen Palästinenser seines 
Weges ziehen lassen oder nicht, recht frei sind, verträgt sich 
nicht mit der Behauptung der israelischen Behörden, nach der 
die inneren Abriegelungen die Funktion eines strikt nach Si- 
cherheitsbedürfnissen ausgerichteten rationalen Kontroll- 
systems erfüllen.« 

Da stark zu bezweifeln ist, daß die Abriegelungen innerhalb 
der besetzten Gebiete dazu dienen, die israelische Sicherheit zu 
erhöhen, stellt Amnesty die Legitimität dieser Abriegelungen 
grundsätzlich in Frage: 



295 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Es besteht ein wesentlicher Unterschied darin, ob Palä- 
stinenser aus den besetzten Gebieten nur eingeschränkt 
Zugang nach Israel haben oder ob Israel die Bewegungs- 
freiheit der Palästinenser innerhalb der besetzten Gebiete 
einschränkt. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit mö- 
gen notwendig sein, um zu verhindern, daß Palästinenser, 
die in Israel Selbstmordattentate oder andere Anschläge 
verüben wollen, über die Grenze gelangen ... Wenn es 
aber Palästinensern nur eingeschränkt oder gar nicht mög- 
lich ist, zwischen Ramallah und Nablus zu verkehren, so 
kann man nicht behaupten, die einschränkenden Maß- 
nahmen seien erforderlich, um potentielle Attentäter dar- 
an zu hindern, nach Israel zu gelangen und in Jerusalem 
oder Tel Aviv Anschläge zu verüben. Doch genau dieses 
Argument wird immer wieder zur Rechtfertigung der Ab- 
riegelungen und Ausgangssperren ins Feld geführt, und 
beide Maßnahmen werden nach palästinensischen An- 
schlägen in Israel routinemäßig verhängt beziehungsweise 
weiter verschärft. Ebenso wie die Bombardierung von Ge- 
bäuden der palästinensischen Autonomiebehörde, die üb- 
licherweise in Reaktion auf palästinensische Selbst- 
mordattentate und andere Anschläge in Israel erfolgt, stel- 
len offenbar auch die Abriegelungen und Ausgangssper- 
ren oft Strafmaßnahmen oder Racheakte für palästinensi- 
sche Anschläge dar (unabhängig davon, ob diese Anschlä- 
ge in Israel stattfanden oder ob sie sich gegen israelische 
Siedler oder Soldaten in den besetzten Gebieten richteten). 
Überdies dienen diese Maßnahmen offenbar dazu, der is- 
raelischen Öffentlichkeit zu zeigen, daß die Armee etwas 
gegen palästinensische Anschläge unternimmt. Dies ist 
besonders im Hinblick auf den Gazastreifen offenkundig: 
Kaum einem Palästinenser ist es bisher gelungen, den 
elektrischen Zaun zu überwinden, der den Gazastreifen 
von Israel trennt. Unter den Palästinensern, die in den 
296 



Abgeschnürte Lebensader 

letzten Jahren Anschläge in Israel verübten, war, soweit 
bekannt, kein einziger Palästinenser aus dem Gazastreifen. 
Dennoch greift Israel in aller Regel nach jedem größeren 
palästinensischen Anschlag auf israelischem Staatsgebiet 
Einrichtungen der palästinensischen Autonomiebehörde 
im Gazastreifen an, so zum Beispiel den Flughafen, den 
Seehafen und die Polizeistationen, von denen die meisten 
schon mehrmals bombardiert wurden. 15 

Um die Abriegelungen zu rechtfertigen, verweist Israel nicht 
nur darauf, daß diese zur Verhinderung von Anschlägen inner- 
halb der israelischen Staatsgrenzen unerläßlich seien; auch der 
Schutz der (illegalen) jüdischen Siedler wird als hinreichender 
Grund genannt. »Obwohl der Anteil der Palästinenser, die sich 
an Übergriffen auf israelische Siedler oder Soldaten beteiligt 
haben, sehr gering ist, wird jeder einzelne Palästinenser wie ein 
potentieller Angreifer behandelt«, schreibt Amnesty. Folglich 
»sorgt die israelische Armee immer häufiger dafür, daß die 
mehr als drei Millionen Palästinenser [in den besetzten Ge- 
bieten] ihr Haus, ihr Dorf oder ihre Stadt nicht verlassen kön- 
nen«. Die Verhängung einer solchen Kollektivstrafe ist im üb- 
rigen »von Grund auf diskriminierend«, so Amnesty: »Diese 
Maßnahmen gelten nur der palästinensischen Bevölkerung, 
nicht aber den israelischen Siedlern, ja oft werden sie gegen 
erstere ergriffen, um letztere zu schützen. Selbst wenn die is- 
raelischen Siedler diejenigen waren, die die Konfrontation aus- 
lösten, indem sie Palästinenser angriffen oder deren Eigentum 
zerstörten, bestand die Reaktion der israelischen Armee unwei- 
gerlich darin, über palästinensische Orte Abriegelungen und 
Ausgangssperren zu verhängen, oder andere, die Bewegungs- 
freiheit der Palästinenser einschränkende Maßnahmen zu er- 
greifen, zum Beispiel ein Areal zu militärischem Sperrgebiet zu 
erklären und Palästinenser von dort zu verbannen.« Wie Am- 
nesty betont, stellen die Siedler bei dem Versuch, den Palästi- 

297 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

nensern ein wenigstens ansatzweise normales Leben zu er- 
möglichen, das größte Hindernis dar: »In den meisten Fällen 
dient die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Palästinen- 
ser dazu, ... die israelischen Siedler von der palästinensischen 
Bevölkerung abzuschotten.« 16 

Israels »gegenwärtige Praxis, in großem Umfang und über 
lange Zeiträume hinweg Abriegelungen vorzunehmen, Aus- 
gangssperren zu verhängen oder die Bewegungsfreiheit ander- 
weitig einzuschränken, ist«, wie Amnesty weiter ausführt, 
»nicht mit Sicherheitsgründen zu erklären«. »Die Pauschal- 
maßnahmen, die ergriffen werden, um die Palästinenser in ih- 
rer Bewegungsfreiheit einzuschränken, sind unverhältnismä- 
ßig und diskriminierend: Sie richten sich gegen die Palästinen- 
ser, weil sie Palästinenser sind, während die israelischen Sied- 
ler, die illegal in den besetzten Gebieten leben, unbehelligt blei- 
ben ... Das Leben von Millionen von Palästinensern, die kei- 
nerlei strafbare Handlung begangen haben, wird von diesen 
Maßnahmen äußerst stark beeinträchtigt« (Hervorhebung im 
Original). 17 

In Plädoyer für Israel hebt Dershowitz nicht nur hervor, daß 
die israelische Besatzung den Palästinensern im Westjordan- 
land und im Gazastreifen eine verbesserte Lebensqualität be- 
schert hat; er hat auch noch einen weiteren Vorteil ausgemacht: 
»Es ist eine Ironie, daß die Besetzung durch die Israelis- im 
Gegensatz zu der durch Jordanien und Ägypten - auch den 
palästinensischen Nationalismus gefördert hat« (S. 260). Ge- 
nauso könnte man darauf hinweisen, daß der Antisemitismus 
den jüdischen Nationalismus gefördert hat. Sollen wir es dem 
Nationalsozialismus etwa zugute halten, daß er Juden in aller 
Welt zu Zionisten hat werden lassen und die Gründung eines 
jüdischen Staats vereinfachte? Es scheint Dershowitz nicht in 
den Sinn gekommen zu sein, daß die israelische Besatzung den 
palästinensischen Nationalismus deswegen auf so einmalige 
Art und Weise befördert, weil sie - im Gegensatz zu der Besat- 
298 




Abgeschnürte Lebensader 

zung durch Jordanien oder Ägypten - die Palästinenser auf so 
einmalige Art und Weise unterdrückt. 

Amnesty International über Kontrollpunkte* 

Eine gängige Form der Bestrafung, von der Soldaten an Kon- 
trollpunkten regelmäßig Gebrauch machen, besteht darin, 
Palästinenser zu zwingen, sich über mehrere Stunden hin- 
weg nicht vom Fleck zu rühren, wobei sie weder vor Sonne 
noch vor Regen geschützt sind; palästinensische Männer 
werden zuweilen auch in Metallkäfige gesperrt. Am Montag, 
den 14. Juli 2003, wurde die aus israelischen Frauen beste- 
hende Organisation »Machsom Watch« (»Kontrollpunkt- 
Überwachung«) alarmiert: Um 10 Uhr morgens erhielt sie die 
Nachricht, daß Nasser Abu Joudeh aus dem Flüchtlingslager 
al-Arroub seit 6 Uhr morgens am Kontrollpunkt Gush Etzion 
(zwischen Hebron und Bethlehem) in einem Metallkäfig (von 
1,2 Quadratmetern Grundfläche) festgehalten wurde. Au- 
ßerdem wurde der Gruppe mitgeteilt, daß noch etwa 30 wei- 
tere Personen seit 5.30 Uhr an diesem Kontrollpunkt fest- 
gehalten wurden. Nachdem »Machsom Watch« die israeli- 
sche Zivilverwaltung kontaktiert hatte, wurde der Häftling 
schließlich gegen 12 Uhr mittags aus dem Käfig entlassen, 
und die anderen Personen durften um 13.30 Uhr gehen, 
nachdem sie bei großer Hitze bis zu sieben Stunden in der 
Sonne hatten ausharren müssen. In der Woche zuvor waren 
am selben Kontrollpunkt zwei Palästinenser zusammen in 
diesen Käfig gesperrt worden, einer für vier Stunden, der 
andere (ein 17jähriger) für sieben Stunden. 




Amnesty International, Surviving under Siege: The Impact of Move- 
ment Restrictions on the Right to Work, London, September 2003, S. 
21. 



299 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Im Dezember 2003 forderte die UN-Generalversammlung beim 
Internationalen Gerichtshof ein Rechtsgutachten an. Dieser soll- 
te feststellen, welche Rechtsfolgen sich aus dem Bau der weit in 
das Westjordanland hineinragenden israelischen Mauer erge- 
ben. Alan Dershowitz, der israelischen »Regierungsvertretern 
bezüglich ihres Umgangs mit dem Internationalen Gerichtshof 
beratend zur Seite stand«, verurteilte diesen und prophezeite, 
er werde nur ein »völlig groteskes Gerichtsverfahren« zustan- 
debringen. Dershowitz erklärte weiter, man könne den Interna- 
tionalen Gerichtshof eigentlich nur als »Känguruh-Ge- 
richtshof«* bezeichnen - das wäre jedoch »eine Beleidigung für 
jedes Känguruh«. 

Für Dershowitz war es »eine ausgemachte Sache«, daß der 
Internationale Gerichtshof gegen Israel entscheiden würde. Er 
verglich den Internationalen Gerichtshof denn auch mit den 
rassistischen Südstaaten-Gerichten der Jim-Crow-Ära: Diese 
Gerichte »konnten durchaus faire Prozesse führen, solange ein 
Weißer gegen einen anderen Weißen klagte; wenn aber eine 
Sache zwischen einem Weißen und einem Schwarzen zu ver- 
handeln war, fällten sie abscheuliche, rassistische, ungerechte 
Urteile.« Nach Ansicht von Dershowitz könnte der Internatio- 
nale Gerichtshof »bei Grenzstreitigkeiten zwischen Schweden 
und Norwegen hilfreiche Dienste leisten, aber im Hinblick auf 
den Nahen Osten ist er vollkommen unglaubwürdig. Was er zu 
Israel zu sagen hat, sollte niemand ernstnehmen.« Dershowitz 
untermauert seine abfälligen Bemerkungen über den Interna- 
tionalen Gerichtshof weder mit Beweisen noch mit Argumen- 
ten, aber betrachten wir sie als passende Ergänzung zu seiner 
im ersten Teil dieses Buches zitierten Behauptung, nach der es 
Israel freisteht, sich über das Völkerrecht hinwegzusetzen. Den 
Bau der Mauer rechtfertigt Dershowitz als Israels »letzte Option 



* »Kangaroo court« ist der englische Ausdruck für »Scheingericht«; 

Anm. d. Ü. 
300 



Abgeschnürte Lebensader 

im Kampf gegen den Terrorismus«. 18 Was ist dran an diesem 
Argument? 

Im April 2002 erklärte das israelische Kabinett öffentlich, daß 
»Zäune und andere bauliche Hindernisse« errichtet würden, 
um »der terroristischen Bedrohung schneller und wirksamer 
begegnen zu können und um die Einsatzfähigkeit im Umgang 
mit dem Terrorismus zu verbessern und zu erhöhen«. Im Juni 
2002 billigte das Kabinett die erste Phase des Projekts. Die im 
Schnitt 60 Meter breite Mauer besteht aus Betonwänden, Grä- 
ben, Straßen, messerscharfem Draht und Elektrozäunen. Sie soll 
sich am Ende über nicht weniger als 680 Kilometer erstrecken, 
wobei schon allein das Stück, das die israelische Regierung bis 
zum Oktober 2003 gebilligt hat, für mehr als 680 000 (d.h. 30 
Prozent) der im Westjordanland lebenden Palästinenser 
»schwere humanitäre Folgen« haben wird. Der Mauerverlauf 
folgt der international anerkannten israelischen Grenze (der 
»Grünen Linie«) zu lediglich 11 Prozent. Mit dem Rest der 
Mauer werden rund 15 Prozent des Westjordanlandes - darun- 
ter Teile des fruchtbarsten Landes und ein Teil der ergiebigsten 
Wasserressourcen - der israelischen Seite zugeschlagen. Dar- 
über hinaus haben die tiefen Gebietseinschnitte zur Folge, daß 
insgesamt 274 000 Palästinenser - nämlich diejenigen, die sich 
zwischen der Mauer und der Grünen Linie wiederfinden wer- 
den, und diejenigen, deren Wohnorte ummauerte Enklaven 
darstellen werden - vom restlichen Westjordanland abgeschnit- 
ten sein werden. Mehr als 10 000 dieser Palästinenser müssen 
schon jetzt mindestens alle sechs Monate grüne Geneh- 
migungen beantragen, um weiterhin in ihren Häusern wohnen 
zu dürfen. »Diese Genehmigungen haben«, so ein Bericht der 
Vereinten Nationen, »das >Recht< der Palästinenser, in ihren 
eigenen Häusern zu wohnen, in ein Privileg verwandelt.« 

Für 400 000 Palästinenser, die sich östlich der Mauer wieder- 
finden werden, wird der Mauerbau die Trennung von ihren 
Feldern, Arbeitsplätzen und sozialen Einrichtungen bedeuten. 

301 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Weitere 200 000 bis 300 000 in Ost-Jerusalem lebende Palästi- 
nenser werden durch die Mauer vom Westjordanland abge- 
schnitten sein. Der Bauplan sieht mehrere Tore und andere 
Übergänge vor, um den Personen- und Warenverkehr zu er- 
möglichen. Die Modalitäten sind allerdings noch nicht genau 
festgeschrieben. »Wie auch immer die Regelungen für die Mau- 
erübergänge aussehen werden - feststeht, daß Hunderttausen- 
de Palästinenser von Israels Sicherheitssystem abhängig sein 
werden, um auf die andere Seite der Mauer zu gelangen«, 
warnt B'Tselem. Die bisherigen diesbezüglichen Erfahrungen 
lassen, wie B'Tselem ausführt, zudem »befürchten, daß die 
Mauerübergänge über längere Zeiträume hinweg geschlossen 
sein werden und daß es Palästinensern vollkommen verboten 
sein wird, sie zu benutzen«. »Selbst wenn die Mauer die Palä- 
stinenser nicht völlig isolieren sollte, steht doch außer Zweifel, 
daß es für viele von ihnen sehr schwer sein wird, Arbeit zu fin- 
den und genügend Geld zu verdienen, um sich das Lebensnot- 
wendige leisten zu können«, so B'Tselem weiter. Es sei davon 
auszugehen, daß die Mauer »weitere Tausende palästinensi- 
scher Familien in die Armut treiben wird«. Allein in der Stadt 
Qalqilya soll die Mauer bereits rund 600 Läden und Betriebe 
zur Aufgabe gezwungen haben. 

Große Teile des palästinensischen Landes, auf dem die 
Mauer errichtet werden soll, sind bereits einer »versteckten 
Enteignung« zum Opfer gefallen, und es ist anzunehmen, daß 
westlich der Mauer in Zukunft noch mehr palästinensisches 
Land konfisziert werden wird. Selbst wenn man das israelische 
Argument gelten ließe, daß der Sinn und Zweck der Mauer in 
der Terrorismusbekämpfung besteht, sind derartige Enteig- 
nungen, wie Menschenrechtsorganisationen klarstellen, völker- 
rechtswidrig. »Die Landbesitzer haben zwar Anspruch auf 
Entschädigung, doch haben die meisten von ihnen (aufdrin- 
gendes Anraten der palästinensischen Autonomiebehörde) bis- 
lang keinen Gebrauch davon gemacht, um die Inbesitznahme 
302 



Abgeschnürte Lebensader 

durch Israel nicht zu legitimieren. Im übrigen liegen die ange- 
botenen Entschädigungssummen auch weit unter dem Sach- 
wert des Landes«, in Qalqilya beispielsweise bei nur zehn Pro- 
zent des tatsächlichen Wertes, so eine Studie der Universität 
Oxford. »Sobald die Bauunternehmer die Kontrolle über das 
Grundstück übernommen haben, müssen Feldfrüchte, Ge- 
wächshäuser und vor allem die Olivenbäume weichen; das 
Land wird dem Erdboden gleichgemacht«, schreibt B'Tselem. 
Die Zahl der im Zuge des Mauerbaus entwurzelten Bäume 
wird auf 100 000 geschätzt. Daß die israelischen Bauunter- 
nehmer palästinensische Olivenbäume ausreißen, um diese 
dann anschließend zu ihrem eigenen Gewinn in Israel zu ver- 
kaufen, wird offiziell gebilligt. 19 

Wie Dershowitz behauptet auch die israelische Regierung, 
daß sie den Mauerbau erst beschloß, nachdem sie alle anderen 
Möglichkeiten zur »Eindämmung der Terrorwelle« ausge- 
schöpft hatte. Menschenrechtsorganisationen bestreiten dies 
jedoch. Die israelische Regierung hat selbst zugegeben, daß die 
meisten palästinensischen Selbstmordattentäter über Kontroll- 
punkte nach Israel gelangten, an denen keine ausreichenden 
Kontrollen stattfanden. Man hätte beschließen können, erstens 
die Sicherheitskontrollen an diesen Kontrollpunkten zu verbes- 
sern und zweitens israelische Truppen in den »freien Zonen« 
zwischen den Kontrollpunkten zu stationieren. Außerdem: 
Ginge es der Regierung um die Verhinderung von Terror- 
anschlägen innerhalb der israelischen Staatsgrenzen, hätte sie 
die Mauer entlang der Grünen Linie errichten können - das wä- 
re aus rechtlicher Sicht gar nicht zu beanstanden gewesen. 
»Wenn Israel, um seine Grenzen besser kontrollieren zu kön- 
nen, auf seinem eigenen Territorium Zäune oder andere Bauten 
errichten will, ist daran nichts Ungesetzliches«, betont Amne- 
sty. In der Oxfordstudie wird noch auf einen weiteren Punkt 
hingewiesen: »Wenn die Mauer dazu dienen soll, Selbstmord- 
anschläge zu verhindern, dann ist unklar, warum die Tatsache, 

303 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

daß sich Hunderttausende von Palästinensern am Ende auf der 
israelischen Seite der Mauer wiederfinden werden, Israel offen- 
bar keine Sorge bereitet, ... es sei denn, Israel beabsichtigt, die 
Palästinenser von dort zu vertreiben.« Dazu gleich mehr. 20 

Der wahre Grund für den Mauerbau scheint eher zu sein, daß 
Israel sich seine Siedlungen im Westjordanland sichern will. 
Die Mauer wird sich um Dutzende jüdischer Siedlungen schlän- 
geln, in denen mehr als 320 000 Siedler (80 Prozent der Gesamt- 
zahl) leben. Die Mauer wird nicht nur dazu dienen, diese Sied- 
ler zu schützen, sondern auch - und das ist der springende 
Punkt - die Annexion der Siedlungen ermöglichen und damit 
das angrenzende Land und die dortigen Wasserressourcen Is- 
rael zuschlagen. Es ist unbestritten, daß die Siedlungen nach 
dem Völkerrecht illegal sind, ja sogar »Kriegsverbrechen« dar- 
stellen. Wenn nun eine Mauer errichtet wird, die die Lebensbe- 
dingungen der Palästinenser erheblich erschwert, nur um auf 
diese Weise illegale Siedlungen zu schützen, dann wird dem 
bereits bestehenden Unrecht nur noch ein weiteres hinzugefügt. 
»Israel kann sein weiteres Vordringen in besetzte Gebiete nicht 
mit der Sorge um die Sicherheit von Israelis begründen, die in 
illegalen Siedlungen leben«, stellt Human Rights Watch klar. 

Im übrigen ließen sich die jüdischen Siedlungen auch ohne 
Mauer schützen: Die Lösung, die sich Israel für diejenigen 
Siedlungen überlegt hat, die außerhalb der Mauer liegen wer- 
den - Schutz durch die Abriegelung mit Elektrozäunen -, 
könnte Israel ebensogut auch für die übrigen Siedlungen wäh- 
len. Der »wahre Grund« für die Mauer ist, so B'Tselem, »nicht 
das Bemühen um größtmöglichen Schutz für die Siedler«; Isra- 
el gehe es vielmehr darum, »Tatsachen zu schaffen, die die 
dauerhafte Existenz der Siedlungen sichern und ihre zukünfti- 
ge Annexion durch Israel erleichtern werden«. Human Rights 
Watch ist zu dergleichen Schlußfolgerung gelangt: »Der beste- 
hende und geplante Verlauf der Mauer läßt darauf schließen, 
daß Israel mit dem Bau hauptsächlich bezweckt, sich illegale 
304 



Abgeschnürte Lebensader 

zivile Siedlungen einzuverleiben und diese direkt an das Staats- 
gebiet anzuschließen.« De facto entsteht durch den Bau der 
Mauer eine neue Grenze, die dem Staat Israel, wenn das ge- 
plante Teilstück entlang des Jordantals gebilligt wird, am Ende 
etwa die Hälfte des Westjordanlandes zuschlagen wird. Die 
einheimische palästinensische Bevölkerung - einschließlich der- 
jenigen, die derzeit noch zwischen der Mauer und Israel woh- 
nen, die sich aber durch unerträgliche Lebensbedingungen zum 
Umzug auf die palästinensische Seite der Mauer gezwungen 
sehen werden (»freiwilliger Transfer«) - wird in einem zersplit- 
terten Gebiet gefangen sein, das an die südafrikanischen Bantu- 
stans erinnern und nur noch rund zehn Prozent des histori- 
schen Palästinas umfassen wird. Human Rights Watch hat die 
amerikanische Regierung dringend aufgefordert, »die Kosten 
für die Westjordanlandmauer von amerikanischen Bürgschaf- 
ten für [israelische] Darlehen abzuziehen«. 21 

Anders als Dershowitz behauptet, stellt die Mauer nicht Is- 
raels »letzte Option im Kampf gegen den Terrorismus« dar. Sie 
ist im übrigen auch gar nicht dazu da, den Terrorismus zu be- 
kämpfen. Die Tatsachen liegen auf der Hand, und der Konsens 
der Menschenrechtsorganisationen könnte nicht klarer sein: 
Der eigentliche Sinn und Zweck der Mauer besteht für Israel 
darin, Verhandlungen vorzugreifen und hier und jetzt im Al- 
leingang zu bestimmen, wie die Zukunft der israelischen Sied- 
lungen aussehen wird, und zwar ein für alle Mal. Wie Der- 
showitz richtig vorausgesehen hatte, war es »eine ausgemachte 
Sache«, daß der Internationale Gerichtshof, sollte er sich des 
Falls annehmen, gegen Israel entscheiden würde. Das liegt al- 
lerdings nicht daran, daß der Internationale Gerichtshof ein al- 
berner »Känguruh-Gerichtshof« ist, sondern schlicht daran, daß 
das Unrecht, das den Palästinensern durch den Mauerbau wi- 
derfährt, mehr als offensichtlich ist. Jedem Känguruh dürfte das 
einleuchten, auch wenn es Dershowitz partout nicht in den 
Kopf will. 

305 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Im Juli 2004 stellte der Internationale Gerichtshof sein Gut- 
achten zu den Rechtsfolgen vor, die sich aus dem Mauerbau auf 
besetztem palästinensischem Gebiet ergeben. Mit 14 Stimmen 
zu 1 (USA) verkündete der Internationale Gerichtshof: »Der 
Bau der Mauer durch die Besatzungsmacht Israel in dem be- 
setzten palästinensischen Gebiet, einschließlich in Ost-Jeru- 
salem und seiner Umgebung, sowie die mit der Mauer verbun- 
denen Vorkehrungen verstoßen gegen das Völkerrecht«; »Israel 
ist verpflichtet, sein völkerrechtswidriges Verhalten zu been- 
den; es ist verpflichtet, die Bauarbeiten an der in dem besetzten 
palästinensischen Gebiet, einschließlich in Ost-Jerusalem und 
seiner Umgebung, im Bau befindlichen Mauer umgehend zu 
beenden, [und] die dort befindlichen Strukturen unmittelbar 
abzubauen«; »Israel ist verpflichtet, für alle durch den Bau der 
Mauer in dem besetzten palästinensischen Gebiet, einschließ- 
lich in Ost-Jerusalem und seiner Umgebung, verursachten 
Schäden Wiedergutmachung zu leisten«; »Die Vereinten Natio- 
nen und insbesondere die Generalversammlung und der Si- 
cherheitsrat sollten prüfen, welche weiteren Maßnahmen erfor- 
derlich sind, um die sich aus dem Bau der Mauer und den da- 
zugehörigen Vorkehrungen ergebende rechtswidrige Situation 
zu beenden.« Mit 13 Stimmen zu 2 (USA, Niederlande) verkün- 
dete der Gerichtshof außerdem: »Alle Staaten sind verpflichtet, 
die rechtswidrige Situation nicht anzuerkennen, die sich aus 
dem Bau der Mauer ergibt, und Hilfsmaßnahmen, die zur Auf- 
rechterhaltung der durch den Bau der Mauer geschaffenen La- 
ge beitragen, zu unterlassen; alle Parteien des Vierten Genfer 
Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilper- 
sonen in Kriegszeiten sind darüber hinaus verpflichtet, unter 
Achtung der Charta der Vereinten Nationen und des Völ- 
kerrechts sicherzustellen, daß Israel das in diesem Abkommen 
niedergelegte humanitäre Völkerrecht einhält.« 

Auch über diese Ergebnisse hinaus enthält das Rechtsgutach- 
ten bemerkenswerte Feststellungen: So entschied der Interna- 
306 



Abgeschnürte Lebensader 

tionale Gerichtshof hinsichtlich der semantischen Frage, daß 
das von Israel errichtete Bauwerk in der Tat die Bezeichnung 
»Mauer« verdient (Abs. 67). Des weiteren zitierte der Inter- 
nationale Gerichtshof mehrmals die Präambel der UN-Sicher- 
heitsratsresolution 242, in der die »Unzulässigkeit des Ge- 
bietserwerbs durch Krieg« hervorgehoben wird, sowie eine Re- 
solution der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 1970, in 
der betont wird, daß »kein durch die Androhung oder die An- 
wendung von Gewalt erfolgter Gebietserwerb rechtlich an- 
erkannt werden darf«; dieser Grundsatz stelle, so der Interna- 
tionale Gerichtshof, eine »logische Folge« der UN-Charta und 
somit »völkerrechtliches Gewohnheitsrecht« und eine »Ge- 
wohnheitsregel« dar (Abs. 74, 87, 117). Außerdem wies der In- 
ternationale Gerichtshof darauf hin, daß das Vierte Genfer Ab- 
kommen auf die besetzten palästinensischen Gebiete anzu- 
wenden ist (Abs. 101) und daß »die Errichtung der israelischen 
Siedlungen in dem besetzten palästinensischen Gebiet (ein- 
schließlich Ost-Jerusalems) gegen das Völkerrecht verstößt« 
(Abs. 120). Jeder dieser einzelnen Punkte bedeutet eine un- 
mißverständliche Zurückweisung der offiziellen israelischen 
Position durch den Internationalen Gerichtshof. Selbst der ame- 
rikanische Richter, der eine abweichende Stellungnahme for- 
mulierte, gestand ein, daß das Vierte Genfer Abkommen auf die 
besetzten palästinensischen Gebiete anzuwenden ist und daß 
die Existenz der israelischen Siedlungen im Westjordanland 
gegen das Abkommen »verstößt«. 22 



307 



Kapitel 9 

Unrechtsprechung 



Die vorbildliche Rechtsprechung des Obersten Gerichts in Israel 
ist ein zentrales Thema in Alan Dershowitz' Plädoyer für Israel. 
So verkündet er zum Beispiel: Israels »Oberster Gerichtshof ge- 
hört zu den besten der Welt und hat wiederholt sowohl militä- 
rische als auch zivile Entscheidungen verworfen und das Mili- 
tär wie auch den Staat gezwungen, nach dem Prinzip der 
Rechtsherrschaft zu operieren«. Oder auch: »Der Oberste Israe- 
lische Gerichtshof [ist] allem Vernehmen nach einer der besten 
der Welt ... Obwohl der Oberste Israelische Gerichtshof ganz 
offensichtlich mit den Notwendigkeiten der Landessicherheit 
sehr sensibel umgeht, hat er Regierung und Militär immer wie- 
der Maßnahmen untersagt, die nicht am Primat der Rechtsherr- 
schaft ausgerichtet waren« (S. 293f.). Dershowitz widmet sein 
Buch dem gegenwärtigen Präsidenten des Obersten Gerichts in 
Israel, Aharon Barak, »dessen Entscheidungen ein besseres Plä- 
doyer für Israel und die Herrschaft des Rechts darstellen, als es 
mein Buch je sein könnte«. 

Diejenigen, die mit der israelischen Rechtsprechung vertraut 
sind, sehen allerdings keine Veranlassung, in Dershowitz' Lob- 
gesang einzustimmen. Ganz im Gegenteil. 1 »Was Israels Men- 
schenrechtsverletzungen von jenen anderer Staaten unterschei- 
det und sie einzigartig macht, sind die unablässigen Versuche, 
Dinge zu rechtfertigen, die nicht zu rechtfertigen sind« - so for- 
mulierte es einmal B'Tselem. 2 Die juristische Instanz, die in Is- 
rael in erster Linie dafür zuständig ist, diese nicht zu rechtferti- 
308 



Unrechtsprechung 

genden Dinge zu rechtfertigen, ist das Oberste Gericht. Die bis- 
lang ausführlichste Studie zu den die Palästinenser betref- 
fenden Entscheidungen des Obersten Gerichts stammt von Da- 
vid Kretzmer, einem hochangesehenen Juraprofessor an der 
Hebräischen Universität von Jerusalem. Die zentralen Er- 
gebnisse seiner Studie verdienen besondere Beachtung: 

Das Gericht mischt sich in Entscheidungen des Militärs nur 
äußerst selten ein ... Bei fast allen seinen die besetzten Ge- 
biete betreffenden Urteilen hat das Gericht, insbesondere 
wenn es sich um grundsätzliche Fragen handelte, zugunsten 
der staatlichen Behörden entschieden, oft genug auf der Ba- 
sis zweifelhafter Rechtsausführungen. Es stimmt, daß das 
Gericht in einigen wenigen Fällen gegen die Behörden ent- 
schieden hat. Diese als »Meilensteine« apostrophierten Fälle 
dienen jedoch lediglich dazu, »das Image des Gerichts als 
eine unparteiische Institution, die nach Gerechtigkeit strebt 
und sich der Regierung kühn in den Weg stellt«, zu pflegen 
und auf diese Weise die legitimierende Funktion des Ge- 
richts zu bekräftigen. 

Das Gericht erinnert die Kommandeure zwar gern an ihre 
Pflicht, neben Sicherheitsfaktoren auch andere Aspekte zu 
berücksichtigen, doch interessiert es sich in der Praxis 
höchst selten dafür, inwieweit eine solche Abwägung im be- 
treffenden Fall wirklich stattgefunden hat. In aller Regel gibt 
sich das Gericht mit der Einschätzung des Militärkom- 
mandeurs zufrieden. Die Abwägungspflicht spielt in der of- 
fiziellen Gerichtsrhetorik eine ungleich größere Rolle als bei 
der tatsächlichen Entscheidungsfindung. 

Das Gericht sieht seine Aufgabe nicht darin, der Frage nach- 
zugehen, inwieweit staatliche Richtlinien oder Maßnahmen 
mit dem Völkerrecht vereinbar sind. Auch fühlt es sich nicht 

309 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

bemüßigt, bei der Auslegung des Rechts nach Gerechtigkeit 
zu streben. Im Gegenteil: Das Gericht akzeptiert und legiti- 
miert Richtlinien und Maßnahmen, deren Rechtmäßigkeit 
äußerst zweifelhaft ist, und legt das Recht zugunsten der 
staatlichen Behörden aus. 

Bei seinen die besetzten Gebiete betreffenden Entschei- 
dungen hat das Gericht für nahezu sämtliche umstrittene 
Aktionen der israelischen Behörden Scheinbegründungen 
gefunden, vor allem für jene Aktionen, die im Hinblick auf 
die Grundsätze des humanitären Völkerrechts am pro- 
blematischsten sind . . . Daß sich die Jurisprudenz bei diesen 
Entscheidungen an den Vorstellungen der Regierung orien- 
tiert, ist nicht zu übersehen. 3 

Bei seiner Analyse einzelner Entscheidungen bezeichnet Kretz- 
mer die Argumentation des Obersten Gerichts als »höchst frag- 
würdig«, »höchst problematisch«, »spitzfindig« und so wei- 
ter. 4 

Die Abschnitte »Vertrauensvotum«, »Pflichtlektüre« und 
»Faustpfand« zeigen, mit welchen Mitteln Dershowitz zu be- 
weisen sucht, daß Israels Oberstes Gericht die Rechte der Pa- 
lästinenser verteidigt. Im Abschnitt »Furchterregende Anord- 
nung« wird deutlich, wie Israels Rechtssystem zu bewerten wä- 
re, wenn man Dershowitz 1 eigenen Maßstab zugrundelegte. 



Vertrauensvotum 

Um zu beweisen, daß Israels Oberstes Gericht für die Rechte 
der Palästinenser eintritt, zitiert Alan Dershowitz in Plädoyer 
für Israel (S. 295) einen palästinensischen Menschenrechtsakti- 
visten: 



310 



Unrechtsprechung 

Sogar Raji Sourani, der Direktor des palästinensischen Men- 
schenrechtszentrums in Gaza, ein scharfer Kritiker Israels, 
sagt, er sei »immer wieder erstaunt über die hohen Standards 
des Rechtssystems«. 

Diese Äußerung Souranis stammt aus der New York Times. 
Hier der Absatz in voller Länge: »Sourani sagt, die israelischen 
Gerichte raubten ihm zwar oft den letzten Nerv, doch sei er 
>immer wieder erstaunt über die hohen Standards des Rechts- 
systems<. >Wenn ich sehe, wie die Gerichte mit rein israelischen 
Problemen umgehen<, sagt er, >bewundere ich ihre Ent- 
scheidungen oft, zum Beispiel was die Rechte Homosexueller 
betrifft. Wenn es aber um die Palästinenser geht, denke ich immer: 
Diese Leute sind doch vollkommen schizovhren<« (Her- 
vorhebungen NGF). 5 

Pflichtlektüre 

Um zu demonstrieren, daß Israels Oberstes Gericht »die Rechte 
von Palästinensern« schützt, schreibt Alan Dershowitz in Plä- 
doyer für Israel (S. 295 -298): 

Am 3. September 2002 entschied das Gericht in einem Fall, in 
dem das israelische Militär die Ausweisung von Bruder und 
Schwester eines Terroristen und Organisators mehrerer 
Selbstmordattentate angeordnet hatte. Aufgrund der Er- 
kenntnis, daß die Schwester Sprengstoffgürtel genäht und 
der Bruder als »Aufpasser [gedient hatte], wenn ihr Bruder 
und andere Angehörige der Gruppe Sprengstoff von einem 
Versteck in ein anderes transportierten«, wies man sie für 
zwei Jahre aus dem Westjordanland aus und siedelte sie in 
den Gazastreifen um. Das Gericht entschied, daß die An- 
ordnung des Militärs, in der man eher eine vorübergehende 
»Zuweisung des Wohnortes« innerhalb der besetzten Ge- 

311 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

biete als eine Ausweisung aus ebendiesen Gebieten sehe, nur 
dann gültig sei, »wenn die Person selbst [also der Aus- 
gewiesene] eine reale Gefahr darstell [e]«. 

Dershowitz empfiehlt diese Entscheidung des Obersten Ge- 
richts sodann als »Pflichtlektüre für jeden ..., der behauptet, 
Israel unterstehe nicht der Herrschaft des Rechts«. 

Die Entscheidung stammt aus der Feder des Gerichtspräsi- 
denten Aharon Barak. Die ursprüngliche Verurteilung der An- 
geklagten, Intissar Muhammed Ahmed Ajuri und Ahmed Ali 
Ajuri, beruhte auf »vertraulichen Unterlagen« und »Zeugen- 
aussagen von Mitarbeitern des Shin Bet«. Barak bestätigte das 
Urteil dennoch: »Wir haben den Staatsanwalt gefragt, warum 
die Antragstellerin nicht in einem Strafverfahren angeklagt 
wird. Wir erhielten zur Antwort, daß es gegen die Antragstelle- 
rin keine zulässigen Beweismittel gebe, die in einem Strafver- 
fahren offengelegt werden könnten, da die gegen sie vorliegen- 
den Beweismittel vertraulich seien und somit nicht in einem 
Strafverfahren offengelegt werden könnten. Wir betrachten dies 
als eine zufriedenstellende Antwort.« 6 Eine Gerichtsentschei- 
dung, die auf Grundlage geheimer Beweise die Rechtmäßigkeit 
einer Vertreibung bestätigt, verdient also nach Meinung von 
Dershowitz unsere Hochachtung. Wie Amnesty International 
klarstellt, verstieß diese Gerichtsentscheidung jedoch gegen 
fundamentale völkerrechtliche Bestimmungen: 

[Die] Entscheidung billigt praktisch einen schweren Verstoß 
gegen eines der grundlegendsten Prinzipien des inter- 
nationalen Menschenrechtsschutzes - das Recht eines jeden 
Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren, in dem die 
gegen den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel ange- 
fochten werden können ... [Die] Entscheidung billigt auch 
einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. 
Nach dem Vierten Genfer Abkommen sind die Palästinen- 
312 



Unrechtsprechung 

ser, die in den seit 1967 unter israelischer Besatzung stehen- 
den Gebieten leben, geschützte Personen. Die ungesetzliche 
Vertreibung geschützter Personen erfüllt den Tatbestand ei- 
nes Kriegsverbrechens ... Nach dem Römischen Statut kön- 
nen diese Verstöße überdies Verbrechen gegen die Mensch- 
lichkeit darstellen . . . Das Oberste Gericht hat in seiner heu- 
tigen Entscheidung erklärt, daß nur solche Personen von ei- 
ner Zwangsumsiedlung in den Gazastreifen betroffen sein 
dürfen, die persönlich an schweren Verbrechen beteiligt wa- 
ren, und daß derartige Zwangsumsiedlungen nicht aus 
Gründen der Abschreckung erfolgen dürfen. Amnesty In- 
ternational ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, daß die 
ungesetzlichen Vertreibungen von Personen, deren Angehö- 
rigen Israel die Verantwortung für Anschläge auf Israelis 
zuschreibt, von der israelischen Regierung und der israeli- 
schen Armee als Kollektivstrafen verhängt werden. Artikel 
33 des Vierten Genfer Abkommens verbietet derartige Maß- 
nahmen. 7 

Gut ein Jahr später machte Amnesty darauf aufmerksam, daß 
die Ajuris »immer noch im Gazastreifen leben, wo sie weder 
eine Familie noch ein Zuhause noch die Möglichkeit haben, ih- 
ren Lebensunterhalt zu verdienen«. Sie seien »auf wohltätige 
Unterstützung angewiesen«. 8 

Faustpfand 

Um zu beweisen, daß Israels Oberster Gerichtshof »allem Ver- 
nehmen nach einer der besten der Welt« ist, weist Alan Dersho- 
witz in Plädoyer für Israel (S. 296) auf die folgende Entschei- 
dung hin: 

Der Oberste Israelische Gerichtshof verbietet dem Staat so- 
gar, Gefangene als »Faustpfand« bei Verhandlungen um die 

313 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

Auslösung israelischer Gefangener einzusetzen, die der 
Feind illegal gefangen hält. 

Es stimmt, daß das Oberste Gericht in einer Entscheidung vom 
April 2000 Geiselnahmen verbot. Was Dershowitz allerdings 
nicht erwähnt ist, wie es zu der Entscheidung kam und welche 
Folgen sie hatte. Die Entscheidung fiel, nachdem das Oberste 
Gericht Geiselnahmen zunächst einmal legalisiert hatte. Wie 
Human Rights Watch in einer umfangreichen, 1997 erschiene- 
nen Studie schrieb, wurden 21 Libanesen in Israel festgehalten, 
und zwar »teilweise schon seit zehn Jahren, manche ... an ge- 
heimen Orten. Sie erhielten nicht einmal, wie es das Kriegs- 
recht vorsieht, ein ordentliches Gerichtsverfahren und eine 
menschenwürdige Behandlung.« Einige von ihnen sollen bei 
Verhören im Südlibanon »mit Elektroschocks« gefoltert wor- 
den sein. Diese seien ihnen - »im Beisein von Israelis, die die 
Befehle gaben« - von libanesischen Söldnern verabreicht wor- 
den. Nach Angaben von Human Rights Watch wurden die Ge- 
fangenen als »Geiseln« gehalten, um die Freilassung von Israe- 
lis zu erreichen, die seit dem Libanonkrieg Kriegsgefangene 
waren oder als vermißt galten. 9 In einer Gerichtsentscheidung, 
die laut Amnesty International »auf der ganzen Welt ohne Bei- 
spiel« 10 war, genehmigte Israels Oberstes Gericht den Einsatz 
dieser libanesischen Häftlinge im November 1997 als »Faust- 
pfand«. Gerichtspräsident Aharon Barak entschied, daß »die 
Haft legal ist, wenn sie die staatliche Sicherheit erhöht, selbst 
wenn die Gefahr für die staatliche Sicherheit nicht von den 
Häftlingen selbst ausgeht«, und daß »die Haft der Kläger zum 
Zwecke der Freilassung gefangener und vermißter Soldaten für 
den Staat von lebenswichtigem Interesse ist«. 11 Amnesty Inter- 
national bezeichnete diese Gerichtsentscheidung als »verach- 
tenswert«: »Sie erklärt Geiselnahmen explizit für rechtmäßig.« 
Amnesty stellte klar: »Es geht hier um Menschen, die ein Leben 
zu leben haben, nicht um irgendwelche Dinge, die sich als poli- 
314 



Unrechtsprechung 

tisches Pfand eignen mögen.« 12 B'Tselem verurteilte die Ge- 
richtsentscheidung ebenfalls und wies darauf hin, daß Israel 
nunmehr »einem Markenzeichen terroristischer Vereinigungen 
in aller Welt Legitimität verliehen hat«. 13 

Als Barak die Entscheidung im April 2000 revidierte, ge- 
stand er selbst ein, daß »es in der westlichen Welt vermutlich 
keinen weiteren Staat gibt, der Administrativhaft* bei einer 
Person gestattet, die selbst keine Gefahr für die staatliche Si- 
cherheit darstellt«, und daß »die Verwahrung von Personen, 
die als Faustpfand < dienen sollen, in der Tat gleichbedeutend 
mit >Geiselhaft< ist«. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß unter 
den Gründen, die Barak für seinen Sinneswandel anführte, der 
rein pragmatische war, daß »keine Wahrscheinlichkeit, ja viel- 
leicht noch nicht einmal eine realistische Möglichkeit besteht, 
daß die fortgesetzte Haft der Antragsteller zur Freilassung der 
gefangenen und vermißten Soldaten führen würde«. 14 Selbst 
noch nach dieser Entscheidung aus dem Jahr 2000 wurden 
zwei libanesische Häftlinge, wie Amnesty berichtete, »weiter- 
hin an geheimen Haftorten als Geiseln festgehalten und ohne 
jede Möglichkeit der Verbindung mit der Außenwelt gelas- 
sen«. 15 Im Jahr 2000 stimmte das israelische Kabinett einem Ge- 
setzesentwurf zu, der, so Human Rights Watch, »Geiselnah- 
men für rechtmäßig erklären sollte« (»Gesetz zur Gefangen- 
nahme von Kombattanten, die kein Anrecht auf Kriegsgefange- 
nenstatus haben«). 16 Im Jahr 2001 erneuerte ein israelisches Ge- 
richt »die Haftbefehle beider Männer ..., nachdem der Staat 
geltend gemacht hatte, daß ihre Freilassung die nationale Si- 
cherheit gefährden würde«. 17 Im Jahr 2002 billigte die Knesset 
das Gesetz zur Gefangennahme von Kombattanten. 18 Im Januar 



Als Administrativhaft (auch: »Verwaltungshaft«) wird eine Ge- 
fängnisstrafe bezeichnet, die ohne Anklage und Prozeß verhängt 
wird. Mehr dazu im Abschnitt »Furchterregende Anordnung« in 
diesem Kapitel; Anm. d. Ü. 

315 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

2004 kamen die beiden libanesischen Geiseln bei einem Gefan- 
genenaustausch mit der Hizbollah frei. 

Furchterregende Anordnung 

Im Jahr 2002 warnte Alan Dershowitz - in seiner Eigenschaft als 
standhafter Verteidiger amerikanischer Bürgerrechte - vor den 
Gefahren einer von der Bush-Regierung erlassenen »furcht- 
erregenden Anordnung«: 

Wenn Präsident Bush zu der Auffassung gelangt, daß eine 
Person möglicherweise einem Terroristen geholfen hat, kann 
diese Person, auch wenn sie seit vielen Jahren in den Verei- 
nigten Staaten ansässig ist, vor ein geheimes Militärgericht 
gestellt werden ... Nichtamerikaner, die bezichtigt werden, 
Al-Qaida-Mitglieder zu sein, oder die mutmaßlich »vorha- 
ben, den Vereinigten Staaten zu schaden oder etwas zu deren 
Nachteil zu unternehmen«, können gefangen und »an einem 
geeigneten Ort in Haft genommen« werden, und zwar auf 
unbestimmte Zeit und ohne jede Möglichkeit des Zugangs zu 
den Gerichten ... Im übrigen wird der Verdächtige auch 
nicht in den Stand gesetzt, sich angemessen zu verteidigen, 
denn die ordentlichen Beweisregeln werden hier keine An- 
wendung finden. Es wird dem Militärgericht gestattet sein, 
seine Entscheidung auf jedwedes Beweismittel zu gründen, 
das »für jede vernünftige Person Beweiswert hat«. Aus der 
Juristensprache übersetzt, heißt das, daß Gerüchte, unter 
Zwang abgelegte Geständnisse und die Ergebnisse illegaler 
Durchsuchungen als gültige Beweismittel herangezogen 
werden können, und daß Kreuzverhöre nicht immer zuge- 
lassen sein werden. Es heißt auch, daß die Anklagevertre- 
tung nicht einmal zu enthüllen braucht, auf welche Quellen 
sich die Beweise vom Hörensagen stützen, wenn eine solche 
316 



Unrechtsprechung 

Enthüllung zugleich die Enthüllung eines »Staatsgeheimnis- 
ses« bedeuten würde - ein weitgefaßter Begriff, der an keiner 
Stelle genau definiert wird. 

Dershowitz verurteilt in diesem Zusammenhang auch die von 
den Nationalsozialisten gleich nach der Machtergreifung ein- 
geführten Gesetze, die »keinerlei Bestimmungen enthielten, 
nach denen eine verhaftete Person ein Anrecht auf eine baldige 
Anhörung, auf Zugang zu einem Rechtsanwalt oder auf Ent- 
schädigung bei unberechtigter Festnahme gehabt hätte. Wer 
verhaftet wurde, mußte oft feststellen, daß seine Haftdauer 
immer weiter verlängert wurde, ohne daß die Sache vor irgend- 
einem Gericht verhandelt worden wäre.« 19 

In einer im Jahr 1991 erschienenen Studie über Israels mili- 
tärisches Justizsystem in den besetzten Gebieten schrieb Amne- 
sty International, daß seit 1967 »Zehntausende von palä- 
stinensischen Zivilisten« in den besetzten Gebieten vor Militär- 
gerichte gestellt wurden: 

Häftlinge werden über längere Zeiträume hinweg ohne je- 
de Möglichkeit der Verbindung mit der Außenwelt gelas- 
sen. Normalerweise vergehen mindestens 18 Tage, bevor 
ein Häftling einem Richter vorgeführt wird. Auch danach 
kann dem Häftling noch für lange Zeit jeder nennenswerte 
Kontakt zu seinem Rechtsanwalt oder seiner Familie unter- 
sagt werden, zumindest solange die Verhöre noch andau- 
ern, was oft noch 20 bis 30 Tage nach der Verhaftung der 
Fall ist... Die während der Verhöre abgelegten Geständ- 
nisse aus dieser Zeit der völligen Isolierung werden oft als 
Beweismittel erster Ordnung gegen die Angeklagten ver- 
wendet, wenn sie vor dem Militärgericht erscheinen. Viele 
Angeklagte behaupten, es handele sich um falsche Ge- 
ständnisse, die ihnen abgerungen wurden, indem man sie 
während der Haft und der Verhöre folterte oder anderwei- 

317 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

tig grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelte 
oder bestrafte. Das Fehlen von systemimmanenten Mecha- 
nismen, die Schutz vor Folter und anderen Mißhandlungen 
bieten würden, sowie die über viele Jahre hinweg gesam- 
melten Beweise machen die Behauptungen der Häftlinge 
glaubwürdig. 

Was die Art der strafbaren Handlungen betrifft, für die sich 
Palästinenser vor israelischen Militärgerichten zu verantwor- 
ten hatten, wies Amnesty auf eine »pauschal formulierte« mili- 
tärgerichtliche Verfügung hin, die »in den besetzten Gebieten 
fast jede Form von politischer Äußerung, einschließlich ge- 
waltfreier politischer Aktivitäten, kriminalisiert und strafbar 
macht, wobei die Strafe in einem Gefängnisaufenthalt von bis 
zu zehn Jahren bestehen kann«. Amnesty nannte als Beispiele 
für derartige strafbare Handlungen, daß jemand »die palästi- 
nensische Flagge zeigt, ihre Farben trägt oder das Siegeszei- 
chen macht«. 20 

Anstelle von Prozessen vor Militärgerichten greift Israel auch 
auf Administrativhaft zurück, daß heißt der Staat verhängt eine 
Gefängnisstrafe, ohne daß Anklage erhoben oder der Häftling 
vor Gericht gestellt würde. Nach dem Völkerrecht darf von 
Administrativhaft nur Gebrauch gemacht werden, wenn von 
einer Person eine unmittelbare Gefahr ausgeht, die nicht auf 
anderem Wege abgewendet werden kann. In einer im Jahr 1992 
erschienenen Studie über die Administrativhaft in den besetz- 
ten Gebieten schrieb B'Tselem, daß »seit Beginn der Intifada 
über 14 000 Administrativhaftbefehle an Palästinenser ergangen 
sind«: 

Viele Häftlinge werden in Administrativhaft genommen, 
weil es den Vernehmungsbeamten nicht gelungen ist, ein 
Geständnis zu bekommen, oder weil eine Kollektivstrafe 
verhängt werden soll oder schlicht deshalb, weil es weniger 
318 



Unrechtsprechung 

Mühe macht, die Häftlinge einfach nur in Haft zu nehmen, 
ohne Anklage gegen sie zu erheben und sie vor Gericht zu 
stellen . . . Die von palästinensischen Häftlingen eingelegten 
Rechtsmittel werden grundsätzlich erst frühestens einen 
Monat nach ihrer Verhaftung verhandelt; in den meisten 
Fällen dauert es noch länger, bis es zur Verhandlung 
kommt. Die Beweismittel, auf die sich der Haftbefehl grün- 
det, werden überwiegend als vertraulich angesehen. Der 
Kläger und sein Anwalt bekommen diese Beweismittel 
nicht zu Gesicht. Sie erhalten nur wenige Informationen, die 
überdies so allgemein gehalten sind, daß sie nicht angefoch- 
ten werden können . . . Viele Häftlinge wissen nicht, was ih- 
nen vorgeworfen wird ... Unter den Administrativhäft- 
lingen sind viele palästinensische Journalisten, Gewerk- 
schaftsmitglieder, Ärzte, Kaufleute, Arbeiter und Studenten 
... Palästinensische Führer, die offen für Friedensverhand- 
lungen mit Israel und für Dialog eintreten, um zu erreichen, 
daß Palästinenser und Israelis einander besser verstehen, 
gehören ebenfalls zu den Administrativhäftlingen. Seit ein 
paar Jahren trifft sich eine jüdischpalästinensische Dialog- 
gruppe in Beit Sahur. Die palästinensischen Mitglieder die- 
ser Gruppe wurden fast alle in Administrativhaft genom- 
men. 21 

Bis 1991 wurde die Administrativhaft zunächst für bis zu sechs 
Monate verhängt, wobei sich die Haftdauer um jeweils weitere 
sechs Monate verlängern ließ. In einer im Jahr 1997 erschie- 
nenen Studie über die Administrativhaft während des Oslo- 
Prozesses wies B'Tselem daraufhin, daß Israel »die Admini- 
strativhaft nach wie vor im großen Stil einsetzt«; daß die Ad- 
ministrativhaft nunmehr auf Anhieb für eine Dauer von bis zu 
einem Jahr verhängt werden konnte, wobei sich die Haftdauer 
wiederum um jeweils weitere sechs Monate verlängern ließ; 
daß »die Haftdauer dramatisch zugenommen hat« (elf Häftlin- 

319 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

ge wurden schon seit mehr als drei Jahren am Stück als Admi- 
nistrativhäftlinge festgehalten); daß die Administrativhaft ge- 
gen Palästinenser, die sich »gewaltfrei politisch engagierten 
und ihre politische Meinung äußerten«, ebenso verhängt wur- 
de wie gegen Minderjährige, die zum Teil nicht älter als 15 
Jahre waren; und daß Personen vor oder während ihrer Ad- 
ministrativhaft zum Teil »Verhörmethoden ... unterworfen 
werden, die den Tatbestand der Folter oder der Mißhandlung 
erfüllen«. 22 

Im Jahr 1998 appellierte Human Rights Watch an Israel, »die 
Praxis der willkürlichen und lang andauernden Administrativ- 
haft unverzüglich zu beenden und seine Gesetze dahingehend 
zu ändern, daß jeder Häftling zumindest die folgenden Rechte 
erhält: das Recht auf eine sofortige und wirksame gerichtliche 
Überprüfung der Rechtmäßigkeit sowie der Umstände seiner 
Haft; das Recht, bei der Verhaftung oder wenig später in seiner 
eigenen Sprache über seine Rechte unterrichtet zu werden so- 
wie die spezifischen, detaillierten und auf seine Person bezo- 
genen Gründe für seine Freiheitsberaubung zu erfahren; das 
Recht auf sofortigen Zugang zu seiner Familie, einem Rechts- 
anwalt und einem Arzt«. 23 Wie B'Tselem berichtete, befanden 
sich im März 2003 »mehr als eintausend Palästinenser in Admi- 
nistr ati vhaf t« . 24 

Wie es scheint, wird die »furchterregende Anordnung«, vor 
der Dershowitz in bezug auf die Vereinigten Staaten warnt, in 
den besetzten palästinensischen Gebieten schon seit langem be- 
folgt. 



320 



Schlußbemerkung 



Israels Vorgehen in den besetzten palästinensischen Gebieten 
wird von vielen Menschenrechtsorganisationen beobachtet, von 
palästinensischen und israelischen Gruppen ebenso wie von 
UN-Institutionen und unabhängigen Gruppen mit globalem 
Mandat. Angesichts eines solch breiten Spektrums ist es bemer- 
kenswert, daß all diese unterschiedlichen Organisationen zu 
den gleichen Ergebnissen gelangt sind, ob es nun um die Fest- 
stellung der Faktenlage oder um die völkerrechtlichen Implika- 
tionen geht. Selbst in Detailfragen herrscht Konsens. Israels 
Menschenrechtsbilanz ist, soviel steht nach der Lektüre von 
Tausenden Seiten aus Menschenrechtsberichten fest, in vielerlei 
Hinsicht außergewöhnlich: »Was Israels Menschenrechtsver- 
letzungen von jenen anderer Staaten unterscheidet und sie ein- 
zigartig macht, sind die unablässigen Versuche, Dinge zu recht- 
fertigen, die nicht zu rechtfertigen sind«, schrieb B'Tselem. 

Israels Oberstes Gericht hat, so Professor David Kretzmer 
von der Hebräischen Universität, »für nahezu sämtliche um- 
strittene Aktionen der israelischen Behörden Scheinbegrün- 
dungen gefunden«. Zum Beispiel erklärte das Oberste Gericht 
in einer Entscheidung, die laut Amnesty International »auf der 
ganzen Welt ohne Beispiel« war, im Jahr 1997 Geiselnahmen für 
rechtmäßig. Bis zum November 2003 wurden während der 
zweiten Intifada weit mehr als 2000 Palästinenser getötet, in der 
Mehrzahl Zivilisten. »Wenn so viele Zivilisten getötet und ver- 
wundet werden, ist die Frage, ob Absicht dahintersteckt oder 

321 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

nicht, irrelevant«, stellt B'Tselem klar. »Israel hat es zu verant- 
worten.« Der für die New York Times schreibende Journalist 
Chris Hedges bemerkte anläßlich seiner Erfahrungen im Gaza- 
streifen: »Ich hatte schon bei anderen Konflikten, über die ich 
berichtete, mit ansehen müssen, wie Kinder erschossen wur- 
den . . . Daß aber Soldaten Kinder wie Mäuse in eine Falle ge- 
lockt und sich einen Spaß daraus gemacht haben, sie zu er- 
morden, das hatte ich noch nirgends gesehen.« Wie B'Tselem 
schrieb, war Israel »das einzige Land der Welt, das Folter ge- 
richtlich sanktionierte«. Seit Beginn der Besatzung im Jahr 
1967 haben »die israelischen Sicherheitsdienste in den besetz- 
ten Gebieten Palästinenser, die sie politischer Vergehen be- 
zichtigten, routinemäßig gefoltert«, so Amnesty International. 
Da Israel »ganz systematisch« auf Folter- und Mißhandlungs- 
methoden zurückgriff, bewegte sich die »Zahl der Palästinen- 
ser, die bei Verhören ... gefoltert oder schwer mißhandelt 
wurden«, nach einer Schätzung von Human Rights Watch aus 
dem Jahr 1994, »in einer Größenordnung von mehreren Zehn- 
tausend« - zum Teil ohne daß sich Israel auch nur die Mühe 
machte, diese Häftlinge irgendeines Vergehens zu beschuldi- 
gen. Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichts Israels 
aus dem Jahr 1999 nahm die Zahl der Fälle, in denen palästi- 
nensische Häftlinge gefoltert wurden, vorübergehend ab, doch 
inzwischen foltern die israelischen Vernehmungsbeamten, wie 
das israelische Antifolterkomitee »Public Committee Against 
Torture in Israel« betonte, längst wieder »systematisch und 
routinemäßig«. 

Laut Human Rights Watch ist Israel (abgesehen vom Irak 
unter Saddam Hussein) das einzige Land der Welt, das mut- 
maßliche Vergehen mit der Zerstörung von Häusern ahndet. 
Neben den als Strafmaßnahme befohlenen völkerrechts- 
widrigen Häuserzerstörungen, denen bereits mehr als 2000 pa- 
lästinensische Häuser zum Opfer gefallen sind, hat Israel unter 
Verweis auf fadenscheinige »Verwaltungs-« und »Sicherheits- 
322 



Schlußbemerkung (zu Teil II) 

gründe« Tausende weiterer palästinensischer Häuser zerstört. 
Israel ist »das einzige demokratische Land«, so B'Tselem, das 
politische Liquidierungen »für legitim hält«. Dadurch »gesellt 
sich Israel zu einer berüchtigten Gruppe von Staaten, die in 
schwerwiegender Weise gegen grundlegende moralische und 
humane Normen verstoßen, die die internationale Gemein- 
schaft für bindend hält« (»Public Committee Against Torture in 
Israel« und »LAW - The Palestinian Society for the Protection 
of Human Rights«). Israel erhebt Anschuldigungen gegen die 
auf diese Weise hingerichteten Palästinenser, ohne je Beweise 
für ihre Schuld vorzulegen. Diejenigen, die von Israel gezielt 
ermordet wurden, stellten zum Zeitpunkt des Attentats in aller 
Regel keine unmittelbare Bedrohung dar und hätten ebensogut 
verhaftet werden können. Im Zuge dieser politischen Liquidie- 
rungen wurden bereits zahlreiche Unbeteiligte willkürlich getö- 
tet und verwundet. Wie Sara Roy von der Harvard University 
erklärte, hat sich die israelische Wirtschaftspolitik in den be- 
setzten palästinensischen Gebieten »als noch ausbeuterischer 
erwiesen als [die Wirtschaftspolitik] anderer Siedlerregime«, 
hat sie doch zu einer massiven illegalen Enteignung palästinen- 
sischen Landes und lebenswichtiger Wasserressourcen geführt. 
Die UN-Menschenrechtskommission hat darauf aufmerksam 
gemacht, daß sich das Westjordanland und der Gazastreifen 
gegenwärtig am Rande einer »humanitären Katastrophe« be- 
finden, was hauptsächlich auf die israelische Abriegelungs- 
politik zurückzuführen ist. Wie B'Tselem schrieb, hat Israel mit 
seiner »auf Diskriminierung beruhenden Segregation« in den 
besetzten palästinensischen Gebieten ein System errichtet, das 
»weltweit das einzige seiner Art« ist und »an abstoßende Re- 
gime früherer Zeiten, so zum Beispiel an das südafrikanische 
Apartheidregime [erinnert]«. 

Israels ungeheuerliche Menschenrechtsverletzungen wurden 
in zahlreichen Menschenrechtsberichten und wissenschaftli- 
chen Studien nachgewiesen. Alan Dershowitz behauptet den- 

323 



»Im allgemeinen herausragend«: Israels Menschenrechtsbilanz 

noch - und gibt vor, bewiesen zu haben -, daß Israels Men- 
schenrechtsbilanz in den besetzten palästinensischen Gebieten 
»im allgemeinen herausragend« ist. Die Kluft zwischen diesen 
beiden Darstellungen ist nicht zu überbrücken. Entweder haben 
sich Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, 
Human Rights Watch und B'Tselem mit verschiedenen unab- 
hängigen Experten zu einer riesigen antisemitischen Verschwö- 
rung verabredet, um Israel in ein schlechtes Licht zu setzen, 
oder Dershowitz hat in seinem Buch ein unzutreffendes Bild 
der Wirklichkeit gezeichnet. Eine dritte Möglichkeit gibt es 
nicht. 



324 



Danksagung 



Beim Schreiben dieses Buches habe ich viel Unterstützung er- 
fahren, für die ich sehr dankbar bin. Zu denen, die mir groß- 
zügig ihre Zeit geopfert haben, gehören Rudolph Baldeo, De- 
gaulle Adili, Nimrod Amzalak, Joshua Becker, Beiabbes Ben- 
kredda, Sara Bershtel, Ruth Bettina Birn, Regan Boychuk, Dia- 
na Buttu, Roane Carey, Noam Chomsky, Chris-Gerald Fer- 
guson, Carolyn Fialkow, Rohit Goel, Camille Goodison, Maren 
Hackmann, Nader Hashemi, Eliot Hoffman, Niels Hooper, 
Zaineb Istrabadi, Joanne Koslofsky, Wilma Kwit, Victor Lang, 
Darryl Li, Roy Mash, Jessica Montell, Nina Nazionale, Mouin 
Rabbani, Wafa Abdel Rahman, Colin Robinson, Sara Roy, Ma- 
rilyn Schwartz, Feroze Sidhwa, Daniel Song, Shifra Stern, Rafal 
Szczurowski, Mark Tinsley, Jack Trumpbour, Cyrus Veeser, H. 
Aram Veeser und Mary Wilson. Wenn dieses Buch Leserinnen 
und Leser findet, dann ist das einer kollektiven Anstrengung 
zu verdanken, wie sie befriedigender nicht hätte sein können. 



Anmerkungen 



Vorwort von Felicia Langer 

1 Felicia Langer, Miecius später Bericht: Eine Jugend zwischen Getto 
und Theresienstadt, Lamuv: Göttingen 1999, S. 136f. 

2 Ebd., S. 127f. 

3 Siehe S. 138 in diesem Buch. 

4 Felicia Langer, Zorn und Hoffnung, Lamuv: Göttingen 1991, S. 
388-398. 



Allgemeine Einführung 

1 New York 1984. 

2 Zu den Hintergründen der Peters- Affäre siehe vor allem Edward 
W. Said, »Conspiracy of Praise«, in Edward W. Said/ Christopher 
Hitchens (Hg.), Blaming the Victims: Spurious Scholarship and the 
Palestinian Question, New York 2001; eine ausführliche Dar- 
stellung der Täuschungsversuche der Autorin sowie ein Kom- 
mentar zu den jüngsten, das Buch betreffenden Ereignissen fin- 
den sich in Norman G. Finkelstein, Image and Reality of the Israel- 
Palestine Conflict. Zweite, erweiterte Ausgabe, London/New 
York 2003 (Erstausgabe: 1995), S. xxxii und Kap. 2. [Norman G. 
Finkelstein, Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern: 
Mythos und Realität, Diederichs: Kreuzungen/ München 2002, S. 
29f. und Kap. 2; aufgrund von Unterschieden zwischen der ame- 
rikanischen Neuausgabe und der vorliegenden deutschsprachi- 
gen Ausgabe werden im folgenden jeweils beide Ausgaben ge- 
nannt; Anm. d. Ü.] 

3 Einige Themen sind noch strittig, zum Beispiel die Frage, ob die 
zionistische Führung von Anfang an vorhatte, die Palästinenser 

327 



Anmerkungen 

per »Transfer« aus dem Land zu schaffen. Unterschiedliche Auf- 
fassungen zum Junikrieg von 1967 und der Zeit danach sind 
überwiegend auf zwei Gründe zurückzuführen: Die wichtigsten 
israelischen Archive sind noch nicht zugänglich, und, was noch 
wichtiger ist, die politischen Auswirkungen des Junikriegs - vor 
allem die israelische Besatzung - machen uns heute noch zu 
schaffen. Das einzige politische Problem aus der Gründungs- 
phase (von der ersten zionistischen Besiedlung bis zur Staats- 
gründung Israels), das auch heute noch mehr oder weniger leb- 
haft diskutiert wird, stellen die palästinensischen Flüchtlinge 
dar. Die Aktualität des Themas erklärt vielleicht, warum diesbe- 
züglich nach wie vor unterschiedliche Auffassungen bestehen, 
doch halten sich die Differenzen auch hier in Grenzen. 
4 Lassen wir die Erkenntnis, daß Uris' Megaseller jedwede Kritik 
am Zionismus im Keim zu ersticken suchte, ruhig beiseite und 
vergegenwärtigen wir uns nur einmal den schieren Rassismus 
dieses Buches. Die Araber, ihre Dörfer und Behausungen - sie 
»stinken« allesamt. Bei den Arabern hält man es vor lauter 
»Mief« kaum aus, »üble Gerüche« verschlagen einem den Atem. 
Die Männer »lagen herum«, und zwar den ganzen Tag; sie sind 
»träge« - zumindest, wenn sie nicht gerade, »wie es so ihre Art 
ist«, dabei sind, »irgendeinen hinterlistigen Plan« auszuhecken - 
so etwas erscheint den Arabern nämlich »völlig legitim«. Sie 
kennen »keinerlei moralische Bedenken«: Ihre »verquere Logik 
entschuldigt jedes Verbrechen außer Mord«. Hinzu kommt, daß 
die Araber »bei der geringsten Provokation hysterisch werden«. 
Und das Land selbst? Bevor die Juden eintrafen und Wunder 
vollbrachten, bestand Palästina aus nichts als »wertloser Wüste 
im Süden, ausgelaugten Böden in der Mitte und Morast im Nor- 
den«; es war »ein Land, das nach 1000 Jahren der Vernachlässi- 
gung durch Araber und Türken nur faulige, abgestandene 
Sümpfe, ausgewaschene Hügel, mit Steinen übersäte Felder und 
unfruchtbare Erde« zu bieten hatte. »Daß Araber sangen, sich 
freuten oder lachten, kam nur höchst selten vor ... In dieser At- 
mosphäre bestimmten Hinterlist, Verrat, Mord, Blutfehden und 
Eifersüchteleien den Alltag. Die harte Wirklichkeit, die sich im 
Charakter der Araber niedergeschlagen hatte, war für Fremde 
kaum nachzuvollziehen. Daß Brüder gegeneinander mit Grau- 
samkeit vorgingen, war ganz normal.« Wie man sieht, hat sich 
an der zionistischen Propaganda über die Jahre nicht viel ver- 
ändert. Leon Uris, Exodus, New York 1959, S. 181, 213, 216, 227, 

328 



Allgemeine Einführung 

228, 229, 253, 334, 352f. [Da die deutsche Übersetzung des Ro- 
mans zum Teil stark vom Original abweicht und einige der ge- 
nannten Beispiele dort gar nicht enthalten sind, wurde hier nach 
der amerikanischen Ausgabe zitiert; vgl. jedoch Leon Uris, Ex- 
odus, 12. Auflage, Heyne: München 1973, S. 174f., 201, 204, 212, 
213, 236; Anm. d. Ü.] 

5 Walid Khalidi, »Why Did the Palestinians Leave?«, Middle East 
Forum, Juli 1959. Erskine Childers, »The Other Exodus«, Specta- 
tor, 12. Mai 1961. 

6 In Ergänzung zu den Studien selbst ist mit der Zeit auch eine 
umfangreiche Sekundärliteratur entstanden, die sich speziell mit 
ihnen befaßt. Zur Einführung sei Benny Morris' Aufsatz »The 
New Historiography: Israel and Its Past« empfohlen, in Benny 
Morris, 1948 And After: Israel and the Palestinians, Oxford 1990, S. 
1-34. 

7 Siehe Kapitel 6 in diesem Buch. 

8 Allerdings sollte man nicht vergessen, daß das leuchtende Vor- 
bild, das Israel abzugeben suchte, bereits im Jahr 1982 ein erstes 
Mal stark beschädigt worden war - die Libanoninvasion hatte 
Israels erstes Public-Relations-Debakel nach sich gezogen. Der 
Grund dafür, daß Israels tatsächliche Praktiken damals endlich 
ans Tageslicht kamen, verdient besondere Beachtung. Die schie- 
re Brutalität und Häufigkeit der Verbrechen, die Israel während 
der Libanoninvasion von 1982 verübte, trugen zweifellos das 
Ihre dazu bei; dennoch waren sie für den neuen Ton in den Be- 
richten nicht ausschlaggebend gewesen. Wie der langjährige 
Nahost-Korrespondent Robert Fisk erklärte, bestand das Novum 
schlicht darin, daß, anders als bei früheren Kriegen in der Regi- 
on, offenbar weder die betreffende arabische Diktatur noch die 
sorgfältige israelische Öffentlichkeitsarbeit in der Lage war, die 
Medienberichterstattung zu kontrollieren oder zu manipulieren: 
»Die libanesische Regierung war zu schwach, und ihre Sicher- 
heitsdienste waren zu zerstritten, als daß sie die Artikel der 
westlichen Journalisten, die von Beirut aus berichteten, hätten 
zensieren können . . . Die Reporter, die mit den israelischen Trup- 
pen unterwegs waren, waren in ihrer Bewegungsfreiheit stark 
eingeschränkt; ihre Berichte wurden auch zum Teil zensiert. Ihre 
Kollegen in Beirut konnten sich hingegen frei bewegen und 
schreiben, was sie wollten. Dies war das erste Mal, daß sich Re- 
portern die Gelegenheit bot, die arabische Seite eines Krieges im 
Nahen Osten aus der Nähe zu erleben. Sie stellten fest, daß Isra- 

329 



Anmerkungen 

eis angeblich unbesiegbare Armee mit ihrem hohen moralischen 
Anspruch und ihrem klar umrissenen Kriegsziel -gegen >Terro- 
risten< vorzugehen - sich nicht so benahm, wie es ihr Ruf hätte 
vermuten lassen. Die Israelis waren brutal. Sie mißhandelten 
Gefangene, töteten Tausende Zivilisten, logen in bezug auf ihre 
Operationen und sahen dann tatenlos dabei zu, wie die mit ih- 
nen verbündete Miliz die Bewohner eines Flüchtlingslagers ab- 
schlachtete. Die Israelis benahmen sich ziemlich genau so wie 
die >unzivilisierten< arabischen Armeen, die sie selbst in den ver- 
gangenen 30 Jahren unentwegt mit Schimpf und Schande über- 
zogen hatten. Die Berichterstattung aus dem Libanon . . . bedeu- 
tete für die Israelis eine neue, beunruhigende Erfahrung: Sie hat- 
ten die Wahrheit nicht länger gepachtet.« Fisks Schilderung ver- 
deutlicht einmal mehr, welch katastrophale Folgen die lähmende 
Unterdrückung in der arabischen Welt für die Bevölkerung hat 
(Robert Fisk, Pity the Nation, New York 1990, S. 407; Hervorhe- 
bung im Original). [Fisk berichtet seit 1976 aus dem Nahen 
Osten; zunächst war er dort für die Londoner Times tätig, seit 
Ende der 1980er Jahre schreibt Fisk für den Independent; Anm. d. 
Ü.] 
9 Ari Shavit, »Survival of the Fittest«, Interview mit Benny Morris, 
Haaretz, 9. Januar 2004. Einen klugen Kommentar dazu schrieb 
Baruch Kimmerling, »Is Ethnic Cleansing of Arabs Getting Legi- 
timacy from a New Israeli Historian?«, Tikkun, 27. Januar 2004. 
Zu Morris' Äußerungen jüngeren Datums siehe auch Finkelstein, 
Image and Reality, S. xxix-xxx [vgl. Finkelstein, Konflikt, S. 27f.]. 

10 Siehe zum Beispiel Salman Abu Sitta, »The Implementation of 
the Right of Return«, in Roane Carey (Hg.): The New Intifada: Re- 
sisting Israels Apartheid, New York 2001, S. 299-319. 

11 U.N. General Assembly Resolution 44/42, Question of Palestine, 6. 
Dezember 1989. U.N. General Assembly Resolution 58/21, Pea- 
ceful Settlement of the Question of Palestine, 22. Januar 2004. Nähe- 
res zu den Abstimmungen bei den Vereinten Nationen findet 
sich bei Finkelstein, Image and Reality, S. xvii-xviii [vgl. Finkel- 
stein, Konflikt, S. 16f.]. 

12 Ich unterscheide zwischen dem Begriff der Massenvernichtung 
der Juden durch die Nazis und dem Begriff HOLOCAUST. 
Während der erste Begriff den tatsächlichen historischen Vor- 
gang bezeichnet, steht letzterer für dessen ideologische Instru- 
mentalisierung. [Im Original wird zwischen »Nazi holocaust 
(Vorgang) und »The Holocaust« (Instrumentalisierung) unter- 

330 



« 



Allgemeine Einführung 

schieden; Anm. d. Ü.] Siehe Norman G. Finkelstein, Die Holo- 
caust-Industrie: Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird, Piper: 
München/ Zürich 2001, S. 185 Anm. 1 sowie Kap. 2. [Norman G. 
Finkelstein, The Holocaust Industry: Reflections on the Exploitation 
ofjewish Suf-fering. Zweite, erweiterte Taschenbuchausgabe, Lon- 
don/New York 2003 (Erstausgabe: 2000).] 

13 Meron Benvenisti, »Two generations growing up in Jerusalem«, 
New York Times Magazine, 16. Oktober 1988; ähnliche Formulie- 
rungen benutzte Benvenisti in seinem Buch Intimate Enemies: 
Jeivs and Arabs in a Shared Land, Berkeley 1995, S. 9 (»ein urzeit- 
licher Wettkampf, ein Hirtenkrieg«), 19 (»sein endemischer, in- 
terkommunaler Charakter«). 

14 Zum Vergleich mit der europäisch-amerikanischen Eroberung 
Nordamerikas siehe Norman G. Finkelstein, Palästina: Ein per- 
sönlicher Bericht über die Intifada, Diederichs: Kreuzungen/ Mün- 
chen 2003, S. 189-216. [Norman G. Finkelstein, The Rise and Fall 
ofPalestine: A Personal Account of the Intifada Years, Minneapolis 
1996.] Zum Vergleich mit der südafrikanischen Apartheid siehe 
Finkelstein, Image and Reality, S. xxvii und Kap. 7. [Vgl. Finkel- 
stein, Konflikt, S.26f; das siebte Kapitel liegt nicht in deutscher 
Übersetzung vor; Anm. d. Ü.] 

15 Palestine Royal Commission Report, London 1937, S. 76, 94, 110, 
131, 136, 363; Hervorhebungen NGF. 

16 Yosef Goray, Zionism and the Arabs, 1882-1948: A Study of Ideo- 
logy, Oxford 1987, S. 197. Eine Analyse dieser zionistischen 
Rechtfertigungen findet sich in Finkelstein, Image and Reality, S. 
lOlf. [Finkelstein, Konflikt, S. 189-191] 

17 Ich habe mich mit diesem Argument an anderer Stelle ausführ- 
lich auseinandergesetzt, siehe Finkelstein, Image and Reality, S. 
89-98 [Finkelstein, Konflikt, S. 170-184]. 

18 Isaiah Friedman, The Question of Palestine: British-Jeivish-Arab Re- 
lations, 1914-1918, London 1992, S. 13f. (Samuel), 325f. (Bal-four); 
vgl. S. 331. Clive Ponting, Churchill, London 1994, S. 254. Bei 
nichtzionistischen Rechtfertigungsversuchen wurde die Be- 
hauptung, das Land sei nicht besiedelt gewesen, in der Regel 
durch die rassistische Komponente ergänzt: Während Palästina 
unter den Arabern eine dünnbesiedelte Einöde gewesen sei, 
würden Juden, die die Segnungen der Zivilisation und des Fort- 
schritts mitbrächten, das Land sinnvoll nutzen und damit zu 
Recht Besitzanspruch darauf erheben. 

331 



Anmerkungen 

19 Isaac Deutscher, Die ungelöste Judenfrage: Zur Dialektik von An- 
tisemitismus und Zionismus, Rotbuch: Berlin 1977, S. 91f; ähn- 
liche Formulierungen finden sich auf den Seiten 76 und 81. 
[Isaac Deutscher, The Non-Jewish Jew and Other Essays, New 
York 1968. 

20 Ebd., S. 73. 

21 Zu den Anstrengungen, die die Zionisten unternahmen, um die 
jüdische Besiedlung in Palästina voranzutreiben, siehe auch den 
Abschnitt »Kultur des Todes« in Kap. 4 

22 Deutscher, Die ungelöste Judenfrage, S. 92. 

23 Ebd. 

24 Ebd., S. 78. 

25 Der Scharfsinn, mit dem Deutscher das Thema Zionismus an- 
ging, ist in der Tat bemerkenswert - jede einzelne Seite seines 
Essaybands bringt neue Erkenntnisse hervor oder enthält Vor- 
hersagen, deren Genauigkeit uns heute geradezu unheimlich 
erscheint. Dennoch werden seine Ausführungen (zumindest be- 
vor er nach dem Junikrieg von 1967 hart mit Israel ins Gericht 
ging) durch typisch zionistische und rassistische Apologetik be- 
einträchtigt: Die Kibbuzim seien »jüdische Oasen, die über die 
frühere arabische Wüste verstreut liegen« (S. 64); vor der zioni- 
stischen Besiedlung »bestand in der palästinensischen Wüste... 
keine Gesellschaft« (S. 65); die zionistische Behauptung, daß »Pa- 
lästina immer schon jüdisch gewesen« sei, wiege gleichviel wie 
die arabische Behauptung, daß »die Juden Angreifer und Ein- 
dringlinge« seien (S. 76), und so weiter und so fort. 

26 Benny Morris, Israels Border Wars, 1949-1956, Oxford 1993, S. 380 
(Dayan). Zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema sie- 
he Finkelstein, Image and Reality, S. 98-110; das Ben-Gurion-Zitat 
findet sich auf S. 106 [Finkelstein, Konflikt, S. 185-203;Ben- 
Gurion: S. 197]. 

27 Siehe Anhang III der Originalausgabe, Norman G. Finkelstein, 
Beyond Chutzpah: On the Misuse of Anti-Semitism and the Abuse of 
History, Berkeley/Los Angeles 2005; deutsche Übersetzung unter 
www.NormanFinkelstein.com. 

28 Walid Khalidi hat die Gründe für die palästinensische Ableh- 
nung des UN-Teilungsplans noch einmal eindrucksvoll darge- 
legt: »Revisiting the UNGA Partition Resolution«, Journal ofPale- 
stine Studies, Herbst 1997, S. 5-21. 

29 Benny Morris, Righteous Victims: A History of the Zionist-Arab 

332 



Allgemeine Einführung 

Conflict, 1881-1999, New York 1999, S. 37 (»Angst«). Benny Mor- 
ris hat das palästinensische Volk als »krank, psychotisch« be- 
zeichnet. Die Palästinenser seien »Serienmörder«, die Israel »ins 
Gefängnis stecken« oder »hinrichten lassen« müsse. Sie seien 
nichts als »Barbaren«, um die herum man »einen Käfig oder ir- 
gendwas in der Art bauen muß«. Siehe das oben zitierte Haa- 
refc-Interview und die bereits erwähnten jüngsten Äußerungen 
von Morris in Finkelstein, Image and Reality [Konflikt]. 

30 Helen Hunt Jackson, A Century ofDishonor, New York 1981 [Erst- 
ausgabe 1881], S. 265. 

31 Diese und ähnliche Formulierungen finden sich bei Theodore 
Roosevelt, The Winning ofthe West, New York 1889, Bd. 1, S. 118f, 
121; Bd. 4, S. 7, 54-56, 65, 200, 201. 

32 Man darf sich heute nicht einmal mehr daran erinnern, daß Roo- 
sevelt solche Äußerungen von sich gegeben hat: In den neueren 
Biographien über ihn werden sie mit keinem Wort erwähnt, ob- 
wohl sie in seinen veröffentlichten Schriften und Briefen dut- 
zendfach vorkommen. 

33 Es ist kein Zufall, daß diese Einschränkung der Qualitätskontrol- 
le auch auf Veröffentlichungen zum HOLOCAUST zutrifft. Raul 
Hil-berg, der Doyen der Forschung über die Massenvernichtung 
der Juden durch die Nazis, hat dies treffend kommentiert, siehe 
Finkelstein, Die Holocaust-Industrie, S. 67. 

34 Alan M. Dershowitz, The Case for Israel, Hoboken/New Jersey 
2003. Alle Verweise auf dieses Buch beziehen sich auf die gebun- 
dene Erstausgabe vom August 2003 (Verlag: John Wiley). [Zur 
deutschsprachigen Ausgabe siehe Fußnote S. 48; Anm. d. Ü.] Ich 
habe bereits kurz nach der Veröffentlichung publik gemacht und 
umfassend belegt, daß das Buch die Tatsachen verdreht (siehe 
»The Dershowitz Hoax«, www.NormanFinkelstein.com/article. 
php?pg=4&ar=l). In der amerikanischen Taschenbuchausgabe, 
die im August 2004 bei Wiley erschien, hat Dershowitz ein paar 
Korrekturen vorgenommen. 

35 Siehe Anhang I in Finkelstein, Beyond Chutzpah; deutsche Über- 
setzung unter www.NormanFinkelstein.com. 

36 Ihre Lobpreisungen des Buches sind bei www.Amazon.com [un- 
ter Alan Dershowitz, The Case for Israel] nachzulesen. 

37 In der New York Times Sunday Book Review lobte Ethan Bronner 
Dershowitz für seine »intelligente Polemik« und seine Fähigkeit, 
»überzeugend zu argumentieren«. Auch fand Bronner, Dersho- 

333 



Anmerkungen 

witz sei »besonders gut darin, die Verlogenheit vieler Kritiker 
der israelischen Politik zu entlarven« (»The New New Histori- 
ans«, 9. November 2003). Bronner gilt in der Redaktion der New 
York Times als »Nahost-Experte«. Im Boston Globe war Jonathan 
Dorfman ganz außer sich vor Begeisterung darüber, wie Ders- 
howitz »es den Gegnern Israels zeigt«. Er teile dabei aus, wie 
man es bei ihm von seinen Reden als Strafverteidiger gewohnt 
sei. Dershowitz habe »einige unumstößliche Wahrheiten über 
Israel noch einmal überzeugend dargelegt - Wahrheiten, die 
Israels Freunde anderen vermitteln sollten; Wahrheiten, mit de- 
nen sich Israels Feinde auseinandersetzen sollten; und schließ- 
lich Wahrheiten, die Plappermäuler erst einmal zur Kenntnis 
nehmen sollten, bevor sie irgendwelche Urteile über Israel fallen, 
die nicht nur pauschalisierend und leichtfertig dahingesagt, 
sondern auch noch falsch sind« (»Dershowitz makes the >Case<«, 
26. November 2003). Diese beiden Besprechungen erschienen, 
lange nachdem ich öffentlich zweifelsfrei nachgewiesen hatte, daß 
Dershowitz' Buch Kokolores ist. 



Teill 

Kapitel 1: Von Jesus Christ Superstar zur Passion Christi 

1 Abraham H. Foxman, Never Again ? The Threat of the New Anti- 
Semitism, San Francisco 2003, S. 4. 

2 Arnold Forster/Benjamin R. Epstein, The New Anti-Semitism, 
New York 1974; Nathan Perlmutter/ Ruth Ann Perlmutter, The 
Real Anti-Semitism in America, New York 1982. Zum Hinter- 
grund und zur weiteren Diskussion siehe Norman G. Finkel- 
stein, Die Holocaust-Industrie: Wie das Leiden der Juden ausge- 
beutet wird, Piper: München/ Zürich 2001, S. 40-47. [Norman G. 
Finkelstein, The Holocaust Industry: Reflections on the Exploita- 
tion of Jewish Suffering. Zweite, erweiterte Taschenbuchausga- 
be London/New York2003 (Erstausgabe: 2000).] 

3 Forster/ Epstein, New Anti-Semitism, S. 56 {Washington Post), 113 
(Fritz the Cat), 300 (New York Times). 

4 Forster/ Epstein, New Anti-Semitism, S. 91 (»Bühnenfassung«, 
»alle miteinander«), 93f. (»Geschichte des Neuen Testaments«), 
97 (»ökumenische Interpretation« und, die New York Times zi- 

334 



Kapitel 1 

tierend, »Konzil«). Frank Rieh, »Mel Gibson Forgives Us for His 
Sins«, New York Times, 7. März 2004 

5 Foxman, Never Again ?, S. 147-151 (christliche Fundamentalisten 
und »treue Anhänger«: S. 149). 

6 »ADL Audit Finds Anti-Semitic Incidents Remain Constant; 
More Than 1,500 Incidents Reported across U.S. in 2003«, ADL- 
Presse-erklärung, 24. März 2004; das Binnenzitat stammt von 
ADL-Chef Abraham Foxman. 

7 Frank Rieh, »The Greatest Story Ever Sold«, New York Times, 21. 
September 2003. 

8 Forster/ Epstein, New Anti-Semitism, S. 16 (»einzige Erklärung«), 17, 
152 und 219 (»ausgereifte«), 323f. (»Feindseligkeit«, »Herzstück«). 

9 In The New Anti-Semitism widmeten Forster und Epstein dem 
Antisemitismus in der kommunistischen und arabischen Welt 
umfangreiche Kapitel, und die Verfasser späterer Werke zum 
neuen Antisemitismus taten es ihnen gleich. Es sei an dieser Stelle 
- zumal sich ADL-Studien und andere, im gleichen Geist verfaßte 
Werke gern über diesen Punkt ausschweigen - daraufhin- 
gewiesen, daß der internationale Konsens zur Lösung des israe- 
lisch-arabischen Konflikts sowohl vom Ostblock als auch von den 
arabischen Staaten offiziell unterstützt wurde. Die Zeit, in der mit 
dem Forster-Epstein-Buch das erste Werk zum neuen Antisemi- 
tismus erschien, war auch die Zeit der Kampagne »zur Befreiung 
der sowjetischen Juden«. Das amerikanisch-jüdische Establish- 
ment bezweckte mit dieser Kampagne zweierlei: erstens die So- 
wjetunion schlechtzumachen - und sich damit den herrschenden 
Eliten in den USA anzudienen - und zweitens Israel neue Ein- 
wanderer zu bescheren und auf diese Weise Israel dabei zu hel- 
fen, die Gefahr der »demographischen Bombe« abzuwenden. 

10 Ebd., S. 255 (»behalten«), 260 (Stern [zit. nach Forster/Epstein]), 
264 (Großbritannien), 273 (»besorgniserregend«), 275 (»Spre- 
cher der Linken«). 

11 Ebd., S. 80f. (liberaler protestantischer Geistlicher), 86-88 (Quä- 
ker/American Friends Service Committee), 125 (»radikalen Lin- 
ken«), 323 (National Council of Churches). Zu Israels Weige- 
rung, sich nach dem im Februar 1971 vom ägyptischen Präsiden- 
ten Sadat unterbreiteten umfassenden Friedensangebot aus dem 
Sinai zurückzuziehen, siehe Norman G. Finkelstein, Image and 
Reality of the Israel-Palestine Conflict. Zweite, erweiterte Ausgabe, 
London/ New York 2003 (Erstausgabe: 1995), Kap. 6 [Norman 

335 



Anmerkungen 

G. Finkelstein, Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern: 
Mythos und Realität, Diederichs: Kreuzungen/ München 2002, 
Kap. 6]; zu Israels Verantwortung für den Ausbruch des Juni- 
krieges von 1967 sowie zur Bedeutung von UN-Resolution 242 
vom November 1967 siehe Kap. 5 und den Anhang von Image 
and Rea-lity [Konflikt, Kap. 5; der Anhang ist in der deutschen 
Ausgabe nicht enthalten; Anm. d. Ü.]. 

12 Forster/ Epstein, New Anti-Semitism, S. 117-124 (Washington 
Post: S. 122, CBS-News: S. 123). 

13 Ebd., S. 7 (vgl. S. 12); Perlmutters, Real Anti-Semitism, S. 139. 

14 Perlmutters, Real Anti-Semitism, S. 9 (»These«; vgl. S. 105-107), 
231 (»Ku-Klux-Klan- Anhänger«, »unter Kontrolle«). 

15 Ebd., S. 80 (»zweifelsohne«), 154 (»am Herzen«). Zur Unterstüt- 
zung eines militarisierten und abhängigen Israels durch ameri- 
kanische Juden siehe Finkelstein, Die Holocaust-Industrie, Kap. 1. 

16 Perlmutters, Real Anti-Semitism, S. 262. Avner Yaniv, Dilemmas 
ofSecurity, Oxford 1987, S. 70. 

17 Perlmutters, Real Anti-Semitism, S. 32f, 107f., 163f. (»modi- 
schen«), 230-244 (»Mordkomplizen«: S. 244). 

18 Ebd., S. 108f. (Wahlmänner-Gremium), 116 (»reden die Leute«), 
159 (PLO), 248 (Vereinte Nationen), 282 (Atomkraft). 

19 Ebd., S. 86ff. (Umfrageergebnisse), 186 (»liebevollen Umsor- 
gung«), 211 (»Gott«), 251 (»dazu neigen«). Übrigens brachte die 
amerikanisch-jüdische Unterstützung für die schwarze Bürger- 
rechtsbewegung auch Juden bedeutende Verbesserungen. »Da es 
während der Bürgerrechtsprotestmärsche der 1950er und 1960er 
Jahre nicht zu übersehen war, daß Juden und Schwarze sich zu- 
sammengetan hatten, fühlten sich viele rechtsextreme Rassisten 
berufen, ihren Haß auch wieder verstärkt gegen die Juden zu 
richten«, stellte der an der Harvard University lehrende Jurapro- 
fessor Alan Dershowitz fest. »Doch gelang es im Zuge der Bür- 
gerrechtsproteste am Ende auch, die soziale und wirtschaftliche 
Diskriminierung der Juden größtenteils zu beenden« (Alan M. 
Dershowitz, Contrary to Populär Opinion, New York 1992, S. 366). 

20 Perlmutters, Real Anti-Semitism, S. 182-203, 264-277. Zu jüdi- 
schen Organisationen, die sich gegen »Affirmative Action« 
wandten, sowie zu jüdischem Rassismus siehe Finkelstein, Die 
Holocaust-Industrie, S. 44f. 

21 Perlmutters, Real Anti-Semitism, S. 114 (»Angst«), 203 (»laut- 
stark, deutlich«), 206 (»der Schwarze«). 

336 



Kapitel 2 

22 Ebd., S. 155f. (»Intoleranz« und Bailey Smith), 172 (»Lasset«), 
176 (»Selten«). 

23 Ebd., S.228 (»Gewalt«), 254-258 (Verteidigungshaushalt; »um so 
glaubwürdiger« und »Rüstungslobbyisten«: S. 254), 264-277 
(»Affirmative Action«; »umgekehrte Diskriminierung«: S. 269) 

Kapitel 2: Israel - Der »Jude« unter den Völkern 

1 Aristoteles, Politik, Rowohlt: Reinbek bei Hamburg, 2. Aufl. 
2003, S.46. 

2 Phyllis Chesler, Der neue Antisemitismus: Die globale Krise seit 
dem 11. September, Schwartzkopff: Hamburg/ Berlin 2004, S. 12 
[Phyllis Chesler, The New Anti-Semitism: The Current Crisis and 
What We Must Do About It, San Francisco 2003]; Mortimer B. 
Zuckerman, »The New Anti-Semitism«, U.S. News & World Re- 
port, 3. November 2003; Irwin Cotler, »Human rights and the 
new anti-Jewishness«, Jerusalem Post, 5. Februar 2004 (Cotler ist 
derzeit kanadischer Justizminister); Gabriel Schoenfeld, The 
Return of Anti-Semitism, San Francisco 2004, S. 147. 

3 Nathan Perlmutter/ Ruth Ann Perlmutter, The Real Anti- 
Semitism in America, New York 1982, S. 162f.; Alan M. Dershow- 
itz, Chuzpe, Europäische Verlagsanstalt: Hamburg 2000, S. 156, 
287. [Alan M. Dershowitz, Chutzpah, Boston 1991.] 

4 Abraham Foxman, Never Again? The Threat of the New Anti- 
Semitism, San Francisco 2003, S. 39; Chesler, Der neue Antisemi- 
tismus, S. 180. 

5 Ruth R. Wisse, »On Ignoring Anti-Semitism«, in Ron 
Rosenbaum (Hg.), Those Who Forget the Fast: The Question of 
Anti-Semitism, New York 2004, S. 200. 

6 Siehe Greg Philo/Mike Berry, Bad Newsfrom Israel, London 2004. 

7 Chesler, Der neue Antisemitismus, S. 27 (»Verteidigungskriege«), 
38 (Sabra und Shatila), 49-58 (»Kurze Geschichte«), 87-91 
(»jüngste arabische Terror«), 170 (»Experte«, »israelische Kon- 
trolle«, »unabdingbar«), 223 (Kriege). 

8 Bertrand Benoit, »EU racism group shelves anti-Semitism 
study«, Financial Times, 22. November 2003 (»tendenziös«); Ber- 
trand Benoit/ Silke Mertins, »Brüssels urged to publish report 
on anti-Semitism«, Financial Times, 25. November 2003 (Solana); 
Bertrand Benoit, »Shelved EU study of anti-Semitism goes on 
net«, Financial Times, 3. Dezember 2003; Cobi Benatoff/ Edgar 

337 



Anmerkungen 

M. Bronfman, »Europe's moral treachery over anti-Semitism«, 
Financial Times, 5. Januar 2004 (»Antisemitismus«, »zensiert«); 
George Parker, »Prodi shelves plan for anti-Semitism Confe- 
rence«, Financial Times, 6. Januar 2004 (»nicht genügend«); Ra- 
phael Minder, »Racism talks revived as Jews support Prodi«, 
Financial Times, 8. Januar 2004 
9 Siehe Norman G. Finkelstein, »Counterfeit Courage: Reflec- 
tions on >Political Correctness< in Germany«, in Alexander 
Cockburn/ Jeffrey St. Clair (Hg.), The Politics of Anti-Semitism, 
Oakland/ Kalifornien 2003. 

10 Hans-Jochen Luhmann/Gundel Neveling (Hg.), »Erklärung 
der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen 
Evangelischen Kirchentag: Zur Gefahr eines neuen Antisemi- 
tismus«, Deutscher Evangelischer Kirchentag Hamburg 1981 - Do- 
kumente, Kreuz: Stuttgart/ Berlin 1981, S. 626. 

11 Werner Bergmann/Juliane Wetzel, Manifestations of anti-Semitism 
in the European Union, Wien 2003, http://eumc.eu.int/eumc 
/material/pub/ FT/ Draft_anti-Semitism_report-web.pdf, S. 10 
(»Dämonisierung«, »enge Verbündete«, »großen Einfluß«), 23 
(»Apartheid«, »ethnischen Säuberung«, »Verbrechen gegen die 
Menschlichkeit«), 23f. (»Opferstatus«), 29 (»gefährlichen Cha- 
rakter«). Im folgenden: Manifestations. [Die Studie liegt nur in 
englischer Fassung vor; Anm. d. Ü.] In dieser Studie wird, wie 
in anderen Publikationen über den neuen Antisemitismus 
auch, der Gebrauch des Begriffs »Völkermord« verurteilt. Tat- 
sächlich umfaßt dieser Begriff eine ganze Reihe verheerender 
Ziele. Einige dieser Ziele treffen auf den israelischen Kontext 
eindeutig nicht zu, andere mögen die israelische Politik gegen- 
über den Palästinensern durchaus treffend charakterisieren. 

12 Bergmann/ Wetzel, Manifestations, S. 41 (Belgien), 55 (Irland), 
60 (Spanien), 71 (Italien), 82 (Niederlande), 88 (Portugal), 91 
(Finnland). 

13 Chesler, Der neue Antisemitismus, S. 13 (»Schrankenlosigkeit«), 14 
(»Pornographie«), 21 (»gelben Stern«), 22 (»Aidsvirus«), 26 ^»be- 
schnittenem Herzen«), 75 (»progressive Feministinnen«), 76 
(Time), 93 (»Braunhemden«), 99 (»extreme Übertreibung«), 100 
(»westlichen Wahrheits- und Objektivitätsstandard«), 179 (»jeder, 
der diese Tatsache leugnet«), 182 (»Antikriegs-«), 183 (israelische 
Antisemiten), 189 (»Reihe amerikanisch-jüdischer Feministin- 
nen«), 191 (Leibowitz), 218 (»europäischen und linken bzw. libe- 

338 



Kapitel 2 

ralen amerikanischen Medien«), 219 (CNN, NPR, New York Times, 
Los Angeles Times), 223 (»wie bei den Nazis«), 242 (»Kapitalis- 
muskritiker«), 243 (»Menschenrechtsorganisationen«), 251 Anm. 
134 (Associated Press, Reuters, BBC, CNN, ABC, Washington Post, 
Toronto Star, Guardian). [Im amerikanischen Original nennt die 
Autorin »Associated Press« (Chesler, The New Anti-Semitism, S. 
259 Anm. 5); in der deutschen Ausgabe wurde statt dessen aus 
Versehen »Agence France-Press« genannt (S.251 Anm. 134); Anm. 
d. Ü.] Denjenigen, die sich fragen, was an einer globalen Pro- 
testbewegung, die die Macht der Konzerne über die Weltwirt- 
schaft brechen will, antisemitisch sein soll, kann geholfen werden 
- ein Blick in die Zeitschrift Foreign Policy genügt: »[Diese Bewe- 
gung] trägt dazu bei, den Antisemitismus zu schüren, weil sie 
Verschwörungstheorien verbreitet. In ihren Augen ist die Globali- 
sierung weniger ein Prozeß als vielmehr ein hinter verschlossenen 
Türen ersonnenes Komplott, ausgeheckt von einer Handvoll von 
Bürokraten und Unternehmen, die niemandem Rechenschaft 
schuldig sind. Die Bewegung setzt sich zwar für humanistische 
Werte wie weltweite soziale Gerechtigkeit ein, doch unterschwel- 
lig betreibt sie auch das Geschäft mit der Angst: Der Internationa- 
le Währungsfond [IWF], die Welthandelsorganisation [WTO], das 
Nordamerikanische Freihandelsabkommen [NAFTA] und das 
Multilaterale Abkommen über Investitionen [MAI] werden nicht 
nur als Ausbeuter der Entwicklungsländer dargestellt, sondern 
auch als supranationale Werkzeuge, die unsere Souveränität un- 
tergraben. Nehmen Sie nur mal ein Exemplar des 1998 erschiene- 
nen Buches MAI and the Threat to American Freedom in die Hand 
. . ., und Sie werden folgendes lesen: >In den vergangenen 25 Jah- 
ren scheinen die Unternehmen ein neues politisches Bündnis mit 
dem Staat geschmiedet zu haben, das es den Unternehmen er- 
laubt, die Herrschaftsstruktur zu immer größeren Teilen ihrer 
eigenen Kontrolle zu unterstellen. Diese neue »Unternehmens- 
herrschaft« stellt eine fundamentale Bedrohung der Rechte und 
demokratischen Freiheiten aller Völker dar<« (Mark Strauss, »An- 
tiglobalism's Jewish Problem«, Foreign Policy, November/ Dezem- 
ber 2003; Abdruck in Rosenbaum, Those Who Forget, S. 278f.). Man 
weiß nicht, worüber man mehr lachen soll: über den Vorwurf, 
daß es sich bei dieser Analyse um eine »Verschwörungstheorie« 
handelt, oder über den Vorwurf, daß wir es hier mit »Antisemi- 
tismus« zu tun haben. 
14 Chesler, Der neue Antisemitismus, S. 201. 

339 



Anmerkungen 

15 Schoenfeld, Return, S. 2 (»ihres Lebens nicht mehr sicher«), 86 
(»Umweltschützer«), 87-100 (»britischen und europäischen Zei- 
tungen«: S. 89), 124 (Dowd), 125 (Matthews), 128 (»Neokonser- 
vativer«, »Synonym«), 148 (»liberal bis links«). 

16 Schoenfeld, Return, S. 130-139 (»Kontingent«: S. 130, Boyarin: S. 
137, »linke Juden« und »Speerspitze«: S. 139), 148f. (Wieseltier). 
Laut Schoenfeld ist auch der Verfasser dieser Zeilen ein Anti- 
semit und selbsthassender Jude, noch dazu einer, der sich »auf 
das Gebiet glatter Holocaustleugnung begibt«. Schoenfeld be- 
richtet zum Beispiel, daß »Finkelstein das aufgreift, was revi- 
sionistische Historiker behaupten, daß nämlich geldgierige Ju- 
den mit der Holocaust-Wiedergutmachung >Erpressung< 
betreiben, um sich zu bereichern« (S. 132,134). Komisch. 
Schoenfeld scheint vergessen zu haben, was er selbst zu dem 
Thema geschrieben hat. Commentary brachte im September 2000 
einen großen Artikel von ihm mit dem Titel: »Holocaust- 
Wiedergutmachung - Ein wachsender Skandal«. Darin geißelte 
Schoenfeld Holocaust-Profiteure in aufrührerischem Ton dafür, 
daß sie »sich ganz ungeniert aller möglichen Methoden bedie- 
nen, ganz egal wie ungehörig oder sogar diskreditierend diese 
sind«. An anderer Stelle behauptete Schoenfeld: »In einem Vor- 
trag, den Finkelstein im Dezember 2001 in Beirut, Libanon, 
hielt, verglich er das, was Israel tat, mit >Nazi-Praktiken< im 
Zweiten Weltkrieg, allerdings mit einigen >Neuerungen bezüg- 
lich der Nazi-Experimente<« (Gabriel Schoenfeld, »Israel and 
the Anti-Semites«, in Rosenbaum, Those Who Forget, Anm. auf S. 
112). Wer diese der Schoenfeld' sehen Phantasie entsprungene 
Schilderung mit dem tatsächlichen Text vergleichen möchte, 
kann die zweite, erweiterte Ausgabe meines Buchs Image and 
Reality of the Israel-Palestine Conflict (London/ New York 2003) 
zur Hand nehmen - bei der neuen Einleitung handelt es sich 
um die mit Anmerkungen versehene schriftliche Fassung mei- 
nes Vortrags in Beirut. [Dieser Text entspricht im wesentlichen 
dem Vorwort zur deutschen Ausgabe. Norman G. Finkelstein, 
Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern: Mythos und 
Realität, Diederichs: Kreuzungen/ München 2002.] 

17 In die Anthologie wurden auch Artikel von Leuten wie Ed- 
ward Said und Judith Butler aufgenommen - in der Hoffnung, 
daß dann vielleicht doch der eine oder andere Leser glaubt, ein 
ausgewogenes Buch in Händen zu halten. (Vollständige Quel- 
lenangabe siehe Anm. 5 in diesem Kapitel.) 

340 



Kapitel 2 

18 Barbara Amiel, »Islamists Overplay Their Hand«, S. 34; Robert 
S. Wistrich, »The Old-New Anti-Semitism«, S. 76f., 88; Thane 
Rosenbaum, »Danny Pearl«, S. 125f.; Marie Brenner, »France's 
Scarlet Letter«, S. 247; David Mamet, »>If I Forget Thee, Jerusa- 
lems The Power of Blunt Nostalgia«, S. 459; jeweils in Rosen- 
baum, Those Who Forget. Zum irakischen Kernreaktor siehe No- 
am Chomsky, Hybris: Die endgültige Sicherung der globalen Vor- 
machtstellung der USA, Europa: Hamburg/Wien 2003, S. 36f. 
[Noam Chomsky, Hegemon]/ or Survival: America' s Quest for 
Global Dominance, New York 2003.] 

19 Cynthia Ozick, »Afterword«, S. 595f., in Rosenbaum, Those Who 
Forget. Ozicks frühere Jeremiade namens »All the World Wants 
the Jews Dead« findet sich in Esquire, November 1974. 

20 Einleitung zu Rosenbaum, Those Who Forget, S. lix. 

21 Ron Rosenbaum, »>Second Holocaust<, Roth's Invention, Isn't 
Novelistic«, in Rosenbaum, Those Who Forget, S. 170-177 pas- 
sim. Rosenbaum führt die Entstehung des Begriffs >zweiter 
Holocaust auf einen Dialog über Israels Verwundbarkeit aus 
Philip Roths 1993 [deutsch: 1994] erschienenem Roman Opera- 
tion Shy-lock zurück (S. 170f.) und behauptet, daß Juden im 
Grunde erst seit neuestem über die »existentielle Bedrohung« 
Israels nachdenken (S. xxviii-xxix). Doch gibt es diese Befürch- 
tung unter amerikanischen Juden - wenn sie früher auch in 
andere Worte gekleidet gewesen sein mag - bereits seit dem 
arabisch-israelischen Krieg von 1948, und seit dem Junikrieg 
von 1967 ist sie fester Bestandteil der zionistischen Propagan- 
da. Siehe Peter Novick, Nach dem Holocaust: Der Umgang mit 
dem Massenmord, Deutsche Verlags- Anstalt: Stuttgart/ München 
2001, Kap. 8 [Peter Novick, The Holocaust in American Life, Bo- 
ston 1999], und Norman G. Finkelstein, Die Holocaust-Industrie: 
Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird, Piper: München/ Zü- 
rich 2001, Kap. 1 [Norman G. Finkelstein, The Holocaust Indu- 
stry: Reflections on the Exploitation of Jewish Suffering. Zweite, 
erweiterte Taschenbuchausgabe, London/ New York 2003 
(Erstausgabe 2000)]. 

22 Philip Greenspun, »Israel«, in Rosenbaum, Those Who Forget, 
S.491. 

23 Zur Unterstützung des Angriffs auf den Irak durch den ameri- 
kanisch-jüdischen Mainstream siehe zum Beispiel »ADL Com- 
mends President Bush's Message to International Community 
on Iraq Calling It >Clear and Forcefuh«, Presseerklärung der 

341 



Anmerkungen 

Anti- Defamation League, 12. September 2002, sowie »AJC 
Lauds Bush on State of Union Message on Terrorism ...«, 
Presseerklärung des American Jewish Committee, 7. Februar 
2003. Zur enthusiastischen Unterstützung des Krieges durch 
Israel siehe Meron Benve-nisti, »Hey ho, here comes the war«, 
Haaretz, 13. Februar 2003; Uzi Benziman, »Corridors of Power: 
O what a lovely war«, Haaretz, 18. Februar 2003; Gideon Levy, 
»A great silence over the land«, Haaretz, 16. Februar 2003; Aluf 
Benn, »Background: Enthusiastic IDF awaits war in Iraq«, 
Haaretz, 17. Februar 2003; sowie Aluf Benn, »The celebrations 
have already begun«, Haaretz, 20. Februar 2003. Zum Vorwurf 
des »Antisemitismus« siehe Eliot A. Cohen, »The Reluctant 
Warrior«, Wall Street Journal, 6. Februar 2003 (»im Westen 
längst nicht mehr existierte«) sowie J. Bottum, »The Poets vs. 
The First Lady«, Weekly Standard, 17. Februar 2003 (»1930er 
Jahre«) sowie »ADL Says Organizers of Antiwar Protests in 
Washington and San Francisco Have History of Attacking Is- 
rael and Jews«, Presseerklärung der Anti-Defamation League, 
15. Januar 2003; »Blackballing Lerner« (Leitartikel) und Max 
Gross, »Leftist Rabbi Claims He's Too Pro-Israel for Anti- War 
Group«, Vorward, 14. Februar 2003; sowie David Brooks, »It's 
Back: The socialism of fools has returned to vogue not just in 
the Middle East and France, but in the American left and 
Washington«, Weekly Standard, 21. Februar 2003. Zu Deutsch- 
land siehe »Spiegel kritisiert Nein zum Irak-Krieg«, Süddeutsche 
Zeitung, 26. Januar 2003, sowie Helmut Breuer/Gernot Facius, 
»>Es gibt notwendige Kriege <: Paul Spiegel, Zentralrats- 
vorsitzender der Juden, sieht die Öffentlichkeit in einem Dorn- 
röschenschlaf«, Die Welt, 13. Februar 2003. 
24 Dershowitz, Chuzpe, S. 294f. (»Politische Lösungen«); Alan M. 
Dershowitz, Why Terrorism Works: Understanding the Threat, 
Responding to the Challenge, New Haven 2002, S. 131-163 
(»Nadel«: S. 144, 148), 172-181, 183-186, 221 (»an der Zeit«); 
Alan M. Dershowitz, »New response to Palestinian terrorism«, 
Jerusalem Post, 11. März 2002 (»automatische Zerstörung«); 
»Why terrorism works«, Interview mit Alan M. Dershowitz, 12. 
September 2002, www.salon.com (»Ich bin für«, »niemals zu 
tolerieren«); Alan M. Dershowitz, Plädoyer für Israel: Warum die 
Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen, Europa: Ham- 
burg/Leipzig/Wien 2005, S. 267-278 (»Zerstörung von [Wohn- 
häusern]«: S.2751, 279-283 (»Vorteil der gezielten Liquidie- 

342 



Kapitel 2 

rung«: S. 281), 368 (»Das große moralische Problem«, »Herr- 
schaft des Rechts«); Alan M. Dershowitz, »Defending against 
Terrorism within the Rule of Law«, Vortrag bei der Herzliya- 
Konferenz, Israel, 18. Dezember 2003, www.herzliya- 
conference.org (»wirksamen Waffen«, »Israelis sind verpflich- 
tet«); Dan Izenberg, »Dershowitz: Speak up about Israel's posi- 
tive points, too«, Jerusalem Post, 22. Dezember 2003 (»archa- 
ische«); Alan M. Dershowitz, »Rules of War Enable Terror«, 
Baltimore Sun, 28. Mai 2004 (Genfer Konvention). 

25 Die Äußerungen stammen aus der Michael Coren Show vom 19. 
Oktober 2004. Nachdem es reichlich Kritik gehagelt hatte, 
reichte der Vorsitzende des »B'nai Brith Institute for Interna- 
tional Affairs« seinen Rücktritt ein (Maria Jimenez, »B'nai Brith 
official quits after terrorism remark«, Globe and Mail, 3. No- 
vember 2004). 

26 Jean-Christophe Rufin, Chantier sur la lutte contre le racisme et 
V ' antisemitisme, 19. Oktober 2004. 

27 Chesler, Der neue Antisemitismus, S. 57 und 59 (Vereinte Natio- 
nen und Zionismus), 92 (Das Neue), 102 (»israelische Panzer«), 
103 (»eine der zivilisiertesten«, »konfiszieren kein Eigentum«, 
»zielen nicht auf palästinensische Frauen und Kinder«, »Mehr- 
heit der Palästinenser, die... ums Leben gekommen sind«), 153 
(Chomsky), 155 (»Krankenwagen und Hilfskräfte anzugrei- 
fen«), 172 (»beschlagnahmen kein Eigentum«, »Mehrheit der... 
getöteten Palästinenser«), 182f. (»meiner hervorragenden Kol- 
legin«), 199 (»geboren«), 215 (»unterrichten«, »Wir müssen die 
großen Lügen bekämpfen«), 216 (»Apartheid«), 224 (UN- 
Resolution), 225 (»Das Neue am neuen Antisemitismus«), 234 
(»Anspruch«, »beteten«, »Gott versprach«), 238 (Hamas), 241 
(»menschliche Schutzschilde«), 242 (»naiver und falsch infor- 
mierter Studenten«, »Apartheidstaat«), 246; zu zionistischen 
Demographie-mythen in bezug auf die arabische Bevölkerung 
in Palästina siehe Finkelstein, Image and Reality, Kap. 2 [Finkel- 
stein, Konflikt, Kap. 2]; das Shalom-Zitat findet sich in Alex 
Fishman/Sima Kad-mon, »We are Seriously Concerned about 
the Fate of the State of Israel«, Yediot Ahronot, 14. November 
2003; zu den von Menschenrechtsorganisationen dokumentier- 
ten israelischen Menschenrechtsverletzungen in den besetzten 
Gebieten generell sowie speziell während der »Operation 
Schutzschild« siehe Teil II dieses Buches. 

28 Craig Horowitz, »The Return of Anti-Semitism«, New York, 15. 

343 



Anmerkungen 

Dezember 2003; Omer Bartov, »Did Hitlerism Die with Hitler?«, 
New Republic, 2. Februar 2004; Schoenfeld, Return, S. 23, 146; 
Zuckerman, »The New Anti-Semitism«. Rosenbaum, »Intro- 
duction«, S. xxiii (»faszinierend«); Samuel G. Freedman, »Don't 
Look Away«, S. 130; Tom Gross, »Jeningrad: What the British 
Media Said«, S. 138 (»kleiner Teil«); Dr. David Zangen, »Seven 
Lies about Jenin«, S. 149; Tom Gross, »The Massacre That Never 
Was«, S. 152 (»Geschichten«); Martin Peretz, »The Poet and the 
Murderer«, S. 421; Cynthia Ozick, »Afterword«, S. 603, 613; alle 
in Rosenbaum, Those Who Forget. Zu den Menschenrechtsverlet- 
zungen, die Amnesty und Human Rights Watch bezüglich Jenin 
aufgezeichnet haben, sowie zu den Schlüssen, die sie daraus 
zogen, siehe Teil II dieses Buches; zu der Einschätzung israeli- 
scher Historiker, daß das, was Israel im Jahr 1948 tat, als »ethni- 
sche Säuberung« zu bezeichnen ist, siehe die diversen Veröffent- 
lichungen von Baruch Kimmerling, Ilan Pappe und Benny Mor- 
ris (Morris spricht von einer »teilweisen ethnischen Säube- 
rung«); zu Peretz und Peters siehe Finkelstein, Image and Reality, 
S. 22 [Finkelstein, Konflikt, S. 68]; die Aussage des israelischen 
Bulldozerfahrers findet sich in Tsadok Yeheskeli, »I made them 
a Stadium in the middle of the camp«, Yediot Ahronot, 31. Mai 
2002; zur Auszeichnung des Bulldozerfahrers siehe Human 
Rights Watch, Razing Rafah: Mass Home Demolitions in the Gaza 
Strip, New York, Oktober 2004, S. 34; zu den von Zuckerman 
wieder aufgewärmten zionistischen Mythen siehe Finkelstein, 
Image and Reality [Konflikt], passim; Bartov, Gross und ihre Ge- 
sinnungsgenossen ziehen über die Medien her, weil diese das, 
was in Jenin geschah, als »Massaker« bezeichneten. Doch wie 
der Amnesty-Bericht über Jenin festhält, lag es vor allem an Isra- 
els massivem Raketenbeschuß sowie an Israels Weigerung, Me- 
dienvertretern Zugang zum Flüchtlingslager zu gewähren, und 
schließlich auch an Israels eigenen Militärverlautbarungen, in 
denen von »Hunderten von Toten« die Rede war, daß sich Ge- 
rüchte über ein Massaker verbreiten konnten; siehe auch Phi- 
lo/ Berry, Bad News, S. 192-199, wo der Vorwurf, britische Medi- 
en hätten unkritisch von einem »Massaker« in Jenin berichtet, 
zurückgewiesen wird. 
29 Bergmann/ Wetzel, Manifestations, S. 7, 8 (»diejenigen Euro- 
päer«), 27 (»die Gewalt und die Konflikte«), 28 (»eindringliche 
und beständige Fokus«), 34 (»angeblich«), 97 (»riecht«, Zitat 
aus The Economist), 98. 

344 



Kapitel 2 

30 Ebd., S. 13 (»private und staatliche Organisationen«), 31 (»euro- 
päischen Gerichte«, »intensive«, »mit Fällen«), 34f. 

31 Ebd., S. 12 (»Förderung«), 17 (»das israelische Vorgehen«), 33 
(»anzuwenden«), 47 (Deutschland), 93 (Schweden). Schoenfeld, 
Return, S. 46 (»Ähnlichkeiten«), 72 (»vorsichtig«), 96f. (»univer- 
sellen Dimension«). 

32 Wistrich, »The Old-New Anti-Semitism«, in Rosenbaum, Those 
Who Forget, S. 86-88; Wisse, »On Ignoring Anti-Semitism«, in 
ebd., S. 191 f., 207; Alain Finkielkraut, »Une croix gammee ä la 
place de l'etoile«, V Arche, Mai-Juni 2002. Bernard Lewis befaßt 
sich in seinem Beitrag zu Rosenbaums Band mit »muslimi- 
schem Antisemitismus« und hebt hervor, daß die arabische 
Welt »Juden als Nazis« darstellt - in seinen eigenen Büchern 
unterstellt Lewis dafür Palästinensern und Arabern in propa- 
gandistischer Weise nazistisches Gedankengut. Außerdem hebt 
Lewis hervor, daß die arabische Welt die Geschichte »neu 
schreibt«, indem sie »so tut, als habe es im Altertum keine Ju- 
den im Nahen Osten gegeben« -und er lehnt es für sich persön- 
lich ab, sich von Joan Peters' Mythensammlung zu distanzie- 
ren, die so tut, als habe es in der jüngeren Geschichte keine Pa- 
lästinenser im Nahen Osten gegeben. Und schließlich hebt Le- 
wis noch hervor, daß die arabische Welt »Holocaustleugnung« 
betreibt und Holocaustleugner wie Roger Garaudy mit offenen 
Armen empfängt - auch wenn Lewis der führende akademi- 
sche Leugner des armenischen Holocaust ist und er selbst (das 
erwähnt er lieber nicht, wenn er darüber spricht, daß Garaudy 
in Frankreich wegen Holocaustleugnung angeklagt wurde) für 
seine Leugnung des armenischen Holocaust von einem franzö- 
sischen Gericht angeklagt und verurteilt wurde. (Bemard 
Lewis, »Muslim Anti-Semitism«, in Rosenbaum, Those Who For- 
get, S. 549-562). Mehr dazu in Finkelstein, Image and Reality, S. 
48 [Konflikt, S. 105f.] und Finkelstein, Die Holocaust-Industrie, S. 
70, 76f . 

33 Chesler, Der neue Antisemitismus, S. 208; Bergmann/ Wetzel, 
Manifestations, S. 59 (Griechenland), 62 (Spanien), 76 (Italien), 
92 (Finnland). 

34 Eric J. Greenberg, »Standing behind Berlusconi«, Jewish Week, 
19. September 2003 (»laut gesagt«); »A Shocking Award to Ber- 
lusconi« (Brief), New York Times, 23. September 2003 (Nobel- 
preisträger); Nathaniel Popper, »ADL Dinner for Berlusconi 
Causes a Stir«, Forward, 26. September 2003 (»der einzige«). 

345 



Anmerkungen 

35 Amiram Barkat, »Fini condemns his country's >disgraceful 
past<«, Haaretz, 24. November 2003 (»pompösen«, »unerschüt- 
terliche Unterstützung«, »B'nai Brith«, »größten Politiker«, 
»Schande«); »On visit to Israel, Italian official denounces coun- 
try's Fascist past«, International Herald Tribüne, 25. November 
2003 (»fieser Faschist«). 

36 Schoenfeld, Return, S. 78. Zur französisch-jüdischen Unterstüt- 
zung für Le Pen - laut einem ehemaligen Präsidenten des Re- 
präsentativen Rats jüdischer Organisationen in Frankreich 
(CRIF) »eine Sache, die die Führer der jüdischen Gemeinden 
beunruhigt« - siehe Adar Primor, »Le Pen will fight anti- 
Semitism, says his Jewish running mate«, Haaretz, 19. März 
2004. Siehe zum Beispiel auch Schoenfeld, »Israel and the Anti- 
Semites« (S. 102) und Wisse, »On Ignoring Anti-Semitism« (S. 
192) in Rosenbaum, Those Who Torget, sowie Edgar Bronfmans 
Kommentare in Der Spiegel (»>Es ist etwas faul<: Die Funktionä- 
re Edgar M. Bronfman und Israel Singer über wachsende Ju- 
denfeindlichkeit in Europa und den Streit mit Kommissions- 
chef Romano Prodi«, 14. Januar 2004) zu Sorgen im Hinblick 
auf eine wachsende arabische Bevölkerung in Europa. 

37 »Schwarzenegger Taps Wiesenthal Rabbi«, Torward, 17. Okto- 
ber 2003; »Schwarzenegger to Visit Israel«, 29. April 2004, 
www. CNN.com. 

38 Wiesels Rede ist, ebenso wie andere Texte der Antisemitismus- 
konferenz vom 28. /29. April 2004, unter www.osce.org/ 
events/ Conferences/ antisemitism2004/ dokumentiert; Wiesels 
Bemerkung über Palästinenser findet sich in Tovah Lazaroff, 
»Wiesel: Talk anti-Semitism with Muslims«, Jerusalem Post (On- 
lineausgabe), 28. April 2004; zu Wiesels erbärmlicher Verteidi- 
gung der israelischen wie der amerikanischen Politik siehe 
Finkelstein, Die Holocaust-Industrie, passim, sowie Finkelstein, 
Image and Reality, S. xxv, 48 [Finkelstein, Konflikt, S. 25, 105]. 

39 Zur Dokumentation der UN-Konferenz siehe »>Jews Everyw- 
here Must Feel That the United Nations Is Their Home, Too<, 
Secre-tary-General Teils Seminar on Anti-Semitism« (Presseer- 
klärung der Vereinten Nationen, HR/4773, PI/ 1589), 
www.un.org/News/Press/docs/2004/hr4773.doc.htm. 

Die Reden, die Wiesel im Jahr 1981 zum »neuen Antisemitis- 
mus« hielt, finden sich in Irving Abrahamson (Hg.), Against 
Silence: The Voice and Vision ofElie Wiesel, New York 1985, Bd. 1, 
S. 216, 376-381; zum Chauvinismus und zum Nutzen der Ein- 

346 



Kapitel 2 

zigartigkeitsdoktrin in bezug auf den HOLOCAUST sowie zu 
weiteren Beispielen für Elie Wiesels ganz spezielles Engage- 
ment siehe Finkelstein, Die Holocaust-Industrie, passim. Der 
Friedensnobelpreisträger Wiesel zeichnet sich in erster Linie 
dadurch aus, daß er die Massenvernichtung der Juden durch 
die Nazis dazu mißbraucht, illegale mörderische Angriffs- 
kriege zu rechtfertigen, die entweder durch Israel oder die Ver- 
einigten Staaten vom Zaun gebrochen und von beiden unter- 
stützt werden. Wiesels Fürsprache für die amerikanische Inva- 
sion des Irak im März 2003 - die auch nach Ansicht von UN- 
Generalsekretär Kofi Annan »illegal« war - ist ein Beispiel. Bob 
Woodward berichtet von der folgenden Begebenheit am Vor- 
abend des Krieges: 

»Am 27. Februar stattete der Schriftsteller, Auschwitz-Überle- 
bende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel [der damali- 
gen US-Sicherheitsberaterin Condoleezza] Rice einen Besuch in 
ihrem Büro ab. Als sich der Präsident dazugesellte, setzte Rice 
sich auf das Sofa, um den Stuhl neben Wiesel für Bush freizu- 
machen. Wiesel sagte zum Präsidenten, der Irak sei ein terrori- 
stischer Staat und die Intervention eine moralische Pflicht. Hät- 
te der Westen 1938 in Europa eingegriffen, so Wiesel, hätten 
der Zweite Weltkrieg und der Holocaust verhindert werden 
können. >Es gilt jetzt, eine moralische Entscheidung zu treffen. 
Wenn wir nicht intervenieren, wie können wir dann von Moral 
reden?< ...Wiesel sagte, angesichts solchen Unheils sei Neutra- 
lität ausgeschlossen. Mit Unentschlossenheit sei den Opfern 
nicht gedient, sie verschlimmere das Unheil nur und helfe ein- 
zig dem Aggressor. >Ich finde, man darf nicht Schweigern, be- 
tonte Wiesel. In den Tagen nach dieser Begegnung hatte Bush 
mehrfach Gelegenheit, Wiesels Bemerkungen anderen Ge- 
sprächspartnern gegenüber zu erwähnen. >Das war ein bedeu- 
tender Moment für mich<, erinnerte sich Bush später, >denn ich 
fühlte mich in diesem Moment bestätigt. Ich sagte mir, Mensch, 
wenn Elie Wiesel - der ja den Schmerz, das Leid und die Qua- 
len einer Tyrannei am eigenen Leib erfahren hat - so darüber 
denkt, dann geht es anderen Leuten genauso. Ich bin also nicht 
allein. <« Bob Woodward, Plan of Attack, New York 2004, S. 
320f. [Hier zitiert nach der amerikanischen Originalausgabe. 
Vgl. jedoch Bob Woodward, Der Angriff: Plan of Attack, Deut- 
sche Verlags-Anstalt: München 2004, S. 363f.; Anm. d. Ü.] Die 
angesehene britische medizinische Fachzeitschrift Lancet 

347 



Anmerkungen 

schätzte vorsichtig, daß bis zum September 2004 etwa 100000 
Iraker getötet wurden, überwiegend Frauen und Kinder. Die 
meisten Opfer verloren ihr Leben bei amerikanischen Luftan- 
griffen. Was soll man dazu sagen? Vielleicht: »Mensch, Elie, 
klasse gemacht!«? (Les Roberts u.a., »Mortality before and after 
the 2003 invasion of Iraq: Cluster sample survey«, 
www.thelancet.com) . 
40 Zum Eban-Zitat und der Cambridge-Studie siehe Finkelstein, 
Image and Reality, S. 247 Anm. 2 sowie S. xviii [der Hinweis auf 
die Cambridge-Studie ist in der deutschen Ausgabe nicht enthal- 
ten; zu Eban siehe jedoch Finkelstein, Konflikt, S. 354 Anm. 2; 
Anm. d. Ü.]; zu Hoenleins Rede in Toronto siehe Rick Kardonne, 
»Hoenlein: Toronto has biggest Hezbollah headquarters outside 
of the Mideast«, Jewish Tribüne, 8. April 2004. Übrigens warf 
Bayefsky Kofi Annan bei der UN-Konferenz auch vor, mit zwei- 
erlei Maß zu messen, weil er israelische Liquidierungen von 
Hamas-Führern verurteile, ohne israelische Terroropfer zu er- 
wähnen. Wie sieht die Realität aus? Am 22. März 2004 gab An- 
nan bekannt, daß er »Israels Ermordung des geistlichen Ober- 
haupts der Hamas, Scheich Ahmed Yassin, scharf verurteilt«, 
und er tat das, ohne israelische Terroropfer zu erwähnen (»Sta- 
tement attributable to the Spokesman for the Secretary-General 
on the assassination of Sheikh Ahmed Yassin«). Und am 15. 
März 2004 gab Annan bekannt, daß er »die zwei am Sonntag in 
der israelischen Hafenstadt Ashdod verübten Selbstmordatten- 
tate scharf verurteilt«, und er tat das, ohne palästinensische Op- 
fer der israelischen Besatzung zu erwähnen (»Annan condemns 
double suicide bombing in Israeli port«). Der einzige erkennbare 
Unterschied besteht darin, daß Annan im Falle der Attentate 
von Ashdod »den Familien der Opfer sein tiefstes Beileid« aus- 
sprach, während er gegenüber den Familien der acht palästinen- 
sischen Unbeteiligten, die beim Attentat auf Yassin mit getötet 
worden waren, keine solche Geste machte. 

Kapitel 3: Zeter und Mordio 

1 Werner Bergmann/ Juliane Wetzel, Manifestations of anti-Semitism 
in the European Union, Wien 2003,_http://eumc.eu.int/eumc/ 
material/ pub/ FT/ Draft_anti-Semitism_report-web.pdf, »An- 
nex: Reporting institutions and data sources.« Zum Stephen- 
Roth-Institut (Überblick 2000/2001) siehe www.tau.ac.il/Anti- 
348 



Kapitel 3 

Semitism/asw2000-l/ general_analysis.htm; das Hilberg-Zitat 
(»Durchbruch«) findet sich auf dem Buchumschlag der zwei- 
ten, erweiterten Taschenbuchausgabe von Norman G. Finkel- 
stein, The Holocaust Industry: Reflections on the Exploitation of 
Jewish Sujfering, London/ New York 2003 [das Zitat ist auch auf 
der Internetseite des Autors (unter »The Holocaust Industry«) 
nachzulesen: www. NormanFinkelstein.com/content.php? pg=3; 
Anm. d. Ü.]; zu den Gehältern von Foxman und Rabbi Hier 
siehe www.charitywatch. org/ criteria.html. 
Mark Strauss, »Antiglobalism's Jewish Problem«, Abdruck in 
Ron Rosenbaum (Hg.), Those Who Forget the Fast: The Question of 
Anti-Semitism, New York 2004, S.271. Die WSF-Teilnehmer No- 
am Chomsky, Arundhati Roy und Anthony Arnove haben die- 
se Behauptung zurückgewiesen (persönliche Interviews vom 
21. Dezember 2004). Zu dem vom Simon- Wiesenthal-Zentrum 
erhobenen Vorwurf, daß es beim Weltsozialforum 2004 in Indi- 
en ebenfalls zu antisemitischen Ausfällen gekommen sei, siehe 
den detaillierten Bericht der jüdischen Friedensaktivistin Ceci- 
lie Surasky, »Anti-Semitism at the World Social Forum?«, 
www.commondreams.org/views04/0219-08.htm. 
Todd Gitlin, »The Rough Beast Returns«, Mother Jones, Mai/Juni 
2002, Abdruck in Rosenbaum, Those Who Forget, S. 263-266. Zö- 
loms E-Mail ist ebenfalls in der Rosenbaum-Anthologie enthal- 
ten, siehe Those Who Forget, S. 258-261. Die Zitate zu Zoloth und 
ihrem Hintergrund stammen von einem bekannten jüdischen 
Wortführer, der darum bat, seine Äußerungen in anonymer 
Form wiederzugeben. (Sie wurden von Astren bestätigt.) 
Miriam Greenspan, »What's New about Anti-Semitism?«, Tikkun, 
November/ Dezember 2003. Gabriel Schoenfeld, The Return of 
Anti-Semitism, San Francisco 2004, S. 121 (University of Chicago); 
zu der Antwort der University of Chicago siehe die unveröffent- 
lichte Korrespondenz (28. August 2002) des »Director of Commu- 
nications« der University of Chicago, Larry Arbeiter, an die Jeru- 
salem Post. (Mir wurde das Schreiben vom » Writer for Humani- 
ties, Religion and Arts« im »University of Chicago News Office«, 
Seth L. Sanders, zugänglich gemacht.) Scott Sherman, »The 
Mideast Comes to Columbia«, The Nation, 4. April 2005 (»zurück- 
zugewinnen«); Ad Hoc Grievance Committee Report [Bericht des 
Ausschusses], 28. März 2005, www.columbia.edu/cu/ rews/05/03/ 
03/ ad_hoc_grievance_conimittee_report.html; Nathaniel Popper, 

349 



Anmerkungen 

Israel Studies Gain on Campus as Disputes Grow«, Forward, 25. 
März 2005 (Lehrstühle für »Israel Studies«). Zu weiteren doku- 
mentierten Betrugsfällen in bezug auf Antisemitismusvorwürfe 
an Universitäten siehe Sara Roy, »Short Cuts«, London Review of 
Books, 1. April 2004, und Tom Tugend, »From Hate to Hoax in 
Claremont«, Jeivish Journal ofGreater Los Angeles, 2. April 2004 

5 Lawrence Summers, »Address at Morning Prayers«, in Rosen- 
baum, Those Who Forget, S. 57-60; Alan M. Dershowitz, The Van- 
ishing American Jew: In Search of Jeivish Identity for the Next Cen- 
tury, Boston 1997, S. 271; Henry Louis Gates Jr., »Black Dema- 
gogues and Pseudo-Scholars«, New York Times, 20. Juli 1992. 
Die von Gates in seinem Kommentar für die New York Times 
angegriffenen Leute - eine Handvoll »afrozentrischer« Dema- 
gogen, die meinten, mit Antisemitismus Geschäfte machen zu 
müssen - übten in Gates' akademischem Umfeld in etwa den 
gleichen verschwindend geringen Einfluß aus wie Holocaust- 
leugner, die zu verurteilen in seinen Kreisen ja ebenfalls als 
untrügliches Zeichen von Unerschrockenheit gilt. Gates gibt 
seinen schwarzen Namen immer wieder gern für »pro«- 
jüdische Interessen und Veröffentlichungen her. Gates' Lob für 
Dershowitz' 2003 erschienenes Buch The Casefor Israel [Plädoyer 
für Israel] landete prompt im Werbepaket des [amerikanischen] 
Verlags: »Meine erste Israelreise unternahm ich, als ich 19 Jahre 
alt war. Sie sollte für mich zu einem durch und durch mysti- 
schen, aber auch überaus bedrückenden Erlebnis werden. Ich 
verstand sehr bald, daß Israel für die Zivilisation der ganzen 
Menschheit ungeheuer wertvoll ist - und daß dieser Schatz in 
höchstem Maße gefährdet war ... Plädoyer für Israel ist für uns, 
die wir durch den Anstieg des Antisemitismus in der amerika- 
nischen Gesellschaft, ja selbst an den Universitäten, zutiefst 
beunruhigt sind, Pflichtlektüre.« [Nachzulesen beispielsweise 
bei www.Amazon.com unter Alan Dershowitz, The Case for 
Israel; Anm. d. Ü.] 

6 Paul Berman, »Something's Changed«, in Rosenbaum, Those Who 
Forget, S. 15, 27. Was Berman nicht erwähnt: Die geäußerte Zu- 
stimmung zu Selbstmordattentaten wurde sofort von einem an- 
deren Podiumsdiskussionsteilnehmer verurteilt, woraufhin das 
Publikum in tosenden Beifall ausbrach (Interview mit Nation- 
Redakteur Roane Carey, 21. Dezember 2004). In Reaktion auf den 
Vorwurf, Israels Rückkehrgesetz - das Juden, und nur Juden, au- 
tomatisch die Staatsbürgerschaft gewährt - sei diskriminierend, 

350 



Kapitel 3 

macht Berman geltend, daß das Gesetz »Israels Autonomie als 
Staat« widerspiegele: Israel habe »das Recht, seine eigenen Ein- 
wanderungsgesetze zu formulieren« (S. 24). Würde Berman mit 
einem derartigen Hinweis auch amerikanische Einwanderungsge- 
setze verteidigen, die Weiße gegenüber Asiaten und West- und Mit- 
teleuropäer gegenüber Slawen, Italienern und Juden bevorzugten? 

7 Bergmann/ Wetzel, Manifestations, S. 7f. Anm. 13, S. 48; Schoen- 
feld, »Israel and the Anti-Semites«, in Rosenbaum, Those Who 
Forget, S. 113. 

8 Abraham H. Foxman, Never Again ? The Threat of the New Anti- 
Semitism, San Francisco 2003, S. 14 (»Loyalität«), 17 (»Heimat- 
land«), 18 (»Unabhängigkeit«), 25 (»Belgien«), 26 (»schlicht und 
einfach«; Dänemark), 36 (AIPAC), 142 (»sehr vorsichtig«), 245 
(»viel Mühe«), 247 (»unbesonnen«). Zur Verwendung der Be- 
zeichnung »Holocaustleugner« durch die ADL siehe »Anti- 
Defamation League (ADL) Letter to Georgetown University«, 
www.NormanFinkelstein.com (unter »The real >Axis of Evil<«). 
Zu Foxmans Verteidigung Reagans sowie zu der Überwa- 
chungsaktion siehe Finkelstein, Die Holocaust-Industrie, S. 29, 
39. Zu Foxmans Rolle bei der Begnadigung von Rieh siehe Fin- 
kelstein, The Holocaust Industry, Anhang zur zweiten, erweiter- 
ten Taschenbuchausgabe, S. 212 [bisher nicht in der deutschen 
Ausgabe enthalten; Anm. d.U.]. 

9 Bergmann/ Wetzel, Manifestations, S. 24 Anm. 63 (»reden im- 
mer noch zuviel«), 45 (Dänemark), 51 (»deutschen Öffentlich- 
keit«), 56 (»latente Struktur«), 58 (Griechenland), 69f. (»spiri- 
tuellen«), 72 (Italien), 81 (Niederlande). 

10 European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia, 
Manifestations of Antisemitism in the EU 2002-2003, April 2004, 
http://eumc.eu.int/eumc/index.php. [Nicht auf Deutsch er- 
schienen; Anm. d. Ü.] 

11 Problematischerweise stuft Manifestations II die folgenden Bei- 
spiele als antisemitisch ein: ein Schulbuch, das den Satz enthält, 
»Als ein palästinensisches Kind in Jerusalem einen jüdischen 
Soldaten kommen sah, zuckte es vor Angst zusammen« (S. 45); 
einen Beitrag im Internet, in dem zu lesen war: »Es ist wirklich 
traurig, daß all die Politiker vor der Lobby auf die Knie fallen; 
jeder, der das nicht tut und es wagt, eine andere Meinung zu 
haben, wird sofort an den Pranger gestellt und als antisemi- 
tisch oder rassistisch gebrandmarkt« (S. 63); eine »Zeichnung, 
die Ariel Sharon mit einem Hitlerbart darstellte« (S. 90); einen 

351 



Anmerkungen 

»Zeitungsartikel mit der Überschrift israelische Gerechtigkeit^ 
wobei das dazugehörige Bild palästinensische Opfer des Nah- 
ostkonflikts zeigte« (S. 120); »Transparente und Plakate, . . . die 
sich gegen Israel und Ministerpräsident Sharon richteten, ... 
wobei der Buchstabe »S« entweder durch Hakenkreuze ersetzt 
oder in SS-Form dargestellt wurde« (S. 127); einen »Leserbrief«, 
der »die Israelis beschuldigte, für den steigenden Antisemitis- 
mus selbst verantwortlich zu sein« (S. 156); »Flugblätter, von 
denen einige zum Boykott israelischer Produkte aufriefen« (S. 
178). Wie es scheint, ist kein einziges dieser Beispiele für sich 
genommen antisemitisch. Dennoch: Diese zweite Studie läßt 
bei der Unterscheidung von Antisemitismus und Kritik an Is- 
rael im allgemeinen mehr Vorsicht walten als der Vorläufer 
(siehe vor allem S. 13f, 228-232, 240f). 

12 »ADL Raises Questions Surrounding EUMC Report on Anti- 
Semitism«, ADL-Presseerklärung, 1. April 2004, www.adl.org/ 
PresRele/ ASInt_13/4474_13.htm. Foxman beanstandete, daß die 
Presseerklärung zur Veröffentlichung von Manifestations II die 
Rolle der muslimischen Jugendlichen bei antisemitischen Vorfäl- 
len herunterspiele. Dabei tat die Presseerklärung nichts anderes, 
als die tatsächlichen Ergebnisse der Studie zusammenzufassen. 

13 Manifestations II führt einige antisemitische Vorfälle auf, bei 
denen mit »extremer Gewalt« vorgegangen worden war; dies 
wurde definiert als »jeder Übergriff, der möglicherweise Men- 
schenleben gefährdet« (S. 343). Die Studie nennt zum Beispiel 
die folgenden Einzelheiten zu Fällen aus Frankreich: Ein jüdi- 
scher Jugendlicher »wurde ins Krankenhaus gebracht, wo seine 
Wunden mit vielen Stichen genäht werden mußten«, ein ande- 
rer »wurde mit vielen Prellungen ins Krankenhaus gebracht« 
(S. lOOf). Aus Österreich wurde berichtet: »In der Wiener U- 
Bahn wurde ein Mann von vier Skinheads angegriffen. . . einer 
der Skinheads schlug den Mann mit einem Gürtel«; »in Wien 
wurde ein orthodoxer Jude tätlich angegriffen und so stark ge- 
schlagen, daß er das Bewußtsein verlor« (S. 159). In den mei- 
sten Ländern der EU hatte es jedoch keine derartigen Übergrif- 
fe gegeben. 

14 Manifestations II, S.40 (»Brief«), 103 (»Sie töten«), 156 (»An- 
schlagtafel«). 

15 Ebd., S. lOOf. 

16 Ebd., S. 20, 98, 104f. (»junge Leute«), 109-111 (89 Prozent), 113 
(»rückläufig«), 273 (»Zahl von Einwanderern«). 

352 



Kapitel 3 

17 Pew Research Center for the People and the Press, A Year after 
Iraq War: Mistrust of America in Europe Ever Higher, Muslim An- 
ger Persists - Summary of Findings, 16. März 2004, S. 4; zu dem 
statistischen Vergleich mit 1991 siehe Pew Research Center for 
the People and the Press, A Year after Iraq War: Mistrust of Amer- 
ica in Europe Ever Higher, Muslim Anger Persists - A Nine- 
Country Survey, S. 26. Zu Umfrageergebnissen, die bestätigen, 
daß der Antisemitismus in Deutschland, verglichen mit 1991, 
abgenommen hat, sowie zu einer ähnlichen Tendenz in Frank- 
reich siehe auch Manifestations II, S. 64f, 111, 261. Zu der Fest- 
stellung, daß die Feindseligkeit gegenüber Muslimen größer ist 
als die, die Juden entgegengebracht wird, siehe auch Manifesta- 
tions II, S. 110,145,283. 

18 Foxman, Never Again ?, S. 31; Schoenfeld, Return, S. 67, 71, 152 
(»Begleiterscheinung«); Manifestations, S. 5, 6, 7 (»jungen Mus- 
limen«), 15, 16, 19 (»deutlich wahrnehmbaren Anstieg«, »der 
jüngste Gewaltausbruch«), 24, 25, 27, 70 (»Kommentatoren«); 
Manifestations II, S. 20-22 (»problematisch«), 25 (»signifikanten 
Anstieg«), 239, 319. 

19 Dies ist die Hauptthese von Dershowitz' Buch The Vanishing 
American Jew (1997); zu seiner Aussage, daß der Antisemitis- 
mus in der Welt abgenommen hat, siehe vor allem S. 87-89. 

20 Mit diesem Holocaust-Industrie-Dogma habe ich mich an an- 
derer Stelle ausführlicher auseinandergesetzt, siehe Finkelstein, 
Die Holocaust-Industrie, Kap. 2. 

21 Foxman, Never Again?, S.42; Schoenfeld, Return, S.45; »Intro- 
duction« to Rosenbaum, Those Who Forget, S. lxii; Uriel Heil- 
man, »In rare Jewish appearance, George Soros says Jews and 
Israel cause anti-Semitism«, Jewish Telegraphic Agency, 9. No- 
vember 2003 (Soros, Steinberg, Foxman); Ari Shavit, »On the 
eve of destruction«, Haaretz, 14. November 2003 (Burg); Manife- 
stations, S. 82, 85. Vgl. die Äußerungen von Roman Bronfman, 
einem Mitglied der linksorientierten israelischen Meretz-Partei, 
zu den wahren Ursachen des »neuen Antisemitismus«: 

»Wie läßt sich dieser Haß, der uns vor allem auch aus den entwik- 
kelten europäischen Staaten entgegenschlägt, erklären? Warum 
äußert sich dieser Haß gerade jetzt, und warum mit einer solchen 
Intensität? . . . Als sich die Wellen des Hasses immer weiter aus- 
breiteten und die Medien in aller Welt jeden Haushalt über seine 
Existenz in Kenntnis setzten, war die neue Antwort, die zugleich 
auch die alte war, bald gefunden, und sie lautete: Antisemitismus. 

353 



Anmerkungen 

Schließlich muß der Antisemitismus seit jeher als Trumpfkarte 
der Juden herhalten - es ist so einfach, an eine durchgeknallte 
historische Persönlichkeit zu erinnern und sich dann hinter 
dem Gesagten zu verschanzen. Auch diesmal hat die israeli- 
sche Regierung wieder die Antisemitismuskarte gezückt, und 
Israels treueste Wortführer erhielten den Auftrag, in die weite 
Welt hinauszuziehen und mit ihrer Karte vor jedermanns Nase 
herumzufuchteln. Es ist jedoch an der Zeit, daß die israelische 
Öffentlichkeit aufwacht und endlich aufhört, an das Märchen 
zu glauben, das ihnen ihre gewählte Regierung da erzählt. Das 
Gerede vom ewigen Opfer liefert keine befriedigende Antwort 
auf die Frage, warum dies gerade jetzt geschieht: Warum ha- 
ben urplötzlich alle Antisemiten beziehungsweise Israelhasser 
die Köpfe erhoben und angefangen, ihre Haßparolen zu skan- 
dieren? Es muß Schluß sein mit dem Gejammer nach dem Mot- 
to: >Die ganze Welt ist gegen uns.<... Es ist an der Zeit, den Tat- 
sachen nicht länger auszuweichen und sich die einfache, bittere 
Wahrheit einzugestehen: In den Augen der Welt hat Israel sei- 
ne Legitimation verloren, und daß es so gekommen ist, haben 
wir uns selbst zuzuschreiben ... War der Antisemitismus bis- 
her ausschließlich unter politischen Extremisten anzutreffen, so 
sorgt Israel mit seiner fortgesetzten Politik der grausamen Be- 
satzung dafür, daß sich die antisemitische Stimmung ausbreitet 
und daß sie auch noch weiter angefacht wird.« (»Fanning the 
flames of hatred«, Haaretz, 19. November 2003.) 

22 Daniel Jonah Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker: Ganz ge- 
wöhnliche Deutsche und der Holocaust, Siedler: Berlin 1996, S. 53f ., 
58, 59; siehe auch S. 62 (Hervorhebung im Original) [Daniel 
Jonah Goldhagen, Hitler's Willing Executioners: Ordinary Ger- 
mans and the Holocaust, New York 1996]; Zuckerman, »The New 
Anti-Semitism«; Jeffrey Goldberg, »Behind Mubarak«, in Ro- 
senbaum, Those Who Forget, S. 548. 

23 Nathan Perlmutter/ Ruth Ann Perlmutter, The Real Anti- 
Semitism in America, New York 1982, S. 131. Jean-Paul Sartre, 
Betrachtungen zur Judenfrage: Psychoanalyse des Antisemitismus, 
Europa: Zürich 1948, S. 10 (»Erfahrung«), 14 (»Tatsachen«), 61 
(»macht«) [Jean-Paul Sartre, Anti-Semite and Jew, New York 
1976; Titel des französischen Originals: »Reflexions sur la que- 
stion juive«; Anm. d. Ü.] Alan M. Dershowitz, Chuzpe, Europä- 
ische Verlagsanstalt: Hamburg 2000, S. 128. [Alan M. Dersho- 
witz, Chutzpah, Boston 1991.] 

354 



Kapitel 3 

24 Manifestations, 17 (»Alle Fälle«), 61 (Spanien); Phyllis Chesler, 
Der neue Antisemitismus: Die globale Krise seit dem 11. Septem- 
ber, Schwartzkopff: Hamburg/ Berlin, 2004, S. 192, 208-210 (»un- 
ser Herz und unsere Seele«, »Familie«), 242 (»Jeder«) [Phyllis 
Chesler, The New Anti-Semitism: The Current Crisis and What 
We Must Do About 1t, San Francisco 2003]; Fiamma Nirenstein, 
»How I Became an >Unconscious Fascist<«, in Rosenbaum, Those 
Who Forget, S. 302; Schoenfeld, Return, S. 11; Hillel Halkin, »The 
Return of Anti-Semitism«, Commentary, Februar 2002. 

25 Zur Erpressung Europas siehe besonders Finkelstein, Die Holo- 
caust-Industrie, Kap. 3; zum Einfluß des »jüdischen Geldes« auf 
Clinton siehe den Anhang zu Finkelstein, The Holocaust Indu- 
stry. [Der Anhang ist nicht in der deutschsprachigen Ausgabe 
enthalten; Anm.d.Ü.] Foxman, Never Againl , S. 249f. David 
Sterritt, »The one serious subject Hollywood doesn't avoid«, 
Christian Science Monitor, 22. November 2002 (Holocaustfilme); 
Brian Klug, »The collective Jew: Israel and the new anti- 
Semitism«, Patterns oß're-judice, Juni 2003 (der Aufsatz erschien 
leicht verändert auch in der Zeitschrift The Nation: »The Myth 
of the New Anti-Semitism«, 2. Februar 2004). Die Frage, wie 
weit die jüdische Macht reicht, wird meist im Hinblick auf die 
amerikanische Israelpolitik gestellt. Diejenigen, die glauben, 
daß die nationalen amerikanischen Interessen letzten Endes 
immer schwerer wiegen als die Macht der jüdischen Lobby, 
weisen typischerweise auf das Jahr 1956 hin, als Eisenhower 
entschied, Israel trotz der bevorstehenden Wahl an die Kanda- 
re zu nehmen. Es gibt allerdings auch gegenteilige Beweise. Es 
ist zum Beispiel schwierig, die Bände der Foreign Relations ofthe 
United States aus den 1960er Jahren durchzublättern, ohne den 
Eindruck zu gewinnen, daß Israels Erlangimg von Nu- 
klearwaffen aus Sicht der Vereinigten Staaten den nationalen 
amerikanischen Interessen fundamental entgegenstand. Es be- 
stand die Befürchtung, daß die Ägypter, sobald Israel im Besitz 
der Atombombe wäre, von der Sowjetunion verlangen würden, 
sie ebenfalls mit der Bombe auszustatten, und daß dies zu ei- 
nem atomaren Wettstreit im Nahen Osten und schließlich zur 
nuklearen Verwüstung führen würde. Um Israel umzustim- 
men, wählten die aufeinanderfolgenden US-Regierungen den 
Ansatzpunkt, der am meisten Erfolg versprach: Sie beschlos- 
sen, die Lieferung konventioneller Rüstungsgüter davon ab- 
hängig zu machen, daß Israel sein Nuklearprogramm einstellte. 

355 



Anmerkungen 

Doch immer wenn die Vereinigten Staaten dieses Druckmittel 
zur Anwendung bringen wollten, setzte die jüdische Lobby ih- 
ren eigenen überwältigenden Druck dagegen und sorgte dafür, 
daß die Rüstungsgüter geliefert wurden, ohne daß Israel Kon- 
zessionen machte. In den letzten Jahren ist es fast unmöglich 
geworden, die These, nach der das nationale amerikanische In- 
teresse schwerer wiegt als die jüdische Lobby, empirisch zu un- 
termauern bzw. zu widerlegen: Die Drehtür zwischen der jüdi- 
schen Lobby und den US-Regierungen ist so häufig in Gebrauch 
und die gegenseitige personelle Verflechtung so eng, daß eine 
Überprüfung dieser These praktisch ausgeschlossen ist. Bei den 
älteren Dokumenten konnte man »hier« die US-Regierung und 
»dort« die jüdische Lobby sehen und beobachten, wie die beiden 
Seiten miteinander umgingen. Inzwischen fällt es einem schwer 
zu erkennen, wo das »Hier« aufhört und das »Dort« beginnt. 
Wie soll man wissen, in wessen Interesse oder aufgrund welcher 
Veranlassung ein Martin Indyk, Dennis Ross, Paul Wolfowitz 
oder Richard Perle handelt, wenn er sich zur Nahostpolitik äu- 
ßert? Man kann natürlich auch die Auffassung vertreten, daß 
sich die Frage inzwischen erledigt hat: Israel ist heute ein so in- 
tegraler Bestandteil der amerikanischen Politik, und die israeli- 
sche Abhängigkeit von der amerikanischen Politik ist mittler- 
weile so groß, daß Israel als autonomer Handlungspartner mit 
autonomen Interessen gar nicht mehr existiert: Israel genießt 
heute in etwa das gleiche Maß an Autonomie wie Texas (und 
fragt irgend jemand danach, in wessen Interesse Bush handelt?). 
Die personelle Verflechtung zwischen der jüdischen Lobby und 
den US-Regierungen ist mehr Symptom als Ursache dieser Be- 
ziehung, die praktisch zu einer innenpolitischen geworden ist. 
26 Manifestations, S. 37. 

Teil II 
Einleitung 

1 Alan M. Dershowitz, The Case for Israel, Hoboken/New Jersey 
2003 (Verlag: John Wiley). [Im folgenden wird nach der deutsch- 
sprachigen Ausgabe zitiert: Alan M. Dershowitz, Plädoyer für 
Israel: Warum die Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen, 
Europa: Hamburg/ Leipzig/ Wien 2005. Alle Zitate sind mit Seit- 
356 



Einleitung (zu Teil II) 

enangaben in Klammern im fortlaufenden Text nachgewiesen. 
Die deutschsprachige Ausgabe vom März 2005 folgt der ameri- 
kanischen Erstausgabe vom August 2003. Wo es relevante Un- 
terschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen 
Fassung gibt, ist dies angemerkt; Anm. d. Ü.] 

2 Haim Handwerker, »A paragon, this Israel«, Haaretz, 12. De- 
zember 2003; Stuart Winer, »Dershowitz: Use cable to fight an- 
ti-Semitism«, Jerusalem Post (Onlineausgabe), 23. Dezember 
2003; »Israeli Mission Distributes Dershowitz Book to World 
Leaders«, 12. Januar 2004, www.israel-un.org/latest/un_ news- 
letter/12 jan2004. htm. 

3 Handwerker, »A paragon«. 

4 Siehe zum Beispiel die im ersten Teil dieses Buchs zitierten 
Äußerungen der Harvard-Professorin Ruth Wisse. 

5 Winer, »Dershowitz«. 

6 »Scarborough Country«, 8. September 2003, www.msnbc.com/ 
news/963 879.asp. 

7 Siehe hierzu auch die Anhänge I — III der Originalausgabe dieses 
Buches, Norman G. Finkelstein, Beyond Chutzpah: On the Misuse 
of Anti-Semitism and the Abuse ofHistory, Berkeley/Los Angeles 
2005; deutsche Übersetzung unter www.NormanFinkelstein.com . 

8 Amnesty International, Broken Lives: A Year of Intifada, London 
2001, S. 9. 

9 Alan M. Dershowitz, Chuzpe, Europäische Verlagsanstalt: 
Hamburg 2000, S. 290. [Alan M. Dershowitz, Chutzpah, Boston 
1991.] 

10 Dershowitz zitiert Anne Bayefsky, »Human Rights Groups Have 
Less Than Noble Agendas«, Chicago Sun-Times, 6. April 2003. In 
ihrer Kolumne schreibt Bayefsky, eine »Vertreterin« von Amne- 
sty habe die Behauptung während einer »Mittagspause« aufge- 
stellt. Zu Amnestys schriftlich eingereichtem Konferenzbeitrag 
siehe Amnesty International, 2003 UN Commission on Human 
Rights: A Time for Deep Reflection, 13. März 2003; zu Amnestys 
Redebeitrag siehe Commission on Human Rights, 59th Session, 
17. März -25. April 2003; »Agenda item 8: Question of the viola- 
tion of human rights in the occupied Arab territories, including 
Palestine«, 31. März 2003; zur Aufzeichnung der Plenardebatte 
nach Amnestys Redebeitrag siehe NGO News Center, United 
Nations Commission on Human Rights, 59th Session, »Plenary - 
31 March 2003 - Afternoon Session«, 1. April 2003. 

357 



Anmerkungen 

11 Ben Zion Citrin/ Shoshana Kordova, »Dershowitz comes to the 
defense of Appel«, Haaretz, 23. Dezember 2003; Dershowitz, 
Chuzpe, S. 317f. 

12 Zur erbärmlichen Apologetik der Anti-Defamation League 
(ADL) und zu ihren Versuchen, Kritik an Israel zu unterbin- 
den, siehe den ersten Teil dieses Buches. 

Kapitel 4: Unreinheit der Waffen 

1 Dieses Zahlenverhältnis nennt Ben Kaspit, »When the intifada 
erupted, it was finally clear to all: Israel is not a State with an 
army but an army with a State«, Maariv, 6. September 2002; 
Kaspit zitiert »Regierungsmitarbeiter und Beamte des Sicher- 
heitsapparats«. Amnesty International, Broken Lives: A Year of 
Intifada, London 2001, S. 14. 

2 B'Tselem, »Total Casualties«, www.btselem.org/English/ Stati- 
sticsTotal_Casualtie s. asp. 

3 Kaspit, »When the intifada erupted.« 

4 Amnesty International, »No one is safe: the spiral of killings and 
destruction must stop«, Presseerklärung, 29. September 2003. 

5 Amnesty International, »Impunity for Killers of Palestinians«, 
24. Januar 2001 (Korman); Amnesty International, Jahresbericht 
2003, Fischer: Frankfurt am Main 2003, S. 260 (95jährige Palästi- 
nenserin) [Amnesty International Annual Report 2003]. 

6 B'Tselem, »First Conviction of Causing the Death of Palestinian 
in the Al-Aqsa Intifada«, www.btselem.org/English/Special/ 
040506_Court_Marshal.asp. Zum Mangel an Ermittlungen, An- 
klagen und Verurteilungen siehe auch die Übersicht S. 159-161 
in diesem Buch. 

7 B'Tselem, Operation Defensive Shield: Soldiers' Testimonies, Pales- 
tinian Testimonies, Jerusalem 2002, S. 5. 

8 Amnesty International, Excessive Use of Lethal Force, London 
2000, S. 7; siehe auch Amnesty International, Broken Lives, S. 17f . 

9 Amnesty International, Broken Lives, S. 12. 

10 Siehe auch Human Rights Watch, Center of the Storni: A Case 
Study of Human Rights Abuses in Hebron District, New York, 
April 2001, S. 3f. und Kap. 5. 

11 Siehe auch Amnesty International, Broken Lives, S. 14, 20, 23. 

12 Siehe auch B'Tselem, »The Open-Fire Regulations« (www.btse- 
lem.org/english/Open_Fire_regulations/index.asp), wo es heißt: 

358 



Kapitel 4 

»Die Vorschriften besagen jetzt zum Teil, daß Steinewerfen 
eine >tödliche Gefahr< darstellt.« 

13 Zum Mangel an militärischen Ermittlungen siehe auch Amnesty 
International, Broken Lives, S. 23-25; B'Tselem, Operation Defensive 
Shield, S. 5. Der letztere Bericht enthält die folgende Feststellung: 
»In den ersten 18 Monaten der zweiten Intifada haben Soldaten 
697 Palästinenser getötet, aber in nur 21 Fällen hat die Armee mi- 
litärpolizeiliche Ermittlungen wegen illegalen Schußwaffen- 
gebrauchs eingeleitet. In lediglich vier Fällen ist Anklage erho- 
ben worden.« B'Tselem hat überdies daraufhingewiesen, daß die 
wenigen militärpolizeilichen Ermittlungen, die es gab, erst auf- 
genommen wurden, nachdem Menschenrechtsorganisationen, 
Diplomaten oder Journalisten Druck ausgeübt hatten, siehe »Mili- 
tary Police investigations during the al-Aqsa Intifada«, www.btse 
lem.org/English/Open_Fire_Regulations/Jag_Investigations.asp. 

14 Human Rights Watch, Jenin: IDF Military Operations, New York 
2002, S. 2f. und besonders Kap. 6 (»Civilian Casualties and 
Unlawful Killings in Jenin«). 

15 Amnesty International, Shielded from Scrutiny: IDF Violations in 
Jenin and Nablus, London 2002, S. 14-25 (Sabbagh: S. 16f.), 67 
(»vorsätzlich«). 

16 Human Rights Watch, Jenin, Kap. 2 (»Summary«); Amnesty 
International, Shielded from Scrutiny, S. 5. 

17 Physicians for Human Rights, Evaluation of the Use of Force in 
Israel, Gaza and the West Bank: Medical and Forensic Investigation, 
Boston, 3. November 2000, S. 2, 17 i . 

18 B'Tselem, Trigger Happy: Unjustified Shooting and Violation ofthe 
Open-Fire Regulations during the al-Aqsa-Intifada, Jerusalem 2002, 
S. 19f. Zu Gummigeschossen siehe auch B'Tselem: The Use of 
Firearms, Jerusalem 1990, S. 15f . 

19 Amnesty International, Killing the Future: Children in the Line of 
Fire, London 2002, S. 13. 

20 David B. Green, »Fighting by the Book«, Boston Globe, 20. April 
2003. 

21 Amnesty International, Israel Must End Its Policy of Assassinati- 
ons, London, Juli 2003, S. 5. 

22 Amnesty International, »Killing Palestinian civilians will not 
bring security or peace«, Presseerklärung, 23. Juli 2002; Aryeh 
Dayan, »One day in five, the IDF attempts assassination«, Haa- 
retz, 21. Mai 2003 (Luftwaffenkommandeur); »Israel, the Occu- 

359 



Anmerkungen 

pied West Bank and Gaza Strip, and Palestinian Authority Ter- 
ritories«, Human Rights Watch World Report 2003, New York 
(Untersuchung; Sharon). Auf die Frage, was ein Pilot beim 
Abwurf einer tonnen schweren Bombe über einem Wohngebiet 
empfindet, gab Halutz die folgende Antwort: »Ich vernehme so 
ein leichtes Zischen - das ist der Moment, wo die Bombe ab- 
geworfen wird. Eine Sekunde später ist dieses Gefühl auch 
schon wieder vorbei, und das war's. Das ist alles, was ich dabei 
empfinde.« [2004 wurde Halutz zum Stellvertreter des Gene- 
ralstabschefs ernannt, 2005 folgte er Moshe Yaalon im Amt des 
Generalstabschefs nach; Anm. d. Ü.] 

23 Dershowitz' Quelle: »Israeli Security Forces, >Blackmailing 
Young Women into Suicide Terrorism<, Bericht des israelischen 
Außenministeriums vom 12. Februar 2002, www.mfa.gov.il/«, 
Plädoyerfür Israel, S. 404 Anm. 30. 

24 Barbara Victor, Shahidas: Die Töchter des Terrors, Knaur: Mün- 
chen 2005, S.45f, 96f, 220, 260, 299; zu Suleiman siehe S.216, 274- 
284; zu al-Akhras siehe S. 226-235, 244-256, 273, 277t. [Daß es 
sich um eine »Innenansicht« handelt, geht aus dem Untertitel 
des amerikanischen Originals hervor; Anm. d. Ü.; Barbara Vic- 
tor, Army of Roses: Inside the World of Palestinian Women Suicide 
Bombers, Emmaus/ Pennsylvania 2003.] 

25 Joshua Hammer, A Season in Bethlehem, New York 2003, S. 151 - 
166. 

26 Dershowitz' Quellen: »Karen Birchard, >Hep B Case Makes Sui- 
cide Bombers an Infection Risk<, Medical Post, MacLean Hunter 
Ltd., 10. September 2002«; »Michael Ledeen, >Hebrew U Survi- 
vor: An Interview with Eliad Moreh<, National Review online, 6. 
August 2002«; »>Hepatitis Spread Via Suicide Bombers<, The 
Straits Times [Singapur], 26. Juli 2002«; S. 404, Anm. 16, 19, 20. 

27 Jack Shafer, »The d-Con Bomb«, Slate, 11. Juli 2002, 
http://slate. msn.com/?id=2067819. 

28 Judy Siegel, »Hepatitis in suicide bomber >no threat<«, Jerusalem 
Port, 8. Juni 2001. 

29 Human Rights Watch, Erased in a Moment: Suicide Bombing At- 
tacks against Israeli Civilians, New York 2002. Amnesty Inter- 
national, »Israeli authorities must put an immediate end to set- 
tler violence«, Presseerklärung, 25. April 2005. 

30 »Q&A with Alan Dershowitz«, Jerusalem Post (Onlineausgabe), 
20. Oktober 2004. 

360 



Kapitel 4 

31 Ähnliche Behauptungen stellt er auf den Seiten 209 und 271 auf. 

32 Human Rights Watch, In a DarkHour: The Use ofCivüians during 
IDF Arrest Operations, New York 2002, S. 2. Das vorherige Zitat 
von Human Rights Watch (»daß bewaffnete Palästinenser Zivi- 
listen gefährdeten«) findet sich auf Seite 3 dieses Berichts. 

33 B'Tselem, Human Shield: Use of Palestinian Civilians as Human 
Shields in Violation ofHigh Court of Justice Order, Jerusalem, No- 
vember 2002, S. 2, 19. 

34 B'Tselem, »Human Shields«, www.btselem.org/english/Human 
_ shield/ index.asp. 

35 B'Tselem Email Update, 29.März 2004. Ein israelischer Rabbi sagte 
aus, er habe beobachtet, »daß die Polizei in einem Dorf nord- 
westlich von Jerusalem einen 12jährigen palästinensischen Jun- 
gen auf der Motorhaube ihres Jeeps festgebunden hatte, um De- 
monstranten davon abzuhalten, sie mit Steinen zu bewerfen«. 
Der Augenzeugenbericht findet sich in Nuala Haughey, »Israelis 
used boy (12) as >human shield<«, Irish Times, 24. April 2004. 

36 »Participation of Children and Teenagers in Terrorist Activity 
during the >A1-Aqsa< Intifada«, Januar 2003, www.mfa.gov.il/ 
mfa/go.asp?MFAHOnlOO. 

37 Amnesty International, »Children must not be used by armed 
groups«, 24. März 2004 (»Abscheulichkeit«); B'Tselem, »Using 
Children in Combat: A War Crime«, Presseerklärung, 16. März 
2004 (»Kriegs verbrechen«). Human Rights Watch, »Child Sol- 
dier Use 2003«, www.hrw.org/reports/2004/childsoldiers0104/ 
9.htm. 

38 Human Rights Watch, Erased in a Moment, Abschnitt »Recruit- 
ment and Use of Children«, www.hrw.org/reports/2002/isrl- 
pa/ ISRAELPA1002-05.htm#P939238764; Atef Saad, »Palestin- 
ian Backlash over Child Bombers«, Reuters, 26. März 2004. 

39 Amnesty International, Broken Lives, S. 20-23. Was die Anwesen- 
heit bewaffneter Palästinenser auf Demonstrationen betrifft, ist 
Human Rights Watch zu geringfügig anderen Ergebnissen ge- 
kommen. Siehe Human Rights Watch, Center ofthe Storni, S. 27. 

40 Amnesty International, Killing the Future, S. lf., 16. 

41 B'Tselem, Torture of Palestinian Minors in the Gush Etzion Police 
Station, Jerusalem 2001, S. 2, 23. Zu der Komplizenschaft israeli- 
scher Ärzte bei der Anwendung von Folter siehe vor allem Ne- 
ve Gordon/ Ruchama Marton (Hg.), Torture: Human Rights, Me- 
dical Ethics and the Case of Israel, London 1995, sowie Amnesty 

361 



Anmerkungen 

International, Combating Torture: A Manual for Action, London 
2003, Abschnitt 2.2. 

42 »Israel, the Occupied West Bank and Gaza Strip, and Palestin- 
ian Authority Territories« in: Human Rights Watch World Report 
2002, New York. 

43 Hedges, der früher das Auslandsbüro der New York Times im Na- 
hen Osten leitete, ist mit dem Pulitzer-Preis und dem Amne-sty- 
International-Preis für Menschenrechtsjournalismus ausge- 
zeichnet worden. Das von Dershowitz wiedergegebene Zitat 
stammt aus Chris Hedges, »A Gaza Diary«, Harper's, Oktober 2001. 
Hedges gibt diese Beobachtung auch in seinem Buch War Is a 
Force that Gives Us Meaning wieder. Hier das Zitat in voller Länge: 
»Ich hatte schon bei anderen Konflikten, über die ich berichtete, 
mit ansehen müssen, wie Kinder erschossen wurden. In El Salva- 
dor und Guatemala wurden sie von Todesschwadronen nieder- 
geschossen, in Algerien hatten sich Mütter mit ihren Säuglingen 
aufzustellen, damit man sie gemeinsam massakrieren konnte, 
und serbische Scharfschützen nahmen Kinder ins Visier, um dann 
dabei zuzusehen, wie sie auf dem Gehsteig von Sarajevo ihr Le- 
ben aushauchten. Daß aber Soldaten Kinder wie Mäuse in eine 
Falle gelockt und sich einen Spaß daraus gemacht haben, sie zu 
ermorden, das hatte ich noch nirgends gesehen.« (Chris Hedges, 
War Is a Force that Gives Us Meaning, New York 2002, S. 94.) 

44 B'Tselem, Trigger Happy, S. 17. 

45 Tom Segev, Die siebte Million: Der Holocaust und Israels Politik 
der Erinnerung, Rowohlt: Reinbek bei Hamburg 1995, S. 43 
(»Wenn ich wüßte«). [Tom Segev, The Seventh Million: The Israe- 
lis and the Holocaust, New York 1993.] Yosef Grodzinsky, In the 
Shadovo oftheHolocaust, Monroe/ Maine 2004, S. 80-99 (»schwä- 
chen könnte«, S. 97, ist Grodzinskys Paraphrase eines Aus- 
spruchs von Ben-Gurion). 

46 Yoram Kaniuk, Und das Meer teilte sich: Der Kommandant der 
Exodus, List: München 1999, S. 171. [Yoram Kaniuk, Commander 
ofthe Exodus, New York 1999.] Zum Hintergrund siehe Christo- 
pher Sykes, Crossroads to Israel, 1917-1948, Bloomington/ Indi- 
ana 1973, S. 320-323. 

47 Paul Breines, Tough Jews, New York 1990, S. 54-56. Laut Ders- 
howitz war Exodus »unter sowjetischen Juden der größte Sa- 
misdat-Bestseller aller Zeiten«. Alan M. Dershowitz, The Best 
Defense, New York 1982, S. 245. 

362 



Kapitel 4 

48 Leon Uris, Exodus, 12. Auflage, Heyne: München 1973, S. 162- 
180. [Leon Uris, Exodus, New York 1959.] 

49 Alan M. Dershowitz, Why Terrorism Works: Understanding the 
Threat, Responding to the Challenge, New Haven 2002, S. 90, S.234 
Anm. 10. 

50 Hintergrundinformationen zu ISM sowie aktuelle Nachrichten 
zu den laufenden Aktivitäten der Organisation sind über die 
Website www.palsolidarity.org abrufbar. Siehe außerdem Josie 
Sandercock u.a. (Hg.), Peace under Fire: Israel/P alestine and the 
International Solidarity Movement, New York 2004. 

51 »American peace activist killed by army bulldozer in Rafah«, 
Haaretz, 17. März 2003; Orly Halpern, »How to be a political 
activist in a few (easy?) lessons«, Haaretz, 20. Dezember 2002. 

52 Eine detaillierte Zurückweisung der Behauptung, daß ISM Ter- 
roristen Unterschlupf gewährt, findet sich unter »Does ISM 
protect terrorists?« auf www.palsolidarity.org sowie in Sander- 
cock, Peace under Fire, S. 261 f., 269-271. Dershowitz zitiert aus 
einem Artikel der rechtsgerichteten Jerusalem Post, um zu kol- 
portieren, daß ISM von der Palästinensischen Autonomiebe- 
hörde und der Hamas bezuschußt wird (Joel Leyden, »Initial 
IDF Report: Shot Palestinian Activist May Have Fired First«, 
12. April 2003) (S. 275, 408 Anm. 3 zu Kap. 24). Die Post grün- 
det ihre Behauptung - die ISM entschieden zurückweist - al- 
lein auf die Aussage eines nicht namentlich genannten »höhe- 
ren Sicherheitsexperten der Regierung«. 

53 Siehe »Four eyewitness accounts of Rachel's murder«, www.ra- 
chelcorrie.org/statements.htm, und Sandercock, Peace under 
Fire, S. 236t. 

54 Conal Urquhart, »Israeli report clears troops over US death«, 
Guardian, 14. April 2003; John Sweeney, »Silenced witnesses«, 
Independent (Großbritannien), 30. Oktober 2003. 

55 Alan M. Dershowitz, »Edward Said: The Palestinian Meir Ka- 
hane«, Congress Monthly, September/ Oktober 2003. 

56 Edward W. Said, The Politics of Dispossession: The Struggle for 
Palestinian Self-Determination, 1969-1994, New York 1994, S. xxv; 
siehe auch S. xxiii, 149f, 349. [Die deutschsprachige Ausgabe 
von The Question ofP 'alestine erschien 1981 unter dem Titel Zio- 
nismus und palästinensische Selbstbestimmung bei Klett-Cotta; 
Anm. d. Ü.] 

57 Edward W. Said, Das Ende des Friedensprozesses, Berlin Verlag: 

363 



Anmerkungen 

Berlin 2002, S. 70. [Edward W. Said, The End ofthe Peace Processi 
Oslo and After, New York 2001.] 

58 Gauri Viswanathan, Power, Politics and Culture: Interviews with 
Edward Said, New York 2002, S. 289. 

59 Dershowitz nennt zwei Artikel von Judy Siegel aus der Jerusalem 
Post: »Israel has offered to treat all Palestinian wounded« (22. 
Mai 2001) und »Palestinians refuse medical Cooperation« (18. 
April 2002), aber der einzige Beleg für Dershowitz' Behauptung 
stammt aus einer Äußerung, die Gesundheitsminister Nissim 
Dahan im erstgenannten Artikel gegenüber Siegel gemacht hat. 
Der zweite Artikel, in dem ein Offizier der israelischen Armee 
zitiert wird, scheint der Aussage, daß die palästinensische Auto- 
nomiebehörde es verletzten Palästinensern nicht gestattet, zur 
ärztlichen Behandlung nach Israel zu gehen, vielmehr zu wider- 
sprechen: »Es werden große Anstrengungen unternommen, um 
sicherzustellen, daß Patienten, die nicht in den [palästinensi- 
schen] Gebieten behandelt werden können, schnell in israelische 
Krankenhäuser gelangen, und das obwohl die Bezahlung nicht 
garantiert werden kann. Es hat Dutzende solcher Fälle gegeben.« 

60 Interview mit Dr. Mustapha Barghouthi von der »Union of Pales- 
tinian Medical Relief Committees« (das Interview führte Michael 
Tarazi am 13. Oktober 2003); gefaxter Brief des Gesundheitsmini- 
sters der palästinensischen Autonomiebehörde, Dr. Munzer Sha- 
rif (30. Oktober 2003); E-Mail-Korrespondenz mit der leitenden 
Direktorin von B'Tselem, Jessica Montell (13. Oktober 2003); E- 
Mail-Korrespondenz mit Shabtei Gold von »Physicians for Hu- 
man Rights - Israel« (PHR-Israel). Gold schrieb, »kostenlose Be- 
handlungen in Krankenhäusern ... sind eine Seltenheit, auch 
wenn die Medien sehr ausführlich darüber berichten«. Angesichts 
der Tatsache, daß Israel »stark darum bemüht ist, [den Palästi- 
nensern] das Recht auf Gesundheit abzusprechen«, sind diese 
Fälle »einfach unbedeutend«; »gegen die Vielzahl der mit der 
Besatzung zusammenhängenden Probleme vermögen sie nichts 
auszurichten. Sie sind nichts als ein Tropfen auf den heißen 
Stein.« Und: »Es ist so, als würde jemand erst ein ganzes Haus in 
Brand setzen und dann, weil er eigenhändig einen Eimer voll 
Wasser in die Flammen gegossen hat, Lob für seine tatkräftige 
Unterstützung erwarten« (10. Oktober 2003). Als Israel sieben 
kranken palästinensischen Kindern erlaubte, nach Italien zu rei- 
sen, um sich dort ärztlich behandeln zu lassen, kommentierte 

364 



Kapitel 4 

B'Tselem die Aktion wie folgt: Angesichts der Tatsache, daß die 
medizinische Versorgung im Westjordanland massiv behindert 
wird, hat es den Anschein, daß der Auslandsflug der Kinder 
nichts weiter als ein PR-Gag ist« (Harm to Medical Personnel: The 
Delay, Abuse and Humüiation of Medical Personnel by the Israeli 
Security Forces, Jerusalem, Dezember 2003, S. 23). 

61 Physicians f or Human Rights - Israel, A Legacy of Injustice: A 
Critique of Israeli Approaches to the Right to Health of Palestinians 
in the Occupied Territories, Tel Aviv, November 2002, S. 22, 67. 

62 Ebd., S. 57. 

63 Physicians for Human Rights - Israel, Medicine under Attack: 
Critical Damage Inflicted on Medical Services in the Occupied Terri- 
tories, April 2002, o. S.; mehr zu der beschämenden Reaktion 
des medizinischen Establishments in Israel in Physicians for 
Human Rights - Israel, Legacy of Injustice, S. 74f. 

64 Im Dezember 2003 berichtete B'Tselem, daß »Soldaten seit Be- 
ginn der zweiten Intifada (September 2000) 118 Krankenwagen 
beschädigt haben, 28 davon so schwer, daß sie nicht mehr zu 
reparieren waren« (Harm to Medical Personnel, S. 14). 

65 Der Bericht enthält auch die Information, daß es schon im Jahr 
1996 vorkam, daß medizinisches Personal »bei der Evakuie- 
rung Verwundeter erschossen« wurde (S. 41). 

66 Eine »unvollständige Liste von Palästinensern, die dringend 
zum Arzt mußten und starben, weil sie aufgrund der einge- 
schränkten Bewegungsfreiheit nicht rechtzeitig behandelt wer- 
den konnten«, hat B'Tselem verfaßt, siehe Death of Palestinians 
folloiving Delay in Obtaining Medical Treatment because ofRestric- 
tions on Movement during the al-Aqsa Intifada, www.btselem.org. 
Zu den Schwierigkeiten, mit denen sich palästinensische Kran- 
kenwagenteams konfrontiert sehen, siehe auch B'Tselem, Harm 
to Medical Personnel, S. 5, 7, 10. 

67 Dershowitz' Quelle: »Physicians for Human Rights v. Commander 
ofl.D.F. Forces in the West Bank, HCJ 2936/02, 8. April 2002«, 
Plädoyer für Israel, S. 409 Anm. 8. 

68 Physicians for Human Rights - Israel, Legacy of Injustice, S. 61 
— 63; siehe auch S. 73f. Zum Text der Gerichtsentscheidung 
siehe »Red Cross and Red Crescent: Decision of the Supreme 
Court Sit-ting as a High Court of Justice (April 8, 2002)«, 
www.israel-mfa. gov.il/ mfa/go.asp?MFAH01kg0. 



365 



Anmerkungen 

69 Greg Myre, »The Mideast Turmoil: Security«, New York Times, 
21. Mai 2003. 

70 Physicians for Human Rights, Legacy of Injustice, S. 60. 

71 Amnesty International, Shielded front Scrutiny, S. 35 Anm. 12. 

72 Physicians for Human Rights - Israel, Legacy of Injustice, S. 61 
(»zwängten sich«); B'Tselem, Harm to Medical Personnel, S. 20f, 
23f. 

73 In einer anderen Studie, in der von früheren Angriffen auf pa- 
lästinensische Krankenwagen die Rede ist, bemerkten die 
»Ärzte für Menschenrechte« auch: »Die israelische Armee be- 
hauptet, daß die Krankenwagen nicht ihrer Bestimmung ge- 
mäß verwendet werden, doch wurde uns kein einziger Fall zur 
Kenntnis gebracht, bei dem mit einer Krankenwagenfahrt 
nachweislich etwas anderes als ein Krankentransport bezweckt 
wurde.« Physicians for Human Rights, Evaluation of the Use of 
Force, S. 13f . Mehr zu Angriffen jüngeren Datums bei B'Tselem, 
Harm to Medical Personnel, S. 14-19. Physicians for Human 
Rights - Israel, Legacy of Injustice, S. 60. 



Kapitel 5: Kurzer Prozeß 

1 Public Committee Against Torture in Israel (PCATI)/LAW - The 
Palestinian Society for the Protection of Human Rights, The Assas- 
sination Policy of the State of Israel, Mai 2002, S. 7 (»schon früher«); 
Palestine Human Rights Information Center [Palästinensisches 
Informationszentrum für Menschenrechte], Targeting to Kill: Israels 
Undercover Units, Jerusalem 1992, S.4 (Barak), 22 (Ergebnisse); B'T- 
selem, Activity ofthe Undercover Units in the Occupied Territories, Je- 
rusalem, Mai 1992, S. 8 (»großen Prozentsatz«; vgl. S.20f.), 75 (»50 
Prozent«); Human Rights Watch, A License to Kill: Israeli Operations 
against >Wanted< and Masked Palestinians, New York 1993, S. 1 (Zahl 
und Profil der Opfer), 4 (»verstärkt angewandt«, »obdachlos«), 10 
(Hinrichtungen von Häftlingen), 20 (»Schema«). Der bewaffnete 
Flügel der zionistischen Bewegung nahm bereits im Palästina der 
1920er Jahre politische Liquidierungen vor. 

2 Amnesty International, Israel Must End Its Policy of Assassinati-ons, 
London, Juli 2003, S. 1 (»Dutzende«). (Laut B'Tselems Inter- 
netseite gab es bis Ende Juni 2003 110 gezielte Tötungen, bei de- 
nen auch 71 Unbeteiligte, darunter 23 Kleinkinder und Minder- 

366 



Kapitel 5 

jährige, getötet wurden; siehe Assassinations: Extra-Judicial Exe- 
cutions, www.btselem.org/english/statistics/fatalities_lists/ex- 
tra_ judica l_eng.asp.) Aryeh Dayan, »One day in five, the IDF 
attempts assassination«, Haaretz, 21. Mai 2003 (»alle fünf Tage«); 
B'Tselem, Position Paper: Israel's Assassination Policy: Extrajudicial 
Executions, Jerusalem, Februar 2001, S. 14. 

3 Lily Galili, »Reserve Pilots to Refuse Liquidations«, Haaretz, 19. 
September 2003; Arnos Harel/Lily Galili, »Air Force to Oust 
Refusenik Pilots«, Haaretz, 25. September 2003. (Der Brief der 
Reservepiloten ist im Internet nachzulesen: »A Letter from Is- 
raeli Pilots Who Refuse to Serve«, www.xs4all.nl/~pieth/ Pilots- 
Letter. pdf.) Itamar Eichner/ Tova Tzimuki, »Dershowitz Wants 
to Obtain >Acquittal< for Israel«, Yediot Ahronot, 18. November 
2003 (»unterstützen«); Alan M. Dershowitz, »Alle lieben tote 
Juden ...«, Die Welt, 15. Juni 2002. 

4 Alan Dershowitz, »Critics of Sheikh Yassin Killing Reveal Own 
Moral Blindness«, Forward, 26. März 2004. An anderer Stelle im 
selben Artikel formuliert Dershowitz noch einmal ähnlich: 
»Terroristenanführer« wie Yassin »sollten als Kombattanten 
und somit als geeignete Angriffsziele für Präventivschläge be- 
trachtet werden«. 

5 Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung 
der Kriegsgefangenen, Artikel 4. 

6 Amnesty International, State Assassinations and Other Unlaiv- 
ful Killings, London 2001, S.20; PCATI/LAW, Assassination Pol- 
icy, S. 69f. Die letztgenannte Studie bemerkt außerdem: »Israel 
erkennt Mitglieder palästinensischer Organisationen, die direkt 
an Kampfhandlungen beteiligt sind, nicht als Kombattanten an 
. . . Wenn der Staat Israel sie lieber als >Kombattanten< bezeich- 
nen will, muß er sie auch wie Kriegsgefangene behandeln, das 
heißt, er kann ihnen dann nicht gemäß der nationalen Straf- 
rechtsordnung den Prozeß machen.« 

7 Amnesty International, State Assassinations, S. 1, 19f; siehe auch 
PCATI/LAW, Assassination Policy, S. 7. 

8 B'Tselem, Position Paper: Israels Assassination Policy, S. 8. 
PCATI/LAW, Assassination Policy, S. 61. 

9 PCATI/LAW, Assassination Policy, S. 60 (vgl. S. 8, 67). 

10 Ebd., S. 6 (»größeren Anschlag«); Amnesty International, Israel 
Must End, S. 2 (»keinerlei Beweise«). 

11 Amnesty International, IsraelMustEnd, S. 3f. (vgl. Amnesty In- 

367 



Anmerkungen 

ternational, State Assassinations, S. 5); PCATI/LAW, Assassina- 
tion Policy, S. 73 (vgl. S. 8). 

12 Amnesty International, Israel Must Ena, S.4-6; PCATI/LAW, 
Assassination Policy, S. 60. 

13 PCATI/LAW, Assassination Policy, S. 8f. (»Mord«, »Kriegsver- 
brechen«), 60 (»die schlimmsten Verstöße«), 76 (»berüchtigten 
Gruppe«). 

14 B'Tselem, Position Paper: Israel's Assassination Policy, S. 14; 
»Ayalon: Israeli killings create more suicide bombers«, Jerusa- 
lem Post (Onlineausgabe), 18. Dezember 2001; siehe auch Arnos 
Harel, »Security brass: Targeted killings don't work; no mili- 
tary Solution to terror«, Haaretz, 19. Dezember 2001. 

15 Alex Fishman, »A dangerous liquidation«, Yediot Ahronot, 25. 
November 2001; Shulamit Aloni, »You can continue with the 
liquidations«, Yediot Ahronot, 18. Januar 2002; Bradley Burston, 
»Background: Shehada >hit< sends shockwaves back to Israel«, 
Haaretz, 25. Juli 2002 (Mitglied der Meretz-Partei); Akiva Eldar, 
»How to cease from a cease-fire«, Haaretz, 25. Juli 2002; Gideon 
Samet, »It's a horror story, period«, Haaretz, 26. Juli 2002; Akiva 
Eldar, »If there's smoke, there's no cease-fire«, Haaretz, 30. Juli 
2002; »Letter for an American editor«, Haaretz, 30. Juli 2002 
(Text der geplanten öffentlichen Erklärung). Mehr zum Thema 
sowie weitere Quellenangaben in Norman G. Finkelstein, Image 
and Reality ofthe Israel-Palestine Conflict. Zweite, erweiterte Aus- 
gabe, London/New York 2003 (Erstausgabe 1995), S. xxii-xxiii, 
xxvi-xxvii. [Vgl. Norman G. Finkelstein, Der Konflikt zwischen 
Israel und den Palästinensern: Mythos und Realität, Diederichs: 
Kreuzungen/ München 2002, S. 22f. für die erstgenannte Stelle 
des Originals; die letztgenannte Stelle ist in der deutschen 
Ausgabe nicht enthalten; Anm. d. Ü.] 

Kapitel 6: Israels Abu Ghraib 

1 Zu diesem und dem folgenden Absatz siehe vor allem B'Tse- 
lem, The Interrogation of Palestinians during the Intifada: Ill-treat- 
ment, »Moderate Physical Pressure« or Tortur el, Jerusalem, März 
1991, S. 27-32, sowie Amnesty International, Report and Recom- 
mendation of an Amnesty International Mission to the Government 
ofthe State of Israel 3-7 June 1979, Including the Government 's Res- 

368 



Kapitel 6 

ponse and Amnesty International Comments, London, September 
1980, S. 5-13. 

Siehe den Abschnitt »Gelegentlicher Mißbrauch« in diesem 
Kapitel. 

»Israel Tortures Arab Prisoners: Special Investigation by IN- 
SIGHT«, Sunday Times, 19. Juni 1977; »Torture: Israel Replies«, 
Sunday Times, 3. Juli 1977; »Torture: A Flawed Defence«, Sunday 
Times, 10. Juli 1977. Amnesty International hat die Vorwürfe der 
Times, Israels Antwort und die Erwiderung der Times in Report 
and Recommendations näher analysiert und abschließend festge- 
stellt: »Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß Israel bei sei- 
ner Antwort auf die von der Times erhobenen Vorwürfe über- 
haupt nur auf sechs der 22 genannten Fälle eingegangen ist. Selbst 
bei diesen sechs Fällen verlor sich die Replik in Nebensächlichkei- 
ten und brachte wenig vor, um die Anschuldigungen im einzel- 
nen zu entkräften« (S. 9-11). Insgesamt sah Amnesty im Hinblick 
auf den israelischen Umgang mit palästinensischen Häftlingen 
die eigene, »seit 1970 bei zahlreichen Gelegenheiten vorgetragene 
Ansicht erneut bestätigt: Die vorliegenden Prima-facie-Beweise 
dafür, daß aus Sicherheitsgründen festgenommene Palästinenser 
in den besetzten Gebieten von Vernehmungsbeamten und ande- 
ren Gefängnismitarbeitern mißhandelt werden, verlangen nach 
der Einrichtung einer öffentlichen Untersuchung« (S. 43). 
Amnesty International, »Wer der Folter erlag . ..«: Ein Bericht über 
die Anwendung der Folter in den 80er Jahren, Fischer: Frankfurt 
am Main 1985, S. 295f. [Amnesty International, Torture in the 
Eighties, London 1984.] 

International Commission of Jurists and Law in the Service of 
Man (Al-Haq), Torture and Intimidation in the West Bank: The 
Case of Al-Fara'a Prison, Ramallah 1984. 

Al-Haq, Punishing a Nation: Human Rights Violations during the 
Palestinian Uprising, December 1987 - December 1988, Ramallah, 
Dezember 1988, S. 341-345, 351-357; Al-Haq, A Nation Under 
Siege: Annual Report on Human Rights in the Occupied Palestinian 
Territories, 1989, Ramallah 1990, S. 173-179; Amnesty Interna- 
tional, Jahresbericht 1990, Fischer: Frankfurt am Main 1990, S. 
216, 219. [Amnesty International Report 1990.] 
B'Tselem, Interrogation, S. 6,23. Siehe auch B'Tselem, The Inter- 
rogation of Palestinians during the Intifada: Follow-up to March 
1991 B'Tselem Report, Jerusalem, März 1992. In diesem Folgebe- 

369 



Anmerkungen 

rieht schrieb B'Tselem, daß die in der Studie von 1991 vorgeleg- 
ten Ergebnisse zwar »sofort große Beachtung« gefunden hätten, 
daß sich aber dennoch an »der Situation, die wir im letzten Jahr 
beschrieben haben, so gut wie nichts geändert hat« (S. 11, 43). 
Mehr zu israelischen Presseberichten über die Folter während 
der Intifada sowie zu diesbezüglichen Menschenrechtsberichten 
findet sich in Norman G. Finkelstein, Palästina: Ein persönlicher 
Bericht über die Intifada, Diederichs: Kreuzungen/ München 2003, 
S. 94-96 [Norman G. Finkelstein, The Rise and Fall of Palestine: A 
Personal Account ofthe Intifada Years, Minneapolis 1996]. 

8 Siehe den Abschnitt »Gelegentlicher Mißbrauch« in diesem 
Kapitel. 

9 Näheres in Fouzi El-Asmar, To Be an Arab in Israel, Beirut 1978, 
siehe vor allem Kap. 6. 

10 »Terrorism and Preventive Detention: The Case of Israel«, Com- 
mentary, Dezember 1970, S. 67-78; »Preventive Detention of Citi- 
zens during a National Emergency - A Comparison between 
Israel and the United States«, in Israel Yearbook on Human Rights, 
Tel Aviv 1971, S. 295-321; »Civil Liberties in Israel: The Problem 
of Preventive Detention«, in Irving Howe/Carl Gershman (Hg.), 
Israel, the Arabs and the Middle East, New York 1972, S. 266-299. 

11 »Preventive Detention in Israel« (Leserbriefe), Commentary, Juni 
1971. 

12 Yoav Karni, »Israel Lies between Washington and Riyadh«, 
Haa-retz, 19. April 1991. 

13 Alan Dershowitz, Contrary to Populär Opinion, New York 1992, 
S. 389. 

14 Monroe H. Freedman/ Alan M. Dershowitz, »Israeli Torture, They 
Said«, New York Times, 2. Juni 1978. Das zitierte Lob über Freed- 
man wurde ausgesprochen, als ihn der Amerikanische Bundes- 
verband der Anwaltschaft für sein Berufsethos ehrte (nachzulesen 
auf der Website der Hofstra University School of Law, unter 
www.hofstra.edu/ Academics/ Law/ law_mf reed-manef m) . 

15 Alan M. Dershowitz, Chuzpe, Europäische Verlagsanstalt: Ham- 
burg 2000, S. 326. [Alan M. Dershowitz, Chutzpah, Boston 1991.] 

16 United States District Court, Eastern District of New York, Trial 
Transcripts, Mahmoud Abet Atta a/k/a Mahmoud el-Abed Ahmad v. 
Wigen, et al. Die hier benutzte Ausfertigung des Gerichtsproto- 
kolls wurde großzügigerweise von June Lowe zur Verfügung 
gestellt; Lowe ist die Fallmanagerin von Richter Jack Weinstein, 

370 



Kapitel 6 

der den Vorsitz führte. Das Protokoll trägt das Datum vom 2. 
August 1989. 

17 Ahmadv. Wigen, S.450f. 

18 Ebd., S. 501-503. 

19 Ebd., S.384f. 

20 Ebd., S. 404. 

21 Ebd., S. 507. 

22 Ebd., S. 382-386. 

23 Persönliche Korrespondenz vom 13. März 2004. 

24 Ahmadv. Wigen, S. 601 f. 

25 Dershowitz, Chuzpe, S. 327. 

26 Ahmadv. Wigen, S. 339-345. 

27 Ebd., S. 464. 

28 Dershowitz, Chuzpe, S. 329. Wir wollen einmal festhalten, daß 
Richter Jack Weinstein Dershowitz nur in relativ nebensächlichen 
Punkten zustimmte. (Der ukrainische Kriegsverbrecher John 
Dem-janjuk sei, nachdem ihn die Vereinigten Staaten an Israel 
ausgeliefert hätten, tatsächlich nicht gefoltert worden; und das 
israelische Gefängniswesen sei dem der meisten anderen westli- 
chen Staaten in der Tat vergleichbar.) Weinstein verdient jedoch 
Anerkennung dafür, daß er sich Dershowitz' verengten Blick auf 
das Thema Folter und Israels Rückgriff auf dieselbe nicht zu ei- 
gen machte. Weinstein widersprach Dershowitz' Auffassung, 
nach der unter Folter und unmenschlicher Behandlung lediglich 
die Zufügung körperlicher Schmerzen zu verstehen sei: »Unser 
Begriff von Folter und anderen grausamen oder ungewöhnlichen 
Strafen muß auch Drohungen sowie andere unmenschliche psy- 
chische Verletzungen beinhalten. Dazu gehört auch das Anwen- 
den von Tricks, die Verzweiflung hervorrufen sollen.« Überdies 
zog Weinstein auch einen Bericht des amerikanischen Außenmi- 
nisteriums zur Menschenrechtslage in Israel heran, um Dersho- 
witz' Behauptung zu widerlegen, nach der die israelischen Ver- 
hörmethoden lediglich aus »Tricks« bestünden, die zwar Furcht 
einflößten, aber keine Schmerzen verursachten. »Die Berichte 
darüber, daß Verdächtige und Häftlinge geschlagen werden, 
reißen ebensowenig ab wie die Berichte darüber, daß Gefangene 
und Häftlinge grob behandelt und erniedrigt werden«, hatte das 
Außenministerium, wie Weinstein zu bedenken gab, festgestellt. 
Weinstein bewilligte Attas Auslieferung hauptsächlich deshalb, 
weil Israel in einem Brief an das Gericht »formal versichert hat, 

371 



Anmerkungen 

daß der Kläger im Falle seiner Auslieferung weder gefoltert noch 
einer anderweitig unmenschlichen oder erniedrigenden Behand- 
lung unterzogen werden wird«. Siehe Ahmadv. Wigen, 726 F. 
Supp. 389,415-418 (1989). 

29 Alan M. Dershowitz, Why Terrorism Works: Understanding the 
Threat, Responding to the Challenge, New Haven 2002, S. 124. 

30 Siehe den Abschnitt »Gefoltert wird nicht mehr« in diesem Ka- 
pitel. 

31 Zitate aus dem jeweiligen Jahresbericht von Amnesty Internatio- 
nal [Amnesty International Report] für die Jahre 1991 -1999. Der 
Bericht aus dem Jahr 1991 behandelt den Zeitraum Januar bis 
Dezember 1990 usw. 

32 Amnesty International, Combating Torture, London 2003, Ab- 
schnitt 2.2. 

33 Human Rights Watch, Israels Interrogation of Palestinians front 
the Occupied Territories, New York 1994, S. x, 4. In den Human- 
Rights-Watch-Jahresberichten (Human Rights Watch World Re- 
port) der 1990er Jahre wurde ebenfalls immer wieder aufs neue 
festgestellt, daß Israel palästinensische Häftlinge systematisch 
folterte und mißhandelte 

34 B'Tselem, Legislation Allowing for the Use of Physical Force and 
Mental Coercion in Interrogations by the General Security Service, 
Position Paper, Jerusalem, Januar 2000, S. 31. 

35 Siehe den Abschnitt »Gefoltert wird nicht mehr« in diesem Ka- 
pitel. 

36 Für Auszüge aus dem Landau-Bericht sowie kritische Kom- 
mentare lohnt sich besonders ein Blick in die Israel Law Review, 
Bd. 23, Nr. 2-3 (Jerusalem, Frühjahr/ Sommer 1989). Der Band 
enthält auch einen Beitrag von Dershowitz (»Is it Necessary to 
Apply >Physical Pressure< to Terrorists - and to Lie about It?«). 

37 B'Tselem, Interrogation, S. 31. 

38 Siehe den Abschnitt »Gelegentlicher Mißbrauch« in diesem 
Kapitel. 

39 Public Committee Against Torture in Israel, Flawed Defense: 
Torture and Ill-Treatment in GSS Interrogations following the Su- 
preme Court Ruling, 6 September 1999 - 6 September 2001, Jerusa- 
lem, September 2001, S. 9 Anm. 6. 

40 B'Tselem, Legitimizing Torture: The Israeli High Court of Justice 
Rulings in the Bübeisi, Hamdan and Mubarak Cases, Jerusalem, 
Januar 1997, o. S. (Das vorherige Zitat »noch weiter verbessert« 
findet sich ebenfalls in diesem Bericht.) 

372 



Kapitel 6 

41 Siehe B'Tselems Website unter »Torture«, www.btselem.org/ 
english/Torture/Toture_by_GSS.asp; siehe auch die Äußerung 
des damaligen leitenden Direktors von B'Tselem, Eitan Feiner, 
in Le Monde: »Israel ist das einzige Land der Welt, das Folter 
sowohl juristisch als auch rhetorisch legitimiert hat ... Da- 
durch, daß Israels Oberstes Gericht Foltermethoden in be- 
stimmten Fällen für zulässig erklärt hat, hat es die Folter prak- 
tisch insgesamt legalisiert«, 11. Dezember 1998. 

42 Amnesty International, Combating Torture, Abschnitt 2.2. 

43 »Summary record of the public part of the 297th meeting: Is- 
rael. 04/09/97« (CAT/C/SR.297/Add.l). 

44 »Report of the Special Rapporteur, Mr. Nigel S. Rodley, submit- 
ted pursuant to Commission on Human Rights resolution 
1995/37 B« (E/CN.4/1997/7). 

45 B'Tselem, Legislation Allowing for the Use ofPhysical Force, S. 25, 
54. 

46 Public Committee Against Torture v. Israel (HCT 5100/94), S. 27. 

47 Orah Maggen, Information Coordinator, »Public Committee 
Against Torture in Israel« (PCATI), 1. Dezember 2003, persönli- 
che Mitteilung. Siehe auch B'Tselem, Interrogation, S. 32-36. 

48 Amnesty International, Death by Shaking: The Case of Abd al- 
Samad Harizat, Oktober 1995 (Autopsieberichte). Der Verneh- 
mungsbeamte, der Harizat zu Tode gefoltert hat, wurde nie 
strafrechtlich belangt, und »nach einer nicht allzulangen Sus- 
pendierung vom Dienst begann er wieder palästinensische 
Häftlinge zu verhören - und wahrscheinlich auch zu foltern« 
(Public Committee Against Torture in Israel, Flawed Defense, S. 
19). Ministerpräsident Yitzhak Rabin räumte 1995 ein, daß das 
»Schütteln« bei 8000 palästinensischen Häftlingen angewandt 
worden war, und ein früherer israelischer General Staatsanwalt 
gab zu Protokoll, daß »die >Schütteln< genannte Verhörmetho- 
de eine routinemäßig angewandte Verhörmethode ist« (B'Tse- 
lem, Legislation Allowing for the Use ofPhysical Force, S. 31 f.). 

49 »Report Issued on Circumstances Surrounding Death of De- 
tainee (Communicated by Justice Ministry Spokeswoman)«, 
Jerusalem, 7. Juni 1995, www.israel-mfa.gov.il/mfa/go.asp? 
MFAH0a4e0. 

50 Public Committee Against Torture v. Israel (HCJ 5100/94), S. 9. 
Diese Entscheidung des Obersten Gerichts geht auf eine frühe- 
re, ebenfalls den Fall Harizat betreffende Gerichtsentscheidung 
zurück (HCJ 4054/95). 

373 



Anmerkungen 

51 Dershowitz deutet diesen Grund auch auf den Seiten 218,219 
und 318 an. 

52 David Kretzmer, The Occupation of Justice: The Supreme Court of 
Israel and the Occupied Territories, Albany 2002, S. 141f. Das Zitat 
bezieht sich auf die Zeit vor der Gerichtsentscheidung vom 
September 1999. Siehe den Abschnitt »Gefoltert wird nicht 
mehr« in diesem Kapitel. 

53 B'Tselem, Routine Torture: Interrogation Methods of the General 
Security Service, Jerusalem 1998, S. 16, 29 (siehe auch S. 30f, wo 
B'Tselem einige Fälle auflistet, bei denen Palästinenser wegen 
einer »tickenden Bombe« gefoltert wurden, um dann anschlie- 
ßend freigelassen zu werden, ohne daß man sie wegen irgendeiner 
Straftat vor Gericht stellte oder sie in Administrativhaft nahm). 

54 B'Tselem, Legislation Allowing for the Use ofPhysical Force, S. 32, 
48. 

55 Siehe den Abschnitt »Gefoltert wird nicht mehr« in diesem Ka- 
pitel. 

56 B'Tselem, Legislation Allowing for the Use ofPhysical Force, S. 43- 
46. 

57 Dershowitz wiederholt diese Behauptung mehrfach in leicht ab- 
gewandelter Form, siehe S. 218 (»jede Art von physischen 
Zwangsmaßnahmen verboten«), 219 (»verbot. . ., und zwar abso- 
lut«), 220 (»gegenwärtiges israelisches Recht nicht einmal mehr 
zuläßt«, »jede Anwendung von physischem Druck verbot«), 224f. 
(»die [früheren] Methoden . . . verboten«), 295 (»ihre Anwendung 
untersagt«), 318 (»für illegal erklärt«), 328 (»längst aufgehört«). 

58 Dershowitz, Why Terrorisrn Works, S. 251f . Anm. 26. 

59 Public Committee Against Torture in Israel, Flavoed Defense, S. 
14. 

60 Human Rights Watch World Report 2000, New York. 

61 Public Committee Against Torture in Israel, Back to a Routine of 
Torture: Torture and Ill-treatment of Palestinian Detainees during 
Arrest, Detention and Interrogation, September 2001 -April 2003, 
Jerusalem, April 2003, S. 9-14, 21, 89. Zur Komplizenschaft des 
Obersten Gerichts siehe vor allem Kap. 4 (»Rubber Stamps for 
the GSS: The High Court of Justice, the Attorney General, and 
the State Prosecutor's Office«). 

62 Amnesty International, Combating Torture, Abschnitt 2.2. 

63 Amnesty International, Broken Lives: A Year of Intifada, London 
2001, S. 50. 

374 



Kapitel 7 

63 B'Tselem, Standard Routine: Beatings and Abuse of Palestinians by 
Israeli Security Forces during the Al-Aqsa Intifada, Jerusalem 2001, 
S. 21,5,21f., 36 (die Zitate bezüglich der Grenzpolizei stammen 
von Aussagen, die Grenzpolizisten gegenüber der Zeitung Haa- 
retz machten). Weitere Belege finden sich in B'Tselem, In Broad 
Daylight: Abuse of Palestinians by IDF Soldiers on 23 July 2001, 
Jerusalem. 

Kapitel 7; Rückkehr der Wandalen 

1 B'Tselem, Through No Fault of Their Oivn: Punitive House Demo- 
litions during the al-Aqsa Intifada, Jerusalem, November 2004, 
S.4. 

2 Ebd., S. 6 (»israelische Zivilisten noch nie«), 15 (»unerheblich«, 
»in die Wege geleitet«, »40 Prozent«). Im Hinblick auf die dis- 
kriminierende Anwendung dieser Strafmaßnahme erinnert 
B'Tselem daran, daß »das Haus von Baruch Goldstern, der bei 
seinem Anschlag auf das Grab der Patriarchen im Jahr 1994 29 
Palästinenser tötete, nicht zerstört wurde. Auch das Haus von 
Shahar Dvir Zeli-ger wurde verschont. Zeliger war der Mit- 
gliedschaft in einer terroristischen Vereinigung überführt wor- 
den, deren Ziel es war, Anschläge auf Araber zu verüben. In 
den Jahren 2001 bis 2003 hatte Zeliger Palästinenser mit 
Schußwaffen angegriffen und Sprengsätze gelegt, um Palästi- 
nenser zu verletzen« (S. 6 Anm. 7; zu diesem Punkt siehe auch 
Amnesty International, linder the Robbie: House Dernolition and 
Destruction ofLand and Property, London, Mai 2004, S. 9). 

3 David Kretzmer, The Occupation of Justice: The Supreme Court of 
Israel and the Occupied Territories, Albany 2002, S. 145; B'Tselem, 
House Demolitions - Statistics, www.btselem.org/english/ 
House_Demolitions/Statistics.asp; B'Tselem, Through No Fault 
of Their Oivn, S. 4-7. 

4 Amnesty International, Dernolition and Dispossession: The De- 
struction of Palestinian Homes, London, Dezember 1999, S. 15 
(vgl. B'Tselem, Through No Fault of Their Oivn, S. 20-24). 

5 Human Rights Watch World Report 1992, New York. Offenbar 
haben auch die Vereinigten Staaten seit ihrer Besetzung des 
Iraks zuweilen auf diese Taktik zurückgegriffen, siehe Kenneth 
Roth, »Letter to Defense Secretary Donald Rumsfeld«, Human 
Rights Watch, 12. Januar 2004. 

375 



Anmerkungen 

6 B'Tselem, House Demolition and Sealing as a Form of Punishment 
in the West Bank and Gaza Strip, Follow-up Report, Jerusalem, 
November 1990, S. 4 (»ohne Gerichtsverfahren«); B'Tselem, 
Through No Fault ofTheir Own, S. 14 (»Autopsie«). 

7 B'Tselem, Through No Fault of Their Own, S. 16 (»Ausnahmen«), 
39-42 (»Bewohner der Region« und »Mit dieser Entscheidung«: 
S. 42); zur Rechtfertigung der Armee für ihren Verzicht auf 
Vorwarnungen sowie zu B'Tselems Widerlegung der vorge- 
brachten Argumente siehe S. 17, 43; zu den in der ursprüngli- 
chen Gerichtsentscheidung genannten Gründen für das Recht 
der Armee, auf Vorwarnungen zu verzichten, sowie zu B'Tse- 
lems Widerlegung der vorgebrachten Argumente siehe S. 41 f. 

8 Zur Diskussion der relevanten völkerrechtlichen Bestimmun- 
gen siehe Yoram Dinstein, »The Israel Supreme Court and the 
Law of Belligerent Occupation: Demolitions and Sealing Off of 
Houses«, in Israel Yearbook on Human Rights, Tel Aviv 1999, S. 
292-295; Kretzmer, Occupation, S. 146-148; Amnesty Interna- 
tional, linder the Rubble, S. 44-46; B'Tselem, The Legal Basis for 
Demolition and Sealing of Houses, www.btselem.org/english/ 
House_Demolitions/Statistics.asp; B'Tselem, Through No Fault 
ofTheir Own, S. 25-41. 

9 B'Tselem, House Demolition and Sealing as a Form of Punish-ment, 
S. 5; B'Tselem, Through No Fault of Their Own, S.47. Völlig un- 
abhängig davon stellt sich auch die Frage, inwieweit diese Art 
der Bestrafung zur Abschreckung taugt. B'Tselem schreibt, es 
lasse sich darüber streiten, wie wirkungsvoll die Maßnahme 
sei, und zitiert einen »hohen Beamten des Verteidi- 
gungsapparats« mit den Worten, daß die Maßnahme »in den 
meisten Fällen« nicht funktioniere. B'Tselem zitiert auch aus 
einem internen Bericht der israelischen Armee, in dem zu lesen 
war, daß »die abschreckende Wirkung von Häuserzerstörun- 
gen nicht erwiesen« sei. »Die Zahl der Anschläge . . . stieg we- 
nige Monate nach Einführung der Maßnahme«, so der Armee- 
bericht (ebd., S. 46f). 

10 »Symposium on Human Rights (Tel Aviv, July 1971)«, in Israel 
Yearbook on Human Rights, Tel Aviv 1971, S. 376f . 

11 Dinstein, »Demolitions«, S. 302f. Im allgemeinen ist Dinstein im 
israelischen Mainstream zu verorten; so befürwortet der Jurist 
beispielsweise politische Liquidierungen, siehe Anthony Dwor- 
kin, »Defence or murder?«, Guardian, 30. März 2004. Abgelehnt 

376 



Kapitel 7 

wird Dershowitz' Argumentation auch von Kretzmer, siehe 
Occupa-tion, S. 147, 233 Anm. 9. 

12 B'Tselem schreibt, daß »32 Prozent der mutmaßlichen Straftäter 
zur Zeit der Zerstörung inhaftiert waren, 21 Prozent als >ge- 
sucht< galten, und 47 Prozent tot waren«. Des weiteren berichtet 
B'Tselem, daß »es sich bei manchen Häusern, die von Zerstö- 
rungen betroffen waren, um Gebäude handelte, in denen der 
Verdächtige nur zur Miete wohnte«. In solchen Fällen »waren 
die Hauseigentümer, die mit der betreffenden Tat des Verdäch- 
tigen nicht das geringste zu tun hatten, zumindest im Hinblick 
auf den materiellen Verlust die Hauptleidtragenden«. Und 
schließlich zerstörte die israelische Armee hin und wieder ab- 
sichtlich »Häuser, die in unmittelbarer Nachbarschaft des Ge- 
bäudes lagen, in dem der Verdächtige gewohnt hatte . . . Wenn 
die Bewohner dieser Häuser zur Großfamilie des Verdächtigen 
gehören, ist dies die gängige Praxis.« Bei fast der Hälfte der 
rund 600 Häuser, die Israel seit Beginn der zweiten Intifada als 
Strafmaßmahme zerstört hat, handelte es sich nicht um Häuser, 
die der Kernfamilie des Verdächtigen gehörten, sondern um 
»die Häuser, die neben dem Wohnhaus des Verdächtigen stan- 
den« (B'Tselem, Through No Fault ofTheir Own, S. 9-13). 

13 Amnesty International, linder the Rubble, S. 11; B'Tselem, »De- 
molition and Sealing of Houses as Punishment«, www.btse- 
lem.org/english/House_Demolitions/index.asp; Al-Haq (Law 
in the Service of Man), Punishing a Nation: Human Rights Violati- 
ons during the Palestinian Uprising, December 1987 - December 
1988 (December 1988), S. 225. 

14 Kretzmer, Occupation, S. 149; siehe auch Dinstein, »Demoli- 
tions«, S. 296. 

15 Alan M. Dershowitz, Why Terrorism Works: Understanding the 
Threat, Responding to the Challenge, New Haven 2002, S. 29, 117- 
119. 

16 Kretzmer, Occupation, S. 149f; siehe auch Dinstein, »Demoliti- 
ons«, S. 298f. 

17 Dershowitz, Why Terrorism Works, S. 118f. 

18 B'Tselem, Legal Basis. 

19 Alan M. Dershowitz, Chuzpe, Europäische Verlagsanstalt: Ham- 
burg 2000, S. 182. [AlanM. Dershowitz, Chutzpah, Boston 1991.] 

20 Alan Dershowitz, »Defending against Terrorism within the 
Rule of Law«, www.herzliyaconference.org. 

377 



Anmerkungen 

21 Alan M. Dershowitz, »New response to Palestinian terrorism«, 
Jerusalem Post, 11. März 2002. 

22 Yehoshafat Harkabi, Israels Fateful Hour, New York 1986, S. 101. 
Harkabi schreibt: »Den Libanonkrieg als den >Krieg für den 
Frieden in Galiläa< zu bezeichnen war mehr als nur unpassend. 
Ehrlicher wäre es gewesen, ihn als den >Krieg zur Sicherung 
der Besatzung des Westjordanlandes< zu bezeichnen«; siehe 
auch Meron Benvenisti, Intimate Enemies, Berkeley 1995, S. 79; 
Generalmajor Avraham Tamir, A Soldier in Search ofPeace, New 
York 1988, S. 93, 116, 117, 122; sowie Shimon Shamir, »Israeli 
Views of Egypt and the Peace Process«, in William Quandt 
(Hg.), The Middle East, Washington/ D.C, 1988, S. 207. Avner 
Yaniv, Dilemmas of Security, New York 1987, S. 127f. (Um- 
fragen); Noam Chomsky, Fateful Triangle, Boston 1983, S.221 
(Opferzahlen), 253f. (Umfragen) [bei der deutschsprachigen 
Ausgabe dieses Werks (Noam Chomsky, Offene Wunde Nahost: 
Israel, die Palästinenser und die US-Politik, Europa: Ham- 
burg/Wien 2002) handelt es sich um eine stark gekürzte Fas- 
sung; das zitierte Libanon-Kapitel ist darin nicht enthalten; 
Anm. d. Ü.]; Robert Fisk, Pity the Nation, New York 1990, S.257, 
418f. (Opferzahlen); UN. General Assembly Resolution 37/134, 
Assistance to the Palestinian People, 17. Dezember 1982. 

23 Joel Brinkley, »Majority in Israel Oppose P.L.O. Talks Now, 
Poll Shows«, New York Times, 2. April 1989. Zu Israels unge- 
heuerlichen Menschenrechtsverletzungen während der ersten 
Intifada siehe Norman G. Finkelstein, Palästina: Ein persönlicher 
Bericht über die Intifada, Diederichs: Kreuzungen/ München 
2003, Kap. 3. [Norman G. Finkelstein, The Rise and Fall ofPales- 
tine: A Personal Account ofthe Intifada Years, Minneapolis 1996.] 

24 Jessica Montell, »Operation Defensive Shield: The Propaganda 
war and the reality«, Tikkun, Juli/ August 2002; zu den israeli- 
schen Verbrechen während der »Operation Schutzschild« siehe 
den Abschnitt »Keinerlei Hinweise« in Kapitel 4. 

25 Zur weiteren Diskussion siehe Finkelstein, Palästina [Rise and 
Fall], Kap. 4. 

26 Zu dieser Gerichtsentscheidung siehe Finkelstein, Beyond 
Chutzpah, S. 216f. 

27 B'Tselem, Demolishing Peace: Israel 's Policy of Mass Demolition of 
Palestinian Houses in the West Bank, Jerusalem, Dezember 1997, 
S. 2, 26f, 30, 34-36, 39. 

28 Amnesty International, Demolition and Dispossession: The Destruc- 



Kapitel 8 

struction of Palestinian Homes, London, Dezember 1999, S. 1, 2, 
11, 14, 17, 19, 20f., 23, 24f. Siehe auch Amnesty International, 
linder the Rubble, Teil 5 (»Demolitions of unlicensed houses: 
discriminatory planning and building policies and enforcement 
measures«). 

29 B'Tselem, Through No Fault ofTheir Own, S. 4. 

30 B'Tselem, Volley of Destructlon: House Demolitions and Destruc- 
tion of Agricultural Land in the Gaza Strip, Jerusalem, Februar 
2002, S. 2, 6, 8, 10, 24, 28f., 32, 35f. 

31 Amnesty International, linder the Rubble, S. 1, 7,12, 14,16,17,24, 
46; siehe auch Amnesty International, »Wanton destruetion 
constitutes a war crime«, Presseerklärung, 13. Oktober 2003. 

32 Human Rights Watch, Razing Rafah: Mass Home Demolitions in 
the Gaza Strip, New York, Oktober 2004, S.2, 3, 4-6, 9f., 15, 18f ., 
20, 41-54, 63, 68f, 94-97, 113-115; siehe auch Human Rights 
Watch, »Israel: End Unlawful Use of Force against Civilians in 
Gaza: Israeli Government Should Repudiate Plans for Mass 
House Demolition«, 20. Mai 2004. 

33 B'Tselem, Through No Fault ofTheir Own, S. 4. 

34 Human Rights Watch, Jenin: IDF Military Operations, New York, 
Mai 2002, Abschnitt 2, S. 2. 

35 Amnesty International, Shielded from Scrutiny: IDF Violations in 
Jenin and Nablus, London, November 2002, S. 7,10,12; siehe auch 
Amnesty International, Killing the Future: Children in the Line of 
Fire, London, September 2002, S. 7, sowie Amnesty Interna- 
tional, »Demolition of houses is an act of collective punish- 
ment«, 14. Januar 2002. 

36 B'Tselem, Operation Defensive Shield: Soldiers' Testimonies, Pales- 
tinian Testimonies, Jerusalem, September 2002, S. 12-14. 

37 B'Tselem, Policy of Destruetion, S. 8; Human Rights Watch, 
»Gaza: IDF House Demolition Injures Refugees«, Presseerklä- 
rung, 24. Oktober 2002. 



Kapitel 8: Abgeschnürte Lebensader 

1 Palestine Royal Commission Report, London 1937, S. 125-130 (vgl. 
S.241). 

2 Auf die Unterstützung, die der »Transfer«-Gedanke (die Ver- 
treibung der Araber aus Palästina) durch weite Teile der zioni- 
stischen Bewegung erfuhr, bin ich an anderer Stelle näher ein- 

379 



Anmerkungen 

gegangen, siehe Norman G. Finkelstein, Image andReality ofthe 
Israel-Palestine Conflict. Zweite, erweiterte Ausgabe, London/ 
New York 2003 (Erstausgabe: 1995), S. xii; siehe auch die dort 
angegebenen Quellen. [Norman G. Finkelstein, Der Konflikt 
zwischen Israel und den Palästinensern: Mythos und Realität, Die- 
derichs: Kreuzlin-gen/ München 2002, S. 8.] 

3 Sara Roy, The Gaza Strip: The Political Economy of De-Develop- 
ment, Washington/D. C. 1995. 

4 Ebd., S. 3-5. Zu den Besonderheiten der israelischen Wirtschafts- 
politik in den besetzten Gebieten siehe vor allem Kap. 5, wo Roy 
zum Beispiel schreibt: 

»Bei der Untersuchung des Gazastreifens wird ein Komplex ei- 
gentümlicher Bedingungen, werden neue Unterentwicklungsar- 
ten und -mechanismen sichtbar, die man in anderen Dritte- Welt- 
Ländern so gemeinhin nicht antrifft. Diese neuartigen Unterent- 
wicklungsarten und -mechanismen lassen sich nicht durch beste- 
hende Entwicklungstheorien erklären. Der speziellen Art von 
Unterwicklung im Gazastreifen liegt eine israelische Politik 
zugrunde, die den wirtschaftlichen Aspekt politisch-nationalen 
Erwägungen unterordnet. Ausdruck dieser Politik ist die Tatsa- 
che, daß es Israel wichtiger ist, Land hinzuzugewinnen, als das 
Wirtschaftspotential der in diesem Land lebenden Menschen aus- 
zunutzen. Israels ideologisches Ziel, einen starken jüdischen Staat 
zu schaffen, wog schon immer schwerer als der Wunsch oder die 
Notwendigkeit, aus der wirtschaftlichen Ausbeutung der palästi- 
nensischen Bevölkerung Profit zu schlagen, obwohl es für diese 
Ausbeutung durchaus Beispiele gibt. Israel hat manche Segmente 
der palästinensischen Bevölkerung vertrieben und andere ihrer 
Wirtschaftskraft und Ressourcen beraubt. In der jüngeren palästi- 
nensischen Geschichte ist Israel die erste Besatzungsmacht, die 
die Palästinenser vorsätzlich und mit Gewalt ihres Landes, ihres 
Wassers und ihrer Arbeitskraft beraubt hat.« (S. 128) 
Zu Israels Strategie, einzelnen Palästinensern einen gewissen 
Wohlstand zuzubilligen und gleichzeitig den Ruin der palästi- 
nensischen Wirtschaft zu betreiben, siehe vor allem das sechste 
Kapitel in Roys Studie. 

5 Ebd., S. 165-167, 175-181. Die für die jüdische Siedlerbevölke- 
rung genannten Zahlen stammen aus dieser Studie. 

6 B'Tselem, Thirsty for a Solution: The Water Crisis in the Occupied 
Territories andlts Resolution in the Final-Status Agreement, Jeru- 

380 



Kapitel 8 

salem, Juli 2000, S. 3f., 8 (»diskriminierend und ungerecht«), 38, 
43f. (»Rotationsprinzip«). Die Daten für das Westjordanland 
und den Gazastreifen kann man nicht genau miteinander ver- 
gleichen. So schließt das für den Gazastreifen genannte Ver- 
hältnis zwischen jüdischem und palästinensischem Wasserver- 
brauch den bedeutenden Agrarsektor mit ein, während bei 
dem für das Westjordanland genannten Verhältnis nur der 
häusliche, städtische und industrielle Verbrauch berücksichtigt 
wurde; überdies bezieht sich das für den Gazastreifen genannte 
Verhältnis des Wasserverbrauchs auf einen Vergleich zwischen 
jüdischen Siedlern und den dort lebenden Palästinensern, wäh- 
rend das für das Westjordanland genannte Verhältnis auf ei- 
nem Vergleich zwischen dem Verbrauch der dort lebenden 
Palästinenser und der israelischen Gesamtbevölkerung beruht. 

7 B'Tselem, Land Grab: Israel's Settlement Volley in the West Bank, 
Jerusalem, Mai 2002, S. 81. 

8 Ebd., S. 12 (200000), 31 (beinahe die Hälfte), 94 (»miteinander 
verbunden«), 95 (mehr als 40 Prozent), 104 (Schlußfolgerung). 
Zu den wichtigsten Ergebnissen dieses Berichts zählen auch die 
folgenden Feststellungen: Während der Jahre des Osloer »Frie- 
densprozesses« verdoppelte sich die Anzahl der jüdischen 
Siedler im Westjordanland beinahe; inklusive Ost-Jerusalem 
stieg die Anzahl der jüdischen Siedler im Westjordanland von 
247000 auf 375 000; nicht eine einzige jüdische Siedlung wurde 
aufgegeben; und der stärkste Anstieg von Wohneinheiten war 
im Jahr 2000 unter der Regierung Barak zu verzeichnen (S. 4, 
12). Im Jahr 2003 nannte das Israelische Zentralamt für Statistik 
die Zahl von 220000 jüdischen Siedlern im Westjordanland 
(ohne Ost-Jerusalem). 

9 George Abed, »Beyond Oslo: A Viable Future for the Palestin- 
ian Economy«, in Sara Roy (Hg.), The Economlcs of Mlddle East 
Peace: A Reassessment, Research in Middle East Economics, Bd. 
3, Middle East Economic Association, Stamford/ Connecticut 
1999, S. 46f. 

10 Meron Benvenisti, 1986 Report: Demographic, Economic, Legal, 
Social and Political Developments in the West Bank, Boulder/ 
Colorado 1987, S. 18f; Arie Arnon u.a., The Palestinian Economy: 
Between Imposed Integration and Voluntary Separation, New York 
1997, S. 30-34; Roy, Gaza Strip, S. 195. 

11 U.N. Commission on Human Rights, The Right to Food: Report 

381 



Anmerkungen 

by the Special Rapporteur, Jean Ziegler; Addendum, Mission to the 
Öccupied Palestinian Territories, 31. Oktober 2003 (E/CN.4/2004 
/10/Add.2). 

12 World Bank, Twenty-Seven Months - Intifada, Closures and Pale- 
stinian Economic Crisis: An Assessment, Jerusalem, Mai 2003, S.xi- 
xiv (»zusammenhalten«: S. xiii), 8 (»Unterernährung«; vgl. 
S.36f), 9, 21, 24f., 31, 33f. (»bemerkenswert«), 48 (UNRWA), 52f, 
57. Laut dieser Studie hat Israel bei seinen Militäroperationen bis 
Dezember 2002 »reinen Sachschaden« in Höhe von fast einer 
Milliarde Dollar verursacht. »Wenn der Geräteverschleiß und 
die Abnutzung der Infrastruktur hinzugerechnet werden, be- 
läuft sich der Schaden auf annähernd 1,7 Milliarden Dollar.« Bei 
der Betrachtung der einzelnen Sektoren stellte sich heraus, daß 
»der angerichtete Schaden vor allem die öffentliche Infrastruktur 
betraf« (d. h. Straßen und Gehwege, Wasserversorgung und 
Abwasserentsorgung, Stromversorgung und Straßenbeleuch- 
tung, Mülleimer und Müllabfuhr usw.), wobei »diese Infrastruk- 
tur größtenteils von Geberländern finanziert wird« (S. xi, 17-19). 

13 Ebd., S. xii, xvii, 82. 

14 Amnesty International, Surviving under Siege: The Impact of 
Movement Restrictions on the Right to Work, London, Septem- 
ber 2003, S. 2 (»Einige Dörfer«, »Weg von wenigen Kilome- 
tern«), 11 (»noch nie in ihrem Leben verlassen«), 12 (»Haupt- 
straßen«), 16 (»Ausgangssperren«), 17 (»stundenlang in ihren 
Fahrzeugen«), 19 (»tödliche Gewalt«), 25 (»Recht auf Arbeit«). 

15 Ebd., S. 15 (»verträgt sich nicht«), 24f. (»nicht nur das Recht«, 
»unterschiedslos«, »Je mehr«, »wesentlicher Unterschied«). 

16 Ebd., S. 35f. (»sehr gering«, »diskriminierend«), 38 (»abzuschot- 
ten«). 

17 Ebd., S. 5 (»gegenwärtige Praxis«), 7 (»unverhältnismäßig«). 

18 Ori Nir, »Israel Fears Isolation, Sanctions over Fence«, Forward, 
9. Januar 2004 (»beratend«, »Känguruh-Gerichtshof«, »einem 
Schwarzen«, »Schweden«, »ausgemachte Sache«); Andrew C. 
Esensten, »Dershowitz Advises Israel on Wall Dispute«, Harvard 
Crimson, 24. Februar 2004 (»völlig groteskes«, »letzte Option«, 
»Känguruh-Gerichtshof«); Alan Dershowitz, »The case against 
picking on Israel«, The Australian, 8. Mai 2004 (»rassistisch«). 
Zum Hintergrund der Beratungen des Internationalen Gerichts- 
hofs siehe vor allem Andreas Mueller, »Crippled Justice: Lim- 
ping towards the Wall«, Newsfrom Within, März/ April 2004. 

382 



Kapitel 8 

19 U.N. Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, New 
WallProjections, New York, 9. November 2003 (»schwere hu- 
manitäre Folgen«, »Privileg«); B'Tselem, Behind the Barrier: Hu- 
man Rights Violations as a Result of Israels Separation Barrier, Posi- 
tion Paper, Jerusalem 2003, S. 13f. (»Hunderttausende Palästinen- 
ser«), 15-17 (»sehr schwer«), 19f. (»versteckten Enteignung«, 
»Erdboden gleichgemacht« und geraubte Olivenbäume); Report 
of the Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, John 
Dugard, on the Situation of human rights in the Palestinian territories 
occupied by Israel since 1967, submitted in accordance voith Commis- 
sion resolution 1993/2A (E/CN.4/2004/6), New York, 8. Septem- 
ber 2003 (geschlossene Läden); Anti-Apartheid Wall Campaign Fact 
Sheet: The Walls »First Phase«, www.stopthe wall.org (Zahl der 
entwurzelten Olivenbäume). Zu einer detaillierten Analyse der 
wirtschaftlichen Auswirkungen der Mauer auf das Leben der 
Palästinenser siehe vor allem: The Impact of Israels Separation 
Barrier on Affected West Bank Communities: A Pollow-up Report to 
the Humanitarian and Emergency Policy Group (HEPG) and the 
Local Aid Coordination Committee (LACC), 31. Juli 2003. Weitere 
Informationen dazu, daß israelische Soldaten die Mauerüber- 
gänge derzeit »in unregelmäßigen Abständen und unvorher- 
sehbar« schließen, sowie zu der israelischen Willkür in bezug 
auf die Ausstellung »dauerhafter Wohngenehmigungen« von 
Palästinensern siehe Amnesty International, The Place of the Fen- 
ce/Wall in International Law, London, Februar 2004, S. 9f, sowie 
Oxford Public Interest Lawyers (OXP1L) for the Association for 
Civil Rights in Israel (ACRI), Legal Consequences of Israels Con- 
struction ofa Separation Barrier in the Occupied Territories, Uni- 
versität Oxford, Februar 2004, S. 35f., 40. Zur Enteignung palä- 
stinensischen Landes im Zuge des Mauerbaus sowie zu dem 
Hinweis, daß diese Praxis, selbst wenn militärische Notwen- 
digkeit gegeben wäre, gegen das Völkerrecht verstößt, siehe 
B'Tselem, Behind the Barrier, S. 37f; Amnesty International, The 
Place of the Fence/Wall, S. 10f.; sowie OXPIL for ACRI, Legal Con- 
sequences of Israels Construction, S. 21-23 (»Entschädigung«), 38- 
40. Alle Zahlen, die im obigen Text bezüglich der durch den 
Mauerbau geschädigten Palästinenser genannt werden, sind als 
Anhaltspunkte für die Größenordnung zu verstehen; zum Ver- 
gleich der unterschiedlichen Schätzungen siehe ebd., S. 6. 

20 B'Tselem, Behind the Barrier, S. 28-31; Amnesty International, 

383 



Anmerkungen 

The Place of the Fence/Wall, S. 4 (»nichts Ungesetzliches«), 14 
Anm. 15; OXPIL for ACRI, Legal Consequences of Israel' s Con- 
struction, S. 17f. (»keine Sorge«). 

21 Amnesty International, The Place of the Fence/Wall, S. 6 (»Kriegs- 
verbrechen«); Human Rights Watch, »Letter to President Bush 
on Israel Loan Guarantees and Separation Barrier«, New York, 
30. September 2003 (»weiteres Vordringen«); B'Tselem, Behind 
the Barrier, S. 32f. (»wahre Grund«); Human Rights Watch, Is- 
raels »Separation Barrier« in the Occupied West Bank: Human 
Rights and International Humanitarian Law Consequences, A 
Human Rights Watch Briefing Paper, New York, Februar 2004, S. 
4 (»anzuschließen«); Human Rights Watch, »Israel: West Bank 
Barrier Endangers Basic Rights: U.S. Should Deduct Costs from 
Loan Guarantees«, Presseerklärung, 1. Oktober 2003 (»ab- 
zuziehen«). Zur Vertreibung der Palästinenser, die derzeit auf 
der israelischen Seite der Mauer wohnen, sowie zum Mauer- 
teilstück im Jordantal und zur Reduzierung des palästinensi- 
schen Landes auf die Hälfte des Westjordanlandes siehe vor 
allem Amnon Barzilai, »The fence: A path to voluntary trans- 
fer«, Haaretz, 18. Februar 2004. Zum Bantustan vergleich siehe 
Finkelstein, Image and Reality, S. xxvii und Kap. 7. [Finkelstein, 
Konflikt, S. 26; das siebte Kapitel liegt nicht in deutscher Über- 
setzung vor; Anm. d. Ü.] 

22 Das Rechtsgutachten (»advisory opinion«) des Internationalen 
Gerichtshofs (International Court of Justice, »Legal Consequences 
of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Ter- 
ritory«, General List, Nr. 131, 9. Juli 2004) und die Erklärung des 
amerikanischen Richters (»Declaration of Judge Buergenthal«) 
finden sich unter www.iq-cij.org/iqwww/idocket/imwp/ 
imwpframe.htm. Ende Juni 2004 hielt es Israels Oberstes Gericht 
angesichts der weltweiten Empörung offenbar für gescheiter, bei 
dem Antrag des Gemeinderats von Beit Sourik gegen die israeli- 
sche Regierung nicht hundertprozentig der Regierungslinie zu 
folgen; Sinn und Zweck der Übung bestanden offenbar darin, die 
Glaubwürdigkeit des Obersten Gerichts ein Stück weit zu erhal- 
ten und der bevorstehenden Entscheidung des Internationalen 
Gerichtshofs etwas von ihrer Schärfe zu nehmen {Beit Sourik Villa- 
ge Council v. The Government of Israel, HCJ 2056/04): Israels Ober- 
stes Gericht forderte die israelische Regierung auf, den Verlauf 
der Mauer leicht abzuändern, um den humanitären Schaden zu 

384 



Kapitel 9 

verringern. Ungeachtet der Beweislage und der von Menschen- 
rechtsorganisationen präsentierten Untersuchungsergebnisse 
stützte das Oberste Gericht jedoch die Behauptung der israeli- 
schen Regierung, daß der Bau der Mauer »aus Sicherheitsgrün- 
den« erfolge. Dies habe die Regierung dem Gericht versichert, 
und »wir haben keinen Grund, an [ihrer] Aufrichtigkeit zu zwei- 
feln«; das Oberste Gericht bekräftigte auch, daß es seiner Mei- 
nung nach legal ist, eine Mauer zu bauen, die tief in besetztes 
Gebiet hineinragt (Abs. 28-32, 44-45). Noch ist der genaue Mau- 
erverlauf ungeklärt, doch würde die neue Route vermutlich zu 
einer Reduzierung der betroffenen Fläche des Westjordanlandes 
um rund 2,5 Prozent führen (von 12,7 auf 10,1 Prozent). Siehe 
United Nations Office f or the Coordination of Humanitarian Af- 
fairs, »Preliminary Analysis of the Humanitarian Implications of 
February 2005 Barrier Projecti-ons«, Ost-Jerusalem, Februar 2004. 

Kapitel 9: Unrechtsprechung 

1 Zur Kritik von Menschenrechtsorganisationen und israelischen 
Rechtsgelehrten an Entscheidungen des Obersten Gerichts sie- 
he auch Finkelstein, Beyond Chutzpah, S. 210-212. 

2 B'Tselem, »Israel's Contempt for Fundamental Legal Princi- 
ples«, Presseerklärung, 15. Juli 1998. 

3 David Kretzmer, The Occupation of Justice: The Supreme Court of Is- 
rael and the Occupied Territories, Albany 2002, S. 2f. (das Binnenzitat 
über das »Image des Gerichts« stammt aus einem in einer israeli- 
schen Fachzeitschrift abgedruckten Artikel), 61, 163, 187f. 

4 Ebd., S. 81, 138, 152. 

5 Greg Myre, »Trial of Palestinian Leader Focuses Attention on 
Israeli Courts«, New York Times, 5. Mai 2003. 

6 Ajuri v. IDF Commander (HCJ 7015/02), S. 26f. Ahmed Ajuri 
wurde auf der gleichen Basis verurteilt (S. 29). 

7 Amnesty International, »Forcible transfers of Palestinians to Gaza 
constitutes a War Crime«, Presseerklärung, 3. September 2002. 

8 Amnesty International, »Fear of forcible transfer«, Eilaktion, 15. 
Oktober 2003. 

9 Human Rights Watch, Without Status or Protection: Lebanese De- 
tainees in Israel, New York, Oktober 1997. Im März 2000 nah- 
men israelische Gerichte den Antrag von einem dieser libane- 
sischen Häftlinge an, der angab, in israelischer Gefangenschaft 

385 



Anmerkungen 

gefoltert und vergewaltigt worden zu sein. Zur israelischen Fi- 
nanzierung, Kontrolle und Aufsicht der berüchtigten Haftanstalt 
Khiam im Südlibanon, wo Dutzende Libanesen bis zu 15 Jahre 
lang als Geiseln festgehalten wurden und wo »Folter gang und 
gäbe war«, siehe Amnesty International, The Khiam Detainees: 
Torture and Ill-treatment, London, Mai 1992; Aviv Lavie, »Khiam 
Prison in the Security Zone: A Nazi-type Concentration Camp«, 
Hair undKolHair, 17. Januar 1997; Amnesty International, Israels 
Forgotten Hostages: Lebanese Detainees in Israel and Khiam Detention 
Centre, London, Juli 1997; Amnesty International, »Fear of tor- 
ture and ill-treatment« (legal concern, 18. April 2000); Amnesty 
International, »Amnesty International welcomes Khiam releases, 
calls for respect for human rights Standards«, Presseerklärung, 
23. Mai 2000; Amnesty International, »> Where is the door?< Let- 
ter from an Amnesty International delegation visiting Khiam 
deten-tion centre in South Lebanon«, Presseerklärung, 30. Mai 
2000; sowie Human Rights Watch, »Israel's Withdrawal from 
South Lebanon: The Human Rights Dimensions«, Presseerklä- 
rung, Mai 2000 (»gang und gäbe«). Amnesty brachte über Khi- 
am folgendes in Erfahrung: Es gab dort »systematische Folte- 
rungen, darunter Elektroschocks und Schläge mit Elektrokabeln; 
oft wird der Häftling zuvor mit Wasser Übergossen«; »Häftlinge 
bezeugten, daß israelisches Personal direkt an den Verhören und 
Folterungen beteiligt war«; »elf Häftlinge sind gestorben,... 
manche aufgrund von Folter, andere aufgrund mangelnder me- 
dizinischer Versorgung«; »der Leiter der Operationsabteilung 
der israelischen Armee gab zu,. . . daß Mitglieder des israelischen 
Inlandgeheimdienstes... >jedes Jahr mehrere Treffen mit den 
[libanesischen] Verhörspezialisten des Khiam-Gefängnisses ab- 
halten< ... [und] daß die Gehälter der Verhörspezialisten des 
Khiam-Gefängnisses ... von der israelischen Armee bezahlt 
würden« (Israel's Forgotten Hostages, S. 8, 10; »Fear of torture and 
ill-treatment«). 

10 Amnesty International, »Supreme Court to rule on torture and 
the holding of hostages«, 25. Mai 1999, und Amnesty Interna- 
tional, »Israeli Government should release all Lebanese hos- 
tages«, Presseerklärung, 12. April 2000. 

11 Plonim v. Minister of Defense (A.D.A. 10/94) in Israel Yearbook on 
Human Rights, Tel Aviv 2000, S. 337f; vgl. Human Rights 
Watch, Human Rights Watch Submission to the Human Rights 
Committee, New York, 13. Juli 1998 (Barak-Zitat). 

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Kapitel 9 

12 Amnesty International, »Israeli Supreme Court endorses hosta- 
ge-taking«, Presseerklärung, 6. März 1998. 

13 B'Tselem, »Israel's Contempt for Fundamental Legal Principles«. 

14 Plonim v. Minister of Defense (Cr. RH. 7048/97) in Israel Yearbook 
on Human Rights, 2000, S. 343, 345 (bei allen Barak-Zitaten han- 
delt es sich um die Paraphrase des Israel Yearbook on Human 
Rights). 

15 Amnesty International, Jahresbericht 2001, Fischer: Frankfurt am 
Main 2001, »Israel und besetzte Gebiete«, S. 264. [In der 
deutschsprachigen Ausgabe des Jahresberichts fehlt der Hin- 
weis darauf, daß die beiden Häftlinge »ohne jede Möglichkeit 
der Verbindung mit der Außenwelt gelassen« wurden; Hinzu- 
fügung entsprechend dem englischen Original, Amnesty Inter- 
national Report 2001 (»continued to be held incommunicado in a 
secret place of deten-tion as hostages«); Anm. d. Ü.]; siehe auch 
Human Rights Watch, »Israel's Withdrawal from South Leba- 
non: The Human Rights Dimensions«, Mai 2000. Zur Freilas- 
sung der anderen libanesischen Geiseln siehe B'Tselem, »Leba- 
nese Hostages Held in Israel«, www.btselem.org. 

16 »Israel, the Occupied West Bank, Gaza Strip, and Palestinian 
Authority Territories« in Human Rights Watch World Report 

2001, New York (»für rechtmäßig erklären«); Amnesty Interna- 
tional, »Detention as hostages«, Presseerklärung, 22. Juni 2000; 
sowie Human Rights Watch, »Background Briefing: Israel's 
Proposed Tmprisonment of Combatans Not Entitled to Pris- 
oner of War Status Law<«, Juni 2000, www.hrw.org/back- 
grounder/ mena/ isr0622-back.htm. 

17 »Israel, the Occupied West Bank, Gaza Strip, and Palestinian 
Authority Territories« in Human Rights Watch World Report 

2002, New York. 

18 »Israel, the Occupied West Bank, Gaza Strip, and Palestinian 
Authority Territories« in Human Rights Watch World Report 

2003, New York. 

19 Alan M. Dershowitz, Why Terrorism Works: Understanding the 
Threat, Responding to the Challenge, New Haven 2002, S. 214-217 
(»Präsident Bush«), 242f. (»keinerlei Bestimmungen«). 

20 Amnesty International, The Military Justice System in the Occu- 
pied Territories: Detention, Interrogation and Trial Procedures, 
London, Juli 1991, S. 5-7, 20f . 

21 B'Tselem, Detained without Trial: Administrative Detention in the 

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Anmerkungen 

Occupied Territories since the Beginning of the Intifada, Jerusalem 
1992, S. l-33passim. 

22 B'Tselem, Prisoners of Peace: Administrative Detention during the 
Oslo Process, Jerusalem 1997, S. 1-51 passim. 

23 Human Rights Watch, Israel 's Record of Occupation: Violations of 
Civil and Political Rights, New York 1998, S. 2f . 

24 B'Tselem, »Administrative Detention«, www.btselem.org/Eng- 
lish/Administrative_Detention/index.asp. 



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